Lehre

Bella ciao

Mein PACE-Fähnchen, 70 x 100, bestell ich nicht beim Südwind-Versand, sondern ich fahre gleich in die Toskana, wo die italienische Friedensbewegung zu Hause ist, und kein, aber auch wirklich kein einziges Haus ohne mindestens zwei davon auskommen muss. In Ferienlaune gestehe ich mir zu, mich vor der ernsthaften Auseinandersetzung mit der örtlichen Friedensbewegung und ihren Widersprüchen, von denen sie aller Glorifizierung zum Trotz strotzt, zu drücken, aber sie macht es mir nicht leicht: zu offensichtlich selektiv ist die zur Schau getragene Friedensliebe, "Intifada bis zum Sieg" schreibt so mancher Friedensfreund gleich neben seine Fahne (und ich möchte lieber nicht wissen, was genau er damit meint), und anlässlich des Matches Milan gegen Ajax muss der eine oder andere Regenbogen doch die Fensterbank mit der Trikolore zur Unterstützung von Berlusconis Jungs teilen. Und spätestens da merkt man, dass es hier auch um eine Modeerscheinung geht: Friedenstextilien kann man bei jedem Souvenierstand in Florenz erwerben, wenn man sich nicht grade für Che, Jim Morrison oder den Penis von Michelangelos David auf Schirm, Short oder Küchenschürze entscheidet.

Aber dann kommt der 25.April, grosser Feiertag zur Befreiung vom Faschismus, Tag, an dem die Verdienste des Widerstands gewürdigt werden. Die Rechte trägt dick auf: Kein Tag zum Feiern sei das, weil die Partisanen die Zivilbevölkerung gefährdet hätten, und gedenken müsse man der Opfer des Kommunismus mindestens in gleichen Maßen. Andere wiederum weisen darauf hin, dass gerade der 25.April Berlusconis Unterstützung des Irak-Krieges im Sinne einer militärischen Befreiung der Bevölkerung bestätige, was mich aus dem Munde von Salonfaschisten besonders peinlich berührt. Dass die Strassenfaschisten von Finis Rechtsabweichern zu einer Veranstaltung mit dem Titel "Italien 1945 - Irak 2003: Befreit oder kolonisiert?" laden, bringt mein Weltbild wieder in Ordnung.

Ich suche Rat beim (nun von mir) lange glorifizierten linken Feulleiton. Ich ertrage einen Cartoon, der einen hämisch grinsenden Sharon zeigt, der ein genüssliches Blutbad nimmt, um sich dann mit der US-Flagge abzutrocknen und blättere durch bis zur Antwort auf meine Frage, was angesichts der Tatsache, dass Krieg ja "niemals eine Lösung" ist, am 25.April den letzten noch Lebenden zu sagen ist, die damals zur Waffe gegriffen haben. Und die geht so: den PartisanInnen ist die aktuelle italienische Verfassung zu verdanken, die wiederum den Krieg ablehnt, weshalb die WiderstandkämpferInnen von damals die eigentliche Friedensbewegung waren. Und umgekehrt natürlich. Zudem hat die junge Generation das Recht, die Resistenza "neu zu interpretieren", wie es ihr gefällt. Das "Nie wieder!"-Fundament, auf dem Europa errichtet wurde bezieht sich selbstverständlich auf Hiroshima (und nicht etwa auf Auschwitz!). Und selbst "il manifesto" hat die Ostküste offenbar satt: "Wir danken den Amerikanern für die Landung in der Normandie, den Sowjets für die Schlacht von Stalingrad, den Venezianern sind wir dankbar für die Schlacht von Naupaktos und den Athenern für die Persischen Kriege. Wenn wir Europäer also eines Tages endlich auf eigenen Beinen stehen, dann sicher nicht aus Undankbarkeit."

Den Abend des Feiertages verbringe ich im Dörflein Montaione, wo die Resistenza mit einem Tanzabend im Altersheim gewürdigt wird; ich glaube, dort wäre ich am liebsten gewesen.

Malmoe # 13 / 2003