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Wiener
Koinzidenzen
Innerhalb weniger Tage ziehen sich zwei verschiedene JournalistInnen
aus zwei völlig verschiedenen Medienprojekten zurück. Aus völlig
verschiedenen Gründen?
Der MUND ist zweifelsohne tapfer. Ursprünglich gegen
Schwarz-blau angetreten, weiss sich der Online-Nachrichtendienst zwar
gegen den mehr oder weniger offenen Antisemitismus von Teilen der Linken
nur durch die Ausklammerung bestimmter Themen (statt der AntisemitInnen)
zu wehren, aber immerhin, das Bemühen ist weit glaubwürdiger
und wirksamer als bei manch anderem Indymedium. Dennoch verliert er nun
einen seiner scharfsinnigsten, differenziertesten und in seiner Kritik
treffsichersten Schreiber. Karl Pfeifer ist es leid, sich permanent gegen
die Zuschreibung von nie ergriffene Positionen zu wehren und ständig
in persönlicher und untergriffiger Weise attackiert zu werden: "Das
hat mit der Tatsache zu tun, dass ich den Rassismus, Xenophobie und Antisemitismus
in der österreichischen Volksgemeinschaft konkret geortet habe und
nicht nur bei den Rechten." Das kann in der hiesigen Szene fatal
sein, "denn wichtiger als sich mit dem Dreck vor der eigenen Tür
zu befassen ist es, diesen Dreck bei anderen festzumachen." Es kommt
hier das Muster zu tragen, dass ein Jude angefeindet wird, weil er nicht
so ist, wie "wir" ihn gerne hätten: "Ich gehöre
nicht zu den 'guten Juden', die einem bestätigen, dass die jüdischen
Opfer des Nationalsozialismus bzw. deren Nachkommen sich nicht gebessert
haben und nun den Palästinensern das antun, was die lieben Väter
und Großväter den Juden angetan haben."
"Sie wollen, daß wir sie freisprechen. Aber es ist ungerecht
und unangemessen, daß wir uns beim Nachdenken über die Seelenzustände
unserer Umgebung verausgaben, dass wir vorausdenken, therapieren, nachfühlen,
loben und verzeihen." hat Anfang der 90er Jahre auch schon die jüdische
Feministin Maria Baader zu ihrem Abschied festgehalten.
Zu wenig gedacht wurde bei der Inszenierung von Taboris "Mein Kampf"
in der Meldemannstraße, befand die Augustin-Autorin Hannah Fröhlich,
und damit sind wir beim zweiten Fall. Sie fand die Produktion sehenswert,
kritisierte aber, dass Holocaust und Antisemitismus "weit weg und
irgendwo außerhalb der Verantwortlichkeit der Anwesenden angelegt"
sind. "In einer Umgebung, in der die Menschen antisemitisch sozialisiert
werden und in der eine antisemitische Diskrimierung allgegenwärtig
ist" bediene die Inszenierung nich nur den Wunsch nach dem "Wegrücken
der NS-Zeit und ihrer Folgen", sondern auch antisemitische Klischees.
So ähnlich diese Beobachtung, so ähnlich das Zusammenrücken
der Volksgemeinschaft: Sie wolle "Menschen verfolgen", muss
sich Fröhlich sagen lassen, "Macht ausüben" und Rache,
sie erliege einer Überidentifikation "mit der Rolle des Opfers".
Und sie schwinge - nona! - eine "verhetzende Antisemitismuskeule".
Diesen Attacken folgte Mobbing innerhalb der Augustin-Redaktion, woraus
Hannah Fröhlich die Konsequenz zog, selbige zu verlassen. Chefredakteur
Robert Sommer ruft ihr noch nach, ihre "Paranoia" sei doch eine
"Methode, sich unangreifbar zu machen".
"Mit Leuten, die nicht bereit sind, über ihre eigenen Verstrickungen
in antisemitische Diskurse zu reflektieren, kann ich nicht zusammenarbeiten.
Soziales Engagement und im weitesten Sinne linke Politik bedeuten noch
nicht per se einen Bruch mit der Volksgemeinschaft der (sekundären)
AntisemitInnen." stellt Fröhlich zum Abschied fest. "Vielleicht
erkennen sie wenn ich weg bin, dass ihr Verfolgungswahn mit der Abwesenheit
'unversöhnlicher jüdischer Zeitgenossen', die sich nicht länger
vorschreiben lassen wollen, wie ihr jüdisch-Sein auszusehen hat,
nur scheinbar aus der Welt geschaffen sein wird."
Malmoe #13 / 2003
Vgl. "Zur Kampagne
gegen Karl Pfeifer"
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