Lehre

Stop now, what's that sound

Ein Gespräch mit Simone Dinah Hartmann, Mitherausgeberin eines neuen Iran-Buchs und Sprecherin der Plattform STOP THE BOMB, die im Mai eine Konferenz über „Die iranische Bedrohung“ veranstaltet hat.

Wurde nun auf Eurer Konferenz die atomare Bombardierung des Iran gefordert oder nicht?

Bei der Konferenz hat Benny Morris vor dem Hintergrund der israelischen Diskussion darüber, dass Israel womöglich nichts anderes übrig bleiben wird, als auch mit nuklear bestückten Sprengsätzen die iranischen Atomanlagen anzugreifen, über den Einsatz von Nuklearwaffen geredet. Es war keine Rede davon, eine Atombombe über Teheran abzuwerfen. Das war seine persönliche Meinung, der auch widersprochen wurde, er war der einzige, der diese Position vertreten hat. Unserem Bündnis geht es nach wie vor darum, Militärschläge gegen den Iran zu verhindern; das geht allerdings nur, wenn die EU und die sog. Weltgemeinschaft umfangreiche politische und ökonomische Sanktionen beschließt und umsetzt, um das iranische Atomprogramm zu stoppen.

Dem gegenüber steht das geplante Milliardengeschäften der OMV mit dem Iran. Wie ist hier der Stand der Dinge?

Die OMV hat diesen Deal, den sie eigentlich schon letzes Jahr abschließen wollte, immer noch nicht unter Dach und Fach. Möglicherweise will man die amerikanischen Präsidentschaftswahlen abwarten und erhofft sich von einem Sieg Obamas, dass sich die Sanktionen gegen den Iran und somit der Druck auf Europa entschärfen werden. Ich allerdings halte das für einen Irrtum, denn Obama hat den „Iran Sanctions Act“ mit initiiert; er spricht zwar von Verhandlungen, sagt aber gleichzeitig, dass die Sanktionen verschärft werden müssen.

In Deinem Buchbeitrag vertrittst Du das Anliegen, bei nicht oder schlecht informierten Menschen Aufklärungsarbeit im klassischen Sinne zu leisten. Denkst Du, dafür ist eine Rhetorik hilfreich, die davon spricht, dass wir uns in einem Krieg befinden und dass Ayaan Hirsi Ali oder Theo Van Gogh „Helden“ dieses Krieges sind?

Man muss Dinge als das bezeichnen, was sie sind. Natürlich befinden wir uns in einem Krieg, und nicht erst seit 5 Jahren, sondern schon seit 50 oder 60, seit dem Aufkommen des politischen Islam. Die Leute denken immer nur an den Krieg, den die USA oder die Israelis führen – niemand kommt auf die Idee zu sagen, dass dieser Krieg längst von der anderen Seite begonnen wurde, sowohl international als auch in den eigenen Ländern. Im Iran herrscht seit 30 Jahren ein Krieg gegen die eigene Bevölkerung.

Denkst Du, den schlecht informierten Menschen ist es plausibel zu machen, dass uns gerade wer „die Waffe an den Kopf“ hält, um „ein neues Kalifat“ zu errichten?

Es muss wohl darum gehen, das plausibel zu machen. Die Menschen müssen begreifen, worum es heute geht: die bürgerliche Gesellschaft – bei aller Kritik, die man daran hat – gegen den islamischen Faschismus zu verteidigen.

Mir z.B. scheint die im Buch geäußerte Annahme nicht plausibel, dass Sanktionen, sogar in Verbindung mit Militärschlägen, dazu führen sollen, dass sich die Bevölkerung des Iran gegen ihr Regime erhebt.

Die Benzinknappheit im vergangenen Winter war ein Effekt der Sanktionen gegen den Iran. Da hat sich der Unmut der Bevölkerung sehr wohl gegen die iranische Führung gerichtet. Die iranischen Oppositionellen, mit denen ich spreche, sagen mir immer wieder, dass es darum geht, ein Zeichen zu setzen, dass es Unterstützung für sie gibt, denn gerade das fehlt den Menschen dort. Manche sagen auch, dass sie nicht unbedingt gegen militärische Schläge sind, wenn bestimmte Voraussetzungen dafür gegeben sind. Für Israel und den Rest der Welt kann es nur Sicherheit geben, wenn dieses Regime gestürzt wird. Der Iran ist einer der wichtigsten Vertreter des politischen Islam, aber nicht der einzige Player. Wenn dieses Regime gestürzt ist, würde sehr viel zusammenbrechen, vergessen wir nicht seine Unterstützung für den Terrorismus, für die Hamas und die Hisbollah.

Ich wurde nicht nur mit dem Grundsatz politisch sozialisiert, alles zu tun, damit Auschwitz sich nicht wiederhole, sondern auch mit dem Diktum, dass die Shoah mit nichts zu vergleichen ist. Der NS-Vergleich, die Rede von einem „zweiten Holocaust“ zieht sich aber durch Euer Buch: Wann also ist dieses Diktum gefallen und warum?

Man sollte das nicht als Diktum fassen, es geht auch nicht um eine moralische Kategorie. Die Frage ist, was die Intention der Nationalsozialisten war und wie die Umsetzung ausgesehen hat. Das Diktum von der Unvergleichlichkeit wurde aufgestellt, um den Totalitarismustheorien entgegenzutreten, dem Vergleich von Gulags mit KZ’s, denn die sind wirklich nicht das Selbe: sie hatten völlig andere ideologische Ursachen, vor allem aber war „der Feind“ ein anderer. Die Unvergleichlichkeit resultiert aus dem Antisemitismus. Wie kann man in Frage stellen, dass etwas noch einmal passieren kann, was schon ein Mal passiert ist? Das ist eine statische Auffassung von Geschichte. Wenn es die Shoah ein Mal gegeben hat, kann sie sich dann nicht wiederholen? Soll das die Lehre sein, die wir daraus gezogen haben? Wenn es so wäre, dann wäre doch der Imperativ, dass Auschwitz sich nicht wiederhole, völlig überflüssig. Wenn man hingegen davon ausgeht, dass es sich wiederholen kann, dann muss man sehen, wer die Personen sind, die so etwas wie Auschwitz heute umsetzen wollen. Und das ist an vorderster Front das iranische Regime, aber auch die Hisbollah spricht offen aus, Israel vernichten zu wollen, und zwar dezidiert als jüdischen Staat. Man kann sich doch nicht blind stellen: Wo und von wem werden heute die selben Vernichtungsdrohungen ausgesprochen wie damals? Der Iran hat sie oft und deutlich genug ausgesprochen und versucht jetzt, die Mittel in die Hand zu bekommen, das auch umzusetzen. Natürlich würde die zweite Shoah eine andere sein: man muss keine Konzentrationslager bauen, sondern hat eine Waffe in der Hand, die es möglich macht, Israel innerhalb von 5 Sekunden dem Erdboden gleichzumachen. Und vergessen wir nicht: Israel ist die Lebensversicherung für alle Juden und Jüdinnen weltweit.

Was Benny Morris als Unterschiede zwischen einem „ersten“ und „zweiten Holocaust“ nennt, sind aber nicht gerade unwesentliche Aspekte dessen, was die Shoah ausgemacht hat: die unmittelbare Beteiligung der TäterInnen, eine Volksgemeinschaft, die nach Kräften ihren Beitrag zur Vernichtung leistet…

Mit der Shoah ist ein antisemitischer Vernichtungsfeldzug gemeint. Die Form, in der er umgesetzt wurde, war von den Gegebenheiten abhängig, es hat neben den KZ’s z.B. auch Massenerschießungen gegeben. Die Mittel hätten sich auch im NS ändern können, wenn man andere Technologien zur Verfügung gehabt hätte; das unterscheidet das Heute von damals, aber das Ziel ist identisch: die Vernichtung von Juden und Jüdinnen.

„Damals“ stand aber auch die Vernichtung um der Vernichtung willen im Vordergrund, während wir jetzt über verschiedene Aspekte geredet haben: über die USA und den Terrorismus, über geostrategische Überlegungen und Einflusssphären. Ist das bekundete Interesse des Iran, Israel auszulöschen, nicht auch von rationaleren Gründen getragen als dem der Vernichtung zum Selbstzweck?

Genau so kannst Du in Bezug auf den NS auch argumentieren. An den antisemitischen Ressentiments von damals sieht man, dass sehr wohl auch geopolitisch argumentiert wurde oder mit der Frage, wer die Macht im Staat hat. Juden und Jüdinnen wurde unterstellt, den deutschen Staat zu unterwandern und es hieß, dass man sie zurückdrängen muss. Nicht anders ist das heute, wenn der Iran von geopolitischen Strategien spricht. Außerdem: wenn es wirklich rational wäre, dann müsste es ja ganz umgekehrt im Interesse des Iran sein, dass Israel als starker Staat und Bollwerk gegen die arabischen Staaten bestehen bleibt, die dem Iran alles andere als freundlich gesonnen sind. Es führt in eine Sackgasse, das Agieren des Iran rational fassen zu wollen, weil dadurch die Dinge eher verwischt und unkenntlich gemacht werden. Gerade die Gleichzeitigkeit von Pragmatismus und Vernichtungswahn ist charakteristisch für dieses Regime.

Simone D. Hartmann / Stephan Grigat (Hg.): Der Iran. Analyse einer islamischen Diktatur und ihrer europäischen Förderer. Studienverlag 2008

www.stopthebomb.net

Erschienen in MALMOE # 42 (Juli 2008)

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