Projekt Überspielung, Transkription und Auswertung von Videomitschnitten des DDR-Geschichtsunterrichts.

 

a) Zusammenfassung

Das Archiv des Medienzentrums der Humboldt-Universität Berlin verfügt über einige einmalige Videodokumente, die von der ehemaligen Sektion Pädagogik zu didaktischen Zwecken in Auftrag gegeben wurden. Dabei handelt es sich um Unterrichtsmitschnitte, die in einem speziell präparierten Klassenraum, aber mit normalen Berliner Schulklassen, aufgenommen wurden. Es gibt dort u. a. (unmanipulierte) komplette Dokumentationen von Geschichtsstunden zu den Themen: „Mauerbau“, „Ermordung von Liebknecht und Luxemburg“, „Bauernkrieg“. Da diese jedoch in einem speziellen 1“ Format aufgenommen wurden, können sie (nach umfangreichen Recherchen) nur noch in einem einzigen Videostudio sichtbar gemacht und somit gerettet werden. Das Projekt hat die Rettung dieser Dokumente, ihre wissenschaftliche Analyse und Auswertung, die Erforschung des Entstehungskontextes mit Hilfe von Zeitzeugeninterviews und die Publikation der Forschungsergebnisse sowohl als DVD-gestützte „Arbeitshilfe für die politische Bildung“ als auch als wissenschaftliche Publikation zum Ziel.

 

b) Ausführliche Projektkonzeption

Hintergrund

 

Im Jahr 1998 berichtete Prof. Dr. Tilmann Grammes (Hamburg) in einem Gespräch von Videobändern aus der DDR, die vermutlich Unterrichtsmitschnitte zeigten und die er auf abenteuerlicher Weise vor der Vernichtung bewahrt hatte. Leider hatte er bislang keine Möglichkeit gefunden, diese Bänder sichtbar zu machen, da das 1“ Format in keinem Studio abspielbar war. Da es sich um Technik aus der Anfangszeit des Videos handelte, ist das Material auf heute üblichen Maschinen nicht mehr abspielbar. Selbst große Video-, Ton-, und Fernsehstudios verfügen nicht mehr über die notwendige Technik. Erschwerend kommt hinzu, dass es seinerzeit noch keine einheitliche Videonorm gab, so dass beinahe jedes Gerät eine andere Codierung verwendete.

Im Rahmen des DFG-Projekts „Bildungstheorie und Unterricht“ das von 1995 bis 2000 an der Abteilung für Allgemeine Erziehungswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin unter Leitung von Prof. Dr. Dietrich Benner arbeitete, und in dem ich mich von 1998 bis 2000 mit Fragen der politischen Bildung beschäftigte, hatte ich die Möglichkeit, weiter nach einer Abspielmöglichkeit für diese Bänder zu fahnden. Nach einem Jahr intensiver Suche fand sich eine Möglichkeit beim Videostudio Kühn, die Videos zu überspielen. Das Ergebnis war Aufsehen erregend. Wir stellten fest, dass die Videobänder zwei Unterrichts-Stunden zu den Themen „Mauerbau“, „Ermordung von Liebknecht und Luxemburg“ enthielten. Die Recherchen ergaben, dass die Aufnahmen von der Humboldt-Universität in Berlin stammen mussten. Tatsächlich waren dort im Medienzentrum auch die beiden Videobänder noch katalogisiert, aber verschwunden. Weitere Recherchen ergaben, dass diese und andere im Archiv der Universität noch vorhandene Aufnahmen in einem speziell präparierten Klassenraum der Humboldt-Universität meist zu hochschuldidaktischen Zwecken erfolgten. Berliner Schulklassen wurden ein Mal wöchentlich in diesem Raum unterrichtet, so dass sie an die fremde Umgebung gewöhnt waren. Eine bestimmte Stunde wurde dann mit hinter verspiegelten Wänden angebrachten Videokameras dokumentiert.

Diese Videomitschnitte von realen Unterrichtsstunden wurden mit Videokameras der Firma Phillips auf 1“ Bändern gefilmt. Sie stammen aus den Anfangszeiten der Videotechnik überhaupt. Dies stellt einen einmaligen Glücksfall der pädagogischen Forschung dar. Bekannte Bild-Tondokumente des Unterrichts in der DDR stammen bislang zumeist aus Lehrfilmen für die Lehrerweiterbildung und sind in hohem Maße bearbeitet. Zwar gibt es eine große Anzahl schriftlicher Verlaufsprotokolle, aber diese verfügen nicht über die Dimensionen von Bild und Ton und sind zudem meist nachträglich verfertigt und weisen so einen höheren Grad subjektiv gefärbter Einträge auf. Auch ein Videodokument ist nicht schlechthin objektiv. Dennoch weist ein Video einen höheren Grad an intersubjektiver Überprüfbarkeit auf und ist der Analyse auf verschiedensten Ebenen zugänglicher als ein schriftliches Unterrichtsprotokoll. Hinzu kommt, dass technische Experten versichern, dass diese frühen Videofilme nicht technisch nachbearbeitet werden konnten. Sie stehen uns also in der Fassung der Originalaufnahme zur Verfügung.

Finanziert von dem besagten DFG-Projekt konnten wir die ersten zwei Filme zu Forschungszwecken provisorisch auf VHS-Format überspielen und somit sichtbar machen. Dabei handelt es sich um eine Stunde zum Mauerbau und eine Stunde zur Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Da es sich bei diesem Material um die Ebene des konkreten Unterrichts und nicht der Bildungstheorie gehandelt hat, ist dieses Material jedoch nicht in die Auswertung des besagten DFG-Projekts mit eingeflossen.

Nichts desto weniger handelt es sich hierbei um hoch brisantes und einmaliges Material, das der Sichtbarmachung, Analyse und Auswertung wert wäre. Im Rahmen eines Seminars an der Humboldt-Universität Berlin gemeinsam mit Prof. Dr. Tilmann Grammes hat es seine vitale und diskussionsanregende Kraft eindrücklich bewiesen. Ein weiteres 1¢¢ Videoband mit dem Titel „Bauernkriege – Forderungen der Bauern“ vom 4.7.1974 (Schlagwort: Geschichtsmethodik 6. Klasse) fand sich in dem Medienarchiv der HU-Berlin. Dieses konnte jedoch noch nicht in ein gängiges Format überspielt werden.

Nicht unbedeutend für jedes Forschungsprojekt, so klärt uns die Hermeneutik Gadamers auf, ist der Blickwinkel, aus dem die Forschung betrieben wird. Neben der wissenschaftlichen Methodik spielt dabei auch der persönliche Hintergrund des Forschenden eine Rolle. Dieser muss mit reflektiert werden. Er sei hier insofern angedeutet, als der Autor selbst über spezifische Erfahrungen mit dem Volksbildungssystem der DDR verfügt. Ich besuchte von 1975 bis 1985 eine POS in Dessau, war FDJ-Mitglied, nahm an Jugendweihe und Konfirmation teil, fuhr nicht zum Wehrlager, ging nicht zum Wehrkundeunterricht und verweigerte schließlich den Wehrdienst total und wurde im Rahmen einer kirchlichen Initiative 1988 zum ersten Diakonischen Friedensdienstleistenden der DDR. Da es mir nicht möglich war zur EOS zu gehen, studierte ich nach der Ausbildung zum Elektroniker und dem Diakonischen Friedensdienst in Neinstedt in Berlin am Paulinum Theologe. 1994 schloss ich das Studium ab, studierte Erziehungswissenschaften und Theologie, begann 1998 die Arbeit in einem DFG Projekt und arbeite seit 2000 auf einer Haushaltstelle der Abt. Allgemeine Erziehungswissenschaft als Wissenschaftlicher Assistent. Meine Promotion schrieb ich zum Thema: Nachholende Modernisierung oder reflexive Transformation? Analysen zum Transformationsprozess der Lehrplanentwicklung auf den Gebieten der politischen Bildung und des wertbezogenen Unterrichts. Die Liste meiner Veröffentlichungen auf wissenschaftlichem Gebiet und dem Gebiet der öffentlichen Meinung findet sich auf meiner Homepage unter: www.henning.schluss.de.vu.

 

Projektskizze

 

-          In einem ersten Schritt muss es darum gehen, das vorhandene Videomaterial zu retten und sichtbar zu machen. Dazu müssen die Filme an das Videostudio Kühn (Hamburg) zur Überspielung gesandt werden. Das Videostudio kann die Filme unmittelbar auf DVD überspielen. Da die bisher überspielten Filme „Mauerbau“ und „Liebknecht, Luxemburg“ nur zur provisorischen Sichtung im VHS-Format vorliegen, müssen diese Bänder erneut überspielt werden, um sie im digitalen DVD-Format in höchstmöglicher Qualität am Computer weiter bearbeiten zu können.

-          In einem zweiten Schritt müssen die so gesicherten Dokumente sorgfältig transkribiert werden.

-          In einem dritten Schritt müssen die Hintergründe der Aufnahmen so gut wie möglich aufgeklärt werden. Dazu bedarf es der Kontaktaufnahme mit dem ehemaligen Leiter des Medienzentrums der HU, möglichen Auftraggebern der Aufnahmen, den beteiligten LehrerInnen und SchülerInnen. Die Gespräche mit diesen Beteiligten müssen aufgenommen und ebenfalls transkribiert werden. Die Stunde muss im Lehrplan verortet werden und Vergleichsliteratur zu dieser Stunde herangezogen werden. (Z. B. Schulbücher und Unterrichtshilfen, die z. T. sehr detailliert darüber Auskunft geben, wie die jeweilige Stunde vom Ministerium geplant war.)

-          In einem vierten Schritt muss ein Analyseraster entwickelt werden, um ein wissenschaftliches Instrumentarium zur Analyse der Unterrichtsstunden zur Verfügung zu haben. Dies muss keineswegs neu erfunden werden, da es eine Vielzahl von Analyseansätzen von Unterrichtsprotokollen und Aufzeichnungen bereits gibt. Unter anderem habe ich selbst im Rahmen meiner Dissertation ein Analyseraster für die Analyse von Lehrplänen im Bereich der politischen Bildung im Transformationsprozess entwickelt. Jedoch muss sich die Entwicklung des Instrumentariums der spezifischen Situation des Untersuchungsgegenstandes (Unterricht – im Unterschied zu Lehrplänen) bewusst sein und ihn in seiner Vieldimensionalität berücksichtigen. Beispielsweise wird die formale Frage zu berücksichtigen sein, inwiefern Videomitschnitte einer Unterrichtsstunde objektiv sind oder ob die vermeintliche Objektivität der Bilder nicht den inszenatorischen Charakter jeglichen Bildes überspielt? Die Frage muss berücksichtigt werden, inwiefern nicht auch Unterricht immer inszenatorischen Charakter hat? Zur Entwicklung eines Analyserasters ist es entscheidend, ob lediglich intrinsische oder auch externe Methoden der Evaluation angewendet werden sollen. Wie auch schon in meinen bisherigen Arbeiten plädiere ich für eine Kombination beider Verfahren. Einerseits ist es aufschlussreich zu erfahren, inwiefern die konkrete Stunde den Vorgaben des Lehrplanes und der Unterrichtshilfen entspricht (intrinsisch), andererseits fehlen bei einer ausschließlichen intrinsischen Analyse die Kriterien zur Bewertung dieser Abweichungen. Als Pädagoge werde ich deshalb hier pädagogisch verantwortete Kriterien des Urteils hinzuziehen. (Vgl. z.B. Schluss, Henning (1999): Lehrpläne im Transformationsprozess. Eine Analyse der vorläufigen Lehrplanhinweise für das Bundesland Thüringen. In: Benner, Dietrich/Göstemeyer, Karl-Franz/Sladek, Horst (Hrsg.): Bildung und Kritik - Studien zum Gebrauch von Kritik im Umgang mit Bildungszielen und -problemen. Weinheim 1999, S. 143-174.) Reizvoll wäre auch ein Vergleich zu westdeutschen Stunden, wobei sich für den Bauernkrieg eine genaue Parallele geradezu anbietet: Geschichtsstunde „Bauern und Grundherren“ in der 7. Klasse einer Realschule in Baden-Württemberg vom 13.02.1974, aufgezeichnet vom hochschulinternen Fernsehen der PH Heidelberg, Band Nr. 660 X, das über Prof. Uwe Uffelmann und das Archiv der Hochschule zugänglich ist (vgl. Uwe Uffelmann/Andreas Cser: Aus der Praxis des problemorientierten Geschichtsunterrichts. Empirische Befunde auf der Basis der Auswertung von Video-Band-Aufzeichnungen in: Geschichtsdidaktik 1977, Heft 1, S. 1-12).

-          In einem letzten Schritt wird es schließlich um die Präsentation und Publikation der Forschungsergebnisse gehen. Diese soll auf zwei Ebenen erfolgen. Erste Erfahrungen mit den Videodokumenten im Rahmen eines Universitätsseminars haben gezeigt, dass diese Dokumente ein hervorragendes Material der Politischen Bildung darstellen. Studierende aus allen Teilen Deutschlands und unterschiedlichen Alters zeigten sich hoch motiviert in der Diskussion über dieses Material. Diese Potenz der Quelle und ihrer Gattung (Video), soll in einer breitenwirksamen Publikation genutzt werden. Zu dieser Publikation, die als eine Art „Arbeitshilfe für die politische Bildung“ gedacht ist, gehören darum:

a)     Das Video-material selbst auf DVD. Für diese Veröffentlichung muss die DVD am Computer erstellt werden. Es sollen alle Schulstunden darauf gespeichert sein. Zusätzlich ist ein Index zu erstellen, der einen unproblematischen Zugriff auf die einzelnen Stunden, aber auch auf einzelne Szenen erlaubt, die in dem Arbeitsheft thematisch besonders bearbeitet werden.

b)     Transkriptionen der Stunden (so dass eine eigenständige Analyse und Diskussion anhand der transkribierten Fassung möglich ist).

c)      Der zeithistorische Hintergrund muss erläutert werden. Eine Zeitleiste mir relevanten Ereignissen sollte beigelegt werden.

d)     relevantes Hintergrundmaterial der Stunden, wie Lehrpläne, Unterrichtshilfen, Schulbuchauszüge.

e)     Alternative Darstellungen des jeweiligen Unterrichtsstoffs. Es ist für eine populärwissenschaftliche Arbeitshilfe keineswegs vorauszusetzen, dass die behandelten Ereignisse bekannt sind. Insofern muss zum einen mit diesen Ereignissen bekannt gemacht werden, zum anderen aber soll in die Multiperspektivität geschichtlicher Darstellung eingeführt werden. Deshalb sind Schilderungen der betreffenden Ereignisse (Mauerbau, Liebknecht-Luxemburg, Bauernkrieg) aus unterschiedlichen Perspektiven beizufügen.

f)       Aufschlussreich wäre darüber hinaus auch die Darstellung eines alternativen unterrichtlichen Zugriffs auf den dargebotenen Stoff. Dies bietet sich z.B. für die Bauernkriegsstunde sogar mit einem vergleichbaren Filmdokument an. Aber auch für die anderen Geschichtsstunden könnte eine unterrichtliche Parallele gefunden werden. Die vergleichende Analyse kann sich so nicht nur auf die Art und Weise der monoperspektivischen Geschichtsbetrachtung, sondern auch auf die Unterrichtsdiskussion über dieses Thema erstrecken und so zwei verschiedene Ebenen der Videoanalyse erreichen. 

g)     Die Arbeitshilfe sollte weiterhin einen Anleitungsteil enthalten. Dieser sollte unterschiedliche Analysemodelle vorstellen, die von den Benutzern der Arbeitshilfe selbst erprobt werden können. Im Seminar haben sich dort sehr einfache Beobachtungsaufgaben bewährt. Diese können selbst gewählt oder vorgegeben sein. Nicht auf der Hand liegend und doch als äußerst ergiebig hat sich z. B. die Beobachtungsaufgabe der geschlechterspezifischen Interaktion erwiesen. Sehr hilfreich war auch die Anregung, sich positive und negative Eindrücke auf einem Blatt mit zwei Spalten zu notieren. Die Notwendigkeit einer methodisch verantwortlichen Arbeitsweise kann so nicht nur erläutert, sondern selbst erprobt werden.

h)     Schließlich sollte ein Interpretationsteil hinzukommen, der zwar keine wissenschaftliche Abhandlung sein soll, aber dennoch von der wissenschaftlichen Analyse der Videodokumente im Projekt profitiert. Die Kernthesen dieser Analyse sollen hier plausibel dargestellt werden.

i)        Evtl. könnten auch schon erste relevante Interviewauszüge verwendet werden.

 

Die rechtliche Situation der Verwertung der Videobänder ist mit der Rechtsstelle der HU bislang insofern abgestimmt, dass zu Forschungszwecken von den Bändern Gebrauch gemacht werden darf. Weiteres müsste mit der Rechtsstelle abgeklärt werden, die jedoch von sich aus keine grundsätzlichen Bedenken hegt und an der Publikation von Forschungsergebnissen interessiert ist. Das Videomaterial befindet sich rechtlich im Besitz der Humboldt-Universität Berlin.

- Die wissenschaftliche Auswertung der Forschungsergebnisse soll in einer eigenen Monographie erfolgen. Diese zielt nicht so sehr auf Breitenwirkung, sondern soll den einmaligen Fund der wissenschaftlichen Debatte zugänglich machen. Hier wird die Analyse des Materials nach dem erarbeiteten Kriterienraster durchgeführt. Auch hier ist allerdings an das Beilegen der Videodokumente auf DVD gedacht, um die Analyse überprüfbar zu halten.

 

Benötigte Unterstützung des Forschungsvorhabens durch die Stiftung:

 

-          Zur Sicherung des einmaligen Materials von unbearbeiteten Videomitschnitten des Geschichtsunterrichts der DDR benötige ich die Mittel zur Überspielung der drei Videofilme Bauernkrieg, Mauerbau, Liebknecht/Luxemburg auf DVD und evtl. zweier weiterer Videos + Versandkosten.

-           Sollten sich im Laufe der Recherche noch weitere interessante Bänder finden, ev. noch zweier weiterer.

-          Für die Transkription der vorhandenen Videobänder „Mauerbau“ und „Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg“ sowie des neu zu erschließenden Bandes „Bauernkrieg“, für die Erforschung der Hintergründe der Aufnahme, der Kontaktaufnahme mit Zeitzeugen, mit dem damaligen Leiter des Medienzentrums der HU, ev. mit den ehemaligen Schülern und Lehrern, die Transkription der Interviews  und schließlich der technischen Assistenz bei der Erstellung der DVD bedarf ich einer studentischen Hilfskraft mit 60 Monatstunden im ersten Jahr, 40 Stunden im dritten Halbjahr und 10 Monatsstunden im vierten Halbjahr.

-          Zur Publikation der Ergebnisse bedarf ich eines Druckkostenzuschusses für das Arbeitsmaterial, der die Kosten für die Vervielfältigung der DVD enthalten muss und eines weitern für die wissenschaftliche Publikation.

-          Für die Präsentation und Diskussion der Ergebnisse sollten Reisegelder, Tagungskostenpauschalen und Portobeträge zur Verfügung stehen.

-          Ein multimediafähige Computer, der mit DVD+ Brenner inkl. Software ausgestattet ist, um so die Überspielung und Konzeption der DVD mithilfe der technischen Assistenz durch die Hilfskraft selbst und somit kostengünstig übernehmen zu können.

-          Ein Diktiergerät für die Interviews.

-          Da ich selbst bei der Humboldt-Universität Berlin als wissenschaftlicher Assistent angestellt bin, bedarf es keiner Förderung für meine Arbeitskraft, die ich zu gut einem Drittel dem Projekt zur Verfügung stellen kann. Darüber hinaus kann das Projekt auch durch die Unterstützung der Abteilung und namentlich des Abteilungsleiters, Dietrich Benner, auf die Infrastruktur der HU-Berlin zurückgreifen.

-          Projektzeitraum: Zwei Jahre.

 

c) ausführliche Beschreibung der Quellen-/Materialgrundlage

Die Primärquellen des Projekts werden die zu rettenden und analysierenden Videobänder selbst sein. Darüber hinaus werden als sekundäre Quellen die Interviews mit den Betroffenen und Zeitzeugen herangezogen werden können.

Als Hintergrundliteratur wird einerseits auf gängige Modelle der Unterrichtsanalyse zurückgegriffen werden, zudem wird von der Fülle der zeitgeschichtlichen Literatur, die sich mit der Aufarbeitung der DDR-Geschichte im Allgemeinen und des Volksbildungssystems im Besonderen bezieht, gebrauch gemacht werden. Auch autobiographische Zeugnisse können hier eine wertvolle Rolle spielen.

Auf weitere Literatur wird gemäß der einer wissenschaftlichen Arbeitsweise zurückgegriffen werden. Der Schwerpunkt wird voraussichtlich, auch angesichts meiner Perspektive vom Bereich der systematischen Pädagogik aus, bei Konzepten liegen, die in diesem Diskussionskontext eine Rolle spielen.

 

d) Vorläufiger Arbeitsplan

 

Phase I: 1.1.03 - 31.6.03:

-          Überspielen der Videos: „Bauernkriege – Forderungen der Bauern“ vom 4.7.1974 (Schlagwort: Geschichtsmethodik 6. Klasse), Mauerbau und Liebknecht/Luxemburg in DVD-Format durch das Videostudio Kühn.

-          Sichtung nach weiteren Video-Filmen, die möglicherweise  für das Projekt interessant sind im Medienzentrum der Humboldt-Universität Berlin.

-          Beginn der Transkription der überspielten Videos.

 

Phase II: 1.7.03 – 31.12.03:

-          Abschluss der Transkription der überspielten Videos.

-          Nachforschung nach dem Verbleib der aktiv an den Aufzeichnungen Beteiligten, wie Leiter des Medienzentrums, Auftraggeber (vermutlich Geschichtsdidaktiker der HU), der betroffenen Lehrer und Schüler.

-          Erarbeitung eines Fragebogens für diese Beteiligten.

-          Interviews mit den auffindbaren Beteiligten über die Hintergründe der Aufnahmen.

-          Beginn der Transkription der Interviews.

-          Erarbeitung eines Analyseinstrumentariums zu den dokumentierten Stunden.

 

Phase III: 1.1.2004-31.6.2004

-          Abschluss der Transkription der Interviews.

-          Analyse der Videodokumente.

-          Erstellung der „Arbeitshilfe für die politische Bildung“.

-          Auswahl der Videodokumente für die Arbeitshilfe, Nachbearbeitung der Videodokumente, Indizierung und Erstellung von Untertiteln zumindest an schwer verständlichen und verrauschten Stellen.

-          Erstellung von Untertiteln zumindest an schwer verständlichen und verrauschten Stellen, Indizierung der einzelnen Kapitel, Auswahl von Beispielen aus vergleichbaren Filmdokumenten (Bauernkrieg – West, etc.). Erstellung der Master-DVD.

-          Publikation der „Arbeitshilfe“.

 

Phase IV: 1.7.2004-31.12.2004

-          Analyse der Interviews.

-          Abschluss aller ausstehenden Arbeiten.

-          Wissenschaftliche Publikation des analysierten Materials.

 

e) Begründung, inwiefern das Vorhaben den förderpolitischen Zielen des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur entspricht

 

Neben dem Ministerium für Staatssicherheit war es wohl das Ministerium für Volksbildung, das in besonderer Weise den ideologischen Vorgaben der „Partei der Arbeiterklasse“ verpflichtet war. Über die Verflechtung von Volksbildung und Staatssicherheit ist in der Vergangenheit schon viel geforscht worden. Ebenso gibt es eine Reihe z. T. erschütternder Selbstzeugnisse von SchülerInnen, die dieses Volksbildungssystem  im wahrsten Sinne durchlitten haben. (Vgl. Charitas Führer: Montagsangst. Oder den Interviewband von -LESCHINSKY, ACHIM/KLUCHERT, GERHARD (1997): Zwischen zwei Diktaturen - Gespräche über die Schulzeit im Nationalsozialismus und der SBZ/DDR. Weinheim 1997.)

Bis weit in die 80er Jahre gibt es Ereignisse, die Schlaglichter auf die Situation der Volksbildung in der gesamten Republik warfen. So die Relegation der Oberschüler an der Ossietzky-Oberschule (Vgl. Tilmann Grammes/Ari Zühlke: Ein Schulkonflikt in der DDR. Bonn (o. J.) 2 Bände.)

Andererseits gibt es bis heute eine breite Verklärung der DDR-Volksbildung. Die LehrerInnen der DDR Schulen wurden zum größten Teil übernommen. Richard Schröder konstatierte, dass das Lehrer-Milieu das stabilste DDR-Milieu überhaupt sei. Dies bestätigen auch Erfahrungen von Projekten wie „Schulspeisung“ von Freya Klier und anderen. Aber auch ich selbst konnte im Rahmen der Mitarbeit an Religionsphilosophischen Schulwochen an einer Ostberliner Schule entsprechende Erfahrungen sammeln. LehrerInnen und SchülerInnen bekunden, wie Untersuchungen zum Wehrkundeunterricht im Rahmen eines von Prof. Dr. Tilmann Grammes (Hamburg) und mir angebotenen Seminars zur politischen Bildung belegen, weithin übereinstimmend, von ideologischer Beeinflussung in der Schule nichts mitbekommen zu haben. (Vgl. dazu auch die Ergebnisse des Projekts: „Die Volksbildung in der DDR in ausgewählten Kapiteln“ des brandenburgischen Bildungsministeriums und dabei besonders das Projekt: „Vormilitärische Ausbildung in der DDR“ und „Staatsbürgerkundeunterricht“ Ergebnisse veröffentlicht in vier Bänden.) Führende bundesdeutsche Didaktiker haben aus Ihrer Wertschätzung der DDR-Didaktik noch nie einen Hehl gemacht (z. B. Hilpert Mayer/A. Meinert: Lob des Frontalunterrichts. Argumente und Anregungen. In: Lernmethoden Lehrmethoden. Friedrich Jahresheft 1997, S. 34-37.). Im Zuge des PISA-Desasters erlebt das DDR-Volksbildungssystem sogar postum einen ungeheuren Aufschwung (vgl. z.B. DETLEF GÜRTLER: Nach Pisa: Riesa- Das Schulsystem der DDR war dem der Bundesrepublik in vielem überlegen. taz vom 7.9.2002). Kritiken an der ideologischen Struktur des DDR-Schulsystems sind anscheinend nicht en vogue und werden selbst dem Geist des Kalten Krieges zugeschrieben. Das Argument lautet meist, dass ja das Bildungsministerium und der Lehrplan ideologisch belastet gewesen seien, der konkrete Unterricht jedoch ganz anders aussah. Gerade für den Bereich der gesellschaftspolitischen Bildung (zu dem der Geschichtsunterricht hinzugehörte) wurde immer wieder ein Typus des „dialektischen Lehrers“ proklamiert, der sich offensiv und diskussionsfreudig allen gesellschaftlichen Problemen stellte. (Vgl. Tilmann Grammes et al.: Staatsbürgerkundeunterricht. In: Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg: Freundschaft! Berlin 1996, S. 19-170.)

Mit der Analyse der Video-Mitschnitte des Unterrichts lässt sich nun erstmals konkreter Unterricht analysieren. Es kann so untersucht werden, ob und wie sich die ideologischen Vorgaben im konkreten Unterricht niedergeschlagen haben. Hierzu gibt es, aufgrund des bislang nicht vorhandenen Quellen-Materials keinerlei relevante Forschung!

Durch die Erarbeitung von Analysekriterien soll sichergestellt werden, dass diese Analyse nicht selbst wieder ideologisch erfolgt und sie intersubjektiv überprüfbar bleibt. Durch so ein Kriterienraster könnte es möglich werden, auch vergleichend Unterrichte in West und Ost zu analysieren.

Durch diese Forschungsarbeit würde einer der wichtigsten Bausteine der „Diktatur des Proletariats“, der konkrete Unterricht im Volksbildungssystem der DDR, durch das einmalige Quellenmaterial erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können. Die Wichtigkeit des Volksbildungssystems für den Bestand der DDR wurde von der DDR Führung von Anfang an sehr hoch eingeschätzt, wie auch eine Reihe von Forschungsarbeiten belegen. Die Ebene des konkreten Unterrichts ist mit diesen Forschungen jedoch bislang kaum erreicht worden. Mit dieser Arbeit könnte sichtbar gemacht werden, was Formeln wie die von der „kommunistischen Erziehung“, die in ihrer Bedeutung selbst für den Direktor der APW, Gerhard Neuner, letztendlich nicht klar zu füllen waren, in exemplarischer Unterrichtspraxis bedeuteten und wie sie sich dort niederschlugen.

Insofern sehe ich in dem Projekt eine große Chance, auf dem Gebiet der Unterrichtsforschung „dazu beizutragen, die existierende Vielfalt der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur zu erhalten, auszubauen und zu professionalisieren“ (Ziele der Stiftung). Durch die Kombination von wissenschaftlicher Forschung und breitenwirksamer Publikation in Form eines Arbeitsmaterials, das in Schulen aber auch in der außerschulischen politischen Bildung eingesetzt werden können soll, hoffe ich, mit dem Projekt „zum Austausch und zur Vernetzung zwischen gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Aufarbeitung beitragen sowie [gegebenenfalls] eine diesbezügliche internationale Zusammenarbeit anregen“ zu können. (Ebd.) Durch die Schaffung einer studentischen Hilfskraftstelle, die mit sehr qualifizierten Aufgaben betraut sein wird und auch durch die eigene Forschungstätigkeit wird das Projekt auch zur „Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses“ beitragen. (Ebd.)

 

f) Der mit dem Projekt verfolgte Zweck und die angestrebte öffentliche Wirksamkeit.

 

Das Projekt zielt zum einen durch die angestrebten Publikationen auf öffentliche Wirksamkeit. Dabei geht es sowohl um eine gesellschaftliche Öffentlichkeit im Rahmen der Arbeitshilfe für die politische Bildung, die inner- und außerschulisch eingesetzt werden können soll, als auch um eine wissenschaftliche Öffentlichkeit, die vor allem mit der angestrebten wissenschaftlichen Publikation erreicht werden soll.

         Zum anderen werden die Projektergebnisse aber auch direkt meiner Arbeit als Universitätsdozent zugute kommen und im Rahmen universitärer Lehre öffentlichkeitswirksam werden. Dies geschieht durchaus auch in Kooperationsveranstaltungen, wie z. B. mit Prof. Dr. Tilmann Grammes. Aber auch in außeruniversitäre Zusammenhänge werde ich diese Ergebnisse einbringen. Mit einem Videoausschnitt arbeitete ich beispielsweise in einem Seminar des Ost-West-Kollegs der Bundeszentrale für politische Bildung zum Thema der Werteerziehung oder der Ost-West-Akademie in Lüneburg. Weiterhin wurde ein Videoband auch in der politischen Erwachsenenbildung in einer Zusammenarbeit mit Frau Elena Demke  verwandt. In meiner Zusammenarbeit mit Marcus Götz-Guerlin, Jugendbildungsreferent der Evangelischen Akademie Berlin-Brandenburg, ist ähnliches bereits angedacht. Mit Tobias Nahlik, dem ehemaligen Jugendbildungsreferent des Franziskanischen Bildungswerkes in Berlin arbeitete ich bereits mehrfach zusammen und kann die Projektergebnisse auch in diese Zusammenarbeit einbringen. Weitere Beziehungen bestehen z. B. zum Kreuzberger Bildungsforum, einer Basisinitiative, die sehr an Fragen reflektierender oder normativer Erziehung interessiert ist.

         Die wissenschaftliche Diskussion hoffe ich durch Publikationen und Beiträge auf Symposien zu erreichen.

 

Nähere Informationen beim Projektleiter.

 

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