Weichzeichnerin für Romney

USA: Sturm „Isaac“ wirbelt die Parteitagsregie der Republikaner durcheinander. Ann Romney soll zum Auftakt für Stimmung sorgen. (Kurier, 27.8.2012)

Blass und durchgerüttelt wankten Delegierte und Journalisten aus den Flugzeugen, ehe der Flughafen von Tampa, Florida, die Flüge zu streichen begann. Tropensturm Isaac war im Anmarsch, machte aber dann doch noch die Kurve um die Küstenstadt, in der die Republikaner ihren Parteitag wetterbedingt erst am Dienstag mit einem Tag Verspätung eröffnen können.

„Isaac“ nimmt indessen Kurs in Richtung New Orleans. Dort droht der Tropensturm am Mittwoch die Stadt zu verwüsten – auf den Tag genau sieben Jahre nach dem Katastrophen-Hurrikan „Katrina“. Besorgt verfolgen auch die republikanischen Parteistrategen den Verlauf „Isaacs“: Bilder von in Fluten versinkenden Häusern und von Todesopfern, während Amerikas konservative Partei sich selbst bejubelt – das könnte so manchem Zuseher daheim übel aufstoßen.

Die über Monate bis ins kleinste Detail ausgetüftelte Choreografie des Parteitages ist durcheinandergewirbelt. Statt an vier drängen sich sämtliche republikanische Redner nun an drei Tagen, wobei Ann Romneys Auftritt am Dienstag den glanzvollen ersten Höhepunkt des gewaltigen Medienspektakels bilden soll.

Die Frau des kon­servativen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney ist das menschliche Aushängeschild der Republikaner im Wahlkampf. Ann Romneys Rolle im Wahlkampf war von Anfang an klar: Sie sollte ihren Mann, der von Kritikern als unbeholfener Polit-Automat dargestellt wird, als mitfühlenden Familienvater präsentieren. Die 63-jährige Mutter fünf erwachsener Söhne ist als Einheizerin gebucht, sie soll für Stimmung sorgen, denn Ann heimst bei ihren öffentlichen Auftritten stets viele Sympathiepunkte ein: Sie kommt bei den Wählern besser an als ihr Ehemann.

Doch es gibt auch Kritik: Die Millionärsgattin sei abgehoben und habe keine Ahnung vom „echten Leben“ der Amerikaner, wird ihr angesichts ihres Reichtums vorgeworfen. „Ich betrachte mich nicht als wohlhabend“, sagte Frau Romney einmal zum Sender Fox – was angesichts des Multimillionen-Dollar-Vermögens der Romneys viele Amerikaner als zynisch empfanden. Sowohl Ann Romneys 77.000-Dollar-Beteiligung an einem Pferd, als auch ihre eigenen Mil­lionen bei einer Schwei-zer Bank waren wiederholt Thema.

Ein mediales Eigentor schoss sich aber eine de­mokratische Politikerin, die über Ann Romney lamentierte: „Diese Frau hat keinen einzigen Tag ihres Lebens gearbeitet.“ Das nahm die Kandidaten-Gattin zum Anlass, ihre Paraderolle als Prototyp konservativer Familienwerte zu zelebrieren: Sie habe fünf Söhne groß­gezogen, „und das war harte Arbeit“.

Die Romneys

Ann Romneys Leben liest sich wie eine Werbebroschüre der Tea Party: Sie lernte ihren späteren Mann in der Volksschule kennen, als die Industriellen-Tochter in einem noblen De­troiter Vorort aufwuchs. Als Mitt nach der Schule zwei Jahre für die Mormonen in Frankreich missionierte, hielten die beiden Briefkontakt. Nach seiner Rückkehr erwartete sie ihn mit der Übertrittsurkunde zur Mormonen-Kirche. Geheiratet wurde vor ihrem 20. Geburtstag, für sein Studium in Harvard brach sie ihr eigenes ab. Fünf Kinder kamen, sie blieb zu Hause.

Ann kämpft gegen Multiple Sklerose, litt zeitweise an Brustkrebs. Heute ist sie 18-fache Oma – und so stellt sie sich auch auf ihrem Twitter-Account vor.

Die Ryans

Familie und Religion sind auch ein großes Thema bei Janna Little Ryan. Die Ehefrau des Vizepräsidentschaftskandidaten ist wie ihr Mann Paul streng katholisch. Gern zeigt die Familie ihre drei Kinder her. Auch der Wohlstand der Ryans stand in der Kritik: In Wisconsin wohnen sie in einem Haus mit sechs Schlaf- und acht Badezimmern. Auch die erfolgreiche Anwältin und Lobbyistin gab ihre Karrierepläne auf, ist nun „stay-at-home-mom“.

Unabhängig, erfolgreich und dennoch Vorzeige­mutter – für die Tea-Party-Basis ein Traum von einer Politiker­ehefrau. Ob sich auch das US-Wahlvolk in Ann und Janna wiedererkennt, wird ein entscheidender Faktor bei der Wahl im November sein.

Abtrünnige und Abwesende

Neben Sturm „Isaac“ gibt es für Mitt Romney noch andere Störenfriede: Ausgerechnet der frühere republikanische Gouverneur Floridas stärkt nun Barack Obama den Rücken: Charlie Crist verließ die Republikaner vor zwei Jahren, schrieb einen flammenden Zeitungskommentar gegen die „zu weit nach rechts“ gerückte Partei und will sogar bei der demokratischen Convention im September auftreten.

Auffällig abwesend sind am konservativen Parteitag die Aushängeschilder der Tea Party, Michelle Bachmann und Sarah Palin. Fern bleiben auch Ex-Präsident George W. Bush und der damalige Vize Dick Cheney.

„Es gibt keine Kompromisse“

Er ist Politikwissenschaftler, Universitätsprofessor, Experte für US-Politik, Buchautor: Mit Heinz Gärtner vom Österreichischen Institut für Internationale Politik (OIIP) sprach der KURIER über. . .

. . . das konservative Wahlprogramm der Republikaner

Zwischen Mitt Romneys Ansichten und jenen der anderen Republikaner gibt es kaum einen Unterschied. Romney wurde im Lauf des Vorwahlkampfes sehr weit nach rechts gedrängt. Diese Republikaner sind ja laut der politikwissenschaftlichen Analyse die konservativsten seit vielen Jahren. Beim Parteitag in Tampa stehen die Positionen fest und werden nicht mehr verändert. Die Tea Party darf nicht verschreckt werden. Was Romney ganz rechts nicht abdeckt, soll von seinem Vize Paul Ryan bedient werden.

. . . Abweichungen Romneys von den Republikanern

Es gibt auch beim Thema Abtreibung keinen Widerspruch zwischen beiden. Von Todd Akin hat sich Romney nur bei der Wortwahl distanziert. Romney und Ryan waren immer strikt gegen Abtreibung. Es gibt hier keine Kompromisse, höchstens andere Formulierungen. Ich schätze, 45 Prozent der republikanischen Wähler wählen die Partei wegen ihrer Ideologie.

. . . wie man dennoch Wechsel­wähler ansprechen will

Die Tea Party ist radikal und für sie ist das eine Anti-Obama-Wahl. Um Obama zu verhindern, wählen sie sowieso Romney. Den Rest der Stimmen irgendwie zu erreichen, diesen Kompromiss müssen die Parteistrategen abschätzen. Für unabhängige Frauen zum Beispiel ist jetzt zumindest klar geworden, was die unmissverständlichen Positionen der Republikaner sind.

. . . die Bedeutung des republika­nischen Parteitags

Das ist die Präsentation. Überraschungen gibt es keine mehr, der Kandidat steht fest. Das letzte Mal, als es nicht so war, war 1976 Reagan gegen Ford. Da war die Kandidatur erst am Parteitag fix. Aber am Dienstag hat er zwei Aufgaben: Erstens Mobilisierung, um vielleicht noch ein bis zwei Prozent mehr Wähler auf die eigene Seite zu ziehen. Und zweitens eine Präsentation von Personen, die in der Zukunft in der Partei noch eine Rolle spielen könnten.

Heinz Gärtners Buch über die neue Rolle der USA in der Welt erscheint am 8. November.

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