Schriftliche Ausarbeitung des Referates SS 1999 Christina RAMEIS

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DIE EMOTIONSTHEORIE VON WILLIAM MC DOUGALL

William Mc Dougall gilt als der Begründer der sogenannten "Evolutionären Psychologie", deren Fundament die Erkenntnisse Darwins bildeten und deren Intention die Darstellung der Entwicklungsgeschichte der Psyche ("mind") war. In seinem wohl wichtigsten und bekanntesten Werk "Social Psychology" (1908/1960) setzte sich Mc Dougall mit den evolutionspsychologischen Grundlagen des menschlichen Handelns auseinander.

Mc Dougall ging von einer Unterteilung der angeborenen Grundlagen der menschlichen Psyche aus. Einerseits nahm er "spezifische Dispositionen" an, die er auch als "Instinkte" bezeichnete, andererseits postulierte er "unspezifische Dispositionen", die seinem Standpunkt nach als eine "Art Nebenprodukt der geistigen Höherentwicklung" (Meyer, S.95) verstanden werden konnten. Die unspezifischen Dispositionen spielen nach Mc Dougall eine bedeutende Rolle bei der angeborenen Tendenz zum "Mitfühlen" und bei den "abgeleiteten Emotionen".

1. DER INSTINKTBEGRIFF MC DOUGALLS

Laut Mc Dougall kann der Begriff des "Instinkts" als "angeborene, relativ bereichsspezifische psychische Disposition" (Meyer, S.96) definiert werde, wobei zu erwähnen ist, daß diese Dispositionen allen Mitgliedern einer Art gemeinsam sind und sich im Laufe der Anpassung der Arten an ihre Umwelt entwickelt haben.

"Bereichsspezifisch" ist ein Instinkt insofern, als jeder Instinkt einen bestimmten Mechanismus aufweist, um ein bestimmtes "Anpassungsproblem" zu überwinden. Beispiele für Anpassungsprobleme wären Nahrungsversorgung, Fortpflanzung, Schutz vor Verletzungen und Krankheiten etc.

Der biologische Zweck des Instinktes ist folglich die Lösung des jeweiligen Anpassungsproblems, beispielsweise die Erlangung von Nahrung.

Im Gegensatz zu den Behavioristen vertrat Mc Dougall die Auffassung, daß Instinkte nicht nur bei den Tieren, sondern auch beim Menschen vorhanden und sogar von großer Bedeutung und Wichtigkeit für das menschliche Erleben wären. Denn zunehmende Intelligenz bedeute nicht die gänzliche Verdrängung von Instinkten, sondern bloß deren Modifikation in der Funktionsweise.

Unter den Psychologen der Jahrhundertwende war die Meinung vorherrschend, daß Instinkte als "angeborene Dispositionen zu spezifischen instrumentellen, also zielgerichteten Verhaltensweisen (beim Menschen 'Handlungen')" (Meyer, S.98) zu sehen seien. Demnach wurden Instinkte als "motivationale Dispositionen" (Meyer,S.98) betrachtet.

Mc Dougall teilte diese Position in dem Sinne, daß er Dispositionen zu Handlungen als bedeutenden, jedoch nicht alleinigen Bestandteil der Instinkte erachtete. Neben einer konativen, also motivationalen, Disposition existiere sowohl eine kognitive, als auch eine affektive Teildisposition, die sich der entsprechenden konativen Teildisposition angleichen würden. Die Instinktreaktion ist damit eine Gesamtreaktion des Organismus, in der die Erreichung des Instinktziels (Nahrung, Unterkunft etc.) durch das Zusammmenspiel von verschiedenen Teilsystemen zustande kommt.

Grundsätzlich differenziert Mc Dougall zwischen dem Instinktverhalten, das beobachtbar ist und den Ausgangspunkt der Untersuchung darstellt, dem psychophysischen Prozeß, der die Ursache des Verhaltens bildet, und der Disposition, den Instinktprozeß unter bestimmten Gegebenheiten zu zeigen.

1.1. INSTINKTVERHALTEN

Mc Dougall erklärt das Instinktverhalten anhand des Fluchtverhaltens. Wird der Fluchtinstinkt aktiviert, zeigt sich der Impuls zu fliehen vor allem in schnellen Bewegungen. Damit diese Bewegungen aber effizient sind, ist es notwendig, daß die Tätigkeit der viszeralen Organe entsprechend angepaßt wird.

Das Instinktverhalten setzt sich somit aus den instrumentellen Verhaltensweisen und den angemessenen vegetativen Reaktionen zusammen. In einigen Fällen konnte Mc Dougall einen bestimmten emotionalen Gesichtsausdruck beobachten, allerdings ist das Vorhandensein eines solchen nicht unbedingt Voraussetzung für die Klassifikation eines Instinktes.

1.2. INSTINKTPROZESS

Mc Dougall bezeichnete den Instinktprozeß, auf dessen Grundlage das Instinktverhalten stattfindet, als psychophysisch und konstituierte drei Teilprozesse:

· den kognitiven Teilprozeß, der das Erkennen des Objektes beinhaltet.

· den affektiven Teilprozeß, der durch ein bestimmtes Fühlen in Bezug auf das Objekt gennzeichnet ist.

· den konativen oder motivationalen Teilprozeß, der das Hin- oder Wegstreben von dem Objekt bewirkt.

In Gang gesetzt wird der Instinktprozeß durch einen oder mehrere "angeborene" oder "natürliche Auslöser". Das auslösende Objekt ist der "indirekte" und dessen Wahrnehmung der "direkte Auslöser".

1.3. INSTINKTMECHANISMUS

Grundsätzlich ermöglicht wird der Instinktprozeß durch die Existenz des Instinktmechanismus im Organismus, wobei Mc Dougall wiederum von drei Teilsystemen ausgeht.

Das afferente oder rezeptorische Teilsystem macht den kognitiven Teilprozeß aus. Es filtert aus der Vielzahl von Sinneseindrücken die angeborenen Auslöser heraus und verarbeitet diese, sodaß das Endergebnis eine Wahrnehmung oder Erkenntnis ("cognition") ist.

Das zentrale Teilsystem ist gemäß Mc Dougall in den Basalganglien lokalisiert und für die Tätigkeit der viszeralen Organe zuständig. Die viszeralen Veränderungen werden im Bewußtsein von bestimmten emotionalen Qualitäten (affektiver Teilprozeß) begleitet.

Das efferente oder motorische Teilsystem kontrolliert die Muskeln des Skelettsystems und macht den konativen Teilprozeß aus.

Sowohl die drei Teilsysteme des Instinktmechanismus (afferent, zentral, efferent), als auch die drei Aspekte des Instinktprozesses (kognitiv, affektiv, konativ) sind "instinktspezifisch". Folglich ist jeder Instinkt gekennzeichnet durch:

· spezifische angeborene Wahrnehmungen/ Kognitionen

· spezifische viszerale Veränderungen

· eine spezifische Gefühlsqualität

· einen spezifischen Handlungsimpuls

Einige Instinkte weisen zusätzlich eine bestimmte angeborene motorische Handlung und einen charakteristischen mimischen Ausdruck auf.

2. DIE EMOTIONEN

Mc Dougall trifft eine wesentliche Unterscheidung zwischen "primären Emotionen" oder "Basisemotionen", die auf "emotionsspezifisch ererbten Mechanismen" (Meyer, S.104) beruhen und "sekundären Emotionen" oder "Nicht-Basisemotionen", die "auf der Grundlage der Primäremotionen entstehen" (Meyer, S.104).

2.1. BEDEUTUNG DER EMOTION

Die Bedeutung der Emotion läßt sich auf zwei Definitionen einschränken: die mentalistische Definition einerseits und die Syndromdefinition andererseits.

Die mentalistische Definition ist die engere Betrachtungsweise und sieht in einer primären Emotion die "zum Instinktprozeß zugehörige emotionale Erlebensweise" (Meyer, S.104).

Die Syndromdefinition ist weiter gefaßt und geht davon aus, daß eine primäre Emotion mehr als die momentane Erlebnisqualität beinhaltet, nämlich den "gesamten momentan ablaufenden psychischen und körperlichen Prozeß" (Meyer, S.104). Schlußfolgernd ist die primäre Emotion identisch mit dem Instinktprozeß.

Mc Dougalls Theorie nach stellen nur die Hauptinstinkte die Basis für die primären Emotionen dar. Die mit den Hauptinstinkten assoziierten Gefühle sind im Gegensatz zu den mit den Nebeninstinkten verbundenen Gefühlen, intensiv und klar voneinander unterscheidbar.

2.2. DEFINITION DER EMOTION

In der "Social Psychological" betrachtet Mc Dougall Emotion im Sinne von "emotionaler Bewußtseinsqualität" als identisch mit den viszeralen Veränderungen im zentralen Teilsystem. Er definiert diese Gefühle als "Tönungen des Erlebens", die "die Wahrnehmungs-, Denk- und sonstigen psychischen Vorgänge begleiten" (Meyer, S.106).

Später betont Mc Dougall die Wichtigkeit des konativen Aspekts, der in der Intensität des Handlungsimpulses bewußt wird, für das emotionale Erleben. Die Qualität des Handlungsimpulses allerdings ist nicht unmittelbar im Bewußtsein repräsentiert.

2.3. IDENTIFIKATION DER PRIMÄREMOTIONEN

Die Identifikation der primären Emotionen erfolgt laut Mc Dougall mittels:

· Introspektion: Ist das Gefühl nicht in andere Gefühle zerlegbar, handelt es sich um eine Primäremotion.

· Vergleich der Emotionen/ Instinkte bei Mensch und Tier.

· Untersuchung der Emotionen Geisteskranker.

2.4. DIE BIOLOGISCHE FUNKTION VON EMOTIONEN

Die Hauptfunktion der Instinkte besteht darin, daß bestimmte Handlungsimpulse aktiviert werden, die zu situationsangemessenen Handlungen motivieren. Mc Dougall vertritt die Auffassung, daß Instinkte die primären Antriebe für alle Handlungen sind.

Der afferent erzeugte kognitive Aspekt diagnostiziert das Vorhandensein eines Anpassungsproblems und weckt entsprechende instinktive Handlungsimpulse zum richtigen Zeitpunkt. Weiters hat der kognitive Teil den Zweck, die Aufmerksamkeit des Individuums solange aufrechzuerhalten bis das Instinktziel erreicht ist.

Die zentral produzierten physiologischen Veränderungen sollen die Ausführung der Instinkthandlung unterstützen.

Das beobachtbare Instinktverhalten stellt den "Instinkt- bzw. Emotionsausdruck" dar, der wiederum zwei Funktionen erfüllt. Zum einen hat der Emotionsausdruck eine "sozial-kommunikative Funktion", mittels derer anderen Personen mitgeteilt wird, welcher Handlungsimpuls bei einer anderen Person gerade aktiviert ist; zum anderen besteht eine "instinktauslösende Funktion" (vgl. Emotionsauslösung durch Mitfühlen).

Die auf der Grundlage der viszeralen Veränderungen entstandenen Gefühlen haben eine "Informationsfunktion", denn sie informieren das Individuum über die Qualität seiner Handlungsimpulse und schaffen so die Voraussetzung für Selbstkontrolle.

2.5. DIE PRIMÄREMOTIONEN UND IHRE ANGEBORENEN AUSLÖSER

Mc Dougall stellt sieben Hauptinstinkte und einige Nebeninstinkte auf.

Zu den Nebeninstinkten zählen Reproduktionsinstinkt, Konstruktionsinstinkt, Herdeninstinkt, Erwerbsinstinkt und andere, auf die Mc Dougall nicht weiter eingeht.

Im nun folgenden Abschnitt werden die Hauptinstinkte, deren angeborene Auslöser und die zugehörigen Primäremotionen beschrieben.

a) Der Fluchtinstinkt und die Emotion Furcht

Auslöser: plötzliches lautes Geräusch, plötzlicher Verlust von Halt, erstmalige Konfrontation mit bestimmten Tieren, alles vollkommen Fremde

Handlungsimpuls: Tendenz davonzulaufen und sich anschließend zu verstecken

biologischer Zweck: Vermeidung von Verletzungen und Tod

b) Der Instinkt des Abstoßens und die Emotion Ekel

Auslöser: Geruch und Geschmack von schädlichen und übelschmeckenden Substanzen; Hautkontakt mit schleimigen und glitschigen Substanzen

Handlungsimpuls: Zurückweisen von Substanzen aus dem Mund; Zurückweichen des ganzen Körpers

biologischer Zweck: Vermeidung von schädlicher Nahrung

c) Der Neugierinstinkt und die Emotion des Staunens

Auslöser: Objekte/ Ereignisse, die mäßig vom Vertrauten abweichen

Handlungsimpuls: Annäherung, Erkundung

biologischer Zweck: Individuum zeigt gegenüber Objekten, die zunächst nicht eindeutig klassifizierbar sind, angemessenes Verhalten

d) Der Kampfinstinkt und die Emotion Ärger

Auslöser: Erkenntnis, daß eine Handlung behindert wird

Handlungsimpuls: Beseitigung bzw. Überwindung von Hindernissen

biologischer Zweck: die Ziele der übrigen Instinkte zu erreichen

e) Der Dominanzinstinkt und die Emotion Hochgefühl;

Der Unterordnungsinstinkt und die Emotion Unterwürfigkeit

Es handelt sich hier um zwei entgegengesetzte, aber komplementäre Handlungstendenzen, die für das Bestehen von sozialen Rangordnungen grundlegend sind (= biologischer Zweck).

ad) Dominanzinstinkt und Hochgefühl (positives Selbstgefühl)

Auslöser: Anwesenheit von Personen, denen man sich überlegen glaubt

Handlungsimpuls: sich den Mitmenschen überlegen zu zeigen, sie zu führen

sich ihnen gegenüber zu behaupten

ad) Unterordnungsinstinkt und Unterwürfigkeit (negatives Selbstgefühl)

Auslöser: Anwesenheit von Personen, denen man sich unterlegen glaubt

Handlungsimpuls: unterwürfiges Verhalten zu zeigen, nachzugeben, zu

gehorchen

f) Der Elterninstinkt und die Emotion Zärtlichkeit

Auslöser: Anblick des eigenen oder fremden Nachwuchses

Handlungsimpuls: das Objekt zu ernähren, zu beschützen, zu umsorgen

biologischer Zweck: Arterhaltung

2.6. EMOTIONSAUSLÖSUNG DURCH MITFÜHLEN

Als weiteren angeborenen Auslöser für die Primäremotionen führt Mc Dougall den Mechanismus des "Mitfühlens" (sympathy) an, der eine unspezifische Tendenz darstellt und somit weder durch eine bestimmte Handlungstendenz, noch durch eine charakteristische Emotion gekennzeichnet ist.

Nach der Wahrnehmung des Instinktverhaltens der Artgenossen wird dasselbe Instinktverhalten, die damit verbundenen Emotionen und Handlungsimpulse gezeigt.

Die biologische Funktion des Mitfühlmechanismus ist es, die Überlebenschancen zu erhöhen.

Allerdings setzt die Emotionsauslösung durch Mitfühlen voraus, daß der Beobachter die Bedeutung des wahrgenommenen Instinktverhaltens versteht.

2.7. DIE MODIFIKATION DER INSTINKTE UND DER PRIMÄREMOTIONEN IM LAUF DER ONTOGENESE

Mc Dougall vertat entgegen anderen Meinungen den Standpunkt, daß Instinkte flexibel und modifizierbar seien.

Mc Dougalls Ansicht nach bieten Instinkte die Grundlage für zielgerichtetes Verhalten, ermöglichen aber auch die flexible Anpassung an die sich verändernde Umwelt.

Der afferente und der efferente Teil, also Instinktauslöser und Instinkthandlung, sind durch Erfahrung modifizierbar.

2.7.1. MODIFIKATION DER EMOTIONSAUSLÖSER

Die Modifikation des afferenten Teils erfolgt durch "Ausweitung" oder "Spezialisierung" der Emotionsauslöser. Auf diese Weise wird die ursprüngliche Struktur des Instinktmechanismus verändert und es entwickeln sich gelernte emotionale Dispositionen.

a) Ausweitung der Emotionsauslöser

Die Ausweitung der Emotionsauslöser funktioniert auf Basis der "Assoziation" einerseits und auf Basis der "Ähnlichkeit" andererseits.

Assoziation ist die "Verknüpfung der Wahrnehmung eines zunächst neutralen Objekts und der affektiven und konativen Komponente des Instinktprozesses aufgrund der Kontiguität (raum-zeitlichen Nähe) des neutralen Objekts und dem angeborenen Emotionsauslöser" (Meyer, S.122). Auch die Vorstellung der Emotionsauslöser kann Emotionen auslösen.

Die Assoziation bei Mc Dougall entspricht in etwa dem "klassischen Konditionieren" der Behavioristen.

Der Begriff der Ähnlichkeit ist analog zur behavioristischen "Reizgeneralisierung". Beispielsweise besteht eine Ähnlichkeit zwischen dem angeborenen Auslöser der Emotion Zärtlichkeit, einem leidenden Kind, und anderen Objekten, einem Kind generell.

b) Spezialisierung der Emotionauslöser

Die Spezialisierung stimmt ungefähr mit der "Reizdiskrimination" des Behaviorismus überein.

Anfangs löst jedes laute plötzliche Geräusch die Emotion Furcht aus. Mit der Zeit lernt das Individuum zwischen lauten Geräuschen, die negative Konsequenzen bzw. keine negativen Effekte nach sich ziehen, zu unterscheiden.

2.7.2. MODIFIKATION DER INSTINKTHANDLUNG

Jeder Instinkt ist durch eine bestimmte Sequenz von Handlungen charakterisiert. Beim Menschen entwickeln sich die meisten Instinkte dann, wenn die Fähigkeit zur Verstandeskontrolle und zur Nachahmung von Bewegungen bereits vorhanden ist.

Mc Dougall meint, daß jede menschliche Tätigkeit nur ein Mittel zur Befriedigung der Handlungsimpulse ist. Der Kampfinstinkt würde sich in unserer Gesellschaft zB. in der Anstrebung eines Gerichtsprozesses gegen einen Kontrahenten äußern.

2.8. SEKUNDÄRE (KOMPLEXE UND ABGELEITETE) EMOTIONEN

Zu den "sekundäre Emotionen" zählen u.a. Freude, Dankbarkeit, Mitleid, Schuld, Bewunderung, Verachtung und Neid.

Die Sekundäremotionen entstehen entweder aus der Mischung der primären Emotionen ("komplexe oder gemischte Emotionen") oder aus dem Zusammenwirken von Primäremotionen und anderen mentalen Prozessen ("abgeleitete Emotionen").

2.8.1. KOMPLEXE EMOTIONEN

Meist laufen zwei oder mehr instinktive Prozesse und die damit verbundenen Primäremotionen gleichzeitig ab. Durch die Mischung der primären Emotionen kommt es zu neuartigen Gefühlsqualitäten, den "komplexen Emotionen". Komplexe Emotionen sind nach Mc Dougall durch ihre große Anzahl und ihre unscharfe Abgrenzung voneinander gekennzeichnet.

Bewunderung entsteht aus der Mischung von Staunen und Unterwürfigkeit, Dankbarkeit aus Unterwürfigkeit und Zärtlichkeit, Verachtung aus Ärger und Ekel, Abscheu aus Furcht und Ekel, Neid aus Unterwürfigkeit und Ärger, Ehrfurcht aus Staunen und Unterwürfigkeit (= Bewunderung) und Furcht und Haß aus Ärger, Furcht und Ekel.

Voraussetzung für die Entstehung einer komplexen Emotion ist, daß ein Objekt gleichzeitig mehrere Primäremotionen auslöst. Für dieses Phänomen sind Lernprozesse verantwortlich, die zur Ausbildung von erworbenen, objektspezifisch emotionalen Dispositionen ("Gesinnungen" oder "Gefühlshaltungen") führen.

Mc Dougall unterscheidet zwischen drei Hauptgruppen von Gesinnungen:

· Gesinnungen der Zuneigung:

zB. Liebe, Mögen, Verbundenheit; Disposition zur Primäremotion Zärtlichkeit

· Gesinnungen der Abneigung:

zB. Haß, Nichtmögen, Aversion; Disposition zu den Primäremotionen Ekel und Furcht

· Gesinnungen des Respekts:

Disposition zu positiven und negativen Selbstgefühlen (Hochgefühl, Unterwürfigkeit)

Bewunderung und Dankbarkeit können sich ohne vorausgehende Lernerfahrung entwickeln; Scham, Eifersucht, Rachsucht und Vorwurf ("reproach") nur mit Lernerfahrung.

2.8.2. ABGELEITETE EMOTIONEN

Abgeleitete Emotionen beruhen nicht auf Instinkten, vielmehr setzten sie voraus, daß bereits irgendeine andere instinktive Handlungstendenz aktiviert ist. Laut Definition sind abgeleitete Emotionen "affektive Reaktionen der Person auf den vermuteten oder wahrgenommenen Erfolg oder Mißerfolg bei der Ausführung eines Handlungs-impulses" (Meyer, S.133). Die bewußte Repräsentation des Handlungsimpulses ist das "Streben" bzw. der "Wunsch" (desire).

Gemäß Mc Dougall kann sich ein Individuum ab einem bestimmten Niveau der Intelligenzentwicklung das Ziel seines Handlungsimpulses vorstellen, was die Ausbildung eines "Wunsches" zur Folge hat. Weiters erfolgt eine Einschätzung der Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung. Das Ergebnis dieser beiden Aspekte sind unterschiedliche abgeleitete Emotionen.

Abgeleitete Emotionen können in prospektive (vorausschauende) und retrospektive (rückschauende) Wunschemotionen unterteilt werden. Zu den prospektiven Wunschemotionen werden Zuversicht, Hoffnung, Angst, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung gezählt, wobei Mc Dougall diese auf einer kontinuierlichen Skala von Gefühlsqualitäten annimmt. Die retrospektiven Wunschemotionen umfassen Enttäuschung, Bedauern, Reue und Kummer.

Lust- und Unlustgefühle bzw. Mischungen von Lust und Unlust werden durch die vermutete Erfüllung bzw. Nichterfüllung von Wünschen hervorgerufen und stellen einen Bestandteil der abgeleiteten Emotionen dar.

Freude ist das Lustgefühl, wenn man glaubt, daß ein Wunsch erfüllt wurde.

Kummer ist das Unlustgefühl, wenn man glaubt, daß ein Wunsch nicht erfüllt wurde.

Zuversicht bedeutet, daß das Erleben des Wunsches beim Gedanken an den möglichen Erfolg durch Lustgefühle eingefärbt ist.

Hoffung ist vorwiegend durch Lustgefühle gekennzeichnet, jedoch treten Unlustgefühle beim Gedanken an den möglichen Mißerfolg auf.

Angst beinhaltet überwiegend Unlustgefühle.

Schon die bloße Vorstellung der möglichen Erfüllung bzw. Nichterfüllung des Wunsches kann Lust, Unlust oder eine Mischung von beidem hervorrufen.

Die Funktion der abgeleiteten Emotionen besteht darin, den gerade aktiven Handlungsimpuls abzuschwächen bzw. zu verstärken, indem Lust oder Unlust hinzugefügt wird.

3. KRITIK AN MC DOUGALLS THEORIE

Kritik kam vor allem von den Behavioristen, die mit der Annahme Mc Dougalls, daß den instinktiven Handlungen nicht direkt beobachtbare psychische Prozesse zugrundeliegen, nicht einverstanden waren. Ebenso erregte der Standpunkt, daß nicht nur beim Tier, sondern auch beim Menschen Instinkte existieren, Anstoß.

Weiterer Kritikpunkt war, daß für jede Verhaltensweise, die einer Erklärung bedurfte, ein neuer Instinkt aufgestellt wurde.

Der Verdienst Mc Dougalls ist die Entwicklung einer "Evolutionären Psychologie", die Plutchik, Ekman, Izard und andere beeinflußt hat.