Kuhls Theorie der Handlungskontrolle

 

Kuhl hat als erster auf die Notwendigkeit hingewiesen, zwischen motivationalen und volitionalen Fragen zu unterscheiden. Er spricht von Selektionsmotivation und Realisierungsmotivation. Weiters unterscheidet er die Vermittlungsprozesse der Handlungskontrolle von Prozessen der Ausführungskontrolle, die Schritt für Schritt den Ablauf einer Handlung regulieren.

 

Vermittelnde Prozesse der Handlungskontrolle:

 

Kuhl nimmt 7 Arten von Prozessen an die alle die Realisierung einer anstehenden Intention fördern.

 

1.Selektive Aufmerksamkeit:

Die Aufmerksamkeit richtet sich auf jene Informationen, welche die augenblickliche Absicht stützen. Alle irrelevanten Aspekte werden ausgeblendet. Bsp: Experiment zum Belohnungsaufschub; ein Kind hält sich während des Wartens die Augen zu, um die Belohnung nicht zu sehen.

 

2.Enkodierkontrolle:

Besonders solche Aspekte werden tiefer verarbeitet, die mit der augenblicklichen Intention verbunden sind.

 

3.Emotionskontrolle:

Es gibt Emotionen, die für die Realisierung der anstehenden Intention besonders förderlich sind. Der Handelnde versucht solche Emotionen in sich zu erzeugen. Bsp: Schon 9-jährige wissen, dass sich Traurigkeit im Vergleich zu Freude ungünstig auf die Fähigkeit auswirkt, ablenkenden Einflüssen bei der Ausführung einer Tätigkeit zu widerstehen.

 

 

 

4.Motivationskontrolle:

Diese Strategie ist immer dann zweckmäßig, wenn sich die augenblickliche Intention als zu schwach erweist, weil eine konkurrierende Intention stärker ist, oder weil Handlungshindernisse zu überwinden sind. Es kommt zu einem erneuten Motivierungsprozess indem man sich zum Beispiel günstige Erwartungen oder positive Anreize vor Augen hält.

 

5.Umweltkontrolle:

Das ist eine Vorsorge die gegen unerwünschte Versuchungen schützt, indem man etwa Gegenstände, die zu Tätigkeit einladen, die man meiden will, aus seiner alltäglichen Umgebung entfernt.

z.B.: Wer abnehmen möchte entfernt Süßigkeiten aus seiner Wohnung. Umweltkontrolle wird auch häufig in der Psychotherapie verwendet.

 

6.Sparsame Informationsverarbeitung:

Die Informationsverarbeitung soll deshalb sparsam vorgenommen werden, um zum Handeln zu kommen. Dieser Prozess gilt für die Intentionsbildung, wenn sie solange dauert, dass sie das Handeln ungebührlich hinausschiebt; er gilt aber auch für den Fall, wenn man nach der Intentionsbildung wieder in den Motivationszustand zurückfällt.

 

7.Misserfolgsbewältigung:

Hier geht es darum, nicht lange einem Misserfolg in Gedanken nachzuhängen, sondern sich von unerreichten Zielen abzuwenden.

 

Alle diese vermittelnden Kontrollstrategien können in Aktion treten, wenn die Handlung ins Stocken zu geraten droht, weil die zugrundeliegende Handlungstendenz zu schwach ist oder innere oder äußere Handlungshindernisse wie etwa sozialer Druck sich in den Weg stellen.

 

Zu Beginn werden aus dem Langzeitgedächtnis jene handlungsbezogenen Strukturen abgerufen, die auf die momentane Situation passen (Wünsche, Normen, Erwartungen, Werte, Intentionen).

 

Sind sie für die Intention wichtig, so kommen sie ins Arbeitsgedächtnis. Sind Schwierigkeiten vorhanden ( sozialer Druck, konkurrierende Tendenzen ) so kommen einzelne Kontrollstrategien zum Einsatz. Andernfalls muss die Intention oder das Handlungsprogramm geändert werden.

Diese Strategien können bewusst oder unbewusst ihre Wirkung entfalten.

 

 

Zwei Kontrollmodi: Handlungsorientierung und Lageorientierung

 

Empirische Belege hat Kuhl jedoch nur in seiner Theorie der Handlungsorientierung und Lageorientierung vorgelegt, wovon die 1. Orientierung den Gebrauch von Kontrollstrategien fördert, nicht aber die letztere. Während man im Zustand der Handlungsorientierung auf Umsetzung seiner Absicht in eine Handlung drängt, ist man im Zustand der Lageorientierung mit wiederkehrenden Kognitionen beschäftigt.

Bedingungen für die Entstehung einer Lageorientierung:

 

1) Inkongruenzen in der aufgenommenen Information, die zur Überraschung führen und geklärt sein müssen, ehe gehandelt werden kann.

 

2) Diese Bedingung betrifft den Zustand der infragestehenden Intention. Kuhl nimmt an, dass bei entarteten Absichten einzelne Elemente aus einem gedanklichem Netzwerk fehlen oder ungenügend repräsentiert sind. Diese Intentionen lassen sich nicht in Handlungen umsetzen.

 

Man kann die Lageorientierung danach unterscheiden, welches Element degeneriert ist. Ist z.B. die auszuführende Tätigkeit nicht spezifiziert , wie es nach vielen vergeblichen Versuchen der Fall sein kann, so ergibt sich eine misserfolgsorientierte Lageorientierung. Schließlich resultiert auch Lageorientierung, wenn ein einzelnes Element übermäßige Aufmerksamkeit auf Kosten eines anderen auf sich zieht.

 

 


Kuhls Subskalen

 

Lageorientierung wird nicht nur durch bestimmte Situationen wie gehäuften Misserfolg oder Überraschung angeregt, es gibt auch persönliche Unterschiede in der Neigung zur Handlungs- oder Lagerorientierung. Um sie zu erfassen hat Kuhl 3 Subskalen erstellt:

 

Entscheidungsbezogen:

Wenn ich vorhabe, eine umfassende Arbeit zu erledigen, dann- denke ich manchmal zu lange nach, womit ich anfangen soll (lageorientiert)- habe ich keine Probleme loszulegen (handlungsorientiert).

 

Ausführungsbezogen:

Wenn ich etwas Interessantes lese, dann- beschäftige ich mich zwischendurch auch mit anderen Dingen- bleibe ich oft sehr lange dabei.

 

Misserfolgsbezogen:

Wenn einmal sehr viele Dinge am selben Tag misslingen, dann- weiß ich nichts mehr mit mir anzufangen- bleibe ich fast genauso tatkräftig, als wäre nichts passiert.

 

 

Einige empirische Befunde

 

Kuhl hat einerseits Handlungs- und Lageorientierung als individuelle Disposition gemessen und andererseits entweder Handlungs- oder Lageorientierung zu induzieren versucht. Lageorientierung wurde induziert indem die Vpn z.B. mit häufigerem Misserfolg konfrontiert wurden. Handlungsorientierung wurde nahegelegt, indem die Vpn einzelne Tätigkeiten laufend verbalisierten.

 

Nun einige Befunde zur Validität des Handlungskontrollfragebogens:

Was die entscheidungsbezogene Kontrolle betrifft wurde Schülern eine Liste mit 22 Tätigkeiten vorgelegt, mit denen man sich nach der Schule beschäftigen kann (Kuhl, 1982) Die Schüler gaben an wie stark sie entschlossen seien, die einzelnen Tätigkeiten auszuführen. Die Korrelationen zwischen der intendierten und der tatsächlichen Beschäftigung war bei den Schülern, die hohe Werte bei der entscheidungsbezogenen Skala hatten, beträchtlich höher als bei den Schülern mit niedrigeren Werten. Mit anderen Worten, Handlungsorientierte führen das, was sie planen, weit mehr aus als die Lageorientierten.

 

Für die Validität der misserfolgsbezogenen Subskala spricht die Studie von Grosse(1983).

 

Welche Rolle die Handlungskontrolle bei der Erzeugung von Gelernter Hilflosigkeit spielt, hat Kuhl in 2 Experimenten demonstriert. Im ersten Experiment wurde in einer Bedingung Lageorientierung induziert. Zuvor wurde ein Hilflosigkeitstraining durchgeführt: Vpn erhalten laufend inkontingente Rückmeldungen, weshalb sie bei der Aufgabe häufig Misserfolg erleben, und bei einer späteren Testaufgabe schlechter abschneiden als eine KG. Danach hatten die Vpn über ihre gegenwärtige Situation nachzudenken, ihre Gefühle und die vermuteten Ursachen ihrer Misserfolge aufzuschreiben. In dieser Gruppe war der Leistungsabfall ausgeprägter als in einer Gruppe die auch einem Hilflosigkeitstraining ausgesetzt war, aber nicht über ihre Situation reflektieren musste. Wenn jedoch in einer weiteren Bedingung Handlungsorientierung induziert wurde, hatten sogar die lageorientierten Vpn eine im Vergleich zur Kontrollgruppe verbesserte Leistung. Die Technik welche die habituelle Lageorientierung überwand bestand darin, dass die Vpn jeden Schritt beim Lösen einer Aufgabe verbalisieren mussten. Dieses Ergebnis macht deutlich, dass der Leistungsabfall in der lageorientierten Gruppe nicht auf Motivationsmangel, sondern auf die Unfähigkeit zurückzuführen ist, lagebezogene Gedanken, welche die ablaufende Tätigkeit stören, auszuschalten. Auch in einer weiteren Studie (Kuhl und Weiss) konnte gezeigt werden, dass der Kontrollmodus nicht allein dispositionell bestimmt wird, sondern auch von situativen Bedingungen abhängt. Eine entscheidende Ursache für einen lageorientierten Kontrollmodus ist nach Kuhl Inkongruenz des Geschehens vom Erwarteten, kurz Überraschung.

 

Weiters stimmen Versuchsergebnisse mit der Vermutung überein, dass eine degenerierte Intention, die noch aktiviert ist, eine Ausführung einer gegenwärtig aktuellen Intention beeinträchtigen kann. Es sind insbesondere depressive und lageorientierte Personen, die Schwierigkeiten haben , eine unerledigte Intention zu desaktivieren. Zum Beispiel beschäftigen sich solche Menschen, nach der Anordnung, neben einer Aufgabentätigkeit später auch den Schreibtisch aufzuräumen, viel mehr mit Gedanken über den Aufräumauftrag und hatten auch eine kleinere Gedächtnisspanne als die KG

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es Kuhl gelungen ist, den Problembereich einer Willenspsychologie, seit Ach vernachlässigt oder vergessen, wieder zugänglich gemacht zu haben. Der ständige Versuch, aus Motivation Handeln zu erklären wurde als voreilig erkannt. Aus Motivationstendenzen müssen sich erst Intentionen bilden, und Intentionen konkurrieren um den Zugang zum Handeln. Wie es dennoch zu einem geordneten Handeln kommt und einzelne Intentionen zu ihrer Realisation kommen, wird durch eine Reihe von vermittelnden Kontrollstrategien erklärt. Aufschlussreich sind Fälle misslingender Handlungskontrolle.