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Dio, perché ci hai abbandonati?
Die Rückkehr des Glaubens in der vor-sprachlichen Filmsprache Pasolinis
Pier Paolo Pasolini, der sich selbst als „Amateurtheoretiker“
des Films begriff, hat an mehreren Stellen eine Konzeption entwickelt,
die davon ausgeht, dass die Wirklichkeit im Film durch sich selbst zum
Ausdruck gebracht werden kann, ohne wie Sprache auf stellvertretende Zeichen
und Symbole rekurrieren zu müssen. Er hat dies in einer Form von
'Dokumentarismus' umgesetzt, der Filmen wie Edipo Re
oder Il Vangelo secondo Matteo ihre Authentizität
verleiht. Dieser „Sprache der Objekte“ kommt laut Gilles Deuleuze
die Rolle zu, den verlorenen Bezug des Menschen zur Welt wieder herzustellen,
was jedoch zu einer Frage des Glaubens wird, denn das Kino filmt nicht
die Welt, „sondern den Glauben an die Welt, unser einziges Band“.
Deleuze bezieht sich dabei auch auf Rossellini, der meinte, es komme dem
Künstler zu, an die Beziehung zwischen Mensch und Welt zu glauben
und andere zu diesem Glauben zu veranlassen.
In meinem Beitrag zur Sektion Le
dieu caché? möchte ich den angesprochenen semiotischen
Zugang just bei jenem Film Pasolinis zur Anwendung bringen, in dem Gott
am deutlichsten abwesend zu sein scheint: Salò
o le 120 giornate di Sodoma. Dieses Werk hält der Kulturtheoretiker
Klaus Theweleit in extensiver Auslegung des obigen Dokumentarismus-Begriffes
für „die erste (und wahrscheinlich einzige) filmische
Dokumentation aller KZ-Greuel“ – eine problematische
These, die den singulären Charakter von Auschwitz offensiv in Frage
stellt, die aber nicht unplausibel ist, wenn es stimmt, dass im Film jedes
Objekt durch ein richtig gewähltes anderes authentisch zum Ausdruck
gebracht werden kann, und somit auch ein KZ durch eine Villa in Norditalien.
In beiden Fällen jedenfalls erlischt die Außenwelt, der sich
anarchistisch verstehende faschistische Terror bringt die Geschichte zum
Stillstand und will die Natur besiegen.
In der literarischen Vorlage de Sades gibt sich der Herzog von Blangis
überzeugt davon, „daß die Existenz des Schöpfers
ein himmelschreiender Unsinn ist” – Pasolini reduziert die
romanhafte Aktion auf Ritus und Symbol, und über diese seine „Objektsprache“
(Deleuze) bleibt das Göttliche, von dem die Folteropfer verlassen
scheinen, nicht weniger präsent als durch die zahlreichen auf den
Film verteilten ikonisch inszenierten religiösen Anspielungen.
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