Das Verhältnis von theoretischer und
praktischer Vernunft ist das im Zentrum der Philosophie vielfach und
kontrovers diskutierte Verhältnis zwischen Sein und Sollen, Wissen und
Handeln, Intellekt und Wille, passiver Betrachtung und aktiver
Einflussnahme oder Naturautomatismus und Geschichtszwecken. Die vielen
Spielarten dieser Dichotomie bilden seit Platon eine anhaltende
Herausforderung für das menschliche Selbst- und Weltverständnisses.
Gibt es eine festzuschreibende Taxonomie zwischen Theorie und Praxis?
Stehen sie gar im Verhältnis einer Hierarchie? Ist ihre Unterscheidung
eine notwendige Grundlage oder eher ein rückgängig zu machender Fehler?
Was folgt für die Menschen, wenn sie sich z.B. in der Rede von Natur-
und Geisteswissenschaften, Logik und Ethik, Grund und Zweck,
Notwendigkeit und Zufälligkeit, Zwang und Verantwortung oder Gegebenheit
und Freiheit bestimmen?
Solche Fragen finden einen Kulminationspunkt in der Philosophie Immanuel
Kants, der sie in seiner Rede von theoretischer und praktischer Vernunft
prominent gemacht hat. Ihr angespanntes Verhältnis und Kants vielförmige
Vermittlungsversuche bilden das Thema des Seminars. Sie sollen
nachvollzogen, debattiert und kritisiert werden. Auf diese Weise liegt
das Ziel der Veranstaltung darin, sowohl ein Bewusstsein für das
anhaltende Problem einer Dichotomie von Theorie und Praxis als auch
einen philosophischen Lösungsansatz zu entwickeln. Hierzu findet in
textnaher Lektüre in Schlüsselwerken Kants eine Exposition, Präsentation
und Diskussion seiner Gedanken statt.
Art der
Leistungskontrolle:
- Max. 3x
unentschuldigtes Fehlen
- Übernahme eines Referates als Teil einer Gruppe
- Schriftliche Seminararbeit (ca. 18 Seiten) ODER
mehrere schriftliche Reflexionen
Mindestanforderungen und
Beurteilungsmaßstab:
- Anwesenheit
und Mitarbeit (20 Punkte)
- Referat (30 Punkte)
- Schriftliche Arbeit (50 Punkte)
Sehr Gut (100 – 90 Punkte)
Gut (89 – 81 Punkte)
Befriedigend (80 – 71 Punkte)
Genügend (70 – 51 Punkte)
Nicht Genügend (50 – 0 Punkte)
Prüfungsstoff: Grundlage
wird die als PDF zur Verfügung gestellte Textsammlung sein.
Literatur:
Textsammlung zum Seminar wird via MOODLE ausgegeben
Weiterführende Literatur
Henrich, Dieter, The Unity of Reason: Essays on Kant’s Philosophy,
Cambridge/London 1994.
Gorodeisky, Keren, Unity in Variety: Theoretical, Practical and
Aesthetic Reason in Kant, in: Pollik, K.; Gentry, G. (Eds.): The
Imagination in German Idealism Romanticism, Cambridge 2019, 86-106.
Kleingeld, Pauline, Kant on the Unity of theoretical and practical
Reason, in: The Review of Metaphysics 52, 1998, 311-339.
König, Robert, Towards a Unity of theoretical and practical Reason, in:
Open Philosophy 5 (1), 2022, 622-635.
O’Neill, Onora, Reason and Autonomy in Grundlegung III, in: O. Höffe
(Hg.), Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Ein kooperativer
Kommentar, Frankfurt/M 1989, 282–298 und dies., Constructions of Reason,
Cambridge 1989, 51-65.
Thornton, Edward, The Unity of Reason: Kant’s Copernican Presupposition,
in: Journal of Transcendental Philosophy 2 (2), 2021, 213-235.