Die in der Humanökologie thematisierte Frage
nach den Zusammenhängen und Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt
(bzw. zwischen „Natur“ und „Kultur“) kann auch als zentrale
Problemstellung der „klassischen“ Geographie angesehen werden. Als
theoretische Hintergrundpositionen zur Begründung und inhaltlichen
Umsetzung dieses Erkenntnisinteresses dienten die Konzepte „Land“ und
„Landschaft“. In der Landschaft, die als Integrationsprodukt oder
Systemzusammenhang aller Geofaktoren angesehen wurde, würde sich der
Zusammenhang zwischen Natur und Kultur in seiner konkreten
Gegenständlichkeit äußern. Dies gelte auch für die Länder, die als
einmalige und historisch gewachsene „Raumindividuen“ komplexe
Vergesellschaftungen von Landschaften darstellen würden. In diesem
Kernparadigma der klassischen Geographie wird also eine spezifische
Zugangsweise zur Darstellung der Wechselwirkungen zwischen „Natur“ und
„Kultur“ gewählt, die über „Raumorganismen“ fassbar und konkretisiert
wird.
Anfang der 1960er Jahre
kam diese klassische Konzeption der Geographie in eine ernsthafte
Grundlagenkrise und die Konzeptionen der Landschaften und Länder wurde
zunehmend kritisiert und letztlich verworfen. Damit kam der
geographischen Gesellschaft-Umwelt-Forschung die fachspezifische
theoretische Hintergrundposition abhanden, die disziplinäre Einheit
löste sich immer mehr auf, und die beiden Teilfächer Humangeographie und
Physiogeographie drifteten zunehmend auseinander. Der weitaus
überwiegende Teil der aktuellen Forschungsfragen der Humangeographie hat
nichts mit der klassischen Mensch-Umwelt-Problematik zu tun. Auch weite
Bereiche der Physiogeographie lassen sich heute nicht mehr dieser
Thematik zuordnen. Konkrete Kooperationen und gemeinsame „integrative“
Projekte zwischen Physio- und Humangeographen kommen gegenwärtig
ausgesprochen selten vor.
Dennoch wird neuerdings
immer wieder der Ruf nach einer „Reintegration“ der beiden
Hauptarbeitsrichtungen des Faches Geographie laut. Die Wiedervereinigung
von Physiogeographie und Humangeographie und die ausdrückliche
Fokussierung auf die Mensch-Umwelt-Thematik wird von verschiedenen
Autoren als besonders erfolgversprechende Strategie zur
Neupositionierung des Gesamtfaches angesehen (vgl. P Weichhart 2003, S.
18-20). Allerdings fehlen derartigen Vorschlägen überzeugende Konzepte
einer Theorie der Gesellschaft-Umwelt-Beziehungen.
Hier könnte eine
erneute Annäherung der Geographie an die Humanökologie wertvolle
Anregungen bieten. Zwar wurde bislang auch in der Humanökologie keine
umfassende, konsistente und den Gesamtbereich der Erkenntnisobjekte
abdeckende Theorie vorgelegt, es existieren aber eine Reihe von
Grundkonzepten und Theoriebausteinen, die sich mit großem Nutzen für
eine theoretische Fundierung „integrativer“ Projekte in der Geographie
verwenden ließen.