peter.mahr

<2014.5> Miszelle. Das Radio gehört den Zuhörenden – gegen das Weghören auch der Sendungsmacher! 2339 Zeichen. online 30. 12. 2014 .html

Man möchte den universellen Mißbrauch des Radiogeräts am liebsten im Privatesten gebannt wissen: das Merken, dass man aus dem Autobahntunnel wieder hinauskommt: der Empfang im Radiogerät ist wieder da; das Besäuselt-werden, dass jemand auf mich zuhause wartet, wenn ich heimkomme: das Radiogerät wartet nur darauf, aufgedreht zuwerden; das Abhören, ob die Moderatorin zum angekündigten Programm etwas Gescheites zu sagen hat: ich lobe in das Radiogerät hinein; das Durchhören, am liebsten mit demselben Programm, weil die Fahrt von Wien nach Bregenz sonst nicht erträglich wäre: das Radio, dein treuer Begleiter; das Hineinhören in eine Musik, in ein paar Takte, nur so zur Orientierung und zum schnellen Kennenlernen: das Radio, dein zuverlässiger Informant! – All diese Formen geteilten Hörens sind letztlich ausgerichtet am Weghören. Woher diese Form der Zerstreuung kommt? Egal. Was diese Zerstreuung rechtfertigt? Auf das Erste die Schnelligkeit, Personaleinsparungen, immer größere Massen von Musik, digital und instantan immer im Zugriff. Worauf diese Zerstreuung beschränkt bleiben sollte? Gerade das wäre an einem “Kultursender” das Wichtige: Es soll das partielle Hören den privaten HörerInnen und den skizzierten Hörsituationen vorbehalten bleiben. Nicht sie dürfen das Maß der Dinge des Hörens abgeben. Und die öffentlich Hörenden – die Sendungsmacher – sollen sich ihrer Verantwortung bewusst sein und nicht der Unkultur des Weghörens nachgeben und auf sie setzen. Das Weghören ist es, das immer stärkere oder subkutanere Reize für das Dranbleiben verlangt. Ein Teufelskreis, eine tödliche Spirale, ein circulus vitiosus. Gewiß, auch die Sendungsmacher können nicht immer nur zuhören. Aber sie sollten, bitte sehr, so oft wie nur möglich das Beste der Musik – Bach, Scelsi, Kraftwerk – so bringen, dass man so gerne zuhört, dass von allein Bindung an das Programm entsteht. Egal, ob die Zuhörer die Sendung an ihrem Platz wieder hören möchten oder ob sie allein aufgrund der Kraft der Qualität der Sendung so gebannt sind, dass sie noch zum Beginn der nächsten Sendung verweilen – , nur das ganze Hören kann uns noch retten! Und wenn wir dann immer noch weghören wollen sollten, dann wird es nicht unsere Schwäche, sondern unsere Freiheit sein, die die Sendungsmacher respektieren und nicht länger der Quote ausliefern werden.

© Peter Mahr 2014

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