Von besonderer Bedeutung sind die im Rahmen
humanökologischer Überlegungen entwickelten Modelle von Gesellschaft,
die sich von den Gesellschaftskonzepten der Sozialwissenschaften sehr
deutlich unterscheiden. Die Mainstream-Soziologie ist durch ein
grundlegendes Axiom gekennzeichnet. Es lautet: „Soziales darf/kann nur
durch Soziales erklärt werden“. Damit hat sich die Soziologie von
anderen Humanwissenschaften abgegrenzt und von bio- oder
geodeterministischen Kausalzuschreibungen distanziert. Dementsprechend
fasst die Soziologie „Gesellschaft“ als eine rekursive (auf sich selbst
rückverweisende) kommunikative Struktur auf. Mit dieser
konstruktivistischen Konzeption gerieten allerdings die Zusammenhänge
zwischen Gesellschaft und der materiellen Welt aus dem Blickfeld
der Sozialwissenschaften. Aus dieser Perspektive kann zwar untersucht
werden, wie Gesellschaften ihr Verhältnis mit der materiellen Welt in
Kommunikationsprozessen thematisieren (vgl. N. LUHMANN, 1986), nicht
aber die „reale“ stofflich-energetische Struktur“ der Interaktion.
Um
Gesellschaft-Umwelt-Beziehungen angemessen und umfassend darstellen zu
können, sind also Ansätze gesucht, welche die konstruktivistische
Gesellschaftskonzeption mit einer Perspektive verknüpfen, von der aus
gleichermaßen auch die materiellen und körperlichen Komponenten der
sozialen Welt thematisiert werden können. Ein derartiges
Gesellschaftsmodell wurde von der Arbeitsgruppe „Soziale Ökologie“ der
Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung der Universität
Klagenfurt vorgelegt (http://www.iff.ac.at/socec/;
zuletzt besucht 6. 2. 2005). Von dieser humanökologisch ausgerichteten
interdisziplinären Forschungsgruppe wird das Gesellschaft-Umweltproblem
über die Untersuchung des gesellschaftlichen Metabolismus
(Stoffwechsels) dargestellt.
Bei diesem Modell
(Abb.) wird neben der rekursiven kommunikativen Komponente der
gesellschaftlichen Sinnkonstitution auch die physisch-materielle
Komponente des Sozialsystems berücksichtigt. Dabei wird über das Konzept
der Population die reale Körperlichkeit des Menschen
berücksichtigt. Die Aktivitäten der Population in der materiellen Welt
werden dabei von den Gegebenheiten der symbolischen Kommunikation und
den daraus entstehenden Kultur- und Sinnsystemen gesteuert. Durch den
Prozess der „Kolonisierung“, der durch Arbeit und Aneignung
konkretisiert wird, sind Populationen mit naturalen Ökosystemen in Form
physisch-materieller Beziehungen verknüpft. Die hier ablaufenden
Handlungen erzeugen einen Stoffwechsel zwischen Gesellschaft und
sozialen Systemen, der neben einer somatischen (körpereigenen) auch eine
extrasomatische (technische) Komponente aufweist. Im Gefolge dieser
Kolonisierungsprozesse, durch die Elemente der physisch-materiellen Welt
neu geordnet, verändert und umstrukturiert werden, entsteht jenes Gefüge
von Artefakten, das in der klassischen Geographie als „Kulturlandschaft“
bezeichnet wurde. Entscheidend bei diesem Ansatz ist die Ausweitung des
Gesellschaftsbegriffs, dem damit auch eine stofflich-materielle und
körperliche Komponente zugeschrieben wird. Es kommt auch
unmissverständlich zum Ausdruck, dass weite Bereiche der sozialen Welt
als hybride Systeme anzusehen sind.