Reader
zur Lehrveranstaltung
"Übergang zur Elternschaft I"
(Schwerpunkt: Mütter)
(604 532, anrechenbar als iD 2304)
Wintersemester 1996/97
(Blockveranstaltung vom 23. und 24. November 1996)
Lehrveranstaltungsleiter und Herausgeber
Univ.-Lektor Mag. Dr. Harald WERNECK
Abteilung für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie des Instituts für Psychologie der Universität Wien

Wien, Jänner 1997

Vorwort

Der vorliegende Reader beinhaltet die gesammelten schriftlichen Berichte, die von Studierenden im Rahmen der Lehrveranstaltung "Übergang zur Elternschaft I" (am Institut für Psychologie der Universität Wien) verfaßt wurden.

Behandelt wird dabei schwerpunktmäßig die Situation von Frauen während bzw. nach der Phase des Übergangs zur Mutterschaft, aus individueller, biographischer und aus familien-entwicklungspsychologischer Perspektive sowie schließlich auch im Kontext der aktuellen gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen für (werdende) Mütter.

Aufgrund der Verwobenheit der Thematik lassen sich gewisse Überschneidungen zwischen den einzelnen Beiträgen kaum vermeiden, wobei unterschiedliche Zugangsweisen zu denselben Themenbereichen das gedankliche Spektrum aber durchaus auch erweitern können.

Die Berichte wurden nahezu unverändert (von den jeweiligen Diskettenversionen) übernommen - abgesehen von gewissen Veränderungen im Layout bzw. Korrekturen, betreffend die Rechtschreibung.

Auf eine inhaltliche Überarbeitung bzw. eine komplette Vereinheitlichung des Layouts, aber auch beispielsweise der Literaturverzeichnisse mußte aus Zeitgründen verzichtet werden.

Die inhaltliche Verantwortung bleibt dementsprechend bei den einzelnen Autorinnen bzw. dem Autor.

Dieser Reader versteht sich in erster Linie als Service für die Teilnehmenden an der ihm zugrundeliegenden Lehrveranstaltung, aber auch als Basisinformation bzw. Anregung für (aus verschiedenen Gründen) am Thema Interessierte.

Wien, Jänner 1997 / Univ.-Lektor Mag. Dr. Harald Werneck


 
 

INHALTSVERZEICHNIS

  1. Familienentwicklungspsychologie
  2. Psychogene Faktoren der Schwangerschaft
  3. Studien zur Schwangerschaft und zum Geburtserleben aus Sicht der werdenden Mutter
  4. Die Rolle der Geburtsvorbereitung
  5. Einfluß von Belastungen auf die Partnerschaftsqualität
  6. Die Geburt des ersten Kindes als Herausforderung für die Partnerschaft
  7. Entwicklungspsychologische Analyse des Übergangs zur Erst- und Zweitelternschaft
  8. Paare werden Eltern. Eine familienentwicklungspsychologische Längsschnittstudie
  9. Identitätsveränderungen im Zuge des Übergangs zur Elternschaft
  10. Herausforderung Mutterschaft
  11. Die berufliche und familiärer Rolle der Frau nach der Karenz (1)
  12. Die berufliche und familiärer Rolle der Frau nach der Karenz (2)
  13. Wiedereinstieg von Frauen ins Berufsleben
  14. Familie und Arbeitswelt
  15. Kulturelle Determinanten des Elternschaftserlebens am Beispiel Südkoreas
  16. Die wirtschaftliche und soziale Rolle der Frau in Österreich

Inhaltsverzeichnis

1) Familienentwicklungspsychologie

HAIDVOGL Maria

"Die psychologische Familienforschung umfaßt die Entwicklung individueller Einstellungen, Veränderungen der Persönlichkeit und zwischenmenschlicher Rollenverteilung innerhalb der Familie" (Petzold, 1992, S. 9).

FAMILIE IM WANDEL

Die heutige Form der Familie ist nicht eine Fortsetzung einer alten Tradition. Die Familie hat in ihrer Entwicklung viele verschiedene Formen angenommen. Viele gesellschaftliche Faktoren haben dabei mitgewirkt, wobei die Trennung der Arbeitswelt von der Familienwelt die nachhaltigsten Auswirkungen zeigte.

Der Begriff der Familie ist erst während der Renaissance (15./16. Jahrhundert) entstanden. In den Städten ist die Familie zur zentralen sozialen Grundeinheit geworden.

Bis zum Ende des Mittelalters sprach man nur von wirtschaftlichen Gemeinschaften von der Institution des "ganzen Hauses". Diese Institution umfaßte nicht nur Mutter-Vater-Kind(er), Verwandte, Großeltern sondern auch das "Personal". Der seine Wanderschaft unterbrechende Geselle und der Lehrling zählte zur Familie, deren Oberhaupt sein Meister war. Großfamilien mit zahlreichen Verwandten gab es im Mittelalter lediglich in der reichen Feudalklasse. Viele Bauern waren nicht in der Lage eine Großfamilie zu ernähren, denn dazu war das zur Verfügung stehende Stück Land viel zu klein.

Erst im 19. Jahrhundert setzte sich ein Verständnis von Familie durch, das sich an der rechtlichen Institution der Ehe und der Liebesheirat orientierte. In der heutigen Diskussion werden in bezug auf die Familie die beiden Institutionen Ehe und Familie gleichgesetzt. Aus psychologischer Sicht handelt es sich um zwei verschiedene Beziehungsformen.

Familie und Gesellschaft

Bis ins 19. Jahrhundert war die Familie primär eine Zweckgemeinschaft für die Absicherung des materiellen Lebens. Die Familie selbst war Ort der Produktion. Seit der Industrialisierung ist das familiäre Zuhause nicht mehr der gemeinsame Platz für die Arbeit und das familiäre Leben.

Die Arbeit und das Familienleben finden an gänzlich getrennten Orten statt. Dies gilt nicht für die Hausarbeit und die Heimarbeit. In diesem gesellschaftlichen Rahmen entstanden auch die Geschlechterrollenstereotype. Der Mann arbeitet außer Haus und übernimmt die finanzielle Absicherung der Familie, während die Frau die Verantwortung für Hausarbeit und Kindererziehung trägt. Es wurde und wird die außerhäusliche Arbeit immer höher bewertet und besser bezahlt als die Arbeit am Ort des Familienlebens.

Heute scheint sich wieder ein Gegentrend abzuzeichnen. Für bestimmte Arbeitsplätze wird die Arbeit wieder in die Familie zurückverlagert. In diesem Bereich fallen die auf Honorarbasis abgeschlossenen Werkverträge, wobei der Arbeitende auch den Arbeitsplatz selbst zu stellen hat. In der Realität übernimmt meist die Frau neben ihrer Hausarbeit und der Kinderbetreuung noch Heimarbeit in Form von Schreibarbeiten oder telefonischer Auftragsannahme. Für die Frauen ergibt sich das Problem der Doppelbelastung.

Auf Grund der Vernetzung mit neuen Medien und Computern könnte der Arbeitsplatz eines Experten aus dem Büro in das Zuhause verlegt werden. Diese neue Arbeitsformen werden bei IBM-Deutschland schon seit 1992 erprobt.

BEGRIFFSBESTIMMUNG DER FAMILIE

Familien sind staatlich und/oder kirchlich geschlossene Ehen

Die Ehe ist die alleinige Grundlage einer vollständigen Familiengemeinschaft. Ehe und Familie wird gleichgesetzt. Die religiösen Ehegebote unterscheiden sich von den staatlichen Reglementierungen dadurch, daß sie von den Ehepartnern freiwillig, auf Basis des Glaubensbekenntnisses getroffen werden.

Während früher Ehen als Zweckgemeinschaften geschlossen wurden ist heute die Liebesheirat die Regel. Die traditionelle Kleinfamilie auf Basis der bürgerlichen Ehe stellt die häufigste Familienform dar.

Das Kriterium der Familie ist die biologische Verwandtschaft

Nicht nur die Eltern selbst und ihre Kinder, sondern auch die Großeltern, sowie Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen werden zur Familie dazugerechnet. Die Art der verwandtschaftlichen Beziehung dient gleichzeitig auch als Maß zur Bestimmung des Grades der Zugehörigkeit zu dieser Familie. Die Grenzen der Familienzugehörigkeit sind offen und können je nach Auffassung der Familienmitglieder anders gezogen werden.

Die biologische Verwandschaft stellt in der Sozialpolitik die Grundlage für relevante Entscheidungen. Das Kindergeld wird nur für leibliche Kinder gezahlt, unabhängig davon, wo sie tatsächlich leben.

Das Kriterium der Familie ist das gemeinschaftliche Zusammenleben

Als Beispiele wären zu nennen, die SOS-Kinderdorf-Gemeinschaften und die Kommune. Letztere hebt sich als gemeinschaftliche Lebensform bewußt von der rechtlichen Form der Ehe/Familie ab.

PSYCHOLOGISCHE DEFINITION DER FAMILIE

"Familie kann im psychologischen Sinne als eine soziale Beziehungseinheit gekennzeichnet werden, die sich besonders durch Intimität und intergenerationelle Beziehungen auszeichnet" (Petzold, 1992, S. 42). Mit Hilfe dieser Definition kann eine große Vielfalt von familiären Konstruktionstypen beschrieben werden.

DIE REALE VIELFALT DER FAMILIENFORMEN

Die psychologische Forschung orientiert sich an der Beschreibung der real vorgefundenen Lebensformen.

Mutter-Vater-Kind-Familie

Die traditionelle auf der Ehe basierende Familienform ist die häufigste Lebensform.

Ein-Elter-Familie

Diese sind Familien mit nur einem Elternteil. Nicht bewußt geplante Ein-Elter-Familien hat es bedingt durch den Zweiten Weltkrieg viele gegeben. In den letzten Jahrzehnten entschlossen sich immer mehr Alleinerziehende freiwillig zu einem Leben mit Kindern ohne deren Vater (in wenigen Fällen ohne deren Mutter). Daher wird nicht mehr im Sinne eines Mangels von der "unvollständigen Familie" gesprochen.

"Ehe-auf-Probe", "Rentner-Ehe"

Viele ältere Menschen entscheiden sich in ihrem letzten Lebensabschnitt für eine nicht eheliche Paarbeziehung. In diese Partnerschaft gehen viele Kontakte von früheren Beziehungen mit ein.

Eine Ehe-auf-Probe geht für eine kürzere oder längere Zeit fast jeder Eheschließung voraus. Sie kann als eine Vorform der Ehe angesehen werden, weil nach einigen Jahren doch geheiratet wird, wenn ein Kind geboren wird.

Lebensabschnittspartnerschaft

Viele nichteheliche Beziehungen verfolgen ein solches spezifisches Partnerschaftskonzept. Anfang und Ende der Beziehung werden nicht durch gesellschaftliche Normen festgelegt, sondern richten sich nach den individuellen Bedürfnissen der Partner.

Das Leben mit Kindern kann als so ein konkreter Lebensabschnitt gesehen werden, für den sich ein Paar entscheidet. Ist dieser zu Ende, stellt sich die Frage des gemeinsamen Zusammenlebens neu.

Die Lebensabschnittspartnerschaft kann als besondere Lebensform der Postmoderne bezeichnet werden.

Living-apart-together

Diese ist eine Familienform ohne gemeinsames Zusammenleben. Sie kann zwangsweise beruflich bedingt oder auch bewußt gewollt sein. Die Lebenspartner begreifen sich als festes Paar mit intimen Beziehungen. Diese Lebensform zeichnet sich durch ein hohes Maß an Individualismus aus. Zu dieser Form des Getrennt-Wohnens können auch Kinder gehören.

Eine Sonderform der Living-apart-together Lebensform stellen Scheidungsfamilien dar, die auch nach der Scheidung die gemeinsame Wohnung für die Kinder beibehalten ("Nesting-Modell"). Die Kinder werden dann abwechselnd vom Vater oder der Mutter in der alten Wohnung betreut.

Fortsetzungsfamilien

Sind Familien mit Kindern aus früheren Partnerschaften bzw. Ehen. Früher wurde für diese Familien der deutlich negativ besetzte Begriff der Stieffamilie verwendet. Aufgrund der wachsenden Zahl von Scheidungen und von Wiederverheiratungen sind von diesem Familientyp immer mehr Kinder betroffen.

In Fortsetzungsfamilien sind die Chancen zu vielfältigen verwandtschaftlichen Kontakten größer als in anderen Familienformen. Ob diese vielfältigen Beziehungen als Konkurrenz oder als Bereicherung erlebt werden, hängt von der Art der Einstellung zueinander und der daraus resultierenden Kommunikation ab.

Gleichgeschlechtliche Paare mit Kinder

Einige homosexuelle/lesbische Paare wollen nicht nur zusammen leben sondern auch die Erziehung eines Kindes übernehmen. Aus juristischer Sicht ist die Erziehung eines Kindes für gleichgeschlechtliche Paare nicht erlaubt. Die Psychologie sollte diese Grenze überschreiten.

DIE BEDEUTUNG DER KINDERZAHL

Ein-Kind- und Mehr-Kind-Familie unterscheiden sich nicht nur in der Anzahl der Personen, sondern auch in ihrer Struktur. Im Vergleich zu einer Ein-Kind-Familie umfaßt eine Zwei-Kind-Familie schon vier Triaden und sechs Dyaden.

Eine Drei-Kind-Familie hat 20 Beziehungseinheiten und zwar zehn Triaden und zehn Dyaden. Es erhöht sich in einer Drei-Kind-Familie die Stabilität des Familiensystems, weil unter den Geschwistern von den Eltern unabhängig auch Triaden entstehen.

TRANSAKTIONALE PROZESSE

Es wird nicht mehr von einem kausal prägenden Einfluß der Eltern auf die Kinder ausgegangen sondern von einer zirkulären Kausalität, d. h. auch die Kinder beeinflussen die Eltern.

Jay Belsky entwarf drei Ebenen, auf denen transaktionale Prozesse ablaufen:

1. Erziehungsstil und Kindesentwicklung

Nicht nur die Erziehungsmethode, sondern auch die ganze Art des Auftretens einer Erziehungsperson hat Einfluß auf die Entwicklung des Kindes. Diese transaktionalen Prozesse laufen auch in umgekehrter Richtung, die Kinder beeinflussen die Eltern und deren Erziehungsstil.

2. Kindesentwicklung und Partnerbeziehung

Die Partnerbeziehung beeinflußt die psychische Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes. Kinder in Scheidungsfamilien leiden mehr unter den Auseinandersetzungen der Eltern vor der Trennung als unter der Scheidung selbst.

Umgekehrt wird die Art der Beziehung der Erwachsenen zueinander durch die Kinder und deren Entwicklung beeinflußt. Auch die Art der kindlichen Persönlichkeit kann die Ehebeziehung beeinflussen.

3. Partnerbeziehung und Erziehungsstil

Hiermit ist insbesondere die Wertschätzung des Partners in seiner jeweiligen familiären Rolle gemeint. Probleme mit der Erziehung des Kindes haben auch Auswirkungen auf die Beziehung der Eltern untereinander.

In einer durch Aggressivität gekennzeichneten Ehebeziehung wird die Art des Umgangs mit den Kindern auch durch Aggressivität gekennzeichnet sein. Aus einem problematischen Erziehungsstil kann sich ein Entwicklungsproblem des Kindes ergeben. Die Fähigkeit der Mutter sich mit Freude und Zuwendung ihrem Kind zu widmen, ist sehr stark von der Qualität der Beziehung zum Partner abhängig.

FAMILIENSTUFENTHEORIE VON DUVALL (1977)

Familien sind keine statische Gebilde sondern befinden sich in stetiger Veränderung. Diese Entwicklung nimmt keinen linearen Verlauf sondern wird durch bestimmte Ereignisse schubhaft in Gang gehalten. Die Entwicklungsanstöße gewinnt es aus dem Alter der Kinder und aus der beruflichen Situation der Eltern.

Auf die erste Stufe der Eheschließung folgt die Stufe des Lebens mit Kleinkindern, Vorschul- und Schulkindern daran anschließend das Leben mit Jugendlichen. In der nächsten Phase befindet sich die Familie im Ablösestadium, d. h. die Familie bietet Entlassung und Unterstützung für den jungen Erwachsenen in Beruf/Studium/Ehe. In der vorletzten Stufe kommt es zu einer Neugestaltung der Ehebeziehung und zur Aufrechterhaltung der Verwandtschaftsbeziehungen. Wesentlicher Aspekt der letzten Stufe ist die Auflösung des Familienheims und der Rückzug aus dem Beruf, somit erfolgt die Anpassung an das Seniorenleben.

Kritik am Familienstufenmodell

Aufgrund der normativen Festlegung kann kein komplexer, systemischer Zusammenhang beschrieben werden und es können nur sehr wenige mögliche Entwicklungsaufgaben erfaßt werden. Entwicklungsaufgaben in Familien, die nicht dem traditionellen Familienmythos entsprechen fehlen. Weiters werden Umwelt- und Persönlichkeitsfaktoren nicht voneinander getrennt.

SYSTEMISCHE ZUSAMMENHÄNGE IN DER FAMILIE

Urie Bronfenbrenner bereitete 1978 mit seinem ökologischen Modell einen Weg zu einer systemischen Analyse der Familie. Bronfenbrenner (1981) meint mit Ökologie "eine vom Mensch selbst gestaltete und Gestalter Umwelt". (S. 18)

Die traditionelle entwicklungspsychologische Perspektive, die ausschließlich auf das Individuum gerichtet war, wurde zugunsten einer systemischen Sicht der Familie aufgegeben.

Wird die Familie als System betrachtet, dann versucht man herauszufinden, wie Prozesse der Beeinflussung durch die Familienmitglieder ablaufen.

Solche Verhaltensweisen werden einerseits von den inneren psychischen Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmalen der Individuen selbst beeinflußt andererseits erhalten einzelne Verhaltensweisen die besondere Bedeutung durch die Charakteristika einer systemischen Beziehung. In diesem Bereich fällt die gestörte Kommunikation in Familien mit einem "schizophren kranken" Familienmitglied.

Allgemeine Charakteristika von Systemen

Die Familie wird als Einheit betrachtet. Eine solche Gruppe ist mehr als die Summe ihrer Teile. Jedes Familienmitglied hat eigene persönliche Ziele aber jede Familie entwickelt Vorstellungen über sich, die von allen geteilt werden. Diese Vorstellungen beinhalten ein bestimmtes Repertoire von Regeln des Umgangs miteinander.

Auch eine gemeinsame Zielorientierung gehört zu diesem familiären Selbstverständnis. Wesentlich für eine systemische Sichtweise ist die Analyse der individuellen Einstellungen und Erwartungshaltungen und wie sich die Familienmitglieder selbst in dieses Bild einordnen.

Die Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern werden als transaktionale Wechselbeziehungen charakterisiert. Rückmeldungen und Rückkoppelungen haben eine wesentliche Bedeutung. Ein Verhalten hat nicht nur Auswirkungen auf andere, sondern über das reaktive Verhalten des Empfängers wird wieder das eigene Verhalten beeinflußt.

Es wird zwischen zwei verschiedene Formen von Entwicklungsfortschritten innerhalb einer Familie unterschieden. Ein Wandel erster Ordnung ist verbunden mit Verhaltensänderungen einzelner Familienmitglieder. Bei einem Wandel zweiter Ordnung wird das familiäre System als Ganzes verändert.

Die Familie definiert ihre Grenzen zu anderen Systemen gleicher oder höherer Ordnung selbst. Notwendigerweise ist jede Familie ein offenes System, weil jedes Familienmitglied nicht nur diesem einen System, sondern gleichzeitig auch anderen Systemen angehört.

Das systemisch-ökopsychologische Modell von Urie Bronfenbrenner

Bronfenbrenner unterscheidet in seinem Modell fünf Subsysteme, mit deren Hilfe die wesentlichen Lebensdimensionen des Individuums erfaßt werden können.

1. Das Mikrosystem

Ist das unmittelbare System, in dem eine Person lebt. Die traditionelle Kleinfamilie mit ihren dyadischen bzw. triadischen Strukturen gilt als ein solches typisches Mikrosystem. Die Ökopsychologie berücksichtigt auch materielle Bedingungen wie z. B. die Wohnverhältnisse.

2. Das Mesosystem

Beinhaltet die Bezüge zwischen zwei oder mehr Mikrosystemen. Es stehen die Wechselbeziehungen im Vordergrund, z. B. die Beziehungen zwischen der Kernfamilie und der Schule des Kindes.

Die Entwicklung eines Mesosystems beginnt, wenn die Person zum erstenmal in einen neuen Lebensbereich eintritt. Bronfenbrenner bezeichnet diesen Vorgang als ökologischen Übergang.

3. Das Exosystem

Besteht aus einem oder mehreren Mikro- bzw. Mesosystemen, die indirekt mit dem Individuum in Wechselwirkung stehen. Das Individuum gehört dem Exosystem nicht als handelnde Person an. Für das Vorschulkind gehört die von den älteren Geschwistern besuchte Schule zum Exosystem. Das Fernsehprogramm kommt "von außen" ins Haus und ist so Teil des Exosystems der Eltern und der Kinder.

4. Das Makrosystem

Bezieht sich als höchstes System auf gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge, wie z.B. die Errichtung von Schulen, Kindergärten oder die Festlegung der beruflichen Arbeitszeit.

5. Das Chronosystem

Es wurde von Bronfenbrenner (1986) ergänzend eingeführt. Mit Hilfe dieser Dimension kann man die Entwicklung familiärer Zusammenhänge in Abhängigkeit vom Alter beschreiben.

Die systemischen Prozesse in Familien laufen nicht nebeneinander ab, sondern stehen in wechselseitiger Beziehung zueinander. Sie können als transaktionale oder zirkuläre Prozesse bezeichnet werden. Aus einer solchen Perspektive kann man Familie auch als eine sich ständig verändernde Beziehung verschiedener Einzelsysteme verstehen.

Es werden besonders diejenigen Veränderungsaspekte, bei denen sich die Bedeutung dieser Systeme für die beteiligten Individuen ändert, berücksichtigt. Lebensbereiche, die zuerst zum Mesosystem der Eltern gehörten und für die Kinder Exosysteme darstellten, erhalten schließlich für die Kinder die Bedeutung von Mesosystemen, während sie nun für die Eltern zu Exosystemen werden.

Kritik am ökopsychologischen Modell

Die Starrheit der fünf Systeme ist ein wesentlicher Problempunkt. Weiters besteht die Gefahr, daß dem Individuum innerhalb des Systems zuwenig Beachtung geschenkt wird.

ZUSAMMENFASSUNG UND STELLUNGSNAHME:

In dem Buch von Petzold "Familienentwicklungspsychologie" wird das Thema Familie aus psychologischer und soziologischer Sicht beleuchtet. In meiner Seminararbeit versuche ich die Entwicklung der heutigen Familienformen und den Funktionswandel der Familie aufzuzeigen. Mir erschien es auch wesentlich, die psychologische Definition der Familie nach Petzold zu übernehmen, um die reale Vielfalt von Familienformen wiedergeben zu können. Gerade darin zeigt sich, daß die kirchliche und staatliche Definition von Familie nicht mehr zeitgemäß ist.

Um das systemisch-ökopsychologische Modell von Bronfenbrenner besser verstehen zu können, beleuchte ich verschiedene theoretische Zugänge zur Familie. Der Hauptschwerpunkt meines Referates lag auch in diesem Bereich, da es eine Vielzahl von verschiedenen Forschungsansätzen beinhaltet, die mich faszinierten und zum Weiterdenken anregten.

Das Seminar bot für mich eine Vielfalt von verschiedenen Zugängen zum Thema Übergang zur Elternschaft. Manches war für mich neu und bedarf noch eines ergänzenden Literaturstudiums, bei manchem konnte ich auf bereits Erlerntes zurückgreifen.

Besonders angenehm empfand ich die Seminargestaltung, die Möglichkeiten für Fragen und Diskussionen schuf.

LITERATURVERZEICHNIS

Bronfenbrenner, U. (1981). Die Ökologie der menschlichen Entwicklung. Natürliche und geplante Experimente. Stuttgart: Ernst Klett-Verlag. (Orginal erschienen 1979: The Ecology of Human Development; Experiments by Nature and Design)

Petzold, M. (1992). Familienentwicklungspsychologie. Einführung und Überblick. München:

Quintessenz.


Inhaltsverzeichnis

2) Psychogene Faktoren der Schwangerschaft

ZAHEL Claudia

1. Theoretischer Teil

1.1. Einleitung

Ausgehend von der Bedeutung der Schwangerschaft für Mutter und Vater soll hier besonders das Gebiet der "pränatalen Psychologie" behandelt werden.

1.2. Pränatale Determinanten der frühkindlichen Entwicklung und des frühkindlichen Verhaltens

Aufgrund zahlreicher Forschungsergebnisse konnte die Annahme, der Fötus befinde sich in einem Zustand völliger Geborgenheit und könne sich ohne störende Einflüsse entwickeln, revidiert werden. Es kann zu psycho-physischen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mutter und Kind kommen abhängig von Art, Dauer und Zeitpunkt des schädlichen Reizes. Neben biologischen, chemischen und physikalischen Einflüssen spielen mütterliche Einstellungen und Emotionen eine Rolle und können sowohl zu einem gestörten Schwangerschafts- oder Geburtsverlauf, als auch zu auffälligem fötalen und postnatal-frühkindlichem Verhalten führen.

1.3. Zusammenhang zwischen psychischen und somatischen Vorgängen bei Schwangerschaftsbeschwerden

Als Ursache für komplexe Störungsbereiche können sowohl Persönlichkeitsmerkmale, wie auch verschiedene Momente der psycho-physischen Gesamtkonstellation der Schwangeren in Betracht gezogen werden, die deshalb bei Präventivmaßnahmen in der Schwangerschaft berücksichtigt werden sollten.

Persönlichkeitszüge können zusammen mit äußeren und medizinischen Bereichen mögliche Bedingungen für psychische und somatische Störungen während der Schwangerschaft darstellen.

Das Kernproblem stellen emotional unreife Frauen dar, die durch große emotionale Labilität und psychosomatische Reaktivität bis zu ausgeprägten Persönlichkeitsstörungen besonders der Identifizierung mit der weiblichen Rolle und interpersonellen Schwierigkeiten charakterisiert sind. Sie haben große Probleme mit der sozialen und persönlichen Anpassung und sind so den verschiedenen Streßsituationen der Schwangerschaft besonders schlecht gewachsen und benötigen deshalb gezielte Unterstützung.

1.4. Die Bedeutung der Schwangerschaft für den Mann

Die Schwangerschaft der Partnerin bewirkt auch beim Mann große Veränderungen, durch die es zur Wiederbelebung alter Konflikte, die in Zusammenhang mit kindlichen Sexual- und Geburtstheorien sowie Rivalitätserlebnissen stehen, kommen kann.

Im Rahmen des psychoanalytischen Ansatzes wird zwar hervorgehoben, daß die Schwangerschaft für den werdenden Vater eine erhöhte Streßgefährdung mit sich bringt, aber explizit formulierte Hypothesen, wie auch deren empirische Überprüfung sind sehr selten.

Besondere Bedeutung wird nur dem Couvade-Ritual und dessen psychopathologischen Äquivalent, dem Couvade-Syndrom beigemessen.

1.4.1. Das Couvade-Ritual

Couvade (franz.: couver = brüten) wurde von E. Tylor für die Beschreibung eines Rituals verwendet, welches bei primitiven Völkern oft in Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt zu beobachten ist.

Es werden 2 Formen unterschieden:

Erklärungsversuche

Eine Möglichkeit ist, das Couvade-Ritual als Adoptionszeremoniell zu sehen, um die Legitimität des Kindes zu bestätigen. Eine andere Erklärung ist, daß in vielen Kulturen nach Volksaberglauben die Schwangere in besonderem Maß negativen Einflüssen böser Geister ausgesetzt ist. Deshalb ist es die Aufgabe des Mannes diese Geister durch seine vorgetäuschte Schwangerschaft oder Geburt von der Frau abzulenken.

1.4.2. Das Couvade-Syndrom

Das Couvade-Syndrom ist ein psychologisches Zustandsbild, welches sich bei Männer zeigt, deren Frauen schwanger sind. Als Charakteristika können folgende Punkte angeführt werden:

Im Gegensatz zum Couvade-Ritual handelt es sich hier nicht um eine Vortäuschung bestimmter Symptome, sondern um ungeplante, unbewußte Symptombildung, wobei den Männern meist der Zusammenhang mit der Schwangerschaft der Partnerin nicht bewußt ist.

Als Hauptsymptome können Übelkeit, Zahnschmerzen, Appetitänderungen, Verdauungsstörungen, Leibschmerzen, sowie psychosomatische Veränderungen genannt werden.

Erklärungsversuche

Das Couvade-Syndrom ist Ausdruck einer neurotischen Entwicklung und kann auf ambivalenten Gefühlen, dem männlichen Gebärneid oder Sympathiekundgebungen des Mannes beruhen.

2. Empirische Untersuchung der Bedeutung der Partnerschaft für die mütterliche Einstellung zum werdenden Kind

2.1. Einleitung

Schwangerschaft und Geburt stellen nicht nur für die Frau eine grundsätzliche Veränderung

der Lebenssituation dar, sondern dies gilt im selben Ausmaß für die gesamte Familie - speziell den Ehepartner. Zahlreiche familien- und ehetherapeutische Berichte betonen immer wieder, daß eine Veränderung - sei es nun physischer oder psychischer Natur - bei einem Familienmitglied für das gesamte Familiensystem im allgemeinen und für jedes Familienmitglied im speziellen von wesentlicher Bedeutung ist.

Es muß angenommen werden, daß die Schwangerschaft sowohl eine Veränderung in der Beziehung der Ehepartner untereinander bedingt, als auch eine Veränderung im Mann selbst, der mit dem Gedanken Vater zu werden, vertraut werden muß. Die Erfassung dieses zwischenmenschlichen Bereichs scheint für das bessere Verständnis der Mutter-Fötus- bzw. Mutter-Neugeborenen-Beziehung von großer Bedeutung zu sein.

Es kann angenommen werden, daß ein harmonisches Eheklima die emotionale Ausgeglichenheit der Mutter fördert, was zu günstigen Entwicklungsbedingungen im pränatalen Stadium führt.

2.2. Fragestellung der Untersuchung

"Welche Rolle spielt die Beziehung der Ehepartner untereinander (Ehe- und Familienklima) beim Zustandekommen einer positiven bzw. negativen Einstellung der Schwangeren ihrem noch ungeborenem Kind gegenüber; wie wirken sich verschiedene Einstellungsmuster auf den somatischen, vegetativen und verhaltensmäßigen Zusand des Neugeborenen aus ?"

2.3. Erhebung der Daten

Die Untersuchung wurde 1975 in der Universitätsfrauenklinik in Graz mit folgenden Erhebungsinstrumenten durchgeführt.

Auszüge aus den Fragebögen daß er/sie mehr zu sagen hat.

daß ich mehr zu sagen habe.

daß wir beide gleich viel zu sagen haben.

einen angemessenen Erfolg bringen.

2 Schritte vorwärts und 1 zurück führen.

nicht vorhersagbar sind.

Ich habe Angst vor der Zukunft.

2.4. Stichprobenzusammensetzung
 
Mütter Väter
Anzahl der Vpn 104 Familien 239  104
durchschnittliches Alter 24 Jahre  27 Jahre
verheiratet 78,5 %  86,7 %
römisch-katholisch 93,5 %  89,2 %
durchschnittliche Dauer des Schulbesuchs 
10 Jahre

11 Jahre 
wievielte Geburt ? 52,5 % 1.Geburt

29,2 % 2.Geburt 

Berufstätigkeit vor der Schwangerschaft 
68,5 %
durchschnittliches Familieneinkommen 
5.000 Schilling 
Schichtzugehörigkeit untere Mittelschicht 

obere Unterschicht 

durchschnittliche Dauer ... des Zusammenlebens: 

3 ½ Jahre 

der Ehe: 

2½ Jahre

2.5. Ergebnisse

2.5.1. Die Partnerbeziehung

Die Partnerbeziehung kann je nach Beschaffenheit entweder eine stützend-helfende Bedeutung haben oder zu einem Belastungsfaktor für die Schwangere werden.

2.5.1.1. Beschreibung der Partnerschaft

Aussagen über Lebensführung und Zukunftsperspektive

Es zeigt sich ein Trend zu "partnerschaftlich-orientierten" Beziehungen, sogenannten demokratischen Partnerschaften. Nur in wenigen Fällen wird der Mann als dominierend bezeichnet.

Bei den Müttern kann eine eher pessimistische Zukunftserwartung festgestellt werden, aus der sich eine unsichere und abwartende Haltung ergibt, während Väter vorwiegend an eigenen angemessenen Erfolg glauben.

Aussagen zu emotionalen Bereichen

Für die Beziehung ist auch der emotionale Bereich von großer Bedeutung, d.h. das subjektive Erleben und die Beurteilung durch den Partner. Nach den Angaben der Versuchspersonen handelt es sich hier Großteils um harmonische Beziehungen, wobei aber auch zu beachten ist, daß eine hohe Neigung zu undifferenzierten Antworten besteht und aufgrund der sozialen Erwünschtheit sich die Antwort um den positiven Beantwortungsbereich konzentrieren.

Etwas verstreuter sind die Antworten zum Beispiel bei den Angeben über neutralere Gebiete, wie Belastung durch finanzielle Umstände und Wohnungsverhältnisse.

Gemeinsamkeiten zwischen den Aussagen der beiden Partner

Die markantesten Zusammenhänge ergeben sich bei den negativen Beziehungsaspekten (Scheidungsabsichten, Partner wäre mit jemand anderem glücklicher geworden,...)

Bei allen Fragen, in denen Aussagen über den Partner gemacht werden sollen, ist eine große Übereinstimmung zwischen der eigenen Meinung und der Annahmen über die vermutete Meinung des Partner festzustellen. Die deutlichste Übereinstimmung ist im Bereich "Eifersucht" festzustellen, weitere Zusammenhänge gibt es in den Aussagen über gemeinsame Interessen und Eheharmonie.

Im allgemeinen liegt aber der Schluß nahe, daß jeder Partner ein eigenes recht starr zur Anwendung kommendes Wahrnehmungs- und Deutungsschema sich zurechtgelegt hat, gemäß dessen dann Aussagen gemacht werden, die aber relativ wenig mit dem zu tun haben, wie sich der Partner selbst sieht.

2.5.1.2. Ehebeziehung und Schwangerschaftseinstellung

Besonders Aspekte der Beziehung, die emotionale Haltungen dem Partner gegenüber erfassen, stehen in Zusammenhang mit der Einstellung zur Schwangerschaft.

Jene Frauen, deren Unzufriedenheit in der Ehe so groß ist, daß sie eine Trennung in Betracht ziehen, haben auch eine betont negative Haltung dem Kind gegenüber. Sowohl auf einer bewußten Ebenen (Ablehnung der Schwangerschaft und des Stillens), als auch auf einer unbewußten Ebene (Verletzungs- und Geburtsangst). Die positivste Einstellung zum Kind haben Frauen, die bei der Partnerbeschreibung im Mittelbereich liegen. Sie haben eine positive Grundhaltung dem Partner gegenüber, versuchen aber auch nicht krampfhaft den Schein einer "optimalen" Beziehung zu wahren.

Als besonders wichtig für die Frauen erweist sich auch die Unterstützung durch den Partner. Bei dieser Erhebung wurden allerdings nur "materielle Tätigkeiten" (Babywäsche kaufen, vorbereitende Lektüren,...).

Bei sehr starker Belastung durch den Partner wird der Schwangerschaft gegenüber eine feindlich-ablehnende Haltung eingenommen und das Stillen abgelehnt.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß offen eingestandenen Schwierigkeiten mit dem Partner und die von er Frau tatsächlich empfundene Belastung, die aus solchen Problemen resultiert, in einer größeren Ablehnung und einer angstbesetzten Haltung der Schwangerschaft und dem Kind gegenüber ihren Niederschlag findet.

2.5.2. Probleme und Belastungsfaktoren

Um die Empfindungen der Schwangeren einordnen zu können, werden Fragen über Geplantheit und Erwünschtheit, spezielle Verhaltensweisen (Vorbereitung, Reaktion auf Kindesbewegungen) und Erfahrens- bzw. Erlebensbereiche konstruiert.

In einer offen gestellten Frage können sich die Eltern zu Problemen und Sorgen während der Schwangerschaft äußern, woraus sich folgende Belastungsfaktoren ergeben:

Die Bereiche Gesundheit, Partnerbeziehung und finanzielle Schwierigkeiten lassen die Schwangerschaft besonders leicht zur Belastung werden.

Im Bereich Partnerbeziehung gibt es einerseits das Problem verlassen zu werden, andererseits

Schwierigkeiten, die sich auf das Verhalten des Partner beziehen (fehlende Unterstützung, mangelhafte Anteilnahme und sexuelle Probleme). Als ebenfalls große Belastung wird die Abwesenheit des Mannes gesehen.

Bemerkenswert ist auch, daß der Faktor "seelische Verfassung" in signifikantem Zusammenhang mit allen anderen Belastungsfaktoren steht. Deshalb liegt die Vermutung nahe, daß psychische labile Frauen, die sich der Schwangerschaft nicht gewachsen fühlen, mit allgemeiner psychischer Überreiztheit und einer Neigung zu übertriebener Problematisierung reagieren.

2.5.2.1. Belastungsfaktoren und Zukunftsperspektiven in Zusammenhang mit Schwangerschaftseinstellung

Größte Ablehnung tritt bei Frauen auf, für die die Schwangerschaft stark belastend war. Wobei eine als belastend erfahrenen Schwangerschaft im Zusammenhang mit der Persönlichkeit und der psychischen Gesamtkonstellation steht.

Mit sinkender Belastungsstärke kommt es zu positiveren Einstellungen. Die geringste Ablehnung ist bei Müttern zu beobachten, die geringe Belastungen angeben, nicht bei denen, die keine Belastungen angeben.

Ein gewisses Mindestmaß an positiven Zukunftserwartungen ist nötig, um die Schwangerschaft zu einem positiven, wenig belastendem Erlebnis werden zu lassen.

Das Ausmaß, in dem Situationen als belastend erfahren werden, hängt ab von ...

Mit zunehmend skeptischer oder ängstlicher Zukunftserwartung kommt es zu einem Ansteigen der subjektiv erlebten Belastungsmomente. Weiters besteht ein Zusammenhang zwischen den Angaben zur Zukunftsperspektive und den erhobenen Schwangerschaftseinstellungen. Frauen mit Angst und geringem Zukunftsvertrauen lehnen die Gravidität massiv ab und haben große Ängste (vor Schwangerschaft, Geburt,...). Die positivste Schwangerschaftseinstellung haben Frauen mit positiver Zukunftsperspektive, die aber auch mit Rückschlägen rechnen.

2.5.2.2. Somatische Korrelate

somatische Beschwerden und Belastungsfaktoren

Somatische Beschwerden = Reaktion des Organismus auf verschiedene Konfliktsituationen

Einzelne Belastungsfaktoren werden mit dem Auftreten somatischer Beschwerden in Zusammenhang gesetzt. Eine nennenswerte Verbindung gibt es nur bei den Faktoren "Partnerschaft" und "finanzielle Belastung".

Probleme und Konflikte können deshalb besonders leicht als Bedrohung aufgefaßt werden, wenn sie sich aus diesen beiden Bereichen zusammensetzten, und Ängste auslösen, was in der Folge zu Schlafstörung führen kann.

Es konnten Beziehungen zwischen Partnerbeziehung bzw. finanziellen Sorgen und Schlafstörungen festgestellt werden.

somatische Beschwerden und Schwangerschaftseinstellungen

Es konnten nur mäßige Zusammenhänge gefunden werden. Einzige Ausnahme war die Verbindung zwischen Verletzungsangst und Schlafstörungen, die gegen Ende der Schwangerschaft zunehmen.

Auch direkte Verbindungen zwischen bewußter Ablehnung und Einschlafschwierigkeiten bzw. Durchschlafstörungen können angenommen werden.

2.5.2.3. Belastungsfaktoren und Partnerbeziehung

Ein deutlicher Zusammenhang besteht zwischen der Beziehungsqualität, Belastungsfaktoren und Gesamtbelastung. Frauen, die in der Schwangerschaft durch die Partnerbeziehung stark belastet waren, zeichnen ein recht negatives Bild ihrer Ehe. Es handelt sich hier meistens um unharmonische, für die Partner unbefriedigende Beziehungen (Trennungsgedanken,...), die zu starken psychischen Problemen führen können, woraus bei Schwangeren eine ungünstige Gesamtsituation entsteht.

Einfluß hat auch die soziale Situation, da finanzielle Probleme einen stark negativen Einfluß auf die Harmonie und Zufriedenheit in der Ehe haben. Schlechte soziale Verhältnisse können zu einer Verschlechterung der Beziehung führen und deshalb auch zu einer entscheidenden Belastung in der Schwangerschaft werden.

2.5.2.4. Geplantheit und Erwünschtheit

43,6 % der Kinder waren geplant, 66,4 % erwünscht und 16,4 % unerwünscht; wobei die Aussagen der Partner sich weitgehend decken.

Zwischen geplant und erwünscht besteht ein statistisch gesicherter Zusammenhang.

85,2 % der Befragten reagierten mit Freude, 11 % mit Überraschung und 3,8 % mit Gleichgültigkeit oder Abneigung.

Bei ungeplanten Schwangerschaften hängt die Reaktion davon ab, ob es der Frau gelingt, ihr Kind zu bejahen. Dieser Prozeß ist auch von Persönlichkeitsmerkmalen und der Haltung des Partners abhängig.

Deutlicher Zusammenhang besteht zwischen Erwünschtheit und positiven Erstreaktionen.

Negative Aussagen über die Erwünschtheit hängen zu einem großen Teil mit Angaben über mangelnde Unterstützung des Partner zusammen.

Auswirkungen auf die Schwangerschaftseinstellungen

Frauen, die mit Freude auf die ersten Bewegungen reagieren weisen die geringste Ablehnung der Schwangerschaft, niedrige Geburtsangst, positive Einstellung zum Stillen und große Verletzungsangst auf. Dieses scheinbar widersprüchliche Ergebnis läßt sich ersten durch die Unsicherheit und Unerfahrenheit der Frauen dieser Stichprobe erklären und zweitens durch eine stark unterstützende und behütende-beschützende Komponente der Mutter.

Je negativer die Erstreaktion ausfällt, desto höher sind auch die Ablehnungswerte.

Frauen mit ablehnender Haltung weisen hohe Geburtsangst, aber niedrige Verletzungsangst auf, was auf eine vernachlässigende Haltung gegenüber dem Kind schließen läßt.

Geplantheit und Erwünschtheit sind kaum relevant für die Schwangerschaftseinstellungen. Ist die Erstreaktion aber negativ, so kann sie als Ausdruck psychischer Konflikte gewertet werden.

2.5.3. Auswirkungen mütterlicher Einstellungen

Verhaltensbeobachtungen der Neugeborenen in den ersten 4 Lebenstagen

Auffälliges Neugeborenenverhalten und Schwangerschaftseinstellung

Mütter der als auffällig diagnostizierten Kinder weichen in ihrer Einstellung von Müttern "normaler Kinder" ab und haben höhere Ablehnungswerte.
 
Mütter Kinder - Auffälligkeiten
bewußt ablehnende Haltung Ansprechbarkeit, Schlaf, Ausgeglichenheit 
unbewußt ablehnende Haltung Erbrechen, Schreien 
Geburtsangst  Schlaf, Ausgeglichenheit, Bewegungen 

Ein merklicher Zusammenhang zwischen negativen Einstellungen der Mütter und auffallendem Verhalten der Neugeborenen kann festgestellt werden.

Hyperaktivität und Apathie
 
Mütter  Kinder
offene Ablehnung der Schwangerschaft mittleres Maß an Hyperaktivität 
hohe Verletzungsangst  höhere Apathie 
Ablehnung des Stillens hohe Apathie 
höchste Verletzungsangst Kinder kommen zu früh 
größte Geburtsangst  Nabelschnurverschlingungen 

2.6. Zusammenfassung

Die Vermutung, daß die Partnerbeziehung und das Verhalten des Partner während der Schwangerschaft für den gesamten Schwangerschaftsverlauf wesentlich sind, wurde bestätigt.

Die positivste Haltung der Schwangerschaft und dem Kind gegenüber nehmen Frauen ein, die weder in negativen noch positiven Extrembereichen der Antwortmöglichkeiten liegen. Diese Frauen sind in ihrer Persönlichkeit gefestigt, haben eine positive Grundhaltung, kommen aus guten sozialen Verhältnissen und erleben ihre Beziehung als befriedigend.

3. Stellungnahme

Für besonders wichtig erachte ich in Zusammenhang mit dieser Studie bei der Interpretation der Ergebnisse zu betonen, daß es sich um eine sehr kleine und meiner Meinung nach wenig repräsentative Stichprobe handelt. Daraus folgt aber auch, daß die Ergebnisse nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden sollten, da sie im Einzelnen nur wenig aussagekräftig sind. Deshalb glaube ich, daß man besonders auf die Wechselwirkungen zwischen diesen hier erwähnten Faktoren, aber auch vieler weiterer Faktoren achten muß.

Andererseits kann man das Hauptergebnis auch als Argument verwenden die Väter weit mehr als bisher üblich in die Schwangerschaftsbetreuung und Geburtsvorbereitung einzubinden und dadurch möglicherweise schon vorbeugend bei Problembeziehungen für die nötige Unterstützung sorgen, um schädliche Einflüsse auf das Ungeborene möglichst gering zu halten. Leider stellt sich hier allerdings das Problem, daß gerade solche Familien, die aufgrund ihrer sozialen und finanziellen Lage diese Betreuung am ehesten bräuchten, kaum zu motivieren sind derartige Vorbereitungskurse zu besuchen.

Literaturverzeichnis

Lukesch, M. (1975). Psychogene Faktoren der Schwangerschaft. Mit einer empirischen Untersuchung über die Bedeutung der Partnerbeziehung für die Einstellung der Mutter zur Schwangerschaft. Unveröff. Diss., Universität, Salzburg.


Inhaltsverzeichnis

3) Studien zur Schwangerschaft und zum Geburtserleben aus Sicht der werdenden Mutter

BURGER Julia

Einleitung:

In den 70er Jahren war die Geburt von einer medizinisch-technischen Überbetonung gekennzeichnet. Seit über 10 Jahren wird nun besonders auf die Wahrung eines natürlichen Geburtsablaufs Wert gelegt. Andererseits müssen aufgrund der Forderung nach maximaler Sicherheit der Mutter und des Säuglings einige Einschränkungen gemacht werden. Um den geeigneten Mittelweg zu finden, sind auch die Eindrücke der Mütter bezüglich der Schwangerschaft und ihr Geburtserleben von besonderer Bedeutung. Deshalb möchte ich hier einige Studien zu diesem Thema zusammenfassen.

STUDIEN ZUR SCHWANGERSCHAFT UND ZUM GEBURTSERLEBEN AUS SICHT DER WERDENDEN MUTTER

Pränatale Vorstellungen werdender Mütter über ihr zu erwartendes Kind

Vor der Darstellung einer Studie von S. Neckermann und H. Felder (o. J.) bezüglich dieses Themas, wird zuerst auf einige bereits vorhandenen Theorien näher eingegangen.

In ihrem Phasenkonzept der Schwangerschaft unterscheidet Gloger-Tippelt (1988a, zitiert nach Neckermann & Felder, o. J.) vier präpartale Phasen: Verunsicherungsphase (bis 12. Schwangerschaftswoche), Anpassungsphase (12.-20.SSW), Konkretisierungsphase (20.-32.SSW), Antizipation und Vorbereitung (32.-40.SSW). Weiters postuliert sie drei qualitativ unterschiedliche Phasen beim Aufbau des Kindkonzepts:

- Bis zur 20.SSW existiert nur ein undifferenziertes Kindkonzept. Zu Erstreaktionen auf die Feststellung der Schwangerschaft zählen vor allem Stolz und Freude, aber auch Betroffenheit und Angst. Ab der 12.SSW setzen sich die Betroffenen verstärkt mit der vorgeburtlichen Entwicklung des Kindes auseinander.

- Ab der 20.SSW wird das Kind als eigenständiges Wesen gesehen, die ersten Kindsbewegungen führen zu einer differenzierteren Vorstellung über die Gestalt des Kindes. Dem Fötus werden auch bereits psychologische Eigenschaften zugeschrieben und das Geschlecht geht in das Konzept mit ein.

- Ab der 32.SSW wird das Kind als individuelle Person gesehen, die Vorstellungen über seine spezifischen Merkmale werden konkreter, und die Neugier überwiegt die Angst bezüglich einer möglichen Gefährdung des Kindes und der Mutter durch die Geburt.

Leifer (1980, zitiert nach Neckermann & Felder, o. J.) stellt fest, daß die Entwicklung der emotionalen Bindung während der Schwangerschaft vorhersagenden Charakter für die spätere Mutter- Kindbeziehung hat. Im ersten Trimenon der Schwangerschaft gibt es noch wenig affektive Bindung an das werdende Kind. Durch die ersten Kindsbewegungen vertieft sich diese, der Fötus wird nun als eigenständiger Mechanismus betrachtet. Ab diesem Zeitpunkt ist die Entwicklung der mütterlichen Gefühle kontinuierlich ohne sprunghafte Veränderungen der Qualität. Das Bindungsverhalten kann in verschiedenen Formen zum Ausdruck kommen, z.B. Sprechen mit dem Fötus, Einbeziehung des Partners in Gespräche mit dem Ungeborenen,... .

Bindung setzt ein Konzept dessen, woran man sich bindet, voraus. ... Bindung vertieft sich offenbar, wenn die Schwangere mit einiger Gewißheit annehmen kann, daß sie das Kind austragen wird. Offen bleibt, ob der Zeitpunkt mit der Wahrnehmung der Kindsbewegungen (20.SSW) markiert ist oder mit Abschluß des größten Fehlgeburtrisikos (12.SSW). (Neckermann und Felder, o. J.)

Integrationsmodell des Kindkonzepts:

Da jeder Mensch schon vor der Konzeption über eine Reihe von Kognitionen über das "Kinderkriegen" verfügt, scheint ein linearer, allgemeiner Phasenverlauf, wie es in früheren Theorien postuliert wird, zu eingeschränkt. Bereits im Kleinkindalter wird das Elternsein im Puppenspiel antizipiert. So hat die zukünftige Mutter Prototypen eines Kindes in verschiedenen Lebensphasen mental verfügbar. Dieser Komplex von Wissen und Einstellungen wird mit der Feststellung der Schwangerschaft aktiviert. Die individuell verlaufende Integration diverser, unstrukturierter Kognitionen im Verlauf der Schwangerschaft führt zu der Entstehung eines mehrdimensionalen Kindkonzepts, dessen einzelne Stränge je nach Phase der Schwangerschaft unterschiedlich stark in den Vordergrund treten. Gegen Ende der Schwangerschaft wird z.B. die Hoffnung, daß Mutter und Kind die Geburt gut überstehen dominant, unabhängig von der konkreten Kindvorstellung.

Die Studie von S. Neckermann und H. Felder wurde zu folgenden Fragen durchgeführt:

- Ist das Kindkonzept im ersten Trimenon so undifferenziert, wie es frühere Studien erwarten lassen?

- Entwickelt sich das Kindkonzept kontinuierlich oder diskontinuierlich? Welche Auslöser sind für den Entwicklungsprozeß verantwortlich?

Schwangere Frauen wurden zu sieben Zeitpunkten im Verlauf der Schwangerschaft mittels Interviews befragt und zu vier weiteren Zeitpunkten wurde ein speziell auf das Thema Schwangerschaft abgestimmter Repertory-Grid Test vorgelegt. Die Interviews verliefen halbstrukturiert, d.h. die Reihenfolge der Thematisierung bestimmter Bereiche wie z.B. körperliches Befinden, Kindkonzept, Paarbeziehung, soziales Umfeld,... richtete sich nach der jeweiligen Präferenz der Befragten. Die Auswertung erfolgte nach der strukturellen Inhaltsanalyse nach Mayring (1985). Bei der Repertory-Grid Technik handelt es sich um ein idiographisches Verfahren, das auf G. Kelly (1955) zurückgeht. In Abänderung wurden nicht wie üblich verbale sondern visuelle Reize (Bilder von einem zufriedenen Säugling, einem Wehenschreiber, Ultraschallaufnahmen...) vorgegeben, die von den Frauen nach persönlichen Konstrukten einzuordnen und zu bewerten waren.

Die Darstellung der Ergebnisse erfolgte anhand einer Fallbeschreibung:

In der 13.SSW ist das Kindkonzept von einer undifferenzierten archetypischen Vorstellung geprägt. Die Beschäftigung mit der Entwicklung des Kindes und dem richtigen Umgang mit Säuglingen und Kleinkindern steht im Vordergrund, es gibt noch keine Vorstellung über die Persönlichkeit des Kindes.

Ab der 16.SSW kommt es zu einer Fokussierung auf den Fötus, die durch die nun erfolgende Ultraschalluntersuchung noch verstärkt wird. An emotional konnotierten Benennungen wird die zunehmende affektive Bindung an das werdende Kind deutlich.

In der 24.SSW sind die Vorstellungen über Aussehen und Eigenschaften des Kindes bereits konkreter. Ab der 30.SSW, wenn die Kindsbewegungen deutlicher und stärker werden, nehmen auch die kindgemäßen Bezeichnungen zu z.B. der Kleine. In der 32.SSW existiert bereits eine konkrete Vorstellung über die Persönlichkeit des Kindes und es ist vermehrt von "dem Baby" die Rede.

Postpartal werden dann wieder die Anforderungen im Umgang mit dem Säugling vorrangig. Generell läßt dieser Verlauf auf eine diskontinuierliche Entwicklung des Kindkonzepts schließen, als Entwicklungsauslöser sind vor allem die Ultraschalluntersuchung und physische Reize durch Kindsbewegungen zu nennen. Die Autoren sehen diese Ergebnisse durch Untersuchungen an weiteren drei Frauen bestätigt, wobei das Kriterium der Repräsentativität auch dadurch nicht unbedingt erfüllt scheint.

Abschließend läßt sich sagen, daß die Bindung an das ungeborene Kind schon wesentlich früher zu bestehen scheint als in älteren Theorien angenommen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß eine Fehlgeburt schon sehr früh mit heftigen Verlustgefühlen einhergeht. Eine gezielte psychische Betreuung hätte also gerade hier große Bedeutung.

Psychische und physische Beeinträchtigungen der werdenden Mutter und Bedingungen für ein positives Geburtserleben

Zu diesem Themenbereich werden drei Studien zusammenfassend dargestellt:

W. Neuhaus führte 1992 an der Univ.-Frauenklinik Köln an 122 Gebärenden eine Untersuchung hinsichtlich ihrer Erwartungen, Wünsche und Ängste durch. Weiters wurde erhoben, inwieweit die Erwartung postpartal als erfüllt gelten konnte und welche Ansätze zur Verbesserung sich daraus ableiten lassen. Die Datenerhebung erfolgte mittels einer Fragebogenbatterie zu einem präpartalen und einem postpartalen Zeitpunkt.

Eine weitere Untersuchung wurde von G. Ostkirchen, K. Behrendt, M. Franzmeier, I. Lautner, H. Sträcker und W. Fischer 1992 am Universitätsklinikum Essen durchgeführt. Hier wurden 60 Frauen im Alter zwischen 17 und 43 Jahren zu drei Meßzeitpunkten (prä- und postpartal) mittels eines Fragebogens von Hasenbring (1992) über ihre kognitiven, emotionalen und behavioralen Reaktionen auf erinnerte Schmerzzustände befragt.

Die dritte Untersuchung leiteten R. Schwab und I. Möller 1989 im AK Hamburg/Barmbek zur Bedeutung von Einsamkeit und Geburtsangst der Wöchnerinnen. Sechs Wochen vor bis unmittelbar vor der Geburt und sechs Wochen nach der Entbindung wurden 69 zufällig ausgewählten Frauen Fragebogen zur Erfassung von Geburtsängsten, Einsamkeitsgefühlen, Erfahrungen mit Ärzten und Hebammen etc. vorgegeben. Die postpartale Testung erfolgte zusätzlich an 41 weiteren Frauen und nach der jeweiligen Geburt wurden außerdem Ärzte und Hebammen gebeten, per Fragebogen ihre Eindrücke zu dieser zu Protokoll zu geben.

Ergebnisse:

Die Angst vor der möglichen Erkrankung oder Gefährdung des Kindes steht meist im Vordergrund, in bis zu 25% der Fälle sind auch deutliche Versagens- und Abhängigkeitsängste vorhanden. Einsamkeitsgefühle sind während der Schwangerschaft stärker ausgeprägt, nach der Geburt ist das Ausmaß der momentanen Einsamkeit signifikant geringer. Es konnte ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Angst vor dem Klinikbetrieb und der temporären Einsamkeit festgestellt werden, die Angst spielt für die Art des Geburtserlebens aber eine wesentlich wichtigere Rolle.

Weiters sind einige Feststellungen im Vergleich zwischen Erst- und Mehrgebärenden bzw. Spontan- und Kaiserschnittgebärenden möglich geworden. In der Schmerzreaktion gibt es allgemein geringe Unterschiede, Erstgebärende betrachten den Schmerz allerdings in größerem Maße als selbstgewählt und zeigen auch eine ausgeprägtere Tendenz zur aktiven Schmerzbewältigung (z.B. Schwangerschaftsgymnastik).

Bezüglich des Stimmungsverlaufs ist zu sagen, daß die depressive Stimmung bei Erstgebärenden über die Zeit konstant ist. Bei Mehrgebärenden muß nach der Art der Entbindung unterschieden werden: Kaiserschnittgebärende zeigen eine signifikante Erhöhung der depressiven Stimmung nach der Geburt, vermutlich auch aufgrund der postoperativen Schmerzen, drei bis fünf Tage nach der Entbindung steigt die Stimmung bedeutend an. Erst- und Spontangebärende zeigen wie erwartet sowohl vor als auch kurz nach der Geburt die höchste Ausprägung an gehobener Stimmung, die dann allerdings bis zur Entlassung etwas absinkt. Diese Gruppe hat auch bis auf eine kurze Erhöhung unmittelbar nach der Geburt die geringste Ausprägung an gereizter Stimmung. Nach der Entbindung zeigen sich Mehrgebärende am wenigsten gereizt.

Für werdende Mütter steht allgemein der Wunsch nach einem beglückenden Geburtserlebnis im Vordergrund, dazu kommt das Bedürfnis nach Sicherheit und Umsorgtheit, dessen Erfüllung sehr zur Zufriedenheit beiträgt. Zu den häufigsten pränatalen Wünschen und Erwartungen zählen laut W. Neuhaus (1992) u.a. die Anwesenheit des Partners (93%), Rooming-In (75%), Stillwunsch (66%), Verzicht auf schmerzstillende Maßnahmen (23%) und ambulante Geburt (19%). Dem kann eine Aufstellung über den tatsächlichen Geburtsverlauf gegenübergestellt werden: Spontangeburt (77%), Anwesenheit des Partners (84%), Rooming-In partiell (85%), 24 Stunden Rooming-In (11.5%), Stillen (84%), ambulante Geburt (10%).

Die Durchführung einer vaginal-operativen Entbindung geht für die betroffenen Frauen meist mit einem hohen Grad an Enttäuschung einher. Weiters werden Unzufriedenheit mit der Betreuung durch das medizinische Personal, ein von den präpartalen Erwartungen abweichender Geburtsverlauf und schlechte Versorgung auf der Wöchnerinnenstation als Gründe für Enttäuschung angegeben.

Zum Vergleich mit der Meinung des medizinischen Personals über die jeweilige Geburt läßt sich feststellen, daß es hier wenig Übereinstimmung gibt. Für alle Gruppen sind drei Aspekte von Bedeutung: daß es eine "schöne" Geburt war, daß die Gebärende keine Verlassenheitsgefühle hatte und ihre Wünsche berücksichtigt werden konnten. Sehr negativ auf die Zufriedenheit der Wöchnerinnen wirken sich vor allem ärztlicher Dirigismus und die Unsicherheit der Hebammen aus.

Bezüglich der klinischen Relevanz der Ergebnisse ist zusammenfassend zu sagen, daß Kaiserschnitt- und Mehrgebärende eine deutlich höhere psychische Belastung aufweisen als Spontan- und Erstgebärende. Eine emotionale Unterstützung vor, während und nach der Geburt ist deshalb gerade bei diesen Gruppen besonders wichtig. Um die Zufriedenheit der Wöchnerinnen zu fördern, ist ihre Einbeziehung in und die verständliche Erläuterung aller geburtshilflichen Entscheidungen von großer Bedeutung, sowie auch die Anwesenheit einer Begleitperson bei der Geburt.

Zusammenfassung:

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einigen Studien zur Schwangerschaft und zum Geburtserleben aus Sicht der werdenden Mutter.

Bezüglich der Entwicklung des Kindkonzepts während der Schwangerschaft wird von S. Neckermann und H. Felder (O. J.) festgestellt, daß diese diskontinuierlich verläuft. Zu Beginn der Schwangerschaft steht die Entwicklung des Kindes und der richtige Umgang mit Säuglingen im Vordergrund. Ab der 16.SSW kommt es durch die Ultraschalluntersuchung zu einer Fokussierung auf den Fötus und seine Eigenschaften, und im weiteren Verlauf entsteht ein detaillierteres Bild über seine Persönlichkeit. Postpartal ist dann wieder der richtige Umgang mit dem Säugling vordergründig. Weiters wurde belegt, daß die Entwicklung der emotionalen Bindung schon wesentlich früher einsetzt als allgemein angenommen, deshalb ist eine spezielle Betreuung von Frauen mit Fehlgeburten von großer Bedeutung.

Bezüglich der psychischen und physischen Belastungen schwangerer Frauen vor und nach der Geburt werden drei Studien von W. Neuhaus (1992), G. Ostkirchen et al. (1992) und R. Schwab (1989) zusammenfassend dargestellt. Wesentlich erscheint die Feststellung, daß Mehr- und Kaiserschnittgebärende stärker belastet sind als Erst- und Spontangebärende. Sie zeigen stärkere Stimmungsbeeinträchtigungen, außerdem geht eine vaginaloperative Entbindung immer mit einem hohen Grad an Enttäuschung einher. Deshalb sind auch hier gerade diese Gruppen gesondert zu unterstützen und auf die Geburt vorzubereiten.

Abschließend läßt sich sagen, daß ein positives Geburtserleben von vielerlei Faktoren abhängt: Am wichtigsten ist es, der Gebärenden Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln, hierfür dient z.B. eine gute Ausbildung der Hebammen, die Anwesenheit des Partners bei der Geburt und eine freundliche Haltung der Ärzte, die der Frau das Gefühl der Mitbestimmung und Selbstverantwortung ermöglicht.

Persönliche Stellungnahme:

Die hier behandelte Thematik scheint mir sehr wesentlich. Obwohl die Ergebnisse großteils nicht überraschend sind, ist der empirische Beleg trotzdem von Bedeutung, um Forderungen nach Veränderungen der Geburtssituation darauf stützen zu können.

Ich habe noch keine Erfahrung mit einer Schwangerschaft, aber die Ängste und Sorgen sowie die Wünsche und Unsicherheiten in bezug auf die Geburt und die Zeit danach kann ich trotzdem gut verstehen. Die Geburt ihres eigenen Kindes ist für jede Frau bestimmt eine der bedeutsamsten Veränderungen in ihrem Leben und es ist schön, wenn man diesen Augenblick in guter Erinnerung behalten kann. Ich wünsche mir eine Geburt in angenehmer Atmosphäre, allerdings hat für mich die Sicherheit des Kindes Priorität, deshalb könnte ich eine Geburt zu Hause nie verantworten. Im Zuge des Seminars habe ich mir viele Gedanken zu dem für mich idealen Geburtsverlauf gemacht, im Moment stelle ich mir die Geburt in einem Geburtshaus am geeignetsten vor. Wichtig wäre für mich, meinem Kind später zeigen zu können, wo es zur Welt gekommen ist, ohne mich dafür genieren zu müssen.

Literatur:

Gloger-Tippelt, G. (1988a). Schwangerschaft und erste Geburt. Psychische Veränderungen der Eltern. Stuttgart: Kohlhammer.

Gloger-Tippelt, G. (1988b). Die Entwicklung des Konzepts "eigenes Kind" im Verlauf des Übergangs zur Elternschaft. In: Brähler, E. & Meyer, A. (Hrsg.). Partnerschaft, Sexualität und Fruchtbarkeit. Beiträge aus Forschung und Praxis, 57-69. Berlin: Springer

Hasenbring, M. (1992). Chronifizierung bandscheibenbedingter Schmerzen: Risikofaktoren und gesundheitsförderndes Verhalten. Stuttgart: Schattauer.

Kelly, G.A. (1955). The psychology of personal constructs. New York: Norton.

Leifer, M. (1980). Psychological effects of motherhood. A study of first pregnancy. New York: Praeger.

Mayring, P. (1985). Qualitative Inhaltsanalyse. In: Jüttemann, G.: Qualitative Forschung in der Psychologie. Grundfragen, Verfahrensweisen, Anwendungsfelder, 187-211, Weinheim: Beltz.

Neckermann, S. & Felder, H. (O. J.). Frauen beim Übergang zur Mutterschaft: Präpartale Vorstellungen werdender Mütter über ihr erwartetes Kind. In: Brähler, E. & Unger, U. (Hrsg.) (1996) Schwangerschaft, Geburt und der Übergang zur Elternschaft, 213-244, Opladen: Westdeutscher Verlag.

Neuhaus, W. (1992). Pränatale Erwartungshaltung und postpartale Zufriedenheit. In: Brähler, E. & Unger, U. (Hrsg.) (1996). Schwangerschaft, Geburt und der Übergang zur Elternschaft, 139-152, Opladen: Westdeutscher Verlag.

Ostkirchen, G., Behrendt K., Franzmeier M., Lautner I., Stäcker K.H. & Fischer W. M. (1992). Prä- und postpartale Schmerzwahrnehmung und Schmerzverarbeitung von Primi- und Multiparae bei Spontangeburten und Kaiserschnittentbindungen. In: Brähler, E. & Unger, U. (Hrsg.) (1996) Schwangerschaft, Geburt und der Übergang zur Elternschaft, 40-53, Opladen: Westdeutscher Verlag.

Schwab, R. & Möller, I. (1989). Bedingungen des Geburtserlebens und der Zufriedenheit bei Wöchnerinnen, Ärzten/Ärztinnen und Hebammen. In: Brähler, E. & Unger, U. (Hrsg.) (1996). Schwangerschaft, Geburt und der Übergang zur Elternschaft, 54-70, Opladen: Westdeutscher Verlag.


Inhaltsverzeichnis

4) Die Rolle der Geburtsvorbereitung

WUNDERER Iris

EINLEITUNG

Schwangerschaft, erste Geburt und Beginn der Elternschaft stellen eine Übergangsphase im Leben von Frau und Mann dar, die wie alle anderen Übergänge auch, von Veränderungen gekennzeichnet ist, die fast unausweichlich zu Krisensituationen führen.

Die empirische Studie von Agnes Stadlhuber - Gruber, die zur Erlangung des Doktorgrades an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg verfaßt wurde, untersucht und beschreibt die Rolle bestimmter Arten von Geburtsvorbereitungskursen beim Übergang zur Elternschaft.

TEIL I

  1. Allgemeines
1.1 Situation und Angebot Geburtsvorbereitender Kurse

Inhalte, Form der Vermittlung und Ansprüche der Geburtsvorbereitung haben sich in den letzten Jahren zum Teil stark verändert.

Die Angebote reichen von der traditionellen Schwangerschaftsgymnastik mit Informationsvorträgen über sogenannte "Lamaze Kurse" und Kursen nach der Methode "Kitzinger" , bis zu Kursen, wo Schwangerschaft, Geburt und Elternschaft in einen größeren ganzheitlichen Zusammenhang gestellt werden.

Abgesehen davon, daß zwar die realen Möglichkeiten der Geburtsvorbereitung hinter ihren hochgesteckten Zielen liegen, müßte Geburtsvorbereitung dennoch viel stärker im öffentlichen Bewußtsein verankert werden, um tatsächlich alle Bevölkerungsschichten zu erreichen. Vor allem die ländlichen Gebiete sind noch schlecht versorgt

Ziel dieser Geburtsvorbereitungskurse ist es, eine nachhaltige Veränderung im Umgang mit sich selbst, dem Partner, dem Kind und den Problemen miteinander, sowohl im Alltag als auch in Ausnahmesituationen zu bewirken.

  1. Notwendigkeit Geburtsvorbereitender Kurse
Bereits bei 20 - 50 % aller Kinder kommt es zu gestörten Entwicklungsverläufen.

Viele der psychischen, psychosomatischen und dissozialen Störungen des Kindes,- und späteren Erwachsenen sind auf ein Fehlverhalten der frühkindlichen Bezugspersonen zurückzuführen, die ihrerseits entweder aus einem Informationsdefizit heraus so handeln, oder weil sie aufgrund ihrer eigenen Persönlichkeitsstruktur nicht anders handeln können.

Angesichts dieser Tatsache bekommen sogenannte Geburtsvorbereitungskurse gesamtgesellschaftlich gesehen höchste Relevanz.

Vor allem wenn man überdies noch bedenkt, daß Eltern während der Schwangerschaft besonders aufgeschlossen und sensibilisiert sind, wird es umso deutlicher, daß diese Zeit eine ganz besonders günstige Phase ist, um Maßnahmen zu setzen, von denen über die Geburt hinausreichende präventive Impulse für die junge Familie ausgehen.

Eine solche Maßnahme kann, wie die empirische Studie über Geburtsvorbereitung von Agnes - Stadlhuber - Gruber zeigt, ein ganzheitlich orientierter, partnerintegrierender Geburtsvorbereitungskurs sein.

  1. Theoretischer Hintergrund
2.1 Übergangsphasen als Krise

Der Begriff "Übergang zur Elternschaft" umschreibt all jene Übergänge im Leben von Frau und Mann als Individuen und als Paar, die sich in Folge der Ereigniskette Schwangerschaft, erste Geburt und Beginn der Elternschaft vollziehen.

"Übergänge im Lebenslauf sind durch zeitlich gedrängte, zum Teil als krisenhaft erlebte, quantitative und qualitative Veränderungsprozesse charakterisiert." (Gloger-Tippelt, 1985,p.54) Übergangsphasen sind als Krisen aufzufassen, die routinemäßiges Verhalten durch biologische, soziale oder psychologische Veränderungen unterbrechen.

Diese drastischen Veränderungen der Lebenssituation führen somit zu Gefühlen der Unsicherheit, der Bedrohung und der Angst, beziehungsweise können zur Desorganisation von Kognitionen und Handlungen führen.

In eine Krise kommen alle (insbesondere aber die Erst - Schwangeren, unabhängig vom Grad ihrer psychischen Gesundheit, - dies ist notwendig, um einen Reifungsprozeß in Gang zu bringen, und um auf die neuen Aufgaben vorzubereiten.

Viele Frauen erreichen durch die Reifungskrise in der Schwangerschaft einen Zuwachs an Selbstachtung.

Der Ausgang einer Krise hängt im wesentlichen von drei Bedingungen ab. (Aquilera & Messick, 1978)

Schwangerschaft ist kein statischer Zustand, sondern ein dynamischer, psychophysiologischer Prozeß, der Wechselwirkungen mit allen Lebensbereichen der Frau hat.

Die physiologische Reife der Frau, ein Kind zur Welt zu bringen, bringt nicht automatisch die emotionale Reife mit sich, um mit der Verantwortung der Mutterschaft umgehen zu können.

Auch wenn Ehemann und Familie die Frau in der Phase der Schwangerschaft unterstützen, so bringt die emotionale Veränderung der Frau doch eine Veränderung der Beziehungen innerhalb der Familie mit sich, so daß jede Schwangerschaft unvermeidlich von einer ganz normalen Familienkrise begleitet wird, deren Ziel im Idealfall die volle Integration des neuen Familienmitgliedes ist (Pthas, 1972).

Raphael Leff (1982) ist der Meinung, daß zuviel Aufmerksamkeit auf die wenigen Stunden der Geburt, und die Vorbereitung auf diese gerichtet wird. Viel zu wenig werde die Vorbereitung auf die Mutterschaft beachtet.

Viele Frauen bewältigen den emotionalen Entwicklungsprozeß selbst, und es gelingt ihnen, sich mit der eigenen Mutterschaft zu identifizieren. Allerdings gibt es auch Mütter, die diese psychische Adaptationsleistung nicht ohne fremde Hilfe schaffen.

2.2 Geburtsvorbereitung als primäre Prävention und antizipatorische Sozialisation

Ziel präventiver Maßnahmen ist es, "Menschen auf die Anforderungen und kritischen Ereignisse ihres Lebens vorzubereiten und Kompetenzen zu vermitteln, welche die Bewältigung künftiger Lebensereignisse gestatten oder erleichtern sollen.

(Filipp, 1981,p.155)

Danish & D´Angelli (1981) gehen von der idealistischen Vorstellung der primären Prävention aus, die versuchen will, bei nicht psychisch gestörten Risikogruppen innerhalb eines sozialen Systems, den Eintritt emotionaler Störungen zu verhindern und ihre psychische Gesundheit zu steigern.

Da Erfahrungen in der Auseinandersetzung mit kritischen Lebenssituationen die Fähigkeiten zu einer kompetenten Bewältigung künftiger Lebensereignisse erhöhen, heißt das man kann sich also auf Lebensereignisse im Sinne einer antizipatorischer Sozialisation vorbereiten.

Es kommt zu einer positiven Kettenreaktion.

TEIL II

  1. Empirische Studie
Die empirische Untersuchung von Agnes Stadlhuber - Gruber beschäftigt sich mit der Frage, ob bei der Geburtsvorbereitung (oder bei einer bestimmten Art der Geburtsvorbereitung) eine präventive Wirkungsweise bestätigt werden kann.

Der präventive Effekt wurde in den Lebensbereichen untersucht, in denen die stärksten Veränderungen hinsichtlich "Übergang zur Elternschaft" stattfinden.

  1. Fragestellung
Die Fragestellung lautet:

Gibt es meßbare Unterschiede, wie sich das Veränderungspotential beim Übergang zur Elternschaft auswirkt auf ....

  1. ... die Beziehung zwischen den Ehepartnern
  2. ... die Beziehung der werdenden Eltern zur Umwelt (Freunde, Verwandte, Bekannte,...)
  3. ... die Einstellung bzw. Beziehung zum eigenen Körper (= Aspekt der Körpererfahrung)
In dieser Untersuchung sollte also festgestellt werden, ob eine bestimmte Art von Geburtsvorbereitung einer Verschlechterung der elterlichen Beziehung, einer Verschlechterung der Beziehung des Paares nach außen hin, bzw. einer Verschlechterung der Beziehung der Frau zum eigenen Körper entgegenwirkt.

3.2 Zusammensetzung der Stichproben

Die Versuchspaare stammten aus 2 Gruppen von Geburtsvorbereitungskursangeboten, die einen möglichst konträren Standpunkt zu Inhalten und Zielen , sowie der psychoprophylaktischen Bedeutung der Geburtsvorbereitung einnahmen.

(Ganzheitliche Geburtsvorbereitung - medizinische Geburtsvorbereitung)

Es ergaben sich also folgende Versuchsgruppen, die einander gegenübergestellt wurden.

VG A ... Paare aus der ganzheitlichen Geburtsvorbereitung

VG B ... Paare aus der medizinischen Geburtsvorbereitung

KG ... Paare ohne Geburtsvorbereitung

Vorraussetzend für die Teilnahme an der Untersuchung waren folgende Kriterien:

Bei der Zusammensetzung der Stichproben ist mir aufgefallen, daß in der VG A

auch Männer und Frauen mit Hochschulabschluß zu finden sind, während sich in der VG B

kein Kursteilnehmer mit Hochschulabschluß befindet.

___________________________________________________________________________

Einschub:

Neben dem Körperlichen werden psychologische Aspekte der Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit betrachtet. geleitet von einem Gynäkologen; es gibt abendfüllende Vorträge, Theorie und Praxis sind streng getrennt, wobei die Vorträge von Fachkräften gehalten, und die Schwangerschaftsgymnastik von PhysikotherapeutInnen durchgeführt werden.

Inhalte der Vorträge sind eher medizinisch geprägt (Anatomie, Befruchtung, Wachstum des Kindes, Schwangerschaftsbeschwerden, Säuglingspflege, usw.)

Die Ganzheitliche Geburtsvorbereitung baut auf der Ansicht auf, daß Geburt ein psychophysisches Geschehen, eingebettet in die Dynamik zwischen allen Beteiligten ist.

Grundlage der Medizinischen Geburtsvorbereitung ist die Ansicht, daß Geburt ein vorrangig somatischer Vorgang ist.

3.3 Erhebungsinstrumente:

  1. Der Gießen Test (Beckman, Brähler & Richter, 1983) in der leicht modifizierten, speziell für die Paardiagnostik entwickelten Fassung (Brähler & Beckman 1981; Brähler & Beckman 1984)
  2. Das Personal Sphere Modell (PSM) von Schmiedeck (1978)
  3. Fragebogen zur Beurteilung des eigenen Körpers (Strauß & Appelt) 1983 a; 1984)
  4. Weiters werden eine Reihe von selbstkonstruierten Fragebögen verwendet
ad 1) Mit der Paarform des Gießen Tests kann man die Selbst - und Fremdbildkonzepte von Partnern erfassen, diese miteinander in Verbindung setzen, und so zu einer diagnostischen Beurteilung von Aspekten der Beziehungsstruktur eines Paares kommen (Brähler & Beckman , 1984)

ad 2) das PSM von Schmiedeck (1973; 1978) ist ein projektiver Test zur Beurteilung von Objektbeziehungen.

ad 3) Mit dem Fragebogen zur Beurteilung des eigenen Körpers gibt eine Person eine subjektive Beurteilung ihres Körpers ab.

Der Fragebogen unterscheidet zwischen Gesunden und psychosomatischen Patienten.

ad 4) Die selbstkonstruierten Fragebögen enthalten Fragen dazu, wie mit den Anforderungen durch Schwangerschaft, Geburt und erste Zeit mit dem Neugeborenen umgegangen wird.

( zusätzlich Fragen zur Idealisierung der Mutterschaft).

Die Test wurden jeweils vor der Geburt (präpartum) und nach der Geburt (postpartum) vorgelegt.

Auf diese Weise konnten man einen Effekt unterschiedlicher Gruppenzusammensetzung vermeiden.

Postpartum wurden zwei zusätzliche Fragebögen zur Beantwortung vorgegeben.

  1. Was war für sie persönlich das Wichtigste im Kurs ? ( Vorgabe an VG A und VG B)
  2. Fragebogen zur Situation
3.4 Ergebnisse

Wenn man die vielen signifikanten Ergebnisse zusammenfaßt, so kann man sagen, daß der Ganzheitlichen Geburtsvorbereitung ein psychoprophylaktischer Effekt vorgeschrieben werden kann.

Wider Erwarten kann der Medizinischen Geburtsvorbereitung dieser Effekt nicht zugeschrieben werden.

Abgesehen davon erlebten Paare, die sich nach dem Ganzheitlichen Modell vorbereitet haben, den Übergang zur Elternschaft in vielen Aspekten subjektiv positiver als Paare, die sich nicht oder nach dem Medizinischen Modell vorbereitet haben.

Ad FRAGE 1)

Die Untersuchung der Interaktionsebenen der 3 verschiedenen Gruppen von Paaren (VG A, VG B und KG) konnte nicht nachweisen, daß geburtsvorbereitete Paare nach der Geburt gesündere Beziehungsstrukturen haben als nicht vorbereitete Paare.

Ad FRAGE 2)

Bei den medizinisch vorbereiteten Frauen gehen nach der Geburt die Beziehungen zu Familienmitgliedern eindeutig auf Kosten der Beziehungen zu Freunden und Bekannten, bei den ganzheitlich vorbereiteten Frauen ist dieses Verhältnis ausgewogen.

Die vorläufig eingeschränkten Kontakte nach Außen betrifft nicht nur die Frauen; auch bzw. vor allem die Männer stecken zurück.

Dies gilt nur für die ganzheitlich vorbereiteten Paare.

Ad FRAGE 3)

bei den ganzheitlich vorbereiteten Frauen tritt nach der Geburt keine Verschlechterung in ihrer Beziehung zum Körper ein.

Die nach dem medizinischen Kursmodell vorbereiteten Frauen fühlen sich nach der Geburt weniger attraktiv und sind mit ihrem Körper weniger zufrieden als vor der Geburt. Mißempfindungen und Unsicherheit den eigenen Körperreaktionen gegenüber, nehmen nach der Geburt zu.

Bezüglich der beiden zusätzlichen Fragestellungen postpartum ist zu bemerken, daß sich die nach dem medizinischen Kursmodell vorbereiteten Frauen durch die Geburt mehr belastet fühlen, und sie geben an, sich die Geburtsarbeit irgendwie leichter vorgestellt zu haben.

Außerdem wird von dieser Gruppe die Mutterschaft hoch idealisiert. Dieses Bild ergibt deutlich, daß die medizinisch Geburtsvorbereitung der Erwartung, eine präventive Wirkung zu entfalten, nicht entspricht.

Die Männer, die sich nach dem ganzheitlichen Kursmodell vorbereitet haben, finden, daß die Gruppengespräche der wichtigste Bestandteil im Kurs waren.

Die heute allgemein anerkannte Tatsache, daß die ersten Lebensjahre eines Menschen auch seine entscheidensten sind, muß uns zu jeder denkbaren Handlung motivieren, die dazu führt, werdenden Eltern bei der Schaffung der bestmöglichen ( geistigen, sozialen, psychischen und körperlichen) Ausgangsbedingungen für ihr erwartetes Kind zu unterstützen.

ZUSAMMENFASSUNG

In der Dissertation von Agnes Stadlhuber - Gruber wird die Rolle der Geburtsvorbereitung untersucht und beschrieben.

Aus dem Angebot an verschiedenen Modellen der Geburtsvorbereitung wurden die zwei bekanntesten, bzw. am häufigsten frequentierten Kursarten ausgewählt, und die Teilnehmer der Kurse einander gegenübergestellt. (Ganzheitlicher Kurs versus Medizinischer Geburtsvorbereitungskurs).

Die Inhalte der beiden Modelle, die kurz vorgestellt und deren Notwendigkeit aufgezeigt wird, unterscheiden sich stark voneinander.

Nachdem mittels Fragebögen (Gießen Test, PSM, Körperfragebogen, ...) die Auswirkungen Geburtsvorbereitender Kurse auf die elterliche Beziehung, die Beziehung des Paares zur Umwelt und die Beziehung der Mutter zum eigenen Körper untersucht worden ist, kann man sagen, daß das hochgesteckte Ziel dieser Geburtsvorbereitungskurse, nämlich eine nachhaltige Veränderung im Umgang mit sich selbst, dem Partner, dem Kind und den Problemen miteinander zu bewirken, am ehesten von einem Ganzheitlichen Geburtsvorbereitungskurs annähernd erreicht werden kann.

PERSÖNLICHE STELLUNGNAHME

Meine Position in der Diskussion über die Rolle der Geburtsvorbereitung möchte ich ausgehend von der bereits weiter oben erwähnten Aussage von Raphael Leff (1982) erläutern, der der Ansicht ist, daß zuviel Aufmerksamkeit auf die wenigen Stunden der Geburt, und die Vorbereitung auf diese gerichtet wird, die Vorbereitung auf die Mutterschaft selbst allerdings viel zuwenig Beachtung findet.

Nun, ich finde nicht, daß der Geburt zuviel Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Wenn man beispielsweise bedenkt, daß es für eine gute Mutter - Kind - Beziehung enorm wichtig ist, den ersten Kontakt positiv zu gestalten, dann hat eine gewissenhafte Vorbereitung auf dieses "erste Zusammentreffen" der neuen Familie durchaus seine Berechtigung.

Auch wenn eine solche Vorbereitung nicht zwingend zu einem positiven Geburtserlebnis führt, so erhöht sie dennoch die Chance dazu.

In diesem Sinne könnte auch noch der Geburtsschock erwähnt werden.

Abgesehen von diesem Aspekt, stimme ich Raphael Leff allerdings absolut zu, wenn er sagt, daß die Vorbereitung auf die Mutterschaft eine größere Bedeutung hat, als ihr beigemessen wird. Diese Tatsache wird ja auch von der Empirischen Studie von Agnes Stadlhuber - Gruber bestätigt.

Das Ergebnis der Studie, nämlich daß ein ganzheitlich orientierter, partnerintergrierender Geburtsvorbereitungskurs eine präventive Maßnahme, im Sinne einer positiven Beziehung zum Partner, zur Umwelt und zum Körper der Frau, setzen kann, führt zur Überlegung, ob es sinnvoll wäre, einen solchen Geburtsvorbereitungskurs verpflichtend für alle Eltern einzuführen.

Wenn man bedenkt, daß es bereits für so viele Lebensbereiche notwendig ist zumindest einführende Kurse und Prüfungen zu absolvieren (z. B.: Platzreifeprüfung beim Golfspielen, ohne die man den Platz nicht bespielen darf, ...) so halte ich diese Überlegung durchaus für realistisch.

Auf der anderen Seite gilt es zu beachten, daß es keine Beweise dafür gibt, daß eine unfreiwillige, gezwungene Teilnahme an einem Ganzheitlichen Geburtsvorbereitungskurs dieselben positiven Effekte hat, die die Studie anführt.

Gerade bei diesem Modell der Geburtsvorbereitung erscheinen mir eine emotionale Anteilnahme, und die Überzeugung der Wichtigkeit bzw. Richtigkeit der Inhalte entscheidend für den Erfolg des Kurses zu sein.

Dieser Faktor ist für die Mutterberatung, die bis jetzt an einen bestimmten Geldbetrag gebunden war, und auf diese Weise verpflichtend war, aufgrund ihrer Inhalte und Ziele nicht so sehr ausschlaggebend. Darin besteht für mich der Grund dafür, daß diese Mutterberatung trotz "Zwang" bis jetzt ihren Zweck erfüllt hat.

Abgesehen davon, sollte die Eigenverantwortlichkeit der werdenden Eltern bewahrt werden

Es wird ohnehin schon viel zuviel der elterlichen Verantwortung auf Kindergärten, Schulen und sonstige Einrichtungen abgeschoben.

Auf jeden Fall aber muß das Angebot an Geburtsvorbereitungskursen erweitert und flächendeckend installiert werden.

Besonders wichtig ist es dabei, den werdenden Eltern die Bedeutung dieser Kurse klarzumachen.

IN DEN LEBENSLÄUFEN

IST DIE KINDHEIT DER BERG,

VON DEM DER STROM DES LEBENS

SEINEN ANFANG,

SEINEN ANLAUF

UND SEINE RICHTUNG NIMMT

JANUSZ KORCZAK

LITERATUR:

Stadlhuber - Gruber, A. (1989). Der Übergang zur Elternschaft. Mit einer empirischen Untersuchung über Geburtsvorbereitung. Unveröff. Diss., Universität Salzburg.


Inhaltsverzeichnis

5) Einfluß von Belastungen auf die Partnerschaftsqualität

GOLLIA Annelies

1. Einleitung

In dieser Studie von Guy Bodenmann wurde die Bedeutung von Streß und individuellem bzw. dyadischem Coping für die Partnerschaftsqualität bzw. -stabilität untersucht.

Dies erfolgte auf der Basis des revidierten EISI-Experiments, einer mehrwöchigen Untersuchung von Streß und Coping anhand einer ereignisnahen Protokollierung im Alltag und einer Längsschnittstudie von zwei Jahren.

2. Partnerschaft und Streß

2.1. Die Instabilität heutiger Partnerschaften

Ausgehend von Bevölkerungsstatistiken, die aufzeigen, daß die Ehe als institutionalisierte Beziehungsform maßgeblich an Attraktivität verloren zu haben scheint, schließen Psychologen und Soziologen auf eine Krise der modernen Partnerschaft im industrialisierten Westen.

Damit einhergehend, wird der Untergang der Familie in ihrer traditionellen Form beschrieben. Als Belege für diese Entwicklungen werden

a.) Scheidungsstatistiken

b.) ein erkennbarer Geburtenrückgang

c.) die steigende Zahl monoparentaler Familien

d.) die steigende Zahl außerehelicher Kinder und

e.) der Rückgang der Eheschließungen

angeführt.

ad. a.) Ehescheidungen: aus: Demographisches Jahrbuch Österreichs 1993/94/95; Beiträge zur österreichischen Statistik. Herausgegeben vom Österreichischen Statistischen Zentralamt, Heft 1.207.

Nachdem zwischen 1990 und 1993 die Zahl der Ehescheidungen mehr oder weniger stagnierte, ist sie 1994 und insbesondere 1995 wiederum kräftig gestiegen. Gegenwärtig ist sie mit 18.204 um fast 2.000 bzw. 11,7% höher als 1992. Die Gesamtscheidungsrate beträgt 38,29%, das bedeutet, daß 38,3% aller gegenwärtig geschlossenen Ehen früher oder später vor dem Scheidungsrichter enden dürften, wenn die im Jahr 1995 beobachteten ehedauerspezifischen Scheidungsraten in Zukunft unverändert bleiben würden (wenn der steigende Trend anhält, wird der Anteil natürlich noch höher sein).

ad. d.) Steigende Zahl außerehelicher Geburten

Der langfristig steigende Trend zu nichtehelichen Geburten setzte sich noch bis 1993 fort, als mit einer Zahl von 25.075 nichtehelich Lebendgeborenen ein vorläufiger Höhepunkt erreicht wurde. Bis 1995 ist die absolute Zahl zwar auf 24.267 zurückgegangen, wegen der wesentlich stärkeren Reduktion der ehelichen Geburten ist der Anteil der nichtehelichen Geburten an allen Geburten (Unehelichenquote) aber weiter gestiegen und liegt nun bei 27,4% (zum Vergleich 1992: 25,2%).

ad. e.) Rückgang der Eheschließungen

Nach einer dreijährigen Stagnation ging die Eheschließungszahl in den letzten zwei Jahren zurück und lag 1995 mit 42.946 um 6,0% unter dem Zwischenhoch von 1992.

Die Gesamtheiratsrate sank seit 1992 von 57,2% auf 55,4% für Frauen und von 52,3% auf 49,8% für Männer.

Als subjektive Gründe für die Auflösung der Ehe werden von den Betroffenen hauptsächlich

- Unzufriedenheit mit dem Partner

- Kommunikationsschwierigkeiten

- sexuelle Probleme

- außereheliche Beziehungen

- eine geringe Bindung an den Partner

- Gewalt in der Ehe

- Alkohol- oder Drogenabusus

- Rollendivergenzen sowie

- finanzielle Probleme

angegeben.

Es gibt eine Reihe objektiver Korrelate zu Scheidungen wie z.B.: das Alter bei der Eheschließung, städtische Wohnregion, Religionszugehörigkeit, die berufliche und soziale Stellung u.v.m.

Korrelate, welche mit Kindern in Zusammenhang stehen sind folgende:

In einer Longitudinalstudie wurde nachgewiesen, daß 50% der kinderlosen Ehen geschieden wurden, gegenüber 19,5% der Partnerschaften mit Kindern. Diese Kohäsionsfunktion der Kinder steht im Gegensatz zur proportionalen Abnahme der Beziehungszufriedenheit mit steigender Kinderzahl. Mehrere Studien konnten zeigen, daß die Ehezufriedenheit sinkt, solange die Kinder die elterliche Zuneigung am meisten beanspruchen und erst wieder mit deren zunehmender Selbständigkeit ansteigt.

Kinder scheinen einerseits ehestabilisierend zu wirken, indes gleichzeitig mit einer geringeren Ehezufriedenheit einherzugehen. Der ehestabilisierende Effekt der Kinder ist nur bis zu deren Alter von fünf Jahren feststellbar. Beachtenswert ist die Tatsache, daß Eltern mit Söhnen weniger schnell scheiden als solche mit Töchtern.

Im Jahre 1995 waren in Österreich insgesamt 19.945 Kinder von Scheidung betroffen, darunter 16.027 Minderjährige (unter 19 Jahren). Von den Kindern waren 2.022 zur Zeit der Scheidung der Eltern noch nicht drei Jahre alt.

Die Ehe ist jedoch auch heute noch in westlichen Ländern, entgegen aller Polemik, daß sie aus dem Trend gekommen sei, die häufigste Beziehungsform, die von den meisten Menschen einmal oder mehrmals im Verlauf des Lebens erfahren wird.

Für die zentrale Bedeutung einer intimen Partnerschaft sprechen Studien, wonach rund 95% der erwachsenen Bevölkerung im Verlauf des Lebens eine feste Partnerschaft eingehen, die in der Mehrzahl mit Ehe gleichgehen, wie Angaben des US Bureau of the Cessus (1983) zeigen.

2.2 Determinanten für Partnerschaftsqualität und -stabilität

Dies sind

2.2.1. Gesellschaftliche Faktoren:

Schicht- und Statuseinflüsse, sowie Meinungen und Erwartungen bezüglich der Institution Ehe und Familie.

2.2.2. Ökonomische Faktoren:

Auf der Ebene ökonomisch-wirtschaftlicher Einflußgrößen ist der enge Zusammenhang der Scheidungszahlen mit der Konjunkturlage zu sehen. In Krisenzeiten sind Ehen stabiler. Die finanzielle Unabhängigkeit, die durch eine bessere Bildung und Berufsstellung der Frauen bewirkt wurde, hat maßgeblichen Einfluß auf die Möglichkeiten dieser Gruppe, Beziehungen aufzulösen.

2.2.3. Soziobiologische Faktoren:

Die Instabilität von Partnerschaften hängt mit der Ratio der Verfügbarkeit von Frauen zu Männern in der Gesellschaft zusammen ("Sex Ratio Hypothese").

2.2.4. Juristische Faktoren:

Einen weiteren Einfluß auf die heutige Scheidungspraxis hat die juristische Erleichterung der Scheidung bzw. die Abkehr vom Verschuldungsprinzip.

2.2.5. Psychologische Faktoren:

Psychologische Merkmale, die in diesem Zusammenhang diskutiert werden, beziehen sich meist auf individuelle und dyadische Parameter, wie Partnerkompetenzen, Interaktionsstil, Ressourcen u.v.m.

2.3. Welche Bedeutung haben Belastungen und deren Bewältigung für die Partnerschaftsqualität und -stabilität?

Einerseits ist anzunehmen, daß das heutige Leben aufgrund der Zunahme der Mobilität, der Verschärfung des Produktionsrhythmus, der Konkurrenz im marktwirtschaftlichen System, der hohen Veränderungsdynamik im Wissens- und Normbereich und des generell höheren Lebensrhythmus, insgesamt an Streßpotential gegenüber früher zugenommen hat. Für diese Interpretation sprechen z.B. erhöhte Raten von typischen Streßerkrankungen (Ulcus, Herzinfarkte, Hauterkrankungen etc.)

Neben einem erhöhten Streßvolumen aufgrund häufiger Doppelbeanspruchungen v.a. der Frauen, das sich auch belastend auf den Ehemann auswirken kann, kann heute allgemein von einer stärkeren Rollenverunsicherung in Partnerschaften ausgegangen werden.

Je besser es jedem einzelnen bzw. beiden Partnern zusammen gelingt, Stressoren adäquat zu bewältigen, bzw. durch eine vernünftige Lebensführung und Alltagsplanung unnötigen Streß zu vermeiden (präventives Coping), desto geringer sollten Auswirkungen von Belastungen auf die Partnerschaft sein.
 

3. Streß und Coping in Partnerschaften

3.1. Das transaktionale Streßkonzept von Lazarus (1966)

Streß wird als eine Transaktion zwischen Person und Umwelt verstanden, bei der weniger die objektive Stimulusqualität relevant ist, als die subjektive Repräsentation des Ereignisses durch die Person.

Schätzt eine Person eine Situation oder ein Ereignis als herausfordernd, bedrohend oder schädigend ein, und nimmt sie die durch innere oder äußere Bedingungen gestellten Anforderungen als die eigenen Ressourcen beanspruchend oder übersteigend wahr, entsteht Streß.

Streß ist weder gleichbedeutend mit einem Umweltreiz, einem Personenmerkmal oder einer Reaktion, sondern Streß stellt ein Konzept dar, in dem ein Gleichgewicht hergestellt werden muß zwischen Anforderungen und der Fähigkeit, mit diesen Anforderungen ohne zu hohe Kosten oder destruktive Folgen fertigzuwerden.

3.2. Coping in Partnerschaften

3.2.1. Individuelles Coping:

Tritt auf, wenn nur ein Partner von der belasteten Situation betroffen ist und er über Kompetenzen und Ressourcen verfügt, um mit dieser Situation fertig zu werden.

Individuelles Coping ist wichtiger als dyadisches Coping. Zum individuellen Coping zählen die Informationssuche, direkte Aktionen, intrapsychische Bewältigungsformen.

3.2.2. Dyadisches Coping:

Gemeinsames dyadisches Coping umfaßt koordinierte Handlungen der beiden Partner zur Bewältigung sachbezogener Probleme (gleichmäßige Aufgabenverteilung, gemeinsame Lösungsdiskussion) oder die Regulation emotionaler Stressoren (Beziehungskonflikte) durch gemeinsame Gespräche, gegenseitige Solidarisierung, Austausch von Zärtlichkeit, geteiltem Humor, gemeinsame Freizeitaktivitäten usw.

Supportives (unterstützendes) dyadisches Coping umfaßt alle sach- und emotionsbezogenen Unterstützungshandlungen des einen Partners zugunsten des anderen, ohne daß letzterem die Bewältigungsarbeit ganz abgenommen wird. Dies können konkrete Hilfestellungen bei der Verrichtung von Tätigkeiten sein, Informationen oder Lösungsvorschläge usw.

Unter emotionsbezogenem unterstützendem dyadischem Coping versteht man die Äußerung von positiven Gefühlen (der Liebe, Zuneigung) zur Signalisierung der Zusammengehörigkeit, Empathie, Wertschätzung usw.

Unter delegiertem dyadischem Coping versteht man die Möglichkeit des einen Partners in Streßsituationen dem anderen Partner Tätigkeiten oder Aufgaben (z.B. Kinderbetreuung) zur Bewältigung abzugeben. Im Unterschied zum supportiven dyadischen Coping wird hier der Partner explizit um Unterstützung angegangen und zu Copinghandlungen aufgefordert.

4. Die Untersuchung

4.1. Allgemeines zum EISI-Experiment (Experimentell Induzierter Streß in dyadischen Interaktionen)

Ziel dieser Arbeit ist die Konzeptualisierung und Analyse von Copingprozessen bei intimen Paaren. Neben der Rolle von inividuellem Streß und Coping wird ein besonderes Gewicht auf dyadische Belastungen und dyadisches Coping gelegt.

Als relevante Dimensionen zur Klassifikation von Streßsorten in der Partnerschaft und zur Prädiktion von individueller bzw. dyadischer Belastung werden

a.) die Betroffenheit von der Belastung (Partner A, Partner B, Dyade)

b.) die Verursachung des Streßereignisses (durch Partner A, Partner B, Dyade, andere Personen, externe Ursachen) und

c.) perzipierte Kontrollmöglichkeiten (durch Partner A, Partner B, Dyade) postuliert.

In Abhängigkeit dieser Dimensionen wurde

a.) individueller Streß (der keinen Einfluß auf die Dyade hat) und

b.) direkter bzw. indirekter dyadischer Streß

- direkter dyadischer Streß: Situationen und Ereignisse, die unmittelbar beide

Partner gemeinsam betreffen (z.B. Geburt eines Kindes)

- indirekter dyadischer Streß: das Residual von individuellem Streß eines Partners,

der von diesem nicht erfolgreich bewältigt werden konnte und in der Folge beide

Partner zu betreffen beginnt

definiert.

Es wird angenommen, daß dyadisches Coping eine Ergänzung zur individuellen Belastungsbewältigung darstellt und in der Regel nicht isoliert (d.h. ohne daß nicht auch individuelles Coping seitens beider Partner einzeln praktiziert würde) auftritt.

Innerhalb des dyadischen Copings werden

a.) gemeinsames dyadisches Coping

b.) supportives dyadisches Coping

c.) delegiertes dyadisches Coping

differenziert. Bei einer gemeinsamen, zeitlich simultanen Betroffenheit von Streß sollte gemeinsames dyadisches Coping angezeigt werden.

Supportives dyadisches Coping wird in Situationen erwartet, in denen hauptsächlich der eine Partner vom Streßereignis betroffen ist und der andere aktuell oder situationsübergreifend über höhere Copingressourcen verfügt. Analoge Annahmen werden für die Delegation des Copings gemacht, das bei expliziter Streßäußerung (konkrete Aufforderung um Copingbeistand) und eindeutiger Aufgabenzuweisung erfolgen sollte, während supportives dyadisches Coping mehr freiwilligen Charakter hat.

Es wird eine Unterscheidung zwischen

a.) verbal expliziter Streßäußerung (konkrete direkte Aufforderung um Copingbeistand),

b.) verbal impliziter Streßäußerung und

c.) nonverbale Streßäußerung (Streßmotorik, Körperhaltung, Tonfall, etc.)

unterschieden.

Auf der Seite der Belastungsbewältigung wird

a.) sachbezogenes versus

b.) emotionsbezogenes dyadisches Coping

auf den Dimensionen verbal bzw. nonverbal diskutiert.

Als Einflußfaktoren auf die Performanz von dyadischem Coping werden seitens des unterstützenden Partners

a.) motivationale Faktoren (situative versus globale bzw. intrinsische versus extrinsische)

b.) individuelle und dyadische Kompetenzen

c.) die situative Verfügbarkeit der benötigten Ressourcen

d.) Paarideologien

e.) Rollenmuster in der Dyade

thematisiert. Auf seiten des Unterstützung erfahrenden Partners

f.) dessen Motivation nach dyadischem Coping.

Es wird in dieser Untersuchung davon ausgegangen, daß inividuelle Belastungsbewältigung insgesamt bedeutsamer ist als dyadisches Coping, da eine Vielzahl von Situationen im Alltag auftritt, in denen der eine Partner primär selber versuchen muß, mit Anforderungen fertig zu werden und nicht auf Copingressourcen des anderen Partners zurückgreifen kann.

Das EISI-Experiment zielt ab:

a.) auf eine Analyse der dyadischen Interaktionen unter Streß und innerhalb dessen speziell der Streßemotion Ärger und

b.) auf eine Evaluierung des Copings des Paares in dieser Streß- bzw. Ärgersituation.

Die drei Hauptzielsetzungen des EISI-Experiments:

a.) eine generelle Streßinduktion

b.) die Erzeugung von (sozialem) Ärger und

c.) die Stimulierung der partnerschaftlichen Interaktion.

Methode der Streßinduktion: Die Untersuchung wurde als Diagnostikum zur Erfassung von "Paarintelligenz" (fiktives Konstrukt) dargestellt. Die Motivation, im Test einen hohen "Paar-IQ" zu erreichen, bildete dabei ein zentrales Streßmoment, welches zudem durch die Bedienung einer Gegensprechanlage erhöht wurde.

Die Partner wurden in getrennten Räumen untergebracht und mußten die Ergebnisse ihrer bearbeiteten Testitems dem Partner mittels Gegensprechanlage mitteilen.

Zusammenfassung der im EISI-Experiment verwendeten Stressoren:

a.) individuumrelevante Stressoren:

- Schwierigkeit der einzelnen Intelligenztestaufgaben

- Zeitdruck (Speedbedingung)

- Bedienung der Gegensprechanlage

- Störung bei der Itembearbeitung durch Durchsagen des Partners

- Leistungs-Vergleichsnorm (es wurden fiktive Vergleichsnormen von anderen Paaren

vorgegeben)

- Einführungsinstruktion und Rahmenbedingungen während der Untersuchung

- ungünstige Testresultate

b.) dyadenrelevante Stressoren:

- Abhängigkeit vom Partner (die Berechnung des "Paar-IQ" basierte auf den Leistungen

beider Partner zusammen)

- Konkurrenz mit dem Partner (unlösbare Aufgaben mußten an den Partner abgegeben

werden)

- Qualität des Zusammenspiels und der dyadischen Organisation

- ungünstiges Testresultat, welches das Paar insgesamt betraf

Man gewann:

a.) Selbstbeschreibungsdaten:

-MNS (Marital Needs Satisfaction Scale): Fragebogen zur Erfassung der Partnerschafts-

zufriedenheit

- STAXI (State-Trait Anger Expression Inventory): erfaßt Trait- und State-Ärger sowie

drei Formen des Ärgerausdrucks ("anger-out", "anger-in", "anger-control").

- SD-Becker: Fragebogen zur Erfassung der seelischen Gesundheit

- PSSO: Fragebogen zur Erfassung körperlicher Beschwerden

- SDS-CM: Fragebogen zur sozialen Erwünschtheit

- Fragebögen zum individuellen Coping

- Fragebögen zum dyadischen Coping (FDC)

b.) Fremdbeobachtungsdaten:

Von den geschulten Beobachterinnen wurden die Kategorien

- Blickkontakt

- Verbalrate

- experimentbezogene Aktivität

- verbale, nonverbale und paraverbale Positivität bzw. Negativität

kodiert.

Die Gesamtdauer des EISI-Experiments betrug ca. zweieinhalb Stunden für jedes Paar.

Die Stichprobe: an der Untersuchung nahmen 70 Paare teil; es handelte sich um eine anfallende Stichprobe. Kriterien für die Aufnahme in die Studie war eine Mindestbeziehungsdauer von einem Jahr und das paareigene Verständnis der Beziehung als feste Partnerschaft.

68% der Paare waren kinderlos. Ein Großteil der Stichprobe rekrutierte sich aus höheren Bildungsniveaus, was die Repräsentativität eventuell einschränken und eine Generalisierung auf die Gesamtstichprobe nur mit Vorsicht erlaubt.

Das durchschnittliche Alter der Stichprobe betrug 29,7 Jahre.

Ethische Überlegungen zum EISI-Experiment: um ethischen Kriterien Rechnung zu tragen, wurde auf folgende Punkte geachtet:

- es wurden für die Untersuchung keine "kritischen Paare" (Scheidungspaare,

"Therapiepaare") ausgewählt.

- es wurde versucht, ein Streßanforderungsprofil zu schaffen, das jeder Versuchsperson

einzeln und Paaren insgesamt zumutbar ist.

Bei einem Schlußgespräch wurde sichergestellt, daß jede Versuchsperson die Intentionen und Ziele der Studie verstand und keine negativen Gefühle gegenüber sich selber oder dem Partner fortbestanden, die auf den Mißerfolg im Test zurückgingen. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Dyade auch über die Videoaufnahmen, welche während der Testung gemacht wurden, informiert.

Das EISI-Experiment darf mit dieser sorgfältigen Nachbearbeitung als ethisch akzeptabel beurteilt werden, worauf auch die Ergebnisse der Nachuntersuchung hinweisen.

4.2. Die Felduntersuchung

Die Felduntersuchung, welche im Anschluß an das EISI-Experiment während mehrerer Wochen (in der Regel 8-10 Wochen) durchgeführt wurde, bestand aus einem Fragebogenset (FDCF: Fragebogen zum dyadischen Coping im Feld), welches in der Struktur den während des EISI-Experiments abgegebenen Fragebögen entsprach.

Die Versuchspersonen, es handelte sich um dieselbe Stichprobe wie beim EISI-Experiment, wurden gebeten, unmittelbar nachdem eine Belastungssituation im Alltag aufgetreten war, die entweder die eigene Person oder beide Partner gemeinsam betreffen konnte, einen Streßfragebogen auszufüllen. Pro Person wurden 10 Fragebögen ausgegeben.

Von den 70 Paaren wurden von 42 Paaren (60%) die Fragebögen zurückgesandt. Fünf Paare (8%) sandten die Fragebögen mit dem Vermerk leer zurück, daß sie in dieser Zeit keinen Streß gehabt hätten (!).

Fragestellung der Untersuchung:

- Analyse der Bewältigung von täglichen Mikrostressoren

- eine Außenvalidierung des experimentellen Settings.

4.3. Die Längsschnittuntersuchung

Ein und zwei Jahre nach dem EISI-Experiment erfolgte eine Nachuntersuchung der Versuchspersonen. Hauptziel der Befragung nach einem Jahr:

- die Evaluation von etwaigen negativen Folgen der Streßinduktion auf die

Partnerschaft.

Ziele der Befragung zu beiden Messzeitpunkten:

- Langzeitauswirkungen von Belastungen und deren Bewältigung auf die

Partnerschaftsqualität und -stabilität

Das Befragungsset zu t3 (1 Jahr nach dem EISI-Experiment):

- Items zum jetzigen Zivilstand

- Items zu der aktuellen Qualität der Paarbeziehung

- Items zu Heirats- oder Scheidungsplänen

- Items zur Dauer eventueller Beziehungsprobleme

- Items zu Veränderungen der Partnerschaft sowie

- Fragen zu kurz-, mittel- und längerfristigen Konsequenzen der Untersuchung auf die

Beziehung.

Das Befragungsset zu t4 (2 Jahre nach dem EISI-Experiment):

- Items wie oben und zusätzlich

- ein mehrseitiger Fragebogen zu dyadischem Coping und dessen Effektivität

Beide Nachbefragungen erfolgten über Postzustellung. Der Rücklauf des ersten Follow-up-Fragebogens betrug 56% (n=65 Paare). Die Rücklaufquote der zweiten Follow-up-Untersuchung betrug 84%.

5. Ergebnisse der Untersuchung

5.1. Ergebnisse zum Streß-Partnerschaftsqualitäts-Modell

Wie die Ergebnisse zeigten, ist Streß negativ mit der Partnerschaftszufriedenheit assoziiert. Insbesondere durch die Partnerschaft bedingte Belastungen, tägliche Mikrostressoren, Freizeitstreß und finanzielle Belastungen korrelierten signifikant negativ mit der dyadischen Zufriedenheit. Damit konnte die Annahme eines direkten Zusammenhangs zwischen Belastungen und Partnerschaftszufriedenheit bestätigt werden.

Unter Streß wurde die dyadische Interaktion negativer, wobei v.a. die verbale Positivität abnahm, bei gleichzeitigem Anstieg der verbalen Negativität.

Die Ergebnisse lieferten einen Hinweis darauf, daß Streß mit mehr körperlichen Symptomen und einer geringeren seelischen Gesundheit kovariierte.

Der angenommene v.a. langzeitlich negative Effekt von Streß auf die Partnerschaftsqualität konnte in der Follow-up-Untersuchung nach einem Jahr und nach zwei Jahren belegt werden. Je höher das eigene bzw. das beim Partner vermutete Streßerleben im Alltag zu t1 gewesen war, desto negativer wurde die Partnerschaft ein Jahr und zwei Jahre später eingeschätzt.

Als brauchbare Prädikatoren für die Stabilität bzw. Instabilität der Partnerschaft erwiesen sich

- eine hohe paraverbale Negativität in der dyadischen Interaktion bei gleichzeitiger

niedriger nonverbaler Positivität zu t1 (EISI-Experiment)

- eine niedrige Tendenz zu emotionaler Streßkommunikation

- das subjektive Streßniveau im Alltag sowie

- die Neigung zu "anger-in" und

- körperliche Symptome.

Insgesamt scheinen die Ergebnisse den Schluß nahezulegen, daß sich Streß sowohl direkt wie auch indirekt negativ (über eine Verschlechterung der dyadischen Interaktion und eine Beeinträchigung der seelischen Gesundheit) auf die Partnerschaftsqualität und -stabilität auswirkt.

5.2. Ergebnisse zu individuellem Coping und Partnerschaftsqualität bzw.

-stabilität

Einzelne individuelle Copingstrategien hingen direkt mit der Partnerschaftszufriedenheit zusammen. Als positiv korreliert fand man Palliation und Umbewertung, während sämtliche intrapsychischen Vorwürfe (insbesondere Partnervorwürfe), eine hohe emotionsbezogene Informationssuche und Passivität signifikant negativ mit der Beziehungszufriedenheit kovariierten. Für die Vorhersage der Partnerschaftsqualität eigneten sich die Copingstragien nicht.

Je besser die Versuchspersonen ihre subjektive Belastung bewältigten, desto günstiger konnten sie ihren eigenen Interaktionsstil beeinflussen.

5.3. Ergebnisse zu dyadischem Coping und Partnerschaftsqualität bzw. -stabilität

Selbsteingeschätztes dyadisches Coping trat bei zufriedenen Paaren signifikant häufiger auf, wobei v.a. emotionales und supportives dyadisches Coping, gemeinsames dyadisches Coping und die Delegation des Copings am stärksten mit Partnerschaftszufriedenheit assoziiert waren.

Das beobachtete dyadische Coping erwies sich ebenfalls signifikant mit der Partnerschaftszufriedenheit positiv korreliert.

Wie die Ergebnisse der Follow-up-Untersuchung zeigten, erwies sich dyadisches Coping als ein wichtiger Prädiktor sowohl für die Partnerqualität ein Jahr und zwei Jahre später wie auch für die Vorhersage der Beziehungsstabilität.

Während in den Fragebogendaten insbesondere emotionales und sachbezogenes supportives dyadisches Coping sowie gemeinsames dyadisches Coping hoch mit der Beziehungsqualität ein Jahr und zwei Jahre später assoziiert waren, eignete sich das während des EISI-Experiments beobachtete emotionale dyadische Coping als guter Prädikator für die Vorhersage der Stabilität bzw. Instabilität der Partnerschaft nach einem Jahr bzw. nach zwei Jahren.

5.4. Ergebnisse zum Streß-Coping-Prozeß-Modell und den Kontrollmöglichkeiten bzw. der Einflußmöglichkeit

Wurden beim Partner Kontrollmöglichkeiten vermutet, wurde häufiger eigener Streß signalisiert und das Coping an diesen delegiert, während gleichzeitig von diesem mehr sachbezogenes supportives dyadisches Coping gewährt wurde.

Gemeinsames dyadisches Coping wurde am besten durch eine gemeinsame Streßbetroffenheit und dyadische Einflußmöglichkeit vorhergesagt.

5.5. Ergebnisse zu Einflußfaktoren auf die Performanz von dyadischem Coping

Die vorliegenden Ergebnisse gaben Hinweise darauf, daß motivationale Aspekte für die Performanz von dyadischem Coping bedeutsam sind. Es zeigte sich, daß Versuchspersonen, die Ärger gegenüber ihrem Partner empfanden, weniger emotionales und sachbezogenes supportives Coping praktizierten und ihre Beiträge zu gemeinsamem Coping verringerten.

Hinweise auf die Bedeutung der Motivation des Hilfeempfängers, dem Partner eigene Belastungen mitzuteilen, konnten darin gesehen werden, daß Personen, deren Partner hohe Werte in "anger-trait" bzw. "anger-out" aufwiesen, im allgemeinen weniger eigenen Streß signalisierten.

Neigte der Partner dagegen zu "anger-control", wurde häufiger eigener Streß ausgedrückt. Interessanterweise galt dies nicht für "anger-in". Offensichtlich motiviert ein Partner, der zu hoher Ärgerverdrängung neigt, nicht zur Mitteilung von eigenem Streß.

Die Frage nach der Rolle von Kompetenzen kann auf der Grundlage des Datenmaterials nur teilweise beantwortet werden. Personen, die Ärgerkontrolle ausübten, zeigten eine geringere Tendenz zur Streßkommunikation.

6. Zukunftsperspektiven und Zusammenfassung

Eine gezielte Streßprophylaxe bzw. die Ausbildung effizienter individueller und dyadischer Copingstrategien darf vor diesem Hintergrund nicht nur für das Individuum als bedeutsam angesehen, sondern konnte auch für die Qualität und Stabilität von Partnerschaften als relevant aufgezeigt werden.

Therapeutische Bemühungen bei Paarkrisen sollten diese Aspekte berücksichtigen und künftig Stressoren und der Art der Belastungsbewältigung bei Paaren größere Beachtung schenken. Neben einem Training individueller Copingkompetenzen, sollten dyadische Belastungsbewältigungsmöglichkeiten überprüft und stimuliert werden. Zu diesem Zweck wird ein Paarpräventionsprogramm vorgeschlagen, das präventiv die Vermittlung von individuellen und dyadischen Copingkompetenzen bei Paaren trainiert, bevor sie in Krisen geraten.

7. Persönliche Anmerkungen

Die Versuchsanordnung erscheint mir sehr kompliziert; sie sollte vereinfacht werden. Versuchsleiter und Mitarbeiter erstellten ein sehr komplexes und aufwendiges Versuchsdesign. Umso mehr verwundert die geringe Repräsentativität ihrer Stichprobe hinsichtlich Bildung, Elternschaft (nur 32% der Stichprobe hatten Kinder) und Alter.

Belastungen durch die Kindererziehung nehmen einen relativ niedrigen Rangplatz in der Untersuchung ein, dies ist wahrscheinlich auf die Tatsache zurückzuführen, daß nur ca. ein Drittel der Versuchspersonen Kinder hatte.

8. Literatur

Bodenmann G., (1995). Bewältigung von Stress in Partnerschaften. Der Einfluß von Belastungen auf die Qualität und Stabilität von Paarbeziehungen. Freiburg: Universitätsverlag.

Lazarus R. S., (1966). Psychological stress and the coping process. New York: Mc Graw-Hill.

Statistisches Zentralamt (Hrsg.), (1995). Demographisches Jahrbuch Österreichs, Heft 1.207. Wien.


Inhaltsverzeichnis

6) Die Geburt des ersten Kindes als Herausforderung für die Partnerschaft

ARZT Christine

1 EINLEITUNG:

Das unmittelbare Anliegen der Befragung ist, die negativen Seiten der Umstellung auf das erste Kind und entsprechende Bewältigungsversuche zu untersuchen.

Die positiven Seiten interessieren auch, insofern nämlich, als sie mit den Belastenden in Beziehung gesetzt werden und deren subjektive Gewichtung beeinflussen können (z.B. der Verlust von Freizeit wird leichter zu ertragen sein, wenn man sein Leben durch ein freundliches Baby bereichert sieht).

Das längerfristige Anliegen ist, aus den Ergebnissen Hinweise für eine bessere Vorbereitung junger Eltern oder eine begleitende Unterstützung abzuleiten.

Die Untersuchung wurde in Deutschland im Rahmen einer Dissertation durchgeführt.

Es kamen insgesamt 190 Fragebögen zur Auswertung. Es waren 108 Frauen und 82 Männer daran beteiligt.

Das durchschnittliche Alter der Frauen war 27,32 Jahre.

Das durchschnittliche Alter der Männer war 30,82 Jahre.

Die erste Messung wurde im dritten Monat der Erstelternschaft durchgeführt. Eine zweite Messung gab es im fünften Monat und eine dritte Messung am Ende des vierten Lebensjahres. In dieser Untersuchung wurden jedoch nur die Werte der ersten Messung für die Auswertung herangezogen.

73% der Kinder waren geplant, 23% waren nicht geplant und 2% der Eltern enthielten sich ihrer Stimme.

Was das Alter und das Geschlecht des Kindes betrifft, ist die Stichprobe für die Population der bundesdeutschen Ersteltern für 1989 repräsentativ.

Jedoch ist sie nicht repräsentativ hinsichtlich des Bildungsniveaus, da ein Fünftel der Befragten Hochschulabsolventen sind und ein Viertel der Befragten die Matura haben. Nur etwas mehr als die Hälfte haben einen niedrigeren Bildungsabschluß.

Definition "kritisches Lebensereignis":

Ein Vorkommnis, das gewohnte Verhaltensmuster stört und insofern krisenhaft ist, als es einen Wendepunkt zu einer positiven oder negativen Entwicklung markiert. In der Regel belastet vielmehr die Veränderung der Lebenslage, für die das Ereignis lediglich der Auslöser ist.

2 Die Geburt des ersten Kindes als kritisches Lebensereignis - Zum Forschungsstand:

Die Geburt eines Kindes ist ein punktuelles Ereignis. Die Lebensveränderungen infolge der Geburt und deren Bewältigung sind jedoch ein prozeßhaftes Geschehen.

Gloger-Tippelt (Gloger-Tippelt 1988, zitiert nach Reichle 1994, S. 25) konstruierte ein Prozeßmodell der psychischen Verarbeitung des Übergangs zur Elternschaft.

Erste Phase: Verunsicherungsphase bis zur ca. zwölften SSW.

Zweite Phase: Anpassungsphase bis zur ca. 20 SSW.

Dritte Phase: Konkretisierungsphase von der 20 bis zur 32 SSW.

Vierte Phase: Geburtsphase.

Fünfte Phase: Phase der Erschöpfung und Überwältigung von ca. der vierten bis zur achten Woche nach der Geburt.

Sechste Phase: Phase der Herausforderung und Umstellung bis ca. zum sechsten Lebensmonat.

Siebte Phase: Gewöhnungsphase bis zur zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres.

Ein Grundgedanke zieht sich durch die verschiedenen Ansätze:

Eine Geburt bringt ein Bündel von Lebensveränderungen mit sich. Diese bedeuten eine Störung der gewohnten Verhaltensmuster - darin könnte man eine Krise sehen.

Definition "Krise": (Hillmann 1994, S. 455)

"Eine schwierige, gefährliche, bedrohliche Lage bzw. Phase, das (plötzl.) Auftreten und die Zuspitzung einer Problemsituation. Oftmals ist die Krise Ausdruck eines Wendepunktes bisheriger (Entwicklungs-) Prozesse, die zum Schlechteren oder Besseren weiterlaufen können. Krisenhafte Situationen drängen zu Entscheidungen, effektivem Handeln und gegebenenfalls zum Einsatz neuartiger Problemlösungstechniken".

Die Bewältigung der Lebensveränderungen ist ein Auseinandersetzungsprozeß mit Folgen; also Veränderungen für die betroffene Person, die Umwelt der Person und auch die Interaktion zwischen Person und Umwelt.

Folgende Lebensveränderungen scheinen zumindest in unserem Kulturkreis universell zu sein:

Biologische Geburtsfolgen

Das Dazukommen der Elternaufgabe als ein Bündel neuer Tätigkeiten

Erweiterung der Partner-Dyade zu einer Eltern-Kind-Triade

Aufgabenverteilung zwischen den Eltern

Dies sind vor allem biologische und soziale Veränderungen.

2.1 Lebensveränderungen nach der Erstkindgeburt und potentiell problematische Folgen:

Problematische personseitige Effekte:

Das sind z.B. depressive Symptome der Mütter, seltener der Väter.

Weitere Symptome sind: Das Erleben verstärkter Belastung und Anspannung des krisenhaften Umbruches, der emotionalen Belastung, der Einschränkung der individuellen Freiheit und die damit verbundenen Erfahrungen, sowie der permanente Zeitdruck.

Im Zusammenhang mit der Aufgabenverteilung gibt es noch weitere personseitige Effekte:

Aufgabensegregierung

Aufgabe der Berufstätigkeit oder Ausbildung der Frau

Traditionalisierung in der Aufgabenverteilung

Kontexteffekte:

Diese wären eine Einkommensreduktion und die daraus resultierenden materiellen Sorgen. Vorher sind es oftmals zwei Erwerbstätige, danach ist es nur mehr ein Erwerbstätiger.

Interaktionale Effekte:

Das wichtigste Merkmal scheint das der Partnerschaftszufriedenheit zu sein.

Danach werden folgende genannt:

Reduktion von Gemeinsamkeiten der Eltern

Verteilungskonflikte

Gefühle der Entfremdung vom Partner

Belastung durch das Aushandeln neuer Rollenverteilungen

Deutliche Verschlechterung der Kommunikation

Reduktion der gemeinsam verbrachten Zeit und des sexuellen Kontakts

Eine Veränderung der ehelichen Machtbalance zugunsten der Männer

2.1.1 Theorien über personseitige Folgen:

2.1.1.1 Depression:

Es werden drei verschiedene Schweregrade genannt:

1) Maternal Blues: Dies ist eine depressive Verstimmung in den ersten Tagen nach der Geburt.

Postpartum - Depression

Wochenbettpsychose

Die Psychotherapeutin Benedek (Benedek 1960, S. 1-15, zitiert nach Reichle 1994, S. 30) sieht Zusammenhänge zwischen hormonellen Veränderungen während der Schwangerschaft, während der Geburt und Besonderheiten des mütterlichen Verhaltens und Erlebens.

Frauen, die ängstlich sind, sich extrem kontrolliert fühlen, ungewollt schwanger werden und die weniger positive Einstellungen zu Kindern haben, scheinen gefährdeter zu sein.

Männer sind viel weniger davon betroffen.

2.1.1.2 Zusammenfassung: Belastungs- und Krisenerleben, die Belastung infolge von Unausgeglichenheit und die Folgen im Zusammenhang mit Aufgabenneuverteilungen.

Eltern müssen sich der Versorgung ihres Kindes stellen. Das ist für sie eine neue Aufgabe.

Das können sie mit mehr oder weniger Sicherheit, Kompetenz und Zweifel bewerkstelligen.

Es können Rollenbelastungen durch die neuen Elternrollen entstehen.

Dadurch wird eine Neuverteilung der bisherigen Rollen erforderlich. Diese Neuverteilung wird meist in Richtung einer traditionelleren vorgenommen, die sich in der Aufgabe der Berufstätigkeit oder Ausbildung der Frau zugunsten der Übernahme des Hauptanteiles an den Hausarbeiten und der Kinderbetreuung manifestiert.

Meist damit verbunden ist die Reduktion des Hausarbeitsanteiles des Mannes. So können sich getrennte Freundeskreise entwickeln.

Entspricht diese Entwicklung nicht den eigenen Erwartungen oder Geschlechtsrollenorientierungen, kommen Unzufriedenheit und negative Gefühle gegenüber dem Partner auf (bei Frauen wie bei Männern).

2.1.2 Theorien über interaktionale Folgen:

2.1.2.1 Veränderungen der Machtbalance:

Vorhergesagt wird der Effekt der Macht,- Ansehens und der Statusveränderung der Frauen.

Blood und Wolfe (Blood und Wolfe 1960, zitiert nach Reichle 1994, S. 42) haben einen Anstieg der Macht der Männer und den gleichzeitigen Rückgang der Macht der Frauen in der Ehebeziehung beobachtet.

Dieses Phänomen führen die Autoren auf das Ausscheiden der Frau aus dem Berufsleben und der damit einhergehenden finanziellen Abhängigkeit vom Ehemann zurück.

Ein weiterer Grund könnte die höhere Bewertung der Erwerbstätigkeit sein.

2.1.2.2 Reduktion von Gemeinsamkeiten und Entfremdung:

Cowan et al (Cowan et al 1985, S. 451-481, zitiert nach Reichle 1994, S. 43) berichten, daß Ersteltern die gemeinsam verbrachte Zeit und ihre sexuellen Kontakte deutlich reduzieren.

2.1.2.3 Verteilungskonflikte und Belastungen durch das Aushandeln neuer Aufgabenverteilungen:

Es kann beim Aushandeln der neuen Aufgabenverteilungen der Eltern zu Verteilungskonflikten kommen. Paare, die ihre Rollen nicht nach dem traditionellen Muster verteilt haben, scheinen ein höheres Konfliktrisiko zu haben.

2.1.2.4 Verschlechterung der Kommunikation:

Es gibt Befunde, die eine signifikante Verschlechterung der elterlichen Kommunikation zwischen dem ersten und zweiten Monat der Elternschaft aufzeigen.

Eine der angenommenen Ursachen ist die Veränderung der Dyade zwischen den Partnern zu einer Familientriade. Die Kommunikation verliert durch diese Veränderung an Exklusivität und der zeitliche Umfang wird reduziert.

Beides könnte zu einer Entfremdung zwischen den Partnern führen, da in der verbleibenden Zeit Informationen der Partner übereinander nicht ausgetauscht werden.

2.1.2.5 Veränderungen der Partnerschaftszufriedenheit:

Nach Worthington und Buston (Worthington und Buston 1987, S. 443-473, zitiert nach Reichle 1994, S. 49) tragen vier Prozesse zu Partnerschaftsproblemen bei.

Durch das neue Mitglied wird die Anzahl der positiven Interaktionen zwischen den Eltern reduziert.

Die Kommunikation wird durch ein Kind erschwert und häufiger gestört. Es verändern sich die Kommunikationsinhalte, die Problemlösestrategien müssen schneller zu Lösungen führen und verändern sich ebenfalls. Beides produziert Streß in der Beziehung.

Aufgrund unaufschiebbarer Entscheidungen die getroffen werden müssen, ohne das zuvor eine Einigung herbeigeführt werden kann, kommt es häufiger zu Bestrafungen in der partnerschaftlichen Kommunikation.

Der normale Streß von Geburt und Elternschaft wird als intern, und nicht als extern verursacht gesehen.

3 Veränderungen in Aufgaben und Bedürfnisbefriedigungen:

3.1 Aufgabenveränderungen im Familienzyklus:

Im Stadium nach der Erstkindgeburt werden zwei mögliche Varianten angeführt (vgl. Reichle 1994, S. 7o Abb. 1).

Variante 1: Hier verzichtet die Frau auf die Erwerbstätigkeit. Sie übernimmt einen großen Teil der Kindversorgung und des Haushalts. Der Partner hingegen übernimmt einen kleinen Teil der Kindversorgung auf Kosten des Haushaltsanteils.

Variante 2: Die Frau behält die Erwerbstätigkeit bei. Die Freizeit wird durch die Kindversorgung bei Partnerin und Partner zu gleichen Teilen reduziert. Auch in den anderen Bereichen kommt es zu keinen eklatanten Unterschieden in der Aufteilung.

3.2 Einschränkungen der Bedürfnisbefriedigung infolge der Erstkindgeburt:

Ganz allgemein scheinen die Bedürfnisse nach Flexibilität und Freiheit, nach Ruhe und Gelassenheit, nach Leistungsfähigkeit, nach Wohlstand und nach Existenzsicherheit eingeschränkt.

Spezifischer gibt es Einschränkungen in den Funktionsbereichen Haushalt (es mangelt an Ruhe), Erwerbsarbeit (angestrebte Ausbildung oder Laufbahn ist gefährdet), Partnerschaft (die Sexualität und die partnerschaftliche Harmonie ist betroffen) und der Freizeit (Entspannungs- und ablenkungsfördernde Aktivitäten sind reduziert). Das Schlafbedürfnis, die körperliche Leistungsfähigkeit, das Aussehen und die sozialen Beziehungen zu Freunden und Kollegen leiden darunter.

Auch die geistige Leistungsfähigkeit und prosoziale Aktivitäten werden angetastet.

Die Bedürfnisse, das eigene Wissen zu erweitern, sich zu bilden, sich für ideelle

Ziele gesellschaftlich zu engagieren, werden ebenfalls angetastet.

4 Ergebnisse der empirischen Untersuchung zu Einschränkungen infolge der Geburt des ersten Kindes (durchgeführt von Barbara Reichle):

Die Mehrzahl der befragten Ersteltern berichten von einer positiven Gewinn-Verlust Bilanz. Fast 66 Prozent sehen ein Überwiegen von Gewinnen infolge der Erstkindgeburt. Väter verzeichnen mehr Gewinne (=75%), gefolgt von Müttern, die ihre Erwerbstätigkeit nicht völlig aufgegeben sondern nur reduziert haben (=70%).

Die negativste, aber insgesamt immer noch positive Bilanz ziehen Frauen, die ihre Erwerbstätigkeit oder Ausbildung ganz aufgegeben haben (=59%).

4.1 Auseinandersetzung mit Einschränkungen:

4.1.1 Veränderungen in der Erfüllung von Bedürfnissen:

Es wurden 28 Bedürfnisse bewertet, wie z.B. einen funktionierenden Haushalt, eine harmonische Partnerschaft, Sexualität mit dem Partner und Respekt und Anerkennung vom Partner.

Ergebnis:

Es gibt Zuwächse nur bei fünf Bedürfnissen. Vier davon sind im Bereich Partnerschaft und ein Bedürfnis ist im Kontakt mit Verwandten zu finden.

Abnahmen werden am stärksten in dem allgemeinen Bedürfnis nach Freiheit und Selbstbestimmung verzeichnet; gefolgt von zwei Bedürfnissen aus dem Berufsbereich, dem Bedürfnis nach Sexualität bzw. gemeinsamen Unternehmungen, zwei weiteren Bedürfnissen aus dem Berufsbereich sowie Freizeitbedürfnissen.

Weniger eingeschränkt ist die Erfüllung von Bedürfnissen aus dem Bereich Haushalt, nach Wohlstand, materieller Sicherheit und nach Kontakt zu Freunden.

4.1.2 Veränderungen in den Aufgabenverteilungen:

Alle bereits vor der Schwangerschaft bestehenden Geschlechtsunterschiede in der Aufgabenverteilung vergrößern sich infolge der Erstkindgeburt.

Welche Einschränkungen sind zu erwarten?

Frauen reduzieren ihre Erwerbstätigkeit, erhöhen ihren Anteil an der Hausarbeit und Übernehmen den Hauptteil der Kindversorgung. Sie haben bei der Erfüllung ihrer Bedürfnisse im Erwerbstätigkeits- oder Ausbildungsbereiches und ihres Schlafbedürfnisses hoch signifikante Einschränkungen zu verzeichnen. Leichte Zuwächse gibt es beim Verständnis des Partners, sowie beim Respekt und der Anerkennung des Partners.

Männer halten ihre Erwerbstätigkeit konstant, reduzieren ihren Anteil an der Hausarbeit und übernehmen eher kleine Anteile an der Kindversorgung. Sie erleben auch Einschränkungen in ihren Bedürfnissen, aber im Vergleich signifikant geringer als bei den Frauen.

Es folgen drei graphische Darstellungen: Erste Abbildung (Reichle 1994, S. 189)

Zweite Abbildung (Reichle 1994, S. 192)

Dritte Abbildung (Reichle 1994, S. 193)

4.1.3 Wie gehen Ersteltern mit solchen Veränderungen in der Erfüllung ihrer Bedürfnisse um?

Es wurden in dieser Untersuchung, anläßlich der erlebten Einschränkungen, folgende Kognitionen ausgewählt:

Übereinstimmung mit dem Partner

Bedürfnisverletzung

Handlungsfreiheit Selbst und Partner

Schuldzuschreibung Selbst und Partner

Es gibt kaum extreme Kognitionen.

4.1.4 Ausgewählte negative Emotionen anläßlich erlebter Einschränkungen:

Das sind Trauer über Einschränkung, Hoffnung auf prospektive Besserung, Ärger über sich Selbst und den Partner, Enttäuschung über den Partner und Empörung über den Partner.

Es gibt anteilmäßig signifikantere Unterschiede zwischen den Einschätzungen von Frauen und Männern als bei den Kognitionen.

Frauen berichten von einer höheren Enttäuschung über den Partner als es Männer tun. Dies betrifft ebenfalls die Trauer über die Einschränkungen und den Ärger über den Partner.

4.1.4.1 Traurigkeit:

Wenn der Verzicht auf die Erfüllung eines Bedürfnisses schwer fällt, ist man trauriger als dann, wenn der Verzicht leicht fällt.

Die Intensität der Traurigkeit kann auch vom Ausmaß der Einschränkung, der Verantwortlichkeit des Partners, der Unerwartetheit und der empfundenen Ungerechtigkeit der Einschränkung abhängen.

4.1.4.2 Ärger:

In dieser Untersuchung hängt der von den Befragten berichtete Ärger davon ab, in welchem Ausmaß die fragliche Einschränkung als ungerecht wahrgenommen wird, und dem Partner Verantwortung für sie zugeschrieben wird.

4.1.4.3 Enttäuschung:

Die hier beobachtete Enttäuschung über den Partner nimmt zu mit dem Ausmaß, indem dem Partner ein Schuldvorwurf für eine als ungerecht empfundene Einschränkung gemacht wird und die Einschränkung unerwartet war.

4.1.4.4 Empörung:

Die hier beobachtete Empörung über den Partner nimmt zu in dem Ausmaß, indem dem Partner ein Schuldvorwurf für eine als ungerecht empfundene Einschränkung gemacht wird und die Einschränkung unerwartet war.

4.1.4.5 Hoffnungslosigkeit:

Das Ausmaß der erlebten Einschränkung spielt eine signifikante Rolle - je größer die Einschränkung, desto mehr Hoffnungslosigkeit.

4.2 Vorhersage von Belastungsempfinden:

4.2.1 Belastungsempfinden im Bereich Haushalt:

Frauen fühlen sich signifikant stärker durch die Hausarbeit belastet als Männer; schwächer, wenn entlastende Hilfe verfügbar ist und weniger Einschränkungen in positiven valenten Bedürfnissen zu verzeichnen sind; stärker, wenn Hilfen fehlen und mehr Einschränkungen vorliegen.

4.2.2 Belastung durch Erwerbstätigkeit:

Männer geben im Unterschied zu Frauen infolge der Erstkindgeburt ihre Erwerbstätigkeit nicht auf und fühlen sich also signifikant stärker durch Erwerbstätigkeit belastet als die Mehrzahl der Frauen.

4.2.3 Belastung durch die Kindversorgung:

Diese wird durch Hilfsmöglichkeiten beeinflußt. Bei den Männern durch die Hilfe der Partnerin und bei den Frauen durch die Hilfe dritter Personen.

Kindmerkmale spielen nur bei den Männern eine Rolle (Gesundheit und Temperament).

Frauen, die mehr Einschränkungen in positiv valenten Bedürfnissen zu verzeichnen haben, und Frauen, die über die Einschränkung trauern, sind belasteter durch die Kindversorgung.

Da die Frauen mehr Anteile übernehmen, erleben sie auch eine signifikant höhere Belastung (besonders die Erfüllung nach Regeneration ist beeinträchtigt).

4.3. Zusammenhänge zwischen der Partnerschaftszufriedenheit und einzelner Einschränkungen:

Die Partnerschaftszufriedenheit hängt wesentlich enger mit den drei partnerbezogenen Emotionen der Enttäuschung, des Ärgers und der Empörung über den Partner zusammen als mit den weniger partnerbezogenen Emotionen Trauer und Hilflosigkeit.

Bei beiden Geschlechtern hängen Partnerschaftszufriedenheit und Einschränkung in den Bedürfnissen nach partnerschaftlicher Harmonie, sowie nach Unbefangenheit im Umgang mit dem Partner zusammen.

Bei Männern gibt es den engsten Zusammenhang mit Einschränkungen in der Erfüllung des Bedürfnisses nach Sexualität mit der Partnerin.

Die Partnerschaftszufriedenheit der Frauen hängt mit Einschränkungen in sämtlichen partnerbezogenen Bedürfnissen mit Ausnahme der Sexualität zusammen.

5 Persönliche Stellungnahme:

Mein erster Gedanke, nach der Durchsicht der mir zur Verfügung stehenden Literatur, war folgender: "Endlich sind die Beobachtungen, welche ich in meinem Verwandten- und Bekanntenkreis anstellen konnte, in einer Untersuchung behandelt worden".

Durch das wissenschaftlich fundierte Ergebnis wird in Zukunft die Argumentation zu diesem Thema um ein wesentliches handfester sein.

Bedauert habe ich die kleine Stichprobengröße und die Tatsache, daß diese Untersuchung im Ausbildungsniveau nicht repräsentativ ist.

Auffällig und beklagenswert ist die eklatante Mehrbelastung der Frauen.

Ich mußte mir immer wieder vor Augen führen, daß die positiven Aspekte nach einer Erstkindgeburt überwiegen. Sonst hätte sich bei der Durchsicht dieser Dissertation, da ja nur die negativen Aspekte berücksichtigt wurden, schön langsam ein ablehnendes Gefühl eingeschlichen.

Während der Fertigstellung der Seminararbeit kam mir die Idee, zu erfragen, wie in der Praxis mit vorhandenen Problemen umgegangen wird. Besser noch, was getan wird, um Probleme zu verhindern.

Am Anfang meiner Recherche kontaktierte ich telephonisch eine der zahlreichen Familienberatungen.

Meine Frage: "Gibt es für werdende Ersteltern einen Leitfaden, der die Probleme aufführt, die in diesem Partnerschaftsabschnitt entstehen können ?"

Ich wurde auf das Jugendamt verwiesen. Mit einigen neuen Telephonnummern und der Information, daß es eine solche Broschüre nicht gibt, versuchte ich mein Glück beim Amt für Jugend und Familie, welches für den vierten Bezirk zuständig ist.

Nach vielen erfolglosen Telephonaten erreichte ich eine Psychologin, die Vorträge bei den sogenannten Elternschulen hält.

Auf meine gestellte Frage, die ich in diesem Fall etwas ausführlicher darbrachte, bekam ich folgende Antwort. "Es gibt keine derartige Broschüre. Die Informationen, die ich bei den Vorträgen weitergebe, entnehme ich meinem eigenen Wissen zu dieser Situation und dem Wissen aus meiner Ausbildung".

Die Vorträge werden meist von Eltern besucht, die schon Probleme haben.

Durch so einen Leitfaden könnte man auf Problemsituationen aufmerksam machen und die Eltern erreichen bevor die Probleme über den Kopf wachsen.

Diese von mir behandelte empirische Untersuchung liefert genügend Material, um so einen Leitfaden erstellen zu können.

LITERATURVERZEICHNIS

Benedek, T. (1960): The organization of the reproduktive drive. The International Journal of Psycho-Analysis, 41.

Blood, R.O. & Wolfe, D.M. (1960): Husbands and wives: The dynamics of married living. New York

Cowan, C.P. et al (1985): Transitions to parenthood: His, hers, and theirs. Journal of Family Issues, 6.

Gloger-Tippelt, G. (1988): Schwangerschaft und erste Geburt. Psychologische Veränderungen der Eltern. Stuttgart

Hillmann, Karl-Heinz (1994): Wörterbuch der Soziologie. 4 Auflage, Stuttgart

Reichle, Barbara (1994): Die Geburt des ersten Kindes - eine Herausforderung für die Partnerschaft; Verarbeitung und Folgen einer einschneidenden Lebensveränderung. Bielefeld

Worthington, E.L., Jr. & Buston, B. G. (1987): The marriage relationship during the transition to parenthood. A review and a model. Journal Family Issues, 7.


Inhaltsverzeichnis

7) Entwicklungspsychologische Analyse des Übergangs zur Erst- und Zweitelternschaft

FRANZ Claudia

1. Theoretischer Ansatz

Die Geburt eines Kindes bedeutet einen tiefgreifenden Einschnitt im Leben der jungen Erwachsenen und bringt in vielen Lebensbereichen Veränderungen mit sich. Diese erfordern Anpassungsreaktionen und stellen enorme Anforderungen an das Bewältigungspotential der jungen Eltern.

Die neuere Entwicklungspsychologie, die ja die gesamte Lebensspanne zu untersuchen versucht, sieht in dieser Zeit eine Entwicklungschance für junge Erwachsene und betont den prozessualen Charakter des Übergangs zur Elternschaft. Eine Reihe früherer psychologischer und soziologischer Studien untersuchte den Übergang von der Zweierbeziehung zur Familie unter dem Krisenparadigma. Als Merkmale des als krisenhaft beschriebenen Prozesses der Familienwerdung wurden Veränderungen im Bereich der Affektivität und des Antriebsverhaltens, der Rückgang der subjektiven Zufriedenheit mit der Ehe, Schwierigkeiten mit der Anpassung an einen vom Kind diktierten Zeitrhythmus, Einschränkungen persönlicher Freiheitsspielräume durch das Kind oder auch materielle Belastungen genannt.

Diese verallgemeinernde These vom Übergang zur Elternschaft als Krisenzeit konnte in nachfolgenden Studien jedoch nicht bestätigt werden, dennoch ist diese Vorstellung in der tiefenpsychologischen und medizinischen Forschung ein verbreitetes Paradigma.

Die entwicklungspsychologische Forschung orientiert sich nunmehr am Prozeß der Familienwerdung unter Einbeziehung des Belastungs-Bewältigungs-Paradigmas. Die hierbei verwendeten Modelle heben die Bedeutsamkeit von Ausgangsgrößen und intervenierenden Prozessen für das Erleben von Übergängen im Lebenslauf eines Menschen hervor. Es werden dabei demographische Merkmale, Persönlichkeitsfaktoren und Besonderheiten des physischen und sozialen Umfeldes ebenso berücksichtigt wie die jeweilige persönliche Ereigniswertung, die Definition von Anpassungsanforderungen und die verschiedenen Bewältigungsreaktionen der Person. In Abhängigkeit dieser Bestimmungsstücke können menschliche Auseinandersetzungsprozesse einen erfolgreichen oder einen scheiternden Ablauf nehmen. Die Anforderungen der Elternschaft können somit Auslöser für Entwicklungsprozesse des jungen Erwachsenen sein.

2. Phasen des Übergangs zur Elternschaft

Die im folgenden wiedergegebene Phasengliederung orientiert sich an biologischen Veränderungen der Frau, an den Anpassungsmöglichkeiten von werdenden Müttern und Vätern und am Entwicklungsstand des Kindes. Natürlich sind die Phasenübergänge als Kontinuum zu sehen und Überlappungen sind daher nicht auszuschließen.

2.1. Verunsicherungsphase

Die Verunsicherungsphase beginnt mit den ersten Erwartungen oder auch Befürchtungen über eine beginnende Schwangerschaft und erstreckt sich über die positive medizinische Diagnose bis etwa in die 12. Schwangerschaftswoche. Ausschlaggebend für eine positive oder negative Stimmung in dieser Zeit sind neben dem Alter der werdenden Eltern, den Lebensorientierungen des Paares und den Einstellungen zu Schwangerschaft, Geburt und Elternschaft auch Erwünschtheit und Planung des Kindes. Es kommt zu einer Neubewertung der bisherigen eigenen Identität, der Partnerbeziehung sowie der wirtschaftlich-finanziellen Situation.

2.2. Anpassungsphase

Nach der 12. Schwangerschaftswoche sind die hormonellen Umstellungsprozesse abgeschlossen und es kommt zu einer Verminderung der negativen Symptome wie Übelkeit und Erbrechen. Für viele Frauen tritt nun ein Gefühl der Entlastung und Neuorientierung ein. Positive Zukunftspläne treten nun an Stelle von Zweifel und Ungewißheit. Die vorgeschriebene regelmäßige medizinische Betreuung fördert die psychische Anpassung an die Schwangerschaft und unterstützt die Entstehung von Gefühlen der Fürsorge.

2.3. Konkretisierungsphase

Das erste bewußte Erleben der Bewegungen des Kindes im Mutterleib leitet diese Phase ein. Sie ist gekennzeichnet durch größtes physisches und psychisches Wohlbefinden sowie durch große Zuversicht über den weiteren Schwangerschaftsverlauf. In dieser Zeit werden sehr häufig Pläne vollendet, wie zum Beispiel Ausbildung oder Wohnungsumbau.

2.4. Phase der Antizipation und Vorbereitung

Ab etwa der 32. Schwangerschaftswoche kündigt sich allmählich die nahende Geburt an. Die Frauen fühlen sich in dieser Zeit sehr belastet und entwickeln Ängste, vor allem vor dem Geburtsschmerz und vor Kindesmißbildungen. Die ambivalenten Gefühle werden oftmals durch Informationssuche über die bevorstehende Entbindung, etwa in Vorbereitungskursen, verarbeitet.

2.5. Geburtsphase

Diese Phase ist gekennzeichnet durch den physiologischen Geburtsvorgang einerseits und die situativen Bedingungen andererseits. Moderne Kliniken geben den Frauen die Möglichkeit, eine aktive und mitbestimmende Rolle einzunehmen und erhöhen damit wesentlich die Befindlichkeit der Frauen in dieser Phase. Eine große Rolle spielt hierbei auch die Anwesenheit des Partners bei der Geburt sowie der frühe Mutter-Kind-Kontakt durch Rooming-In.

2.6. Phase der Überwältigung und Erschöpfung

Beide Elternteile müssen sich nun uneingeschränkt und auf sich allein gestellt auf die Bedürfnisse des Neugeborenen einstellen. Viele Männer nehmen in dieser Zeit Urlaub, um sich in der Versorgung des Kindes abwechseln zu können. Trotz der Anstrengungen und Belastungen wird diese Phase auch "Babyflitterwochen" genannt.

2.7. Phase der Herausforderung und Umstellung

In dieser vom zweiten bis zum sechsten Lebensmonat des Kindes dauernden Phase konzentrieren sich die jungen Eltern auf die Erfüllung ihrer Mutter- bzw. Vaterrolle. Haushaltsaufgaben müssen langfristig neu verteilt werden und die Familienstruktur verändert sich. In manchen Studien wird auf eine Abnahme der ehelichen Zufriedenheit besonders bei Frauen hingewiesen. Häufig wird das traditionelle Rollenmuster des berufstätigen Mannes und der Frau im Haushalt gefunden, auch wenn vorher die Haushaltsaufgaben gleichverteilt waren.

Erste Interaktionen mit dem Kind, etwa durch Lächeln, schwächen die Belastungen dieser Phase ab.

2.8. Gewöhnungsphase

Etwa ab dem sechsten Lebensmonat tritt stärkere Sicherheit und relative Entspannung ein. Die Alltagsroutinen haben sich stabilisiert und im Laufe der nächsten Monate wird meist über die weitere Familienplanung entschieden. In Untersuchungen ist diese Phase noch wenig erforscht.

3. Erleben des Übergangs zur Elternschaft

Für den Verlauf der Schwangerschaft, Geburt und Anpassung an die frühe Elternschaft ist die Einstellung der werdenden Eltern von zentraler Bedeutung. Dabei sind sowohl Kognitionen als auch Affekte und Handlungstendenzen bedeutsam. Eine positive Einstellung begünstigt den elterlichen Anpassungsprozeß während bei negativen Einstellungen stärkere Belastungsgefühle und schwierigere Geburtsverläufe zu beobachten sind.

Einen weiteren wichtigen Einflußfaktor stellt die Erwünschtheit und Geplantheit der Schwangerschaft dar. Hier ist zu bemerken, daß eine ungeplante Schwangerschaft nicht unbedingt ungewollt sein muß. Erwünschtheit und Geplantheit einer Schwangerschaft stehen in engem Zusammenhang mit der gesamten Lebenssituation des Paares.

Die Qualität der Partnerschaft und ihr Einfluß auf die Anpassungsstrategien wird ebenfalls als sehr wichtige Determinante des Übergangs zur Elternschaft gesehen. Vor allem die Rolle der partnerschaftlichen Beziehung für die Anpassung an die Mutterschaft wurde untersucht. Demnach erleben Frauen, die von ihrem Partner Anteilnahme und positive Reaktionen erhalten, die Schwangerschaft positiver und nehmen früher eine Beziehung zu ihren ungeborenen Kindern auf.

In vielen Untersuchungen wird ein negativer Zusammenhang zwischen Elternschaft und ehelicher Zufriedenheit berichtet. Unklar ist jedoch, worauf dieser Zusammenhang zurückzuführen ist. Mögliche Variablen sind die Dauer der Beziehung vor Geburt des Kindes sowie die Dauer der Beziehung im allgemeinen. Neuere längsschnittlich angelegte Untersuchungen zeigen bei Einkindfamilien keine Beziehungsverschlechterung, bei kurzen Geburtsabständen zwischen zwei Kindern werden jedoch schon Einbußen der Partnerschaftszufriedenheit beobachtet.

4. Fragestellungen und Untersuchungsdesign der Studie

Die vorliegende Untersuchung versucht, den Übergang zur Erst- bzw. Zweitelternschaft entwicklungspsychologisch zu beleuchten und vergleichen. Dabei interessieren im wesentlichen folgende drei Hauptfragen:

  1. Welche Veränderungen in Person- und Kontextmerkmalen ergeben sich während des Übergangs zur Erst- und Zweitelternschaft ?
  2. Sind familientypspezifische Unterschiede im Erleben und Verarbeiten des Übergangs zur Erst- bzw. Zweitelternschaft beobachtbar ?
  3. Zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede im Erleben und Bewältigen des Übergangs zur Elternschaft ?
Weiters wurden sieben Nebenfragen bearbeitet.
  1. Die Einstellungen zu Schwangerschaft, Geburt und Sexualität.
  2. Die partnerschaftliche Beziehungsqualität.
  3. Die emotionale Befindlichkeit sowie das Krisenerleben.
  4. Der Anforderungscharakter des Übergangs zur Elternschaft.
  5. Die Wahrnehmung und Bewertung dieser Anforderungen.
  6. Die Bewältigungsbemühungen der Eltern.
  7. Die Handlungs- bzw. Lageorientierung in der Auseinandersetzung mit den Anforderungen.
In der Längsschnittuntersuchung gab es zwei Stichprobengruppen. Eine Gruppe umfaßte Eltern, die ihr erstes Kind erwarteten, die andere Gruppe jene Eltern, die bereits ein Kind im Alter von etwa zwei Jahren hatten und nun das zweite erwarteten. Diese beiden Familiengruppen wurden mit einer kombinierten qualitativen und quantitativen Methodik, die auf verbalen Daten aus Interviews, Selbsteinschätzungen in Fragebögen und Fremdratings basiert, an jeweils sechs Meßzeitpunkten untersucht.

Der Datenerhebungszeitraum erstreckte sich über sechs Monate, wobei ungefähr zur Halbzeit die Geburt erwartet wurde. Die Graphik dient zur Veranschaulichung der Vorgangsweise.

5. Methodik und angewendete Verfahren

Die Durchführung der Datenerhebung läßt sich in verschiedene Phasen gliedern, in denen unterschiedliche Verfahren zur Verwendung kamen.

5.1. Erstinterview

Dieses erste Gespräch mit den Eltern wurde drei Monate vor der Geburt in der Wohnung des Paares mit beiden Partnern getrennt geführt und auf Tonband aufgezeichnet. Als formale Methode wurde das problemzentrierte Interview gewählt, das einen Mittelweg zwischen strukturiertem und narrativem Interview darstellt und sehr stark interaktions-gebunden ist. In dieser stark themenzentrierten, jedoch wenig strukturierten Befragung soll der Befragte sein Erleben berichtend ausbreiten können. Der Interviewer beschränkt dabei die Führung und Lenkung des Gesprächs auf ein Minimum und regt durch spezielle Kommunikationsstrategien zu Detailierungen und thematischen Zentrierungen an. Durch einen vorher erstellten Interviewleitfaden ist eine Vergleichsbasis für die vielen Gespräche geschaffen.

Die so gewonnenen verbalen Daten wurden anschließend auf Angaben über Bewältigungsbemühungen untersucht. Mittels eines 32-kategoriellen Ratingsystems wurden diese inhaltlich und skalierend strukturiert, wobei die einzelnen Kategorien in drei Gruppen zusammengefaßt wurden: 9 Kategorien beschrieben leistungsbezogene Reaktionsformen, 11 erfaßten Abwehrvorgänge und 12 beurteilten Anpassungstechniken.

5.2. Fragebogen

5.2.1. Bearbeitung der Fragebogen drei Monate vor der Geburt

Während ein Elternteil interviewt wurde, bearbeitete der Partner insgesamt acht Fragebogen in folgender Reihenfolge:

  1. Demographischer Erfassungsbogen - DE 1 (von Brüderl für diese Studie entwickelt)
  2. Eight State Questionnaire - 8SQ (Curran & Cattell, 1975): Verfahren zur Erfassung von individuellen Stimmungs- und Zustandsverläufen. Anhand von 96 Items, die sich auf 8 Stimmungsfaktoren aufteilen, soll der Proband aus vier Antwortalternativen wählen und so sein momentanes Erleben beschreiben.
  3. Fragebogen zur Messung von Einstellungen zu Schwangerschaft, Sexualität und Geburt SSG (Lukesch & Lukesch, 1976). Die Einstellungen werden über fünf Teilbereiche erfragt: Annahme bzw. Ablehnung der Schwangerschaft, Verletzungsangst gegenüber dem Kind, Akzeptierung bzw. Ablehnung des Stillens, Geburtsangst und Einstellung zur Sexualität. Die 70 Items liegen in sechsstufiger Antwortform vor, wobei aus drei zustimmenden und drei ablehnenden Antworten zu wählen ist.
  4. Geburts-Angst-Skala - GAS (Lukesch 1983). Dieser Fragebogen, der nur den Frauen vorgelegt wurde, beschreibt mit insgesamt 77 Items einzelne Situationen, die mit einer Geburt verbunden sind. In einem vierstufigen Antwortschema soll angegeben werden, ob und wie stark die jeweilige Situation mit Angst verbunden ist. Die Auswertung der Angaben sieht eine Angsthierarchie vor.
  5. Eindrucks-Differential-Münster - EDM (Ertel, 1965). Diese standardisierte Verfahren zur Erfassung der emotionalen Beziehung zweier Partner wurde in der vorliegenden Studie nur mit den beiden Dimensionen Valenz und Potenz eingesetzt, die sich aus jeweils sechs bipolaren Skalen zusammensetzen. Zwischen diesen Skalen hat der Proband eine sechsstufige Einschätzungsmöglichkeit. Insgesamt soll jeder Proband vier Differentiale erstellen: sein reales Selbstbild, sein Idealbild, sowie Real- und Idealbild seines Partners. Die Diskrepanz der einzelnen Darstellungen erlaubt eine differenzierte Interpretation der Paarbeziehung.
  6. Dyadic Adjustment Scale - DAS (Spanier, 1976). Die von Brüderl leicht abgeänderte Form des DAS besteht aus 32 Items, die auf einer sechsstufigen Skala beantwortet werden sollen. Vier Hauptfaktoren bestimmen die Qualität der partnerschaftlichen Beziehung: die dyadische Übereinstimmung in alltäglichen Bereichen, die Erfüllung in der Partnerschaft, der dyadische Zusammenhalt nach außen und der Ausdruck von Gefühlen. Daraus ergibt sich ein Gesamtwert der partnerschaftlichen Anpassung.
  7. Erfassung von Handlungs- und Lageorientierung - HAKEMP (Kuhl, 1984). Dieser Fragebogen umfaßt drei Arten von Handlungs- und Lageorientierungen, wobei jede dieser drei Subskalen 20 Situationsbeschreibungen enthält, die dichotom - also entweder lage- oder handlungsorientiert - zu bewerten sind. Die Subskalen fragen nach Erfolgserfahrungen, Mißerfolgserfahrungen und dem Grad der prospektiven Handlungsplanung. Der Testwert gibt den Grad der Persönlichkeitsdisposition zu Lage- bzw. Handlungsorientierung an.
  8. Erfassung der Wahrnehmung und Verarbeitung von Anforderungssituationen - STRESS (Paul-Hambrink, 1984). Dem Streßbewältigungsmodell von Lazarus folgend werden in diesem Fragebogen der Anforderungscharakter der beginnenden Elternschaft sowie die Prozesse der Einschätzung und Verarbeitung von stressenden Ereignissen erhoben. Die Probanden sollen dabei erlebte Streßsituationen nach ihrem Grad der Bedrohung, Herausforderung, Schädigung oder Gewinn einschätzen. Anschließend sind die Bewältigungsstrategien anzugeben, die in der hier verwendeten Version zwei Subskalen zugeordnet werden können: emotions-regulierende und problem-orientierte Bewältigung.
5.2.2. Monatliche Bearbeitung der Fragebogen

Die Fragebogen 8SQ und STRESS wurden den Eltern monatlich zur Bearbeitung an genau vorgegebenen Tagen zugesandt und von diesen retourniert. Während des Datenerhebungs-zeitraumes bestand telefonischer Kontakt für etwaige Rückfragen.

5.2.3. Bearbeitung der Geburts-Checkliste durch den Geburtshelfer

Mit der von Brüderl für diese Untersuchung entwickelte Geburts-Checkliste sollten Arzt oder Hebamme Angaben zum Geburtsverlauf machen. Das "Expertenurteil" sollte neben den üblichen Geburtsdaten auch Informationen zur Art der Geburt und eventuellen Komplikationen und Medikationen enthalten. Aufgrund der unzureichenden Mithilfe der Geburtshelfer mußte auf die Auswertung dieses Fragebogens verzichtet werden.

5.2.4. Bearbeitung der Fragebogen drei Monate nach der Geburt

Drei Monate nach der Geburt des Kindes wurden den Eltern die Fragebogen in folgender Reihenfolge vorgelegt:

  1. Demographischer Erfassungsbogen 2 - DE 2 (2.Teil der von Brüderl entwickelten Liste)
  2. Eight State Questionnaire - 8SQ
  3. Fragebogen zur Erfassung der Umstellung durch die Geburt eines Kindes - K-Liste. Diese Liste wurde von Brüderl für diese Studie entwickelt. Unter Berücksichtigung ihrer Erfahrungen aus zahlreichen Explorationen stellte sie insgesamt 100 Items zusammen, die sowohl Belastungsquellen als auch Bereicherungen für jungen Eltern beschreiben. Der Antwortmodus sieht dreistufige Antwortalternativen vor. Die Summation der 76 Belastungsitems ergibt einen Index für ein potentielles Krisenerleben durch die Geburt eines Kindes während die Summe der 24 Bereicherungsitems Aufschluß über die positiven Aspekte des Erlebens gibt.
  4. Eindrucks-Differential-Münster - EDM
  5. Dyadic Adjustment Scale - DAS
  6. Erfassung von Handlungs- und Lageorientierung - HAKEMP
  7. Erfassung der Wahrnehmung und Verarbeitung von Anforderungssituationen - STRESS
5.2.5. Abschlußinterview

Die abschließenden Interviews fanden gegen Ende des dritten Lebensmonates des Kindes statt. Wieder wurde nach einem strukturierten Interviewleitfaden vorgegangen. Es wurden die Themenbereiche Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett, erste gemeinsame Zeit mit dem Kind, Partnerschaft und Haushaltsführung, Beruf und Ausbildung, Freizeit und soziale Kontakte, Anforderungen und Probleme der vergangenen sechs Monate und Veränderungen durch die Geburt des Kindes.

5.3. Stichprobenbeschreibung

Insgesamt nahmen 38 Paare an dieser Studie teil. Das Durchschnittsalter der 26 erstgebärenden Mütter lag bei etwa 26 Jahren, das der 12 Zweitgebärenden bei 30 Jahren. Die durchschnittliche Partnerschaftsdauer lag für die Ersteltern bei etwa 5 Jahren, für die Zweiteltern bei knapp 7 Jahren. Die Auswertung der demographischen Erhebungsbögen ergab für alle Probanden ein gleichermaßen hohes Bildungsniveau sowie Zufriedenheit mit ihren Berufen.

Die Mehrzahl aller Eltern sahen die bevorstehende Elternschaft als erwünscht an und sie betrachteten die Geburt als Zugewinn in ihrem Lebenslauf.

Bezüglich der Geburten zeigte sich ein Unterschied zwischen erstgebärenden und zweitgebärenden Müttern: ein Drittel der erstgebärenden Mütter entband durch Kaiserschnitt oder Saugglocke, bei den zweitgebärenden gab es keine Komplikationen. Dennoch unterschieden sich die beiden Gruppen nicht im Erleben des Geburtsschmerzes und der körperlichen Anstrengung während der Geburt.

Bei dieser Stichprobe waren weder in den Person- noch in den Kontextmerkmalen außergewöhnlich erschwerende Bedingungen ersichtlich. Auch kann davon ausgegangen werden, daß die Eltern dieser Untersuchung eher positiv gegenüber standen und für die Thematik sehr offen waren.

6. Darstellung der Ergebnisse

6.1. Veränderungen in Person- und Kontextvariablen

Insbesondere die erstmalig werdenden Eltern dieser Stichprobe erlebten in den ersten Lebenswochen ihres Kindes eine deutliche Veränderung ihres alltäglichen Lebens. Sie mußten sich auf eine neue, kindzentrierte Lebensführung einstellen. Dabei fiel auf, daß die Männer dieser Gruppe die heftigsten emotionalen Belastungen spürten, als sie nach den sogenannten "Babyflitterwochen" wieder dem vollen Berufsstreß ausgesetzt waren.

Für die erfahreneren Zweiteltern zeigte sich eine positive Wirkung des Erfahrungsvorsprungs. Sie empfanden weniger die Veränderungen durch das zweite Kind als belastend, sondern vielmehr die Wochen vor der Geburt. In dieser Phase der Vorbereitung auf die Geburt wurde vor allem die Forderung der Erstgeborenen auf Zuwendung und Aufmerksamkeit und die damit in Verbindung stehende Sorge, den Anforderungen der Zweitelternschaft nicht gerecht zu werden, als streßreich geschildert. Dazu kam natürlich auch die eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit der Frauen zu dieser Zeit.

Obwohl alle werdenden Eltern dieser Stichprobe den Übergang zur Erst- bzw. Zweitelternschaft als emotional fordernd und belastend erlebten, kann das nicht als Indiz für das Vorhandensein einer krisenhaften und entwicklungsbeeinträchtigenden Qualität gesehen werden. Aufgrund der positiven personellen und kontextuellen Ressourcen der Eltern kam es durch die beginnende Elternschaft nicht zu einer wie immer gearteten Destabilisierung.

6.2. Anforderungen des Übergangs zur Elternschaft

Die Probanden dieser Stichprobe umrissen die Anforderungen, die eine beginnende Elternschaft an sie stellt, im wesentlichen durch Belastungen in den Bereichen Schwangerschaft/Geburt/Kind und Partnerschaft/Ehe/Haushalt. Die wichtigsten Belastungsquellen sind die Unsicherheit im Umgang mit dem Neugeborenen, körperliche Erschöpfungszustände, ständige Präsenzpflicht, starke Anpassung an die Bedürfnisse des Kindes unter Zurückstellung eigener Bedürfnisse sowie die Sorge um eine Beeinträchtigung der partnerschaftlichen Interaktionen.

Bei der Auseinandersetzung mit den Anforderungen des Übergangs zur Elternschaft fiel eine starke Dominanz von problemorientierten Bewältigungsbemühungen auf. Die Eltern neigten weniger zu defensiven Strategien sondern setzten sich zielgerichtet mit den monatlichen Anforderungen auseinander. Lediglich ein Drittel der Probleme im Zusammenhang mit dem Übergang zur Elternschaft wurde als fortdauernd beschrieben. Meist wurde die Dauer der zu bewältigenden Anforderung mit etwa einer Woche angegeben. In der späteren Neubewertung stuften die Eltern ihre Probleme eher als Herausforderung an. Insgesamt sahen sie die Auseinandersetzung mit den Anforderungen als persönlichen Gewinn an.

6.3. Geschlechtsspezifische Unterschiede im Erleben der Anforderungen

In den schwangerschafts- geburts- und sexualitätsbezogenen Einstellungen unterschieden sich vor allem erstgebärende Frauen von ihren Partnern. Sie waren positiver eingestellt und hatten mehr Vertrauen in ihre elterliche Kompetenz. Dem Geburtsverlauf gegenüber waren sie gelassener und zuversichtlicher, während ihre Partner größere Angst vor einer Gefährdung der Mutter durch die Geburt hatten.

Diejenigen Männer und Frauen, die bereits ihr zweites Kind erwarteten, unterschieden sich nicht in diesen Dimensionen. Sie hatten sich offensichtlich durch die gemeinsame Vorerfahrung in ihren Einstellungen aneinander angeglichen. Insgesamt zeigte sich jedoch bei allen Frauen eine positivere Grundstimmung gegenüber der Schwangerschaft als bei ihren Partnern. Auch empfanden sie ihr Leben durch das Kind in stärkerem Maße bereichert, vermutlich weil ihre Partner mit der Berufstätigkeit einen sehr großen Lebensbereich als unverändert erlebten.

Die in der Literatur häufig beschriebene Unzufriedenheit junger Mütter mit der partnerschaftlichen Beziehung konnte in dieser Studie nicht gefunden werden. Jedoch fanden sich unterschiedliche emotionale Befindlichkeiten bei Frauen und Männern während des Übergangs zur Elternschaft. Die erstgebärenden Frauen fühlten sich kurz nach der Entbindung ängstlicher, depressiver und regressiver als ihre Partner. Diese gaben an, etwa ab dem dritten Lebensmonat ihres Kindes besonders gestreßt und depressiv zu sein. Während also die jungen Mütter mit zunehmender Routine ruhiger und entspannter wurden, verstärkte für die Jungväter das wachsende Verantwortungsgefühl ihre Ängste und Sorgen.

Jene Mütter, die ihr zweites Kind erwarteten, beschrieben sich vor allem in den letzten Schwangerschaftswochen ängstlicher, depressiver und regressiver als ihre Partner. Trotz ihrer körperlichen Beeinträchtigung mußten sie sich intensiver um ihre erstgeborenen Kinder kümmern und sie auf die Ankunft des neuen Familienmitglied vorbereiten.

Die Väter dieser Gruppe fühlten sich dagegen im Vergleich zu ihren Partnerinnen insbesondere in den ersten Lebenswochen ihres zweiten Kindes ängstlicher, depressiver und gestreßter. Im dritten Lebensmonat, als die Väter meist wieder beruflich eingebunden waren, beschrieben sich dann die Frauen verzagter, mutloser und depressiver.

In der emotionsregulierenden und problemorientierten Bewältigung zeigten sich keine bedeutsamen Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Die in der Literatur häufig vertretene These der eher handlungsorientierten Reaktionstendenz der Männer gegenüber eher emotionsbezogener Verarbeitung bei Frauen konnte in dieser Studie nicht bestätigt werden. In der Wahrnehmung und Bewertung spezifischer Anforderungen und Belastungen ergaben sich geschlechtsspezifische Unterschiede nur in der Einschätzung des Streßausmaßes.

6.4. Unterschiede im Erleben und Bewältigen bei Erst- und Zweiteltern

Die Mütter beider Stichprobengruppen unterschieden sich nicht signifikant in der Art ihrer Ängste und Sorgen, die in Zusammenhang mit der Geburt standen. Befürchtungen vor Komplikationen, Mißbildungen und vor einem Kaiserschnitt dominierten bei allen Frauen gleichermaßen. Die zweitgebärenden Frauen machten sich im Gegensatz zu den erstgebärenden Frauen auch Gedanken über die Möglichkeit des eigenen Todes während der Entbindung. Den erstgebärenden Müttern machte dagegen der Gedanke an eine notwendige Einleitung der Geburt Angst. Unabhängig von der realen Geburtserfahrung hatten die Frauen beider Gruppen ähnliche Sorgen und Ängste bezüglich ihrer bevorstehenden Entbindung.

Ein Drittel der erstgebärenden Frauen wurde durch Kaiserschnitt oder Saugglocke entbunden. Unabhängig davon erlebten sie jedoch in etwa gleiche Intensitäten an Geburtsschmerz und körperlicher Anstrengung wie die zweitgebärenden Frauen.

Beim querschnittlichen Vergleich der beiden Familiengruppen wurde erwartet, daß die Ersteltern eine höhere Einschätzung der Qualität ihrer partnerschaftlichen Beziehung abgeben würden. Diese Hypothese fand sich in dieser Studie bestätigt. Demnach scheint der Umstand, daß ein oder mehrere Kinder in der Familie leben, negative Auswirkungen auf das elterliche Partnerschaftserleben zu haben. Sowohl Frauen als auch Männer, die ihr erstes Kind erwarteten, berichteten über höhere Zufriedenheit mit ihrer Beziehung als die Eltern der anderen Gruppe. Erhoben wurden diese Daten vor und nach der Geburt. Diese Ergebnisse zeigten sich unabhängig von der Beziehungsdauer. Jene Mütter und Väter, die bereits ein Kind hatten, fühlten sich zwar ebenso emotional miteinander verbunden wie die bis vor kurzem kinderlosen Paare, jedoch klagten sie über einen Mangel an Zeit, ihre Zuneigung auszutauschen. Die Autorin nimmt an, daß diese allmählich beginnenden Schwierigkeiten im alltäglichen partnerschaftlichen Zusammenleben das Konfliktpotential innerhalb der Partnerschaft langfristig erhöhen und sich letztendlich dann auch auf die gegenseitig entgegengebrachte Sympathie und Wertschätzung negativ auswirken können.

7. Persönliche Stellungnahme

Es ist gewiß von wissenschaftlichem Interesse, den weiteren Verlauf dieser Entwicklung zu erforschen. In dieser Studie konnte ja keine Aussage gemacht werden über die Bewältigungspotentiale jener Eltern, die den Übergang zur Elternschaft als krisenhaftes Ereignis betrachten. Eltern mit schlechteren Ausgangsbedingungen werden wahrscheinlich andere Ergebnisse liefern als die vorliegende Stichprobe, die sich hinsichtlich der personellen und kontextuellen Ressourcen homogen und positiv darstellte.

Ein sehr wesentlicher methodischer Kritikpunkt ist meiner Ansicht nach die viel zu kleine und daher auch unrepräsentative Stichprobe. Ich halte es für problematisch, aufgrund der Daten von 38 Paaren wissenschaftliche Aussagen zu treffen.

Was mich unabhängig von der Fundiertheit der Ergebnisse verwundert hat, ist die Tatsache, daß eine Arbeit mit einem derartigen Stichprobenumfang als Dissertation "ausreicht". Bei allem Respekt vor der umfassenden Literaturrecherche scheint mir Brüderls Untersuchung etwas unergiebig.

8. Zusammenfassung

Die vorliegende Längsschnittuntersuchung beleuchtet den Übergang zur Erst- bzw. Zweitelternschaft und fragt nach den Veränderungen in Person- und Kontextmerkmalen, sowie nach familientypspezifischen und geschlechtsspezifischen Unterschieden im Erleben und Bewältigen des Übergangs zur Elternschaft. Die Stichprobe umfaßt 38 Paare zweier Familiengruppen, die mit einer kombinierten qualitativen und quantitativen Methodik, die auf verbalen Daten aus Interviews, Selbsteinschätzungen in Fragebögen und Fremdratings basiert, an jeweils sechs Meßzeitpunkten untersucht werden. Obwohl alle werdenden Eltern dieser Stichprobe den Übergang zur Erst- bzw. Zweitelternschaft als emotional fordernd und belastend erleben, kommt es durch die beginnende Elternschaft nicht zu einer wie immer gearteten Destabilisierung. Geschlechtsspezifische Unterschiede werden vor allem bei den Einstellungen der Ersteltern beobachtet. Die Mütter beider Stichprobengruppen unterscheiden sich nicht signifikant in der Art ihrer Ängste und Sorgen, die in Zusammenhang mit der Geburt stehen. Der querschnittliche Vergleich der beiden Familiengruppen zeigt, daß die Ersteltern eine höhere Einschätzung der Qualität ihrer partnerschaftlichen Beziehung abgeben.

9. Literatur

Brüderl, L.: Entwicklungspsychologische Analyse des Übergangs zur Erst- und Zweitelternschaft. Regensburg: Roderer, 1989

Curran, J.P., Cattell, R.B.: Manual for the Eight State Questionnaire (8SQ). Illinois: Institute for Personality and Ability Testing, 1975

Ertel, S.: Standardisierung eines Eindrucksdifferentials. In: Zeitschrift für Experimentelle und Angewandte Psychologie, 1965, 12, S.22-58 und S.177-208

Kuhl, J.: Volitional aspects of achievement motivation and learned helplessness: Toward a comprehensive theory of action-controll. In: Maher, B. A. (Ed.): Progress in experimental personality research, New York: Academic Press, 1984, p.99-171

Lukesch, H.: Geburts-Angst-Skala. GAS. Göttingen: Hogrefe, 1983

Lukesch, H., Lukesch, M.: SSG. Ein Fragebogen zur Messung von Einstellungen zu Schwangerschaft, Sexualität und Geburt. Göttingen: Hogrefe, 1976

Paul-Hambrink, B.: Emotionale, kognitive und verhaltensmäßige Aspekte der Streßbewältigung und ihre Veränderungen in Abhängigkeit von situativen und personalen Faktoren. Unveröff. Diplomarbeit, Fachbereich Psychologie der Universität Giessen, 1984

Spanier, G. B.: Measuring dyadic adjustment: New scale for assessing the quality of marriage and similar dyads. In: Journal of Marriage and The Family, 1976, 38, p.15-28

[ alle zitiert nach Brüderl, 1989 ]


Inhaltsverzeichnis

8) Paare werden Eltern. Eine familienentwicklungspsychologische Längsschnittstudie

SCHUSTER Bettina

1. EINLEITUNG

Die Entwicklung der Familie ist traditionsgemäß im Rahmen der Soziologie ein zentraler Forschungsbereich. Es wird deutlich, daß es sich bei dem Forschungsgegenstand Familie um ein sich dynamisch entwickelndes soziales Gebilde handelt.

Die Familienstruktur hat sich im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter sehr verändert. Heute ist die Kleinfamilie die häufigste Familienform. Dabei wurde früher zumeist die Mutter-Kind-Interaktion in den Vordergrund gestellt.

Seit den 80er-Jahren stellt sich immer mehr die Frage, ob nicht auch die Rolle des Vaters für die Sozialisation des Kindes aus psychologischer Sicht von großer Bedeutung ist. Mit diesem Schritt über die Mutter-Kind-Dyade hinaus wurde der erste Grundstein für systemische entwicklungspsychologische Modelle gelegt.

Die Untersuchung "Paare werden Eltern" ist eine familienentwicklungspsychologische Längsschnittstudie, deren zentrales Anliegen die Genese des familiären Beziehungsgeflechts ist. Die Autoren beschäftigen sich mit der Frage, wie sich junge Familien nach der Geburt des ersten Kindes verändern.

Im Rahmen dieser Arbeit stellt sich auch die Frage, ob Geburt und Elternschaft als Krise verstanden werden kann. Die Gleichsetzung wird abgelehnt und stattdessen der Terminus "Übergang zur Elternschaft" bevorzugt und erläutert. Außerdem wird erörtert, wie die weitere Entwicklung der Familie aussieht und welche Probleme im Rollenverhalten und der Betreuung des Kindes entstehen. Weiters werden die Dimensionen Erziehungsverhalten, Kindesentwicklung und Partnerbeziehung samt ihren Wechselwirkungen berücksichtigt.

2. MODELLE

2.1. Das Stufenmodell von Duvall (1977)

Familien sind keine statischen Gebilde, sondern befinden sich in ständiger Veränderung. Es ergibt sich ein Stufenmodell im Sinne einer Abfolge bestimmter Familienentwicklungs-aufgaben. Mit diesem Modell erfolgt eine Einordnung der Familie in einen allgemeingültigen Zyklus von Stufen, der bis ins hohe Alter der Eltern reicht. In der Untersuchung "Paare werden Eltern" wird nur auf die ersten drei Stufen eingegangen. Von Interesse sind der durch die Geburt ausgelöste Übergang von der ersten zur zweiten Stufe, als auch der Übergang zur Routine des Alltagslebens mit dem Kind. Mit diesem sind dann öfters Veränderungen des Familienlebens verbunden, wie z.B. ein zweites Kind wird geboren, das erste Kind kommt in den Kindergarten oder die Mutter wird außerhäuslich erwerbstätig.

Modell:

1. Verheiratete Paare

Gestaltung der Ehebeziehung;

Anpassung an Schwangerschaft und Vorbereitung auf Elternrolle;

Einpassung in Verwandtschaft

2. Familien mit Kleinkindern

Anpassung an Elternschaft;

Erziehung von Kleinkindern;

Einrichtung eines Familienheims;

3. Familien mit Vorschulkindern

Anpassung an Bedürfnisse von Vorschulkindern und deren Stimulierung;

Auseinandersetzung mit Energieverlust und eingeschränkter Privatheit.

Abbildung 1: Die ersten 3 Stufen der Familienentwicklungsaufgaben (aus: Petzold, Matthias: Paare werden Eltern. S. 40. München: Quintessenz Verlag, 1991).

2.2. Das ökopsychologische Modell von Bronfenbrenner (1986)

Das Modell gliedert die Umwelt des Individuums in 5 verschiedene Systeme, die sich durch verschiedene Größendimensionen und unterschiedliche psychologische Bedeutungen auszeichnen.

Modell:

1. Das Mikrosystem

ist das unmittelbare System, in dem eine Person lebt, z.B. die heutige Kleinfamilie.

2. Das Mesosystem

stellt die nächsthöhere Ebene dar und beinhaltet zwei oder mehr Mikrosysteme.

Dabei stehen die Wechselbeziehungen im Vordergrund.

3. Das Exosystem

umfaßt eines oder mehrere Mikro- bzw. Mesosysteme, die das Individuum nicht als handelnde Person aufgenommen haben, die aber indirekt mit dem Individuum in Wechselwirkung stehen, z. B. für die Hausfrau die berufliche Welt des Mannes.

4. Das Makrosystem

bezieht sich als höchstes System auf gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge, wie z.B. die Rahmenbedingungen für die Erziehung von Kindern.

5. Das Chronosystem

Mit diesem wird zusätzlich die Zeitdimension eingeführt, da sie für das Verständnis von Entwicklungsprozessen notwendig ist.

Abbildung 2: Das Ökopsychologische Modell von Bronfenbrenner, 1986. (aus: Petzold, Matthias: Paare werden

Eltern. S. 63. München: Quintessenz Verlag, 1991)

Diese ökologische Orientierung wird heute von vielen Entwicklungspsychologen vertreten und wurde auch weiterentwickelt. Der Vorteil, der sich ergibt, liegt darin, daß mit den fünf Systemen die lebenswichtigen Lebensfunktionen des Individuums erfaßt werden.

2.3. Das systemisch-ökopsychologische Modell

Dieses Modell wird als Basis der empirischen Studie herangezogen. Es ergibt sich aus der Verbindung des ökopsychologischen Modells von Bronfenbrenner mit systemtheoretisch ausgerichteten Modellen.

Die Autoren haben versucht, eine Konzeption zu entwickeln, die dazu brauchbar ist, in ein empirisches Untersuchungsdesign umgesetzt zu werden.

Diese integrierte Konzeption umfaßt fünf Dimensionen:
 


1. Erleben der Elternschaft

Dabei handelt es sich um Persönlichkeitseinstellungen und Erfahrungen der Eltern, welche sich primär aus den Beeinflussungsbeziehungen zwischen Eltern und Kindern innerhalb der Familie ergeben (= Mikrosystem).

Sekundär wirken jedoch auch Faktoren des Meso- und Exosystems auf die Beziehungen ein.

2. Betreuung des Kindes

Darunter verstehen wir alle Funktionen, die sich aus den Versorgungs-, Betreuungs- und Erziehungsaufgaben der Eltern ergeben.

3. Ökologie

Damit sind alle Bereiche des Exo- und Mesosystems gemeint.

4. Soziokulturelle Ausgangsbedingungen

Diese sind im Sinne soziologischer Studien die allgemeinen Merkmale zum gesellschaftlichen Status von Mutter und Vater.

5. Zeitdimension

Durch diese Längsschnittdimension wird der zentrale Aspekt des Entwicklungsprozesses deutlich.

Abbildung 3: Das Systemisch-ökopsychologische Modell

Dieses Modell stellt den allgemeinen Rahmen für den deskriptiven Längsschnitt zur Genese familiärer Beziehungsmuster dar. Zusätzlich dient es zur Erarbeitung von Modellen für die Pfadanalysen, um systemische Prozesse bei jungen Familien ansatzweise zu erforschen.

3. PLANUNG UND DURCHFÜHRUNG DER UNTERSUCHUNG

3.1. Ziel der Untersuchung

Auf der Basis des systemisch-ökopsychologischen Modells wurden in dieser Studie einige Fragestellungen diskutiert. Ziel der Untersuchung war es, eine detaillierte Beschreibung der Veränderung der Situation junger Familien zu geben. Die Hauptfragestellung "Wie verändern sich junge Familien nach der Geburt des ersten Kindes ?" bezieht sich auf 3 Dimensionen des systemisch-ökopsychologischen Modells: - Erleben der Elternschaft

- Betreuung des Kindes

- Ökologischer Kontext

Die Studie versteht sich in ihrem methodischen Grundsatz als Pilotstudie. Die Grundlage der Auswertungen ist ein deskriptiver Ansatz. Es geht hier nicht um klar abgegrenzte Bereiche, sondern im Mittelpunkt des Forschungsinteresses stehen komplexe und ganzheitliche Bezüge. Es erschien sinnvoll, in deskriptiver Form Problembereiche zu umreißen, einzelne Variablen inhaltlich zu charakterisieren und, falls möglich, systemische Bezüge zusammenhängend aufzuzeigen.

3.2. Stichprobenbeschreibung und Untersuchungsdurchführung

Ein Längsschnittdesign erschien sinnvoll zur Umsetzung der systemisch-ökopsychologischen Perspektive.

Im Jahr 1986 wurde das Projekt "Paare werden Eltern" organisatorisch und inhaltlich begonnen und hat dabei auf die nicht zu Ende geführten Längsschnitterhebungen des unter der Leitung von Prof. Dr. Horst Nickel in den Jahren 1980/81 begonnene Projekt "Eltern-Kind-Interaktion im ersten Lebensjahr" zurückgegriffen. Diese Untersuchungen wurden von dem Projekt "Paare werden Eltern" in den Rahmen eines neuen Gesamtkonzepts integriert.

Die Stichprobe der damaligen Untersuchung wurde bei Gynäkologen, in Kursen für Schwangerschaftsgymnastik und Säuglingspflege und in Krankenhäusern im Großraum Düsseldorf 1981 gewonnen. In den Jahren 1986/87 konnten fast alle der untersuchten Familien erneut erfaßt werden. Von ursprünglich 59 Eltern konnten 51 Mütter und 43 Väter zur weiteren Mitarbeit bewegt werden. Aufgrund von missing data beträgt letztlich der Stichprobenumfang für die quantitative Auswertung nur noch 35 Paare.

3.3. Eingesetzte Fragebögen

Auf die völlige Neuentwicklung eines eigenen Instrumentariums wurde verzichtet. Die begonnen Fragebogenerhebungen wurden modifiziert weitergeführt. Es wurden z.B. Teile des Erstkontaktfragebogens oder des Abschlußfragebogens von 1982/83 überarbeitet und eingesetzt. Außerdem wurden unter anderem der Fragebogen der sozialen Umwelt von Schmidt-Denter (1984) oder der Partnerschaftsfragebogen von Hahlweg (1982) vorgegeben.

4. DESKRIPTIVE ERGEBNISSE ZUM FAMILIENALLTAG

Die Auswertung bezieht sich in einigen wenigen Variablen auf das letzte Drittel der Schwangerschaft, dann aber hauptsächlich auf die drei Meßzeitpunkte nach der Geburt:

den zweiten und neunten Lebensmonat sowie das sechste Lebensjahr des Kindes.

4.1. Ökologischer Hintergrund

4.1.1. Familiäre Basisdaten

Hinsichtlich der allgemeinen sozio-ökonomischen Merkmale zeigen sich in der kleinen Stichprobe keine Unterschiede zu vergleichbaren repräsentativen Untersuchungen.

- Zur Zeit des Erstkontakts beträgt das durchschnittliche Alter der Mütter 26,5 Jahre, jenes

der Väter hingegen 29,1 Jahre.

- Die durchschnittliche Kinderzahl pro Familie beträgt im Laufe der Untersuchung 1,74.

- In der sozialen Schichtung weist diese Stichprobe eine gute Streuung auf, hat aber ein

deutliches Übergewicht der Mittelschicht. Die Väter verfügen über eine bessere Ausbildung

als die Mütter.

4.1.2. Berufs-Kindplanung und Belastung

- Geplantheit des Kindes: Nach der Geburt des ersten Kindes gaben 28 % der Eltern an, die

Schwangerschaft sei nicht geplant gewesen. Unabhängig davon wünschten sich zur selben

Zeit fast alle Paare weitere Kinder. Ein Erstkindschock konnte somit nicht nachgewiesen

werden.

- Erwerbstätigkeit der Mütter: Vor der Geburt des ersten Kindes waren fast alle Mütter

ganztags erwerbstätig. Im Gegensatz dazu sind im sechsten Lebensjahr des Kindes nur

wenige Mütter wieder berufstätig. Fast alle Väter sind jedoch durchgehend voll erwerbs-

tätig. Das Rollenstereotyp wird hier sehr deutlich. Von den erwerbstätigen Müttern sind nur

wenige ganztags und nur wenige in dem vor der Geburt ausgeübten Beruf tätig.

- Belastung durch Beruf und Haushalt: Diese Belastung wird von den meisten Müttern

nach der Geburt als etwas stärker erlebt. Sie nimmt im Laufe der Zeit nicht ganz ab, sondern

wird durchwegs als etwas stärker beschrieben.

- Zeitaufteilung, Beruf, Haushalt und Leben mit den Kindern: Die meisten Mütter sind

hinsichtlich der Zeitaufteilung Familie/Beruf/Freizeit im ersten Lebensjahr des Kindes zu-

frieden, während Väter schon im neunten Lebensmonat relativ unzufrieden sind. Bei den

Müttern zeigt sich die Unzufriedenheit erst im sechsten Lebensjahr des Kindes.

4.1.3. Freizeit, Urlaub und soziale Kontakte

- Freizeit: Seit der Geburt des ersten Kindes haben sehr große Umstellungen im

Freizeitbereich der Eltern stattgefunden. Die Mütter haben mehr Aktivitäten wie:

Ausgehen, soziale Kontakte oder Sport, aufgegeben, als die Väter. Sie haben aber später

vergleichsweise auch mehr Aktivitäten neu aufgenommen. Außerdem sehen sie auch die

Freizeit mit dem Kind z.B. Elternkontakte als eigene Freizeit an.

- Selbst- und Fremdeinschätzungen bezüglich der mit dem Kind verbrachten Freizeit:

Unter der Woche verbringen die Mütter mehr als die Väter ihre Freizeit mit den Kindern.

Am Wochenende zeigen sich Unterschiede in den Selbsteinschätzungen bei Müttern und

Vätern dahingehend, daß die Mütter den Eindruck haben, sie verbrächten häufiger als die

Väter "immer" die Freizeit mit dem Kind.

- Bekanntenkreis: Sowohl Väter als auch Mütter haben größtenteils den Bekanntenkreis von

vor der Geburt aufgegeben. Die Mütter haben aber mehr neue Freizeitaktivitäten -zumeist

mit dem Kind- aufgenommen und dabei neue Bekannte, meist ebenfalls Mütter kennen-

gelernt. Väter haben weniger Bekannte. Sie konzentrieren sich mehr auf Hobbys im Haus.

4.1.4. Versorgung und Betreuung des Kindes

- Vor der Geburt des ersten Kindes planen zwei Drittel der Eltern, daß Vater und Mutter beide

als Hauptpflegepersonen aktiv werden sollen. Tatsächlich sind es dann aber nach der Geburt

bis ins sechste Lebensjahr des Kindes die Mütter, die meistens allein hauptverantwortlich für

die Pflege und Versorgung des Kindes sind. Nach der Geburt sind die Väter nur gelegentlich

beteiligt, erst im sechsten Lebensjahr fühlen sie sich auch mitverantwortlich.

4.1.5. Betreuung im alltäglichen Tagesablauf

- Nach der Geburt sind fast immer in nahezu allen Bereichen die Mütter für das Kind

zuständig. Erst im sechsten Lebensjahr des Kindes sind vormittags zumeist "andere" für die

Betreuung des Kindes zuständig. Mütter meinen jedoch, daß sie abgesehen von Vor- und

Nachmittag genauso aktiv sind in der alltäglichen Vorsorge des Kindes wie in den Monaten

nach der Geburt. Gestiegen ist im sechsten Lebensjahr auch die häufige Beteiligung des

Vaters an der Abendroutine.

4.2. Statistische Längsschnittauswertung

4.2.1. Einstellungen und Erfahrungen der Eltern

- Vernachlässigung: Es wurde u.a. geprüft, ob sich die Mütter oder die Väter durch die

entstandene Dreiecksbeziehung vernachlässigt fühlen. Dabei konnte eine Vernachlässigung

des Vaters nicht festgestellt werden. Dagegen hat man herausgefunden, daß sich die Mütter

im sechsten Lebensjahres des Kindes signifikant mehr vernachlässigt fühlen.

- Sicherheit im Umgang mit dem Kind: Das bezüglich des Umgangs erlebte Gefühl

verändert sich sehr stark zwischen den drei Meßzeitpunkten. Mütter geben für das neunte

Monat die größte Sicherheit im Umgang mit dem Kind an, während sie sich nach der Geburt

sehr unsicher fühlen.

4.2.2. Kontakte des Kindes

- Im ersten Lebensjahr des Kindes nehmen Mutter und Vater sowie die Großeltern in der

Rangordnung für die Häufigkeit der Kontakte des Kindes, die ersten Rangplätze ein.

Im sechsten Lebensjahr sind Mutter und Vater noch immer auf Platz 1 und 2. Dahinter

rangieren aber nicht mehr die Großeltern, sondern ErzieherInnen und Kindergartenkinder.

4.2.3. Betreuungs- und Versorgungsfunktionen

Von großem Interesse ist, wie sich die Betreuungsfunktionen der Eltern mit der Zeit verändern. Es wurde auch danach gefragt, inwiefern neben den Eltern auch andere Personen diese Funktionen ausüben. Schmidt-Denter (1984) hat 9 Skalen erarbeitet, die verschiedene Funktionsbereiche in der Betreuung des Kindes unterscheiden. Die neun Skalen lauten: Aufsicht, Pflege, Zuwendung (jeweils zu unterscheiden nach allgem. und besonderer), Kontrolle, Spiel und Anregungen.

Die geschlechtstypische Rollenverteilung wird hier deutlich. Für das Kleinkind ist in fast allen Funktionen "immer" die Mutter zuständig. Väter erreichen in keiner Skala den Wert "oft".

Erst im sechsten Lebensjahr treten die Väter in der täglichen Alltagsroutine, in emotionaler Zuwendung sowie Kontrolle und Strafe "oft" in Erscheinung. In dieser Zeit haben auch andere erwachsene Bezugspersonen wichtige Aufgaben.

Die Rangordnung der Funktionen verdeutlicht diese geschlechtstypischen Unterschiede.

Sehr lange sind Mütter für Aufsicht und Pflege zuständig, während sich Väter um Anregungen, Spiel, Zuwendung und Strafe/Kontrolle kümmern. Erst im sechsten Lebensjahr beginnen sich diese klaren Rollen aufzuweichen, wenn auch die Väter im Alltag für das Kind zum Ansprechpartner werden. Die Alltagsbetreuung nimmt bei den Vätern dann den zweiten Rang ein, jegliche Pflege des Kindes bleibt jedoch durchgängig auf den hinteren Rangplätzen.

Bei der Mutter haben Verantwortungen für die Alltagsroutine und die Häufigkeit des Spielens mit dem Kind mit zunehmendem Alter signifikant abgenommen.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, daß die traditionellen Rollenstereotype sehr stark ausge-

prägt sind. Nur im sechsten Lebensjahr zeigt sich eine Tendenz in Richtung auf einen "neuen" engagierten Vater, der auch in alltäglicher Routine Verantwortung übernimmt.

5. SYSTEMISCHE ZUSAMMENHÄNGE IN DER FAMILIE

Systemische Ansätze verlangen von vornherein multivariate Ansätze in der Auswertung. Diese Studie bedient sich für ihre systemischen Analysen des Verfahrens "LVPLS" (Lohmöller, 1986) = eine Pfadanalyse mit latenten Variablen auf der Grundlage von Kleinstquadratschätzungen.

5.1. Modell mit latenten Variablen

Mit Bezug auf die systemisch-ökopsychologische Konzeption werden bestimmte Dimensionen genauer definiert. Das für die Pfadanalyse konkretisierte Basismodell besteht aus drei Variablengruppen:

- Ökologie: Sie bezieht sich auf äußere Variablen des ökologischen Hintergrundes. Variablen,

die ausgewählt wurden, sind: Lebensalter, Schichtzugehörigkeit, Erwerbstätigkeit der Mutter

im sechsten Lebensjahr, Familieneinkommen, Zahl der Kinder im sechsten Lebensjahr des

ersten Kindes, Teilnahme des Vaters am Vorbereitungskurs vor der Geburt des ersten

Kindes.

- Erleben: Hier werden einerseits Variablen zum psychischen Erleben im Mikrosystem

Familie (Einstellung und Erleben) und andererseits die Qualität der Beziehung der Ehe-

partner (eheliche Zufriedenheit) erfaßt.

- Betreuung: Diese Variablengruppe bezieht sich auf die Einstellungen und Verhalten dem

Kind gegenüber (Pflege und Betreuungstätigkeiten, Zuwendungs- und Spielverhalten etc.).

Auf der Basis dieser Definitionen beinhalten die allgemeinen Modellannahmen die möglichen Beziehungen zwischen den einzelnen Variablengruppen:

- Zusammenhänge innerhalb der drei Variablengruppen

- Einflüsse der ökologischen Variablen auf die Dimensionen "Erleben" und "Betreuung"

- Veränderungen über die Zeit

- Geschlechtstypische Unterschiede zwischen Müttern und Vätern bezüglich elterlicher Ein-

stellungen und Betreuungstätigkeiten

Es wird behauptet, daß ökologische Variablen das Erleben und die Betreuungstätigkeiten be-

einflussen und daß sich Beeinflussungen entlang der Zeitperspektive ergeben können.

5.2. Latente Variablen im Längsschnitt

Dabei soll der Einfluß der ökologischen Variablen auf die latenten Variablen "Erleben der Elternschaft" und Betreuungsfunktionen geprüft werden, wobei nach Geschlecht differenziert wird.

5.2.1. Pfade für das Erleben der Elternschaft

Das Erleben der Elternschaft verändert sich über die Zeit hinweg, und zwar bei Müttern und Vätern in unterschiedlicher Art und Weise. Dieses Erleben wird durch ökologische Variablen beeinflußt. Es können für einzelne Bereiche relevante Pfade festgestellt werden:

- Bei der Schichtzugehörigkeit, welche durch Schulabschluß und Berufsqualifikation

definiert wird, zeigt sich ein großer Zusammenhang zwischen Mutter und Vater. Auch die

Kinderzahl wird durch die Schichtzugehörigkeit der Mutter beeinflußt. Wenn sie außer-

häuslich erwerbstätig ist, hat sie weniger Kinder. Bei hoher Schichtzugehörigkeit wächst ihr

Interesse an Kindern, was vielleicht damit zusammenhängen könnte, daß sie dann einen gut-

verdienden Partner des gleichen Schichtstatus hat. Die Schichtzugehörigkeit beider Eltern-

teile wirkt sich auch auf das Erleben der Elternschaft aus. Direkt nach der Geburt scheint

eine höhere Qualifikation der Mutter mit einem positiveren Erleben des Vaters zusammenzu-

hängen. Im neunten Monat führt jedoch die höhere Schichtzuordnung der Mutter zu einem

negativeren eigenen Erleben.

- Erleben der Elternschaft: Gegen Ende des ersten Lebensjahres scheinen negative Er-

fahrungen der Mutter mit eher positiven Erfahrungen der Väter zusammenzuhängen. Von

diesem Zeitpunkt bis zum sechsten Lebensjahr zeigt sich eine Kontinuität für die Er-

fahrungen der Mütter wie auch für die der Väter.

- Eheliche Zufriedenheit: Die Stichprobe der Untersuchung zeigt im Vergleich zur Norm

eine geringe eheliche Zufriedenheit. Ehelich zufriedene Mütter scheinen besonders die-

jenigen zu sein, die selbst auch erwerbstätig sind und einen Partner in höherer als der

eigenen sozialen Position haben.

5.2.2. Pfade für Betreuungsfunktionen

Streng genommen kann dazu nichts über tatsächliches Betreuungsverhalten, sondern nur etwas über Einschätzungen und Annahmen der Mütter ausgesagt werden.

- Ökologische Variablen und Betreuungsfunktionen: Die Schichtzugehörigkeit hat einen

negativen Effekt auf die Intensität der Betreuung des Kindes durch den Partner. Die außer-

häusliche Erwerbstätigkeit der Mutter bewirkt eine geringere Aktivität ihrerseits in der

Betreuung des Kindes im sechsten Lebensjahr. Bei einem höheren Familieneinkommen

widmet sich der Vater direkt nach der Geburt mehr dem Kinde, die Mutter leistet dann

gegen Ende des ersten Lebensjahres weniger in der Betreuung.

- Mütterliche und väterliche Betreuungsaktivitäten: Zum Ende des ersten Lebensjahres

scheint das Engagement des Vaters stark im Gleichklang mit dem der Mutter zu sein. Im

sechsten Lebensjahr ist es umgekehrt. Bei hoher Aktivität der Mutter im neunten Lebens-

monat, tut der Vater im sechsten Lebensjahr relativ wenig. In der mütterlichen Betreuungs-

funktion zeigt sich eine gewisse Kontinuität zwischen den drei Meßzeitpunkten.

5.3. Strukturelle Zusammenhänge

Es werden nun noch komplexere Zusammenhänge zwischen den Dimensionen angesprochen.

Damit versucht man typisch systemische Wirkungsnetze zu erfassen.

- Erwerbstätige Mütter haben weniger Kinder, sind mit der Zeitaufteilung relativ unzufrieden,

und weniger stark in die volle Verantwortung für die Pflege des Kindes eingebunden.

- In der alltäglichen Plege und Versorgung des Kindes aktive Mütter entwickeln ein starkes

Zuwendungsverhalten zum Kind, kontrollieren es stärker, spielen außerordentlich viel und

geben viel Lernanregung. Außerdem erleben sie die Elternschaft als relativ positiv.

Abschließend kann für die drei Ebenen festgestellt werden:

- Ökologische Variablen haben eine große Bedeutung für psychologische Entwicklungs-

prozesse.

- Für das Erleben der Elternschaft zeigt sich eine gewisse Kontinuität, aber auch eine

Beeinträchtigung durch sozioökonomische Variablen. Das Konzept, welches die Geburt des

ersten Kindes als Krise bezeichnet, konnte zurückgewiesen werden.

- In der Betreuung des Kindes sind die traditionellen Geschlechtsrollenstereotype nach wie vor

wirksam. Es konnten aber auch neuere Tendenzen nachgewiesen werden.

6. ZUSAMMENFASSUNG

Die Initiativen für das Projekt "Paare werden Eltern" hatten ihren Ursprung in den zu Ende der 70er-Jahren feststellbaren Veränderungen im öffentlichen Auftreten junger Väter. Es kam zur Infragestellung traditioneller Rollenverteilungen in der Familie.

Ziel der Untersuchung war es, eine detaillierte Beschreibung der Veränderung der Situation junger Familien zu geben, entlang der Frage "Wie verändern sich junge Familien nach der Geburt des ersten Kindes?".

Als Basis der empirischen Studie wurde das systemisch-ökopsychologische Modell herange-zogen, welches zunächst weitergeführt und konkretisiert wurde.

Die Fragestellungen der Untersuchung konzentrierten sich auf verschiedene Probleme der Entwicklung junger Familien, wobei drei Bereiche im Vordergrund stehen: Ökologischer Kontext, Erleben der Elternschaft, Betreuung des Kindes. Zu diesen Bereichen wurden bestimmte Fragebögen im Sinne eines Längsschnitts eingesetzt. Es gab mehrere Meßzeitpunkte zwischen dem letzten Drittel der Schwangerschaft und dem sechsten Lebensjahr des ersten Kindes. Der Stichprobenumfang beträgt für die quantitative Auswertung 35 Paare, für die jeweils vollständige Datensätze vorliegen.

Der Ergebnisteil gibt einen deskriptiven Überblick zu ökologischen Basisdaten, verschiedenen Fragen der Lebensplanung und der Betreuung des Kindes. Die Analyse des Längsschnitts ergab unter anderem, wie sich das Erleben der Elternschaft in der Zeit bis ins sechste Lebensjahr des Kindes verändert. Außerdem konnte festgestellt werden, daß Mütter und Väter recht unterschiedliche Funktionen in der Betreuung des Kindes übernehmen. Noch immer sind Mütter vor allem für Aufsicht und Pflege zuständig, während sich Väter um Anregungen, Spiel und Zuwendung kümmern. Es konnte der Nachweis erbracht werden, daß die traditionellen Geschlechtsrollenstereotype noch voll wirksam sind, wenn auch neue Akzente im Sinne der "neuen Väter" erkennbar sind.

Die Analyse der Pfadmodelle hat ergeben, daß eine gewisse Kontinuität in der Entwicklung der Familien vorherrscht. Darüberhinaus konnte das Konzept, welches die Geburt des ersten Kindes als Krise bezeichnet, zurückgewiesen werden.

Aufgrund der Ergebnisse kann man nicht darauf schließen, daß sich die Familie sehr ver-

ändert hat.

7. PERSÖNLICHE STELLUNGNAHME

Bevor ich mich mit diesem Thema beschäftigt habe, bin ich davon ausgegangen, daß es vor allem in der Pflege und Erziehung des Kindes schon sehr wohl zu einer annähernden Gleichverteilung der Rollen hätte kommen können. Aus der Studie heraus ergibt sich jedoch, daß die traditionellen Rollenstereotype in der heutigen Gesellschaft noch sehr stark ausgeprägt sind. Es zeigten sich aber auch Tendenzen in Richtung auf einen "neuen" engagierten Vater.

Diese Tendenzen wurden in den letzten Jahren durch gesetzliche Regelungen insoferne unterstützt, als für den Vater die Möglichkeit geschaffen wurde, Karenzzeit in Anspruch zu nehmen. Dieses Angebot wird noch nicht allzusehr ausgenützt, da bei der Pflege und Betreuung des Kindes durch den Vater die Familien derzeit noch mit einem geringeren Einkommen zu rechnen haben. In Österreich ist derzeit das Gehaltsniveau zwischen Männern und Frauen im Grundsatz unterschiedlich. Eine finanzielle Unterstützung würde eher dazu beitragen, daß der Mann die Karenzzeit in Anspruch nimmt und somit die Rolle der Betreuung übernimmt. Die gesetzliche Unterstützung kann nur als ein kleiner Beitrag zur Änderung des Systems gesehen werden. Wesentlich für diese Änderung scheint ein Umdenken zu sein, sowohl beim Mann als auch bei der Frau. Denn in der heutigen Gesellschaft ist zumeist noch immer die Idee verankert, daß die Mutter für die Betreuung und Pflege des Kindes allein zuständig ist.

Die Rolle des Mannes als Betreuungsperson wird in der Öffentlichkeit derzeit noch nicht ganz ernst genommen oder fallweise sogar belächelt.

Wichtig wäre außerdem, daß die Frauen den Männern die Chance geben, die Betreuung des Kindes zu übernehmen, ohne dadurch einen Prestigeverlust zu erleiden. Es gibt viele Frauen, die die Aufgabe der alleinigen Pflege des Kindes nicht aus der Hand geben wollen.

Ich finde es begrüßenswert, daß es in der heutigen Zeit auch neue Rollenorientierungen gibt, und zwar dahingehend, daß die Väter in der Pflege und Betreuung des Kindes engagierter sind. Mir ist jedoch bewußt, daß so ein Änderungsprozeß nur langsam vor sich geht und noch eine lange Zeit der Entwicklung folgen wird.

8. LITERATURVERZEICHNIS

Bronfenbrenner, U. (1986a). Ecology of the Family as a Context of Human Development: Research Perspectives. Developmental Psychologie, 22, 723-742.

Duvall, E.M. (1977). Marriage and family development (5. Aufl.). Philadelphia: Lippincott.

Hahlweg, K., Schindler, L. & Revenstorf, D. (1982). Partnerschaftsprobleme: Diagnose und Therapie. Berlin: Springer.

Petzold, M. (1991). Paare werden Eltern. München: Quintessenz Verlag.

Schmidt-Denter, U. (1984). Die soziale Umwelt des Kindes. Berlin: Springer-Verlag.


Inhaltsverzeichnis

9) Identitätsveränderungen im Zuge des Übergangs zur Elternschaft

GRUBER Christine und BIERHALS Kristin

Einleitung:

"Die Zeit rund um die Geburt eines ersten Kindes bedeutet unter den heute bei uns gegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen für die jeweiligen Eltern einen Lebensabschnitt, der - ähnlich wie die Pubertät - gekennzeichnet ist durch eine mehr oder weniger ausgeprägte Identitätskrise." (Bosse, 1985, S.271, zitiert nach Gauda, 1990)

Nach Gudrun Gauda bedeutet Elternidentität:

Da sich erfolgreiche Bewältigung dieser Entwicklungsaufgabe als wichtige Voraussetzung für die Bewältigung weiterer familärer Aufgaben zeigt, will diese Studie als wissenschaftliche Grundlage für beratende und betreuende Maßnahmen sowie der Prävention dienen.

Zu den Problemen der Begriffsdefinition von IDENTITÄT:

  1. Operationalisierungsprobleme: Identität ist ein hypothetisches Konstrukt, das nicht durch ein Merkmal, sondern nur durch eine Fülle von zusammenhängenden Merkmalen operationalisierbar ist.
  2. Entwicklungspsychologie beschränkt sich lange Zeit auf das Kindes- und Jugendalter: Die Entwicklung der Identität galt mit der Überwindung der Identitätskrise im Jugendalter als abgeschlossen. Erst in neuerer Zeit gewinnt die Lebensspannenentwicklungspsychologie an Bedeutung.
Am plausibelsten erscheint die Wechselwirkung zwischen persönlicher Identität (für was man sich hält) und sozialer Identität (für was andere einem halten). Das bedeutet: so wirkt meine Sicht von mir selbst auf die Umwelt und ich werde auch von der Umwelteinstellung mir gegenüber beeinflußt.

Hinzu kommt nun noch, daß die Identität auch über die Identifikation mit Modellen, die historisch/kulturell vermittelt werden, entsteht.

Im Falle der Elternidentität geschieht das durch die Auseinandersetzung mit den eigenen Eltern, sozialen Normen und Idealen, die die Umwelt vorgibt.

Mit all diesen Rollenerwartungen müssen sich werdende Eltern auseinandersetzen.

Bei Mutter- oder Vaterschaft steht das ICH im Vordergrund. Eine individuelle, spezifische Entwicklung, der unterschiedlichen Erfahrungen zugrundeliegen können (bei Frauen tendenziell eher körperliche, bei Männern eher soziale). Kulturelle Varianten der Elternschaft:

Bei den TUPIS in Südamerika, so beschreibt es de Parseval (1985), fällt der wichtigste Teil der Schwangerschaft dem Vater zu. Er unterwirft sich strengen Nahrungs- und Verhaltenstabus, ungeachtet dessen, daß hier, wie überall, die Frau das Kind austrägt und auf die Welt bringt.

Bei den zentralaustralischen ARUNTAS wird kein Zusammenhang zwischen Geschlechtsakt, Menstruationszyklus und Befruchtung hergestellt. Als Zwischenstufe zwischen Lebewesen (allgemein) und den Menschen, Inapertwa genannt, schlüpfen unsterbliche Seelen (Kuruna) in den Körper der Frau, weil sie sich danach sehnen, wieder Mensch zu werden. Das Kind, das auf solche Weise entsteht, ist mit seinen Eltern natürlich nicht verwandt. Seine wirklichen Eltern sind die Urwesen, aus denen alle anderen entsprangen. Hippèli und Keil (1982) drücken aus, daß das Kind zu seinen Familienangehörigen in einem rein gesellschaftlichen Verhältnis steht.

Auch andere TROBIRAND-Völker (die die Entstehung des Keims in einer Mischung aus männlichen Samen und Menstruationsblut sehen) sind der Meinung, daß ein einzelner Beischlaf nicht ausreicht, um eine ausreichende Samenmenge zur Ernährung des keims zur Verfügung zu stellen. Am besten ist es deshalb, wenn die Frau mit mehreren Männern Beischlaf hat. Der Anteil der beteiligten Männer an der Vaterschaft verhält sich dann entsrechend der, von ihnen zum Aufbau des Kindes beigesteuerten, Samenmengen.

Entscheidend ist auch hier wieder, daß die Bedeutung der physiologischen Vaterschaft zurücktritt hinter eine soziale Zuschreibung von Beziehung und Verantwortung.

Auch die Bestimmung, daß eine Mutter diejenige ist, die ein Kind empfängt, austrägt und gebiert, reicht nicht immer aus. Neben der "Blutsbande" hat in etlichen Naturvölkern vorallem die "Milchbande" Bedeutung. D.h. die "soziale Mutter" ist jene Frau, die das Kind stillt. Geschwister sind die, die von der gleichen Frau gestillt werden.

Als ein weiteres Beispiel gilt bei den VIETNAMESEN ein Kind, aus der Verbindung mit einer zweiten Frau, als allen drei Ehepartnern zugehörig.

Viele Berichte belegen, daß nicht in allen Kulturen und in allen Zeiten, als Mutter jene Frau gesehen wurde, welche ein Kind auf die Welt brachte, sondern häufig auch diejenige, die das Kind liebte und es versorgte.

Daß Mutterschaft und Vaterschaft hauptsächlich gesellschaftlich festgeschriebene Rollenerfüllung bedeutet, hat auch für die Betrachtung der Elternidentität in unserer Kultur entscheidende Konsequenzen.

Leider findet sich eine Herausarbeitung dieser Konsequenzen in der Interpretation der Ergebnisse des empirischen Teiles der Studie von Frau Gauda nicht.

Veränderungen im kulturellen Verständnis von Elternschaft heute:

Die Entwicklung in Richtungen wie:

Erlebt sich der sterile Mann, dessen Frau durch künstliche Befruchtung mit fremden Spendersamen schwanger wird, als Vater?

Wie empfinden Leihmütter, wenn sie nach der Geburt das Kind abgeben?

Wie findet sich die Frau, die sich das Kind von einer anderen hat austragen lassen, in die Mutterrolle?

Gerhard Amendt (1986) stellt die Frage, ob die eltern- und sexualitätslosen Zeugungsverfahren die psychischen Erwartungen nach der Kinderwunscherfüllung einlösen können.

Es scheint, als ob die sensationellen, aber auch beängstigenden "neuen" Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin eine große soziale und psychische Orientierungslosigkeit mit sich brächten.

Die Auseinandersetzung mit der eigenen Elternidentität ist auch belastet durch das zunehmende Wissen um die zahllosen Fehlentwicklungen, die in der Kindheit wurzeln. Es erscheint uns persönlich sehr schwierig, einen Weg zu finden, der den individuellen Bedürfnissen und Vorstellungen der Eltern und des Kindes gerecht wird, und im jeweiligen kulturellen und sozialen Umfeld gangbar ist.

Leitbilder für soziale Elternschaft in Westeuropa:

Die weitverbreitetste Erwartung an Eltern heute ist nach wie vor die Opferbereitschaft der Mutter und die Verantwortlichkeit als Versorger des Vaters.

Dabei scheint das Bild Marias, die höchste Befriedigung aus der Selbstaufgabe schöpft, geprägt durch die Tradition der Katholischen Kirche, nach wie vor Wirkung zu haben. Dieser "Muttermythos" fand eine perverse Steigerung, bekannterweise, in der Nazizeit.

Ein wie selbstverständlicher Umgang mit diesen "Idealen" zeigt sich nach wie vor ziemlich eindrücklich in den Deutschbüchern von Schulkindern.

Veränderungsprozesse, die Suche nach neuen Leitbildern, passieren zahlenmäßig immer noch in ziemlich geringem Umfang. Frau Gauda erwähnt als das neue Selbstverständnis, die "neuen Väter" und die "Rabenmütter", ohne aber wirklich genauer darauf einzugehen.

Die zahlenmäßige Explosion von Erziehungsratgebern und Handbücher scheinen den Bedarf an Orientierung auszudrücken. Der Trend geht dahin, daß Elternsein hauptsächlich über Erziehungsziele definiert wird. Das dahinterstehende Modell der fehlermachenden und Schuld auf sich ladenden Eltern scheint mir sehr problematisch. Es scheint richtig und falsch zu geben. Und doch erscheint es unerreichbar und unmöglich, das Richtige tun zu können.

Uns erscheint die Vorstellung, die Begleitung des Heranwachsens der Kinder als eine Kunst zu sehen, viel sympathischer. Wir erleben auch diese "Suche nach dem verlorenen Glück", wie ein Buchtitel von Lidloff lautet und die Hinwendung zu den Traditionen von Naturvölkern, als das Bedürfnis, dem Leben wieder Zauber verleihen zu wollen.

Auch die Anmerkungen Bruno Bettelheims sind mir einleuchtend, wenn er sinngemäß meint, daß Ratgeber nur fehlschlagen können, wenn den Eltern selbst die innere Sicherheit fehlt. Diese innere Sicherheit der Bezugspersonen ist vonnöten, damit auch das Kind sich seiner selbst sicherer werden kann.

Die Entwicklung der Mutter- und Vateridentität im Rahmen der ethologischen Theorie:

Bisher konzentrierte man sich eher auf kognitive Prozesse, zunehmend mehr werden auch biologische Faktoren beforscht, die zur Elternidentitätsentwicklung beitragen.

Zentrale Annahme: Eltern-Kind-Interaktionen basieren auf angeborenen Kompetenzen, wodurch der biologisch notwendige Bindungsprozeß hergestellt werden kann, der den Schutz des Kindes garantiert.

Auslösemechanismen, die Bindungsverhalten entstehen lassen:

Konrad Lorenz` Beschreibung des "Kindchenschemas" (d.h. die Proportionen des kindlichen Körpers: großer Kopf, große Augen, Pausbacken etc.) rufen instinktive "Brutpflegehandlungen" hervor, wie liebevolle Zuwendung, Umsorgen, Abblocken von Aggressionen ... .

Auch Eltern verfügen über angeborene Kompetenzen, mit denen sie sich auf die Bedürfnisse des Kindes einstellen können. Sie verwenden z. B. die Ammensprache (Kennzeichen: besonders deutliche, einfache Ausdrucksformen, längere Pausen an den Satzgrenzen, übertriebene Interaktionskontur, hohe Tonlage, Betonung einer Information, etc.)

Bei der Frage nach einer pränatalen Bindung, muß man davon ausgehen, daß eine pränatale Bindung des Kindes an die Mutter rein spekulativ ist, biologisch wenig sinnvoll, da die Sterblichkeit der Mütter früher und auch heute noch in der Dritten Welt, bei der Geburt, hoch ist und die Kinder darauf angewiesen sind, Bezug zu anderen Personen aufzunehmen.

Die Mutter bindet sich pränatal in der Regel schon an ihr Kind. Indikatoren dafür sind z. B. : intensive Trauerreaktionen bei Totgeburten, Vorbereitung durch die Wahl eines Namens, Herrichten eines Kinderzimmers, etc. Diese Bindungsprozesse stehen im Dienste der Sicherung des Überlebens für das Kind.

Funktion für die Mutter: Anstrengungen während der Schwangerschaft und Geburt sind besser zu ertragen, wenn eine liebevolle Bindung zu dem Kind besteht.

Es gibt zentrale Anstöße /"Schlüsselereignisse", die zur Bildung von Elternidentität führen können:

  1. Feststellung der Schwangerschaft: die sichere Bestätigung wird zum ersten Schlüsselereignis. Das Ende der Unsicherheitsphase und der Beginn der ernsthaften Beschäftigung mit der Frage der Elternschaft. Die Zeitspanne zwischen Befruchtung und der möglichen Anwendung eines Schwangerschaftstestes wird immer kürzer. Dadurch wird die Zeitspanne, in der sich Elternidentität entwickeln kann und eine innere Vorbereitung geschieht, verlängert.
  2. Ultraschalldiagnostik: trägt entscheidend dazu bei, daß Eltern ein konkretes Bild von dem Kind entwickeln können. Die erste Ultraschalluntersuchung löst meist eine positive Reaktion aus und die Eltern freuen sich über die erneute Bestätigung der Schwangerschaft. Auch die Entwicklung eines Mutter- /Vaterschaftskonzeptes wird somit vorangetrieben.
Elternschaft gefördert:

-) erste Wahrnehmung der Kindesbewegungen

Ziele der Arbeit:

Es geht um die Erfassung der sich wandelnden körperlichen, psychischen und sozialen Erfahrungen und ihrer subjektiven Bedeutsamkeit, im Prozeß der Entwicklung einer Elternidentität.

Da der Sinn dieser Arbeit darin liegt, Implikationen für präventive und therapeutische maßnahmen auf dem Gebiet der Familienentwicklung zu liefern, hat sie auch das Ziel, Phänomene von Anpassungsstörungen zwischen Eltern und Kind, in iherer Entstehung und in der pränatalen Zeit, zu thematisieren.

Der Arbeit soll die Entwicklung von Mutter- und Vateridentität im Übergang zur Elternschaft beschreiben - als ein Definitionsraum von Identität in einer identitätskritischen Lebenslage.

Empirischer Teil:

Methode:

Befragung der Versuchspersonen durch halbstrukturierte Interviews; die Partner werden getrennt von einem jeweils gleichgeschlechtlichen Interviewer befragt

längsschnittliche Erhebung

geringe Versuchspersonenzahl

Erfaßt wird:

subjektive Einschätzung der Eltern

Kontextmerkmale

Inhaltliche Bereiche:

bisherige Lebensgeschichte und Planung des Kindes im Rahmen der Partnerbeziehung

Bedeutung des Kindes für die eigene Identität

Zukunftsplanung: beruflich und privat

Fragen der Mutter- , Vater- und Elternidentität

Zusammenhänge mit der kindlichen Entwicklung

Zusätzlich:

Durchführung eines standardisierten Tests (SSG-Fragebogen) zur Unterscheidung zwischen klinisch auffällig und unauffällig

Erhebungen:

Interview: bis 12.SSW Erstdiagnose, 1. ärztl. Untersuchung abgeschlossen

Interview: 12.-16.SSW 1. Ultraschalluntersuchung, Herztöne hörbar

Interview: 16.-24.SSW 1. Kindesbewegungen, evtl. Schwangerschaftsgymnastik

Interview: 24.-30.SSW Gewichtszunahme deutlich sichtbar

Interview: 32.-36.SSW 2. Ultraschalluntersuchung, Beginn des Mutterschutzes (SSG- Fragebogen erhoben)

6.Interview: 36.-40.SSW Bauch senkt sich, Geburt steht unmittelbar bevor

GEBURT

7.Interview: Baby 6 Wochen 1. Erfahrung mit Elternschaft, aber noch keine Routine, die Erfahrung der Geburt und des 1. Kindeskontakt noch sehr lebendig

8.Interview: Baby 3 Monate Umgang mit dem Kind gehört zum Alltag

Zusammenfassung des strukturellen Entwicklungsverlaufes von Frau A und Frau:

Frau A: Frau B:

Körperliche Prozesse:

-) traut den Körpersignalen nicht -) sensible Wahrnehmung und Beachtung

der körperlichen Phänomene

-) braucht Vermittler zwischen sich und dem Kind -) Schwangerschaft, Geburt und

Stillen relativ problemlos

-) Geburt mittels Kaiserschnitt

Emotionale Prozesse:

-) erschrickt über die Kindesbewegungen, -) Betonung der Intuition und der Em

löst Ambivalenz und Unsicherheit aus tionen

-) großes Gefühl der Sicherheit

-) Konflikt zwischen Berufstätigkeit und

Mutterschaft

-) Geburt erschüttert das emotionale Gleich-

gewicht

Kognitive Prozesse:

-) Konzentration auf die kognitive Ebene, -) Wissensaneignung durch häufiges Lesen

liest viel -) konkretes Bild vom Kind und von sich als

Mutter

-) kann kein Bild von sich als Mutter entwerfen

-) Erwartung, daß sie nach der Geburt lernen -) Zukunftsphantasien

wird

Soziale Erwartungen und Erfahrungen:

-) Umwelt verstärkt ihr Unfähigkeitsgefühl als -) ablehnende Haltung der Mutter zur

Mutter Schwangerschaft der Tochter

-) keine Erfahrung mit Kindern -) legt Wert auf Meinung anderer

-) Orientierung an den Schwangerschaftsge- -) versteht es, eigene Sicherheit zu gewinnen

schichten

Verhalten:

-) bekommt gesagt, was eine Mutter tun, -) richtet sich nach eigenen Überzeugungen

empfinden und sein hat und handelt und weniger nach Rollenbildern

entsprechend (gibt das Rauchen auf) -) flexibles Verhalten, an den Bedürfnis-

sen des Kindes und an sich selbst orientiert

Kind selbst:

-) Wissen ist mit dem Gefühl nicht im Einklang -) Bestätigung der vorhergehenden

bis deutliche Signale vom Kind kommen Phantasien

(z.B.: lächeln) -) positive Erfahrungen sichern ihre

Mutteridentität

-) lehnt sich erstmals gegen die Erwartungen auf

-) zunehmend individuelleres Bild von sich als Mutter

Zusammenfassung: DIE ENTWICKLUNG DER MUTTERIDENTITÄT

Schlußfolgerungen, die wir aus den beiden genannten Entwicklungsverläufen ziehen konnten:

Es gibt interindividuelle Unterschiede in der Betonung von den genannten "Wendepunken", die eine Änderung des Erlebens auslösen.

Unterschiede gibt es auch in der Schnelligkeit, mit der die Mutter ihre Wahrnehmung auf das Kind richtet. Dies hängt vermutlich damit zusammen, ob die Frau bereits vor der Schwangerschaft ein Bild von sich als Mutter gehabt hat.

In diesen beiden Fällen konnte auch gezeigt werden, daß eine Bindungsbereitschaft während der Schwangerschaft die Identitätsentwicklung zu erleichtern scheint.

Eine aus den Daten der Versuchspersonen gewonnene These der Autorin lautet, daß eine Dominanz emotionaler, intuitiver Prozesse während der Schwangerschaft ( und der damit verbundenen Sensitivität für körperliche Prozesse) einen unkomplizierteren Verlauf garantiert als die Dominanz von Kognition und Wissen.

Persönliche Stellungnahmen:

Die theoretische Ausführung über kulturelle Varianten der Elternschaft, weckten unser Interesse im besonderen deshalb, weil es uns in der qualitativen Forschung sehr bedeutsam erscheint, daß das <Vorverständnis> nicht unreflektiert den Blick auf die beforschten Subjekte beeinflußt.

Leithäuser und Volmerg (1988) geben folgende Beschreibung:

Die Subjektivität des Forschers kann sich im Forschungsprozeß erkenntnisverengend oder -erweiternd bemerkbar machen. Aus den Motiven des Forschers, den bewußten und unbewußten, speist sich der Erkenntnisdrang, das Engagement für die Sache, die Bereitschaft zur Empathie, die Wachheit gegenüber leisen Tönen. Die wissenschaftliche Tätigkeit kann aber auch an die Stelle ungelöster psychischer Probleme treten, was die Gefahr birgt, daß Projektionen, Verdrängungen und Gegenübertragungen die Erkenntnis blockieren. (S.133)

Sich der Wirkung und des Wirkens der eigenen Subjektivität im Forschungsfeld gewahr zu sein, erfordert einerseits Selbstreflexion (Forschungssupervision) und andererseits können weitreichende Vergleiche (wie beispielsweise dieser Kulturvergleich) eigene Blockierungen aufweichen. Daraus resultiert auch, daß es bedeutsam ist, eine skeptische Haltung allen Hypothesen gegenüber beizubehalten, die in die Forschung eingebracht oder frühzeitig entwickelt worden sind und sie immer wieder anhand der Daten zu überprüfen. Wir hätten uns in der von uns referierten Studie ein bißchen mehr Vorsicht bei den interpretativen Formulierungen gewünscht, nicht zuletzt auch wegen der ungewöhnlich kleinen Stichprobe.

Strauss und Corbin (1996) postulieren:

Gute Wissenschaft (gute Theorie) entsteht durch dieses Wechselspiel zwischen Kreativität und den durch Übung und Ausbildung erworbenen Fähigkeiten. (S.27)

Seyle (1956) äußert, was man in Ergänzung dazu beachten sollte:

Das Wesen spezifischer Entdeckungen besteht nicht darin, etwas als erster zu sehen, sondern tragfähige Verbindungen zwischen zuvor Bekanntem und dem bisher Unbekannten zu knüpfen. (S.6)

Uns schien, daß sich dieser Forschungsgegenstand sehr gut für ein qualitatives Herangehen eignet, daß aber die oben genannten Kriterien qualitativen Forschens nicht immer ausreichend erfüllt werden konnten.

Literaturverzeichnis:

GAUDA, G. (1990). Der Übergang zur Elternschaft. Frankfurt am Main: Peter Lang.

LEITHÄUSER, Th. & VOLMERG, B. (1988). Psychoanalyse in der Sozialforschung. Opladen.

SEYLE, H. (1956). The Stress of Life. New York: Mc Graw Hill.

STRAUSS,A. & CORBIN, J. (1996). Grundlagen Qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz

KITZINGER, S. (1978). Frauen als Mütter. Mutterschaft in verschiedenen Kulturen. München: Kösel.

de PARSEVAL, D.G. (1985). Was wird aus den Vätern? Künstliche Befruchtung und das Erlebnis der Vaterschaft. Weinheim: Beltz

HIPPE'LI,R. & KEIL, G. (1982). Zehn Monde Menschwerdung. Biberach a.d. Riss: Basotherm GmbH.

AMENDT, G. (1986). Der neue Klapperstorch: Über künstliche Befruchtung, Samenspender, Leihmütter, Retortenerzeugung. Die psychischen und sozialen Folgen der Reproduktionsmedizin. Herbstein.


Inhaltsverzeichnis

10) Herausforderung Mutterschaft

SCHIEßER Margit

1.EINLEITUNG

Es gibt wenige Ereignisse im Lebenslauf von Erwachsenen, die eine so einschneidende und langfristige Wirkung haben wie der Beginn der Elternschaft.

Die meisten angehenden Eltern sind ungenügend und eher zufällig auf die Veränderungen und Aufgaben vorbereitet. Im Westdeutschen Fernsehen gab es die Fernsehserie "Der Elternführerschein- Ein Kurs zur Erziehung des Kleinkindes" (Spahn 1976). Damit wir ein Fahrzeug lenken dürfen, müssen wir eine Ausbildung mit einer anschließenden Prüfung erfolgreich absolvieren. Wenn es aber darum geht, Verantwortung für ein Baby zu übernehmen, haben meist Intuition und gesunder Menschenverstand oder "learning by doing" zu genügen?

Jede Familie ist eingebettet in ein soziales, politisches und kulturelles System, das bestimmte Erwartungen an die Familienmitglieder richtet und gleichzeitig einen Beitrag zum Wohl der Familie leistet. Familien werden vorzugsweise als dynamische Systeme betrachtet.

2. HAUPTTEIL

2.1 Theorie zum Übergang zur Elternschaft

Ich möchte den Übergang zur Elternschaft aus verschiedenen Perspektiven beleuchten, wobei die Prozeßhaftigkeit dieses Vorganges besondere Beachtung findet.

2.1.1 Das Modell von WYNNE (1985)

Die Entwicklung eines dauerhaften Beziehungssystems geht in einer festgelegten Abfolge von Stufen vor sich.

1. Stufe: BINDUNG UND FÜRSORGE:

Ein typisches Beispiel für das Bindungsverhalten ist das "Sich-Verlieben". In seiner Intensität kommt es dem kindlichen Erleben am nächsten.

2. Stufe: DAS KOMMUNIZIEREN:

Das Erlernen gemeinsamer Kommunikationsschlüssel wird zur Hauptaufgabe.

3. Stufe: DAS GEMEINSAME PROBLEMLÖSEN:

Treten Schwierigkeiten auf, ist es nötig, zuerst die Defizite aus den vorangehenden Entwicklungsstufen anzugehen.

4. Stufe: GEGENSEITIGKEIT:

Die Partner verändern sich in jeder Beziehung. Schwierigkeiten können auftreten. Da ist es wichtig, daß jede Person von Zeit zu Zeit das Funktionieren des Systems überprüft, d.h.

eine "Metakognition" außerhalb des Systems einnimmt und auf den entsprechenden Stufen eine Korrektur vornimmt.

2.1.2 Die drei Exposés von SCHÜLEIN (1990):

Schülein zeigt, welche Interpretations- und Verhaltensmuster die westeuropäische Gesellschaft beim Übergang zur Elternschaft anbietet. Es handelt sich um drei Exposés, die Wege in den Entscheidungsprozessen bahnen und zwischen Umwelt, Welt der Eltern und Lebenswirklichkeit der Kinder vermitteln.

2.1.2.1 Der Traditionalistische Entwurf:

Schülein unterscheidet zwischen einem dörflich und einem städtisch geprägten Exposé, wobei die Frauen in städtischen Verhältnissen mit mehr Isolation zu rechnen haben.

2.1.2.2 Der Moderne Entwurf:

Moderne Eltern anerkennen ihr Kind als ein eigenständiges Wesen, dem sie höchste Zuneigung, Unterstützung und optimale Entwicklungsbedingungen zukommen lassen.

2.1.2.3 Der Avantgardistische Entwurf:

Die Bedürfnisse des Kindes genießen absolute Priorität. Es wird großer Wert auf intensiven Körperkontakt gelegt. Das Kind wird zum Erzieher der Erzieher.

2.1.3 "Acht idealtypische psychologische Phasen des Übergangs" von GLOGER-TIPPELT (1988):

2.1.3.1 Die Verunsicherungsphase:

Sie beginnt mit dem Wissen um die Schwangerschaft. Dazu zählt auch die hormonelle, psychosomatische Veränderung, die körperliche Belastung und die emotionale Verunsicherung.

2.1.3.2 Die Anpassungsphase:

Die Schwangerschaft wird an die breitere Öffentlichkeit mitgeteilt, eine erste Neuorientierung findet statt, und eine intensive Suche nach Information über Schwangerschaft bzw. Geburt beginnt.

2.1.3.3 Die Konkretisierungsphase:

Sie beginnt mit der Wahrnehmung der Kindsbewegungen. Diese geben der Mutter die Sicherheit, daß ihr Kind lebt. Es werden neue Rollen als Mutter und Vater hypothetisch entworfen.

2.1.3.4 Die Phase der Antizipation und Vorbereitung:

Diese Phase wird durch die bevorstehende Geburt geprägt und löst oft ambivalente Gefühle bei der Mutter aus.

2.1.3.5 Die Geburtsphase:

Sie stellt einen Wendepunkt in der Familienentwicklung dar. Besonders bedeutsam ist die Unterstützung durch den Partner während der Geburt.

2.1.3.6 Die Phase der Überwältigung und Erschöpfung:

Sie gleicht der Verunsicherungsphase. In beiden Phasen zeigen die Eltern eine hohe Unsicherheit und emotionale Belastung. Diese neue Situation verlangt eine große Umstellung und enorme Flexibilität. Nicht selten entsteht eine physische und psychische Überforderung.

2.1.3.7 Die Phase der Herausforderung und der Umstellung:

Das Kind wird sozial aktiv. Die Eltern entwickeln eine gewisse Sicherheit und ein stabiles Bild über die Bedürfnisse ihres Kindes.

2.1.3.8 Die Phase der Gewöhnung:

Ein gewisses Erfahrungswissen hilft den Eltern, die Alltagsroutinen entspannter zu

bewältigen.

2.1.4 Das Ablaufdiagramm der Inanspruchnahme sozialer Dienste von

WIRTH (1982):

Wie läßt sich die Inanspruchnahme von sozialer und medizinischer Unterstützung erklären?

Wirth (1982) betont eine differenziertere Prozeßbetrachtung. Auf jeder Stufe läßt sich nachweisen, daß Personen aus tieferen sozialen Schichten benachteiligt sind. Ursache ist das schichtspezifische Nutzungsverhalten.

Eine Hilfe wird nur dann beansprucht, wenn die Situation als problematisch eingestuft wird. Diese Beurteilung ist vom Selbstvertrauen, von Erfahrungen, vom Informationsstand, von den eigenen Kompetenzen,... abhängig. Hinter einer Handlungsbereitschaft steckt viel Motivation. Man will aktiv Hilfe anfordern, denn die meisten sozialen und medizinischen Angebote sind freiwillig.

In der Regel versuchen Personen zuerst mit eigenen Anstrengungen aus der Notlage zu kommen.. Ist das nicht möglich, beginnt eine Suche nach formalen Unterstützungsangeboten. Bei der Suche und Bewertung von geeigneten Diensten spielt das soziale Netz eine wichtige Rolle.

Dem eigentlichen Beratungs- oder Hilfsgeschehen geht eine Bewerbungsphase voraus. In dieser soll das weitere Vorgehen und die "Spielregeln" geklärt werden.

In der Klientenphase bekommt der Empfänger seine Rolle reflektiert oder eventuell neu definiert, um den jeweiligen Gewinn abzuschätzen.

Die Zufriedenheit mit einem Dienst hängt sehr stark von der Übereinstimmung zwischen Anbieter und Empfänger über Ziele, Methoden und Erfolg ab.

2.2 Die Studie selbst

2.2.1 Fragestellung der Studie:

Ziel der Untersuchung ist es, die Berührungspunkte zwischen der jungen Familie und den Angeboten staatlicher Gesundheits- und Sozialpolitik bei der Geburt des ersten Kindes genauer

zu beschreiben. Diese Studie soll das komplexe Wechselspiel zwischen mütterlichem Erleben, sozialer Beziehung und öffentlicher Unterstützungen beschreiben.

Diese Untersuchung geht von einem einfachen Handlungsmodell (Abbildung 1) aus. Jemand unternimmt dann aktive Bewältigungsversuche, wenn die Person unter Leidensdruck steht. Weiters müssen die Unterstützungsangebote positiv bewertet werden und die Person muß eine generelle Bereitschaft zeigen, Hilfe in Anspruch nehmen zu wollen.

Dieses hypothetische Modell zeigt den Einfluß verschiedener Ressourcen und Streßfaktoren auf das Erleben der Mutter in ihrer Betreuungs- und Erziehungsfunktion.

Abbildung 1: Hypothetisches Modell des Zusammenhangs zwischen der Erziehungsfunktion und öffentlicher sozialer und medizinischer Unterstützung (Huwiler, K., Herausforderung Mutterschaft, Verlag Huber Bern, 1995, S. 93-94)
 
Betreuungs- u. Erziehungsaufgabe

aus der Sicht der Mutter 

Unterstützungsbedarf u. Inanspruchnahme 

öffentlicher sozialer u. medizinischer Unterstützung 

Ressourcen und Streßfaktoren mit Einfluß auf die Betreuungs- u. Erziehungsfunktion  Bewertung der Betreuungs- u. Erziehungssituation  Motivation u. Möglichkeit zur Veränderung der Betreu-

ungs- u. Erziehungssituation 

Veränderungsversuch

 
 
physische, psychische u. 

kognitive Eigenschaften

der Mutter 

      Kenntnis des

Unterstützungs-angebotes 

   
Charakteristiken des Kindes oder der Kinder    Wohlergehen

der Mutter 

  Unterstützungsbedarf    Inanspruchnahme

sozialer/

medizinischer

Unterstützung

emotionale Unterstützung durch den Partner ,Verwandte und 

Bekannte 

      Bereitschaft zur Nutzung sozialer Unterstützung     
materielle und tatkräftige 

Unterstützung durch den Partner, Verwandte und Bekannte 

      Einstellung von Ver-

wandten u. Bekannten

zur Nutzung d.Unter- stützungsangebotes 

   
sozioökonomische und

sozioökologische Situation

           

2.2.2 Charakteristiken der Stichprobe

2.2.2.1 Zugang zum Feld:

An der Studie nahmen 200 Frauen teil. Davon waren 21 türkischsprechende Mütter und 10 gebürtige Italienerinnen dabei. Der Versuchsleiter kontaktierte seine Probanden über Schwangerschaftskurse, Geburtsvorbereitungskurse, Frauenkliniken,...

2.2.2.2 Untersuchungsdesign:

Es gab 3 Datenerhebungszeitpunkte: zwischen dem 3. und 9. Schwangerschaftsmonat, 4 Monate nach der Geburt und 1 Jahr nach der Geburt.

Außer einem ausführlichen Gespräch mußten die Mütter Fragebögen zur Selbstbeschreibung und den EMKK-Fragebogen zur Einstellung gegenüber Kleinkinder ausfüllen.

2.2.2.3 Soziodemographische Merkmale der Stichprobe:

*) Das Alter der Mütter war bei der Geburt ihres ersten Kindes im Durchschnitt 29,3 Jahre.

Die Türkinnen waren im Durchschnitt um 4 Jahre jünger.

*) Zivilstand: 86% der Eltern waren bei der Geburt des Kindes verheiratet.

*) Konfession: Wenn man die Türkinnen nicht berücksichtigt, dann sind 48% evangelisch reformiert, 35% römisch-katholisch, 14% konfessionslos und 3% gehören einer anderen Konfession an.

*) Wohnort: 34% lebten in der Stadt.

*) Ausbildung: Durch den hohen Anteil an gebürtigen Ausländerinnen ist eine übliche Darstellung von Schul- und Berufsbildung unmöglich. Es ergeben sich folgende Aufstellungen:

8,8% verfügen über keine abgeschlossene Berufsausbildung

15,4% haben eine Lehre in handwerklichen Berufen abgeschlossen

45,1% haben eine kaufmännische Lehre abgeschlossen

21,4% besitzen eine Ausbildung in sozialen Berufen

9,3% haben eine höhere Ausbildung absolviert.

2.2.3 Ergebnisse:

2.2.3.1 Partnerschaft, Verwandte, Bekannte und soziale Unterstützung:

*) Paarbeziehung und Unterstützung durch den Partner:

Nach der Rückkehr der Mütter aus dem Spital kümmerten sich 49% der Männer intensiv um familiäre Belange.

Die Väter engagierten sich stärker für das Kind als im Haushalt. Im Laufe der Zeit ging der Umfang der Hilfeleistungen zurück. Die allgemeine Zufriedenheit der Mütter mit der

Unterstützung durch ihren Partner war also sehr hoch. Über 90% erhielten diese emotionale und tatkräftige Unterstützung durch ihren Partner.

An familienbezogenen Aktivitäten, die sich außer Haus abspielten, beteiligten sich die Männer erwartungsgemäß seltener. 58% der Väter begleiteten ihre Frau mit dem Kind zum Kinderarzt, aber nur 18% waren alleine dort.

Ein Jahr nach der Geburt meinten 84% der Mütter mit ihrer Ehe oder Partnerschaft sehr zufrieden zu sein. 6% waren unzufrieden.

*) Die alleinerziehenden Mütter und ihre Beziehung zum Vater des Kindes:

Durch den Übergang zur Elternschaft ergaben sich finanzielle Schwierigkeiten und unangenehme Auseinandersetzungen um die Vaterschaftsanerkennung und um das Besuchsrecht.

Ein Bedürfnis nach einer auf gegenseitigen Hilfe beruhenden Beziehung zu einem Partner war bei den Alleinerziehenden vorhanden.

Hauptsächliches Defizit stellt der fehlende emotionale Rückhalt dar.

Die Mütter vermißten eine Unterstützung in der Kinderbetreuung, im Umgang mit Ämtern und bei Alltagsroutinen.

Einige Mütter waren jedoch stolz auf sich, weil weder der Vater des Kindes noch die soziale Umgebung der Mutter zutrauten, daß sie das Kind alleine aufziehen konnte.

*) Soziale Kontakte zu Verwandte und Bekannte:

Die sozialen Kontakte zur Herkunftsfamilie zur Mutter waren besser und intensiver als die Kontakte zur Familie des Partners. 94% der Mütter standen in emotional befriedigenden Beziehungen zu den Eltern.

Innerhalb der Verwandtschaft überwogen positive Veränderungen im Anschluß an die Familiengründung. Nicht selten erlebten Mütter, daß sie in den Augen ihrer Eltern und Schwiegereltern einen neuen Status erhielten.

Im Bekannten und Freundeskreis ergab sich eine Reduktion von Kontakten zu Leuten, die keine Kinder hatten. Es war eine Verschiebung der Prioritäten hin zu Beziehungen mit anderen Eltern zu beobachten. Ursachen dafür sind ein geringes Interesse der Nicht-Eltern an Kinderfragen, weniger Verständnis für eine geringere Flexibilität der Eltern und die Scheu von kinderlosen Eltern, in eine Familie einzudringen. Umgekehrt trugen auch die Müdigkeit der Eltern und ihr Bedürfnis, zuerst in der Familie eine neue Sicherheit und Geborgenheit zu finden, bei.

Quantitativ ließen die sozialen Kontakte im Freundes- und Bekanntenkreis nach, obwohl Mütter durch das Kind neue Bekanntschaften geschlossen haben.

*) Unterstützung durch Verwandte und Bekannte:

Die Herkunftsfamilie der Mutter entlastet die junge Familie häufiger durch konkrete Hilfestellungen und finanzielle Unterstützungen als nicht verwandte Bezugspersonen.

Für Fragen, die das Kind oder den Lebensalltag der Mutter betrafen, waren Freundinnen die bevorzugteren Gesprächspartnerinnen.

Im Idealfall ergänzen sich verwandtschaftliche und freundschaftliche Kontakte.

Die hilfreichste Entlastung für die junge Familie stellte eine zuverlässige Betreuung des Kindes dar. Die Eltern und Schwiegereltern engagierten sich am intensivsten bei der regelmäßigen Kinderbetreuung.

Ein noch stärker ausgeprägtes Bild ergab sich für die regelmäßige Unterstützung bei der Hausarbeit, wo die Eltern der Mutter alle anderen Personen fast um das vierfache übertrafen.

Vier Monate nach der Geburt hätten 30% der Mütter gerne vermehrt Unterstützung aus dem Freundes- und Verwandtenkreis. Nach einem Jahr traf es auf 40% der Mütter zu. Vermutlich führte die größere Unabhängigkeit des Kindes von der Mutter und das angestaute Bedürfnis der Frauen nach mehr Sozialkontakten oder mehr Freiraum dazu, daß der Bedarf an Unterstützung im zweiten Lebensjahr des Kindes zunahm. Das heißt aber nicht, daß die Mütter mit den verschiedenen Formen der Hilfe unzufrieden waren.

Türkinnen berichten über weniger Unterstützung von der eigenen Familie, der Familie des Mannes und von Bekannten.

Viele Mütter beschrieben, wie aufwendig und kompliziert es war, nur geringe Distanzen mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu überwinden, was wiederum die Spontaneität sehr einschränkte.

Viel vermißten die Möglichkeit, mit jemand ungestört und nicht über kindsbezogene Themen sprechen zu können. Allerdings standen den Müttern während des Tages häufig Mütter mit Kindern offen, und nicht frühere Arbeitskolleginnen.

Kurse und Freizeitangebote verlangten ein hohes Maß an Vorausplanung. Der Bewegungsspielraum vieler Mütter war stark eingeschränkt, und zwar mehr, als sie es vorausgesehen hatten. So waren 49% der Mütter nach einem Jahr teilweise oder ganz unzufrieden mit der Zeit, die für ihre Bedürfnisse zur Verfügung stand.

2.2.3.2 Nutzung sozialer und medizinischer Angebote durch die junge Familie:

*) Psychosoziales und medizinisches Grundangebot:

Dieses Angebot setzt sich aus der kinderärztlichen Versorgung, der Mütterberatung und der Stillberatung zusammen. Die Zufriedenheit der Mütter mit den Ärztinnen und Mütterberaterinnen kann als sehr hoch bezeichnet werden. Im Vordergrund stand der Beziehungsapekt zwischen Ärzte, Mutter und Kind. Den Müttern war es wichtig, als Hauptverantwortliche für ihr Kind ernst genommen zu werden.

Eine hohe Zufriedenheit mit der Mütterberatung ergab sich dadurch, daß die Mutterberatungsschwestern den Müttern Bestätigung und Sicherheit vermittelten und verunsicherten Müttern Mut zusprachen. Außerdem wurde ihr Fachwissen sehr geschätzt. Die Mütterberatung wurde als Ergänzung zur Kinderärztin gesehen, welche keine Medikamente verabreichte, sondern für alternative Methoden plädierte und unverbindlich aufgesucht werden konnte.

Negativ erlebten die Mütter die langen Wartezeiten, den Zeitdruck während der Beratung, mangelnde Diskretion und ungeeignete Räumlichkeiten.

Während Türkinnen eine Mütterberatung im Durchschnitt 4,3 mal aufsuchten, waren andere Frauen im Durchschnitt 8,0 mal dort.

Ein leichter Rückgang mit der Zufriedenheit der Mütterberatung ist deswegen, weil die Mütter mit zunehmendem Alter der Kinder konkrete Anliegen vorbrachten. Eine Verlagerung der Funktion der Mütterberatung fand statt. Am Anfang stand eine stützende und begleitende, später eine durch konkrete Anregungen gekennzeichnete Beratung im Zentrum.

*) Angebote zur Erhöhung der Kompetenz und des Wohlbefindens:

Dazu zählen Kurse für Mütter, Väter und Kinder (z.B. Babyschwimmen.,,,), Angebote der Elternbildung, bei denen die Kinder nicht anwesend sind und Begegnungseinrichtungen

(z.B. Mütterzentren,...).

Die Zufriedenheit mit den Kursen und Veranstaltungen war allgemein hoch. Die informellen Treffpunkte und die Krabbelgruppen, welche Mütter und Kleinkinder in Kontakt brachten, entsprachen weniger den Erwartungen.

Die Mütter wurden befragt, wie zufrieden sie mit den vorhandenen Einrichtungen seien. Ein beachtlicher Teil der Mütter gab an, keinen Bedarf an solchen Angeboten zu haben oder zu wenig gut informiert zu sein. 1/5 der Frauen beurteilte das vorhandene Angebot als ungenügend bzw. als inexistent.

*) Angebote zur Reduktion von Unsicherheit und Leidensdruck:

Dazu gehören psychologische und psychiatrische Beratungen und Therapien, Selbsthilfe -und Selbsterfahrungsgruppen,... Deren Beanspruchung setzt das Überwinden einer Hemmschwelle voraus.

12% der Familien nahmen dieses Angebot in Anspruch. Ein Großteil der Mütter gab an, keinen Bedarf an kindbezogener Beratung, die über die Mütterberatung hinaus geht, zu haben.

*) Ungedeckter Bedarf an sozialen und medizinischen Angeboten:

Klarer Spitzenreiter stellt hier die fehlende Kinderbetreuung dar. Einzelne Mütter hatten Mühe, einen Platz bei einer Tagesmutter zu finden bzw. das Kind kurzfristig und ohne Voranmeldung einer zuverlässigen Tagesmutter überlassen zu können.

An zweiter Stelle stand der Wunsch nach mehr Kontakt mit anderen Müttern, die sich in ähnlichen Situationen befanden.

Türkinnen und Alleinerziehende hatten einen größeren Mangel an sozialen und medizinischen Angeboten.

Im allgemeinen kann man nicht davon ausgehen, daß mangelhafte Unterstützung von Verwandte und Bekannte durch öffentliche Unterstützung ausgeglichen werden kann und umgekehrt.

*) Die Bereitschaft zur Inanspruchnahme sozialer und medizinischer Angebote:

Die Bereitschaft, Unterstützung zu suchen und zu akzeptieren, ist stark von der Person und vom Geschlecht abhängig.

Die Einstellung der Mütter ist nicht unabhängig von der Einstellung der Väter. Es zeigt sich die Tendenz, daß Mütter und Väter ähnliche Meinungen über die Inanspruchnahme von Fachpersonen haben. Wobei die Männer gegenüber Hilfsangeboten allgemein ablehnender eingestellt sind als die Frauen.

Bei der öffentlichen Akzeptanz von sozialer Unterstützung schreckten die Mütter am meisten vor der finanziellen Unterstützung zurück. Bei Problemen in der Partnerschaft wäre ihnen der Gang zu Fachpersonen leichter gefallen. Und bei Problemen mit Kindern wäre ihnen das Einholen von fachlichem Rat am einfachsten gefallen.

Die Einstellung gegenüber sozialer Unterstützung ist inhaltlich zu unterscheiden von der Schwelle, die jemand überwinden muß, um solche Angebote zu beanspruchen. Je positiver die Einstellung zur sozialen Unterstützung ist, um so geringer ist die Hemmschwelle.

2.2.3.3 Kausales Modell für das Wohlbefinden der Mütter:

Frauen, die der Überzeugung sind, daß sie die Kontrolle über ihr eigenes Leben haben, erleben die Mutterschaft, ihr Kind und ihr Dasein positiver als jene Frauen, die ein hohes Gefühl der Machtlosigkeit haben.

Mütter, die eine unglückliche Kindheit erlebten, sind signifikant weniger zufrieden mit der Rolle als Mutter.

Die Biographie der Mutter bekommt in dieser Zeit eine große Bedeutung. Alleinerziehende Mütter berichten überzufällig oft von einer Trennung oder Scheidung in der Herkunftsfamilie.

Für das Wohlergehen der Mütter ist die Einstellung zur Mutterrolle und zum Kind sowie die Einstellung um die Paarbeziehung und die davon abhängige Aufgabenteilung wichtig.

Die Zufriedenheit mit ihrer Situation sank bei nicht-erwerbstätigen Müttern. Sie vermißten die Außenkontakte und der Alltag erschien jeder vierten Mutter zu wenig befriedigend.

Die Mutter-Kind-Beziehung bildet eine eigene Sphäre. Das Ausmaß der Unterstützung, welche die Mütter erlebten, wirkte sich nicht auf die Rollenzufriedenheit aus. Die Mütter reagierten jedoch stark auf die kindlichen Signale, welche eine Rückmeldung für die Pflege, Erziehung, ... waren.

Von welchen Angeboten hängt es nun ab, ob eine Mutter Hilfe in Anspruch nimmt oder nicht?

Die Einstellung und tatkräftige Unterstützung des Partners, der Verwandten und Bekannten zur Inanspruchnahme öffentlicher sozialer Unterstützung beeinflußten das Verhalten der Mütter nicht. Nur bei der Wahl der Kinderbetreuung spielte die Einstellung eine Rolle.

Das Wissen über verfügbare Hilfsangebote war die einzige Variable, die eindeutig bestätigt worden ist. Diese Variable war bei denjenigen Müttern am größten, die die entsprechenden Dienstleistungen benutzten.

Den stärksten Indikator bildet das Wohlergehen der Mütter; das kindliche Wohlergehen erscheint dagegen relativ bedeutungslos zu sein. Ein gewisser Leidensdruck der Mutter fördert die Bereitschaft, Hilfe außerhalb der Familie zu suchen.

Das Alter der Mütter, das Familieneinkommen und ihre Schulbildung haben keinen Einfluß auf die Inanspruchnahme von Angeboten zur Steigerung des Wohlbefindens.

3. ZUSAMMENFASSUNG:

Die Ergebnisse geben einen Einblick in das komplexe und sich ständig wandelnde Zusammenspiel zwischen Familie und familienpolitischen Maßnahmen.

Den angehenden Müttern war die emotionale und tatkräftige Unterstützung wichtig. Über 90% erhielten diese Hilfe wirklich.

Es fand ein reger Besuch von Kursen in der Schwangerschaft statt. 80-90% der Teilnehmer waren zufrieden. Viele Eltern beklagten sich über eine Informationsvielfalt und dadurch entstandene Verunsicherung.

Alleinerziehende Mütter wünschten sich für die Zukunft eine feste Partnerschaft. Ihr größtes Defizit war der fehlende emotionale Rückhalt.

Der Kontakt zur Herkunftsfamilie mütterlicherseits war intensiver als väterlicherseits.

Es reduzierten sich vor allem die Kontakte zu kinderlosen Familien.

Eine fehlende Kinderbetreuung ist der am meisten ungedeckte Bedarf an sozialen und medizinischen Angeboten.

Angebote zur Erhöhung der Kompetenz und des Wohlbefindens wurden von 44% der Frauen in Anspruch genommen. Jede dritte Frau hatte Interesse gehabt, leider standen ihnen aber keine Angebote zur Verfügung

Die Beanspruchung von Angeboten zur Reduktion von Unsicherheiten setzt das Überwinden einer Hemmschwelle voraus. 12% der Familien nahmen diese Angebote in Anspruch. Das Wohlergehen der Mütter wird am stärksten von einer guten emotionalen Unterstützung durch den

Partner geprägt. Dieses Wohlergehen bildet den stärksten Indikator, von dem es abhängt, ob die Mutter Hilfe akzeptiert und entgegennimmt oder nicht.

4. PERSÖNLICHE STELLUNGNAHME

Huwiler gelang es, Rahmenbedingungen beim Übergang zur Elternschaft festzustellen, mit dem Ziel, nun genau zu sehen, welche der Rahmenbedingungen in nächster Zeit optimiert werden müssen.

Ich habe vor dreieinhalb Jahren meine Ausbildung zur Kindergärtnerin und Horterzieherin abgeschlossen, unterrichte dreimal die Woche "Kinder, Sport und Spiel" und betreue einige Familien in Niederösterreich. Aus meinen Beobachtungen kann ich die mangelnde Kinderbetreuung leider nur bestätigen. Weiters muß ich zugeben, daß ich die eingeschränkte Mobilität und Spontaneität der jungen Familien anfangs auch nicht nachvollziehen konnte.

Durch diese Literatur konnte ich ein Vorurteil abbauen. Für mich war es bis vor kurzem unerklärlich, warum sich junge Eltern meist nur mit anderen Eltern trafen. Ich hatte das Gefühl, daß sich die Mütter und Väter in einer gewissen Art und Weise von den anderen Menschen zurückzogen, was für mich absolut unbegründet und nicht immer zu ihrem Vorteil ablief.

Die mir zur Verfügung stehende Literatur löste einen "AHA-Effekt" aus.

Am Ende der Arbeit wird das Wohlergehen der Mütter als das zentrale Element gesehen, wenn es darum geht, ob eine Mutter Hilfe in Anspruch nimmt oder nicht. Aber andererseits wurde berichtet, wie sich die jungen Mütter in ihren Bedürfnissen eingeschränkt fühlen. Wiederum kann ich aus eigener Erfahrung berichten, wie schwer es für Muttis sein kann, sich einen zuverlässigen Babysitter zu engagieren, um sich für kurze Zeit entspannen zu können. Nun, was können wir konkret dagegen tun? Huwiler berichtet von der Schweiz. Doch wie man sieht, zeigen sich in Wien und Umgebung sowie in ganz Österreich ähnliche Zustände. Wie wäre es mit einer Babysitterzentrale in Niederösterreich oder vernünftigen Öffnungszeiten der Kindertagesstätten? Auch eine psychologische Betreuung und Schulung von Mütterberaterinnen wäre sehr empfehlenswert.

Ein Kind zu bekommen und es zu erziehen stellt eine enorme HERAUSFORDERUNG dar.

Einerseits fordere ich mich als Mutter heraus und andererseits werde ich vom Kind und meiner Umgebung herausgefordert. Diese Herausforderung soll jedoch bei einer positiven FORDERUNG bleiben. Huwiler liefert viel Information darüber, wie die Rahmenbedingungen aussehen. Dieses Informationsmaterial bildet eine Basis, die aufzeigt, wo und wie eine junge Familie gefördert werden soll, damit aus der HERAUSFORDERUNG keine ÜBERFORDERUNG wird. Wie bereits erwähnt, bietet sich als erster Ansatzpunkt das Wohlergehen der Mutter an. Unter Förderung verstehe ich jedoch nicht "nur" das Bereitstellen von Information. Zu viel Information schafft eine zu große Verunsicherung. Mir erscheint es viel wesentlicher, die Eltern zu einer sensibleren Wahrnehmung im Kontext mit ihren Kindern zu befähigen. Es ist doch sinnvoller den Eltern zu helfen, auf ihre eigenen Empfindungen zu vertrauen, um Sicherheit zu gewinnen.

Zuletzt möchte ich noch einen Aspekt anbringen, der von den Müttern oft erwähnt wurde:

"Solange die Leistungen der Mütter in unserer Gesellschaft keine größere Wertschätzung erfahren, bleiben alle Anstrengungen und Neuerungen zugunsten der Familie an der Oberfläche." (Huwiler, K., Herausforderung Mutterschaf, Bern: Huber. S.211)

Diese Studie hat einen kleinen aber sehr wichtigen Beitrag dazu geleistet, die Anerkennung der unersetzlichen und unbezahlbaren Leistungen innerhalb der Familie zu heben.

LITERATURVERZEICHNIS:

Gloger-Tippelt, Gabriele: Schwangerschaft und erste Geburt. Psychologische Veränderungen der

Eltern. Stuttgart: Kohlhammer 1988.

Huwiler, K. (1995). Herausforderung Mutterschaft. Eine Studie über das Zusammenspiel von mütterlichem Erleben, sozialen Beziehungen und öffentlichen Unterstützungen im ersten Jahr nach der Geburt. Bern: Huber.

Schülein, Johann August: Die Geburt der Eltern. Über die Entstehung der modernen Elternposition und den Prozeß ihrer Aneignung und Vermittlung. Opladen: Westdeutsche Verlag GmbH 1990.

Spahn, Claus (Hrsg.): Der Elternführerschein. Ein Kurs zur Erziehung des Kleinkindes. München: Wilhelm Goldmann 1976.

Wirth, Wolfgang: Inanspruchnahme sozialer Dienste. Bedingungen und Barrieren. Forschungsberichte des Instituts für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik der Universität Bielefeld (IBS). Frankfurt a. M.: Campus 1982.

Wynne, Lyman C.: Die Epigenese von Beziehungsystemen: ein Modell zum Verständnis familiärer Entwicklung. Familiendynamik, 1985, 10 (1), 112-146.


Inhaltsverzeichnis

11) Die berufliche und familiärer Rolle der Frau nach der Karenz (1)

GRANZER Alexandra

Theoretischer Teil

1. Innerfamiliäre Arbeitsteilung

Nach der traditionellen Arbeitsteilung ist für den Außenbereich der Mann zuständig und für den Innenbereich die Frau. Der Mann übt den Beruf aus, er übernimmt die Rolle des Ernährers. Die Frau ist zuständig für die Familie, die Kindererziehung und den Haushalt.

Zahlreiche Untersuchungen (Bertram & Borrmann, 1988; Notz, 1991; Beck - Gernsheim, 1980;) bestätigen, daß diese Aufteilung auch heute noch in vielen Familien vorherrscht.

Es zeigte sich, daß Frauen, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, die ganze Hausarbeit allein erledigen - sie werden vom Ehemann kaum entlastet. Sind allerdings beide Partner vollzeit-erwerbstätig, dann überwiegt eher eine gleichverteilte Arbeitsaufteilung der Hausarbeit.

Notz (1991) stellte in Deutschland fest, daß sich bei berufstätigen Frauen an der Aufgabenverteilung wenig ändert. Die Männer (Partner) fühlen sich nicht dafür verantwortlich. Durch die Berufstätigkeit der Frau kommt es also zu keiner neuen Verteilung der Arbeit/Aufgaben in der Familie.

Hat die Frau während der Zeit der Karenz einmal die Verantwortung für den Haushalt übernommen, läßt sich eine Arbeitsteilung bei einem Wiedereinstieg ins Berufsleben selten wieder herstellen.

Keddi und Seidenspinner (1991) führten zu diesem Thema eine Studie durch und beobachteten, daß durch das Vorhandensein von Kindern die traditionelle Arbeitsteilung noch verstärkt wird, und dies unabhängig bzw. trotz Erwerbstätigkeit der Frau. Viele Männer sehen die Zeit in der Familie als Möglichkeit, sich von den anstrengenden Arbeitstag im Büro zu erholen.

Heute kann man unter den jungen Vätern eine leichte Veränderung feststellen. Sie beteiligen sich stärker an Familientätigkeiten, jedoch bezieht sich diese Tatsache nur auf die Erziehung und Versorgung der Kinder. Nave - Herz (19992) meinte, daß die jungen Väter auf die psychische Bereicherung, die sie durch den Umgang mit Kindern erfahren, nicht verzichten wollen.

1.1 Arbeitsteilung im Haushalt

In den meisten Familien herrscht die traditionelle Arbeitsteilung. Der Haushalt wird unter der Regie der Frau geführt, die sich allerdings auch dafür verantwortlich fühlt. Dazu gehören Tätigkeiten wie Einkaufen, kochen, Wäsche waschen, Bügeln, Putzen.

Reparaturen, die im Haushalt anfallen, werden allerdings vorwiegend von den Männern durchgeführt. Bei Geldangelegenheiten und Behördenwege kommt es meist zu einer gerechten Teilung - diese Angelegenheiten werden von beiden Partner zu gleichen Teilen erledigt.

Nach einer Untersuchung von Glanz (1992) in Deutschland, beteiligen sich 19% der Männer an der Hausarbeit. Sie führen regelmäßig Arbeiten wie Einkaufen, Saugen oder Abwaschen durch.

In Österreich wurde dazu ebenfalls eine Untersuchung durchgeführt. Findl, Laburda, Münz (1985) kommen zu einem ähnlichen Ergebnis. 37% der Frauen bekommen keinerlei Unterstützung, 43% der Männer helfen gelegentlich und nur 20% der Männer helfen substantiell.

Nave - Herz vertritt die Ansicht, daß Frauen nicht bereit sind die Verantwortung abzugeben. Sie wollen keine stärkere Abhängigkeit vom Ehemann.

1.2 Die Situation erwerbstätiger Frauen

Frauen können nur zwischen "Hausfrauen2 oder "Erwerbsarbeit und Hausarbeit" wählen.

Die meisten berufstätigen Frauen erhalten zumindest irgendeine Unterstützung/Hilfe von ihren Partner (wenn auch wenig). Ausschlaggebend für das Ausmaß der Mithilfe des Mannes im Haushalt ist die Erwerbstätigkeit der Frau, vor allem ob sie ganztags -, halbstags- oder teilzeitbeschäftigt ist. Je weniger Stunden die Frau berufstätig ist, desto eher herrscht die traditionelle Arbeitsteilung.

Ein weiterer Einflußfaktor bei der Aufteilung der Hausarbeit stellt die Anzahl der Kinder da. Mit steigender Kinderzahl ist die Frau meist zu Hause, also im Haushalt tätig und durch diese Tatsache fühlen sich die Männer immer weniger für die Hausarbeit zuständig. Sie sind der Meinung, daß die Frau 2ja eh den ganzen Tag zu Hause ist".

Auch die Bildung und die berufliche Qualifikation der Frau spielt eine Rolle. Je höher der Bildungsabschluß und je höher die Berufsqualifikation der Frau ist, umso mehr hilft der Partner bei der Hausarbeit mit.

Findl, Laburda und Münz (1985) führen an, daß Frauen mit Matura bzw. Hochschulabschluß mehr Durchsetzungskraft bezüglich Mitarbeit der Männer im Haushalt haben.

Die Hausarbeit verliert bei Frauen mit hohem Bildungsstatus an Bedeutung. Für dieses Frauen steht ihre berufliche Qualifikation und ihre berufliche Karriere im Vordergrund.

1.3 Arbeitsteilung bei der Kinderbetreuung

Eine Studie von Glanz (1992) in Deutschland zeigte, daß Väter bis zum Alter von 2 Jahren kaum bei der Betreuung und Pflege der Kinder helfen. Mütter sind in diesen Punkten weitgehend allein zuständig für die Kinder.

In Österreich wurde zu diesem Thema ebenfalls eine Studie durchgeführt und zwar von Findel, Laburda und Münz (1985). Sie kamen zu dem Ergebnis, daß 68% der Mütter ihre Kinder während des Tages allein betreuen. Ein Großteil der Frauen gehen, wenn das Kind im Kindergartenalter ist, und sie einen Kindergartenplatz bekommen, einer Ganztags oder Teilzeitbeschäftigung nach. Frauen mit zwei oder mehreren Kinder kehren selten in das Berufsleben zurück.

Väter beteiligen sich vor allem beim Spielen und anderen Freizeitaktivitäten (z.B. Sport treiben, Ausflüge machen). Pflegerische Aufgaben fallen hauptsächlich den Müttern zu. Jedoch bekommt die außer Haus berufstätige Frau mehr Unterstützung als die "Nur Hausfrau". Männer mit Matura bzw. Hochschulabschluß beteiligen sich mehr an der Kinderbetreuung.

Etwa die Hälfte der Männer hilft bei der Kinderpflege, ein Drittel bringt die Kinder regelmäßig in den Kindergarten oder in die Schule, noch weniger helfen beim Aufräumen der Spielsachen.

Nave - Herz beschreibt 3 Modelle der Arbeitsteilung:

a) Dienstleistungsmodell

Hier bleibt der Ehefrau die alleinige Verantwortung der Haushaltsführung. Sie tritt hauswirtschaftliche Tätigkeiten an eine familienfremde Person ab - also Kindermädchen, Putzfrau und Haushaltshilfe.

b) Rollentauschmodell

Für die Hausarbeit ist hier der Mann zuständig. Die Dauer des "Hausmanns" ist meist beschränkt, und eine Rückkehr ins Berufsleben ist fast immer fest geplant.

c) Partnerschaftsmodell

Dieses Modell strebt eine partnerschaftliche Aufteilung der Aufgaben in der Familie an - also gleiche Belastung für beide Partner d.h. beide Partner sind erwerbstätig und teilen sich die Hausarbeit.

2. Partnerschaft

Eine gesunde Partnerschaft bedeutet, daß jeder Partner für sich und auch gemeinsam in der Lage ist, interne und externe Anforderungen zu bewältigen.

Wichtig ist vor allem die Art und Weise wie die Partner miteinander umgehen - also Partnerschaftliche Kommunikation und gegenseitiges vertrauen stellen wichtige Faktoren dar.

Ebenso wichtig ist es, dem Partner gegenüber offen zu sein, und die Bedürfnisse des Partners zu kennen, denn dann ist man auch besser in der Lage Konflikte zu vermeiden und gegebenenfalls gemeinsam zu lösen.

Fliegel, Neumann und Paar (1983) sprachen auch darüber, daß die kommunikative Fähigkeiten und das Verstehen Einfluß auf die Zufriedenheit der Frauen haben.

Kirchler (1989) sagte:" Je häufiger Partner zusammen sind, und je mehr Tätigkeiten sie miteinander verrichten, umso glücklicher ist ihre Beziehung." Je Harmonischer eine Beziehung verläuft, desto mehr werde die Interessen eines Individuen zurückgedrängt und von gemeinsamen Interessen überlagert. Die Partner verbringen mehr Zeit miteinander, und dadurch werden Gefühle, Gedanken und Handlungen der Partner miteinander verknüpft.

Hoffmann (1989) weist im Zusammenhang von Berufstätigkeit der Frau und Zufriedenheit in der Partnerschaft darauf hin, daß die meisten Untersuchungen keine Unterschiede zwischen berufstätigen und nicht berufstätigen Frauen finden können. Sollten Unterschiedes vorhanden sein, dann wird Unzufriedenheit meist mit der traditionellen Rollenverteilung und deiner niedrigeren Schichtzugehörigkeit in Zusammenhang gebracht. Positiv wirkt sich aus, wenn die Frau einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, weiters daß die Mutter gerne arbeitet und der Mittelschicht angehört.

3. Familiäre Rolle

Eine krasse Geschlechtertrennung in Ausbildung und Erziehung stellt heute eher eine Ausnahme dar. Die Frauen nehmen Aufgaben, Stellungen und Berufspositionen ein, die früher ausschließlich Männern vorbehalten waren.

Die Lebensstile und Lebensziele der jungen Mütter und Frauen haben sich geändert. Auf der einen Seite wollen fast alle berufstätig sein und vom Partner unabhängig, auf der anderen Seite bevorzugen viele eine Teilzeitbeschäftigung um ausreichen Zeit für die Kinder zu haben und viele wünschen sich auch mehr Zeit für sich selbst.

Nach der traditionellen Arbeitsteilung ist der Mann als "Ernährer2 für die Existenz der Familie verantwortlich, während die Frau für Haushalt und Familie zuständig ist. Reicht das Einkommen des Mannes aus, ist die Frau nicht gezwungen erwerbstätig zu sein. Geht sie allerdings dennoch einer regelmäßigen Arbeit nach, wird ihr Einkommen als Zusatzverdienst gesehen und hat somit eine Zusatzfunktion.

Natürlich gibt es einige Probleme, wenn die Frau Ganztags arbeiten geht. Sehr oft stellen die Öffnungszeiten des Kindergartens eine Konfliktsituation her. Aber auch eine plötzliche Erkrankung des Kindes kann die Organisation der Familie durcheinanderbringen.

Die berufliche Rolle der Frau wird meist gebilligt, solange sie ihre familiäre Rolle nicht vernachlässigt.

Nach einer Erhebung von Findl (1985) in Österreich wollen 30% der Frauen Familie und Beruf miteinander verbinden. 17% möchten berufstätig sein, und legen nur eine Pause ein, solange die Kinder klein sind. 20% bevorzugen die Tätigkeit einer "Nur Hausfrau" und nur 3% stellen die Berufstätigkeit über die Familie und Kinder.

Dabei zeigte sich, daß Frauen mit niedrigerem Bildungsniveau eher Hausfrauen sein wollen (37%). Maturantinnen und Akademikerinnen (8%) wollen Familie und Beruf gleichzeitig miteinander verbinden bzw. vor allem berufstätig sein.

4. Hausfrauentätigkeit

Nach Ochel (1989) besteht die Hausarbeit aus einer materiellen Komponente (Tätigkeiten in Haushalt) und einer psychischen Komponente (Beziehungsarbeit in der Familie), wobei beide eine Einheit bilden. Hausarbeit wird deshalb auch als "Arbeit aus Liebe" bezeichnet.

Für viele der Frauen kommt heute ein lebenslanges Dasein als Hausfrau nicht mehr in Frage. Ihre eigene Existenz, sprich das eigene Einkommen, ist für die meisten Frauen ebenso wichtig wie für Männer. Allerdings sind fast alle Frauen gezwungen, nach der Geburt eines Kindes ihre Erwerbstätigkeit zu unterbrechen oder zumindest für kurze Zeit zu reduzieren, und in dieser Zeit für das Kind und den Haushalt verantwortlich zu sein.

Negative Aspekte der Hausfrauentätigkeit:

Geringes Sozialprestige in der Gesellschaft:

Nach Nave - Herz stellen vor allem Einkommens- und Vermögenshöhe, die Berufsausbildungsqualifikation sowie die berufliche Stellung und Leistung für die Gesellschaft Prestigekriterien dar.

Hausarbeit ist "nicht wirkliche Arbeit":

Hausarbeit wird nicht als wirkliche Arbeit angesehen. Vielen Hausfrauen wird wenig Respekt und Bestätigung für ihre Arbeit entgegengebracht.

Hausarbeit ist unbezahlte Arbeit:

Dadurch sind beinahe alle Hausfrauen verstärkt finanziell von ihren Mann / Partner abhängig.

Soziale Isolation durch Hausarbeit:

Hausarbeit wird vor allem isoliert geleistet, daher fehlt der Kontakt zu Arbeitskollegen, sowie der Kontakt nach außen.

Hausarbeit ist unsichtbar:

Die Frauen erledigen meist die Hausarbeit, wenn der Mann in der Arbeit ist und die Kinder in dem Kindergarten bzw. Schule sind. Einerseits um die Arbeit ungestört erledigen zu können, andererseits um dann ausreichen Zeit für die Kinder und den Ehemann zu haben.

Positive Aspekte der Hausfrauentätigkeit:

sich die Zeit frei einteilen können

für die Kinder da sein:

Hausfrauen haben mehr Zeit sich um die Kinder zu kümmern. Sie können sich ihre Arbeit zeitlich einteilen, sodaß sie gemeinsam mehr mit ihren Kindern unternehmen können.

Mehr Zeit für außerfamiliäre Kontakte:

Dabei wird allerdings vergessen, daß sich dieses Tatsache auf nicht berufstätige Frauen und ältere Personen beschränkt.

Empirischer Teil

1. Darstellung der Ergebnisse der Haushaltsaufteilung

Hier zeigen sich vor allem Unterschiede zwischen erwerbstätigen Frauen (EF) und nicht erwerbstätigen Frauen (NEF) - z.B. in folgenden Bereichen:

Saubermachen NEF 56,4%

(immer selbst) EF 27,1%

Wäsche: NEF 92%

(immer selbst) EF 70,2%

Bügeln: NEF 79%

EF 63%

Es zeigte sich aus dieser Untersuchung, daß nichterwerbstätige Frauen mehr Aufgaben im Haushalt übernehmen.

2. Darstellung der Ergebnisse der Aufteilung der Kinderpflege und -betreuung

Auch in diesem Aufgabenbereich zeigen sich Unterschiede bezüglich erwerbstätigen Frauen und nicht erwerbstätigen Frauen. Ich möchte auch hier einige Beispiele herausgreifen:

Verabreichen von Mahlzeiten: NEF 84.6%

(immer selbst, überwiegend EF 68,4%

selbst)

Baden des Kindes: NEF 65,4%

(immer selbst, überwiegend EF 55,4%

selbst)

Die Hälfte aller befragten Frauen bringt das Kind selbst zu Bett. Das Gutenachtgeschichten vorlesen wird zu einem Drittel von beiden Partnern zu gleichen Teilen übernommen.

Spielen mit dem Kind wird von 63,9% der erwerbstätigen Paare und 60.3% der nichterwerbstätigen Paare zu gleichen Teilen übernommen.

Es kann daher nicht generell gesagt werden, daß erwerbstätige Frauen sich die Pflege und Betreuung des Kindes mit ihrem Partner häufiger teilen als nichterwerbstätige Frauen.

Betrachtet man die Belastung der Frauen durch Kinderpflege, so zeigt sich ein signifikanter Unterschied zwischen erwerbstätigen und nichterwerbstätigen Frauen. Nichterwerbstätige Frauen fühlen sich stärker durch Kinderpflege belastet als erwerbstätige Frauen.

3. Darstellung der Ergebnisse "Freunde, Bekannte und Freizeit"

Es zeigte sich hier, daß für erwerbstätige Frauen ein Treffen von Freunden mit dem Kind weniger häufig vorkommt. 24.3% der erwerbstätigen Frauen treffen ihre Freunde mehrmals wöchentlich, im Gegensatz dazu 43.6% der Nichterwerbstätigen Frauen.

Ein Treffen ohne Kind kommt bei 12.2% der erwerbstätigen Frauen und 22,3% der nichterwerbstätigen Frauen ein bzw. mehrmals in der Woche vor.

Bezüglich der Zufriedenheit gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden "Frauengruppen".

Allerdings fühlen sich 23,3% der Frauen durch die Doppelbelastung von Beruf und Familie sehr stark belastet. 52,1% ein wenig, 20.7% kaum und nur 4.1.5 überhaupt nicht belastet.

4. Darstellung der Ergebnisse "Partnerschaft"

Es zeigte sich auch hier kein signifikanter Unterschied bei erwerbstätigen und nichterwerbstätigen Frauen bezüglich Einschätzung der Partnerschaft und Glücklichkeit.

Vergleicht man erwerbstätige Frauen und nichterwerbstätigen Frauen hinsichtlich zärtliche Verhaltensweisen seitens des Partners, so stellte sich heraus, daß nichterwerbstätige Frauen das Abnehmen dieser Tatsache stärker erleben. Ein möglicher Grund könnte sein, daß nichterwerbstätige Frauen viel Zeit zu Hause verbringen, wenig Kontakt und wenig Anerkennung und Bestätigung von außen erhalten, und daher mehr Zuwendung vom Partner benötigen. Erwerbstätige Frauen wollen eher etwas Zeit und Ruhe für sich selbst haben, und nehmen daher die eingeschränkte Zärtlichkeit des Partners weniger wahr.

3. PERSÖNLICHE STELLUNGNAHME

Bei Betrachtung der Ergebnisse stelle ich fest, daß sich in der traditionellen Rollenverteilung im Haushalt bzw. bei der Kinderbetreuung so gut wie nichts geändert hat. Nach wie vor ist die Frau für den Haushalt und die Kinder zuständig, während der Mann die Rolle des Ernährers inne hat.

Leider ist anzunehmen, daß sich in diesen Bereichen auch in naher Zukunft nichts wesentliches ändern wird. Auf der einen Seite glaube ich, daß viele Frauen die "Herrschaft" über den Haushalt nicht abgeben wollen, auf der anderen Seite sind viele Männer zu bequem nach einen Arbeitstag noch im Haushalt mitzuhelfen. Viele Ehemänner vergessen allerdings, daß auch ihre Frau erwerbstätig ist.

Ich bin der Meinung, daß man die Ehemänner/Partner ruhig einteilen soll, wenn die Frau berufstätig ist. Viele Männer sehen einfach nicht, daß der Mistkübel voll ist, das Geschirr schmutzig oder der Eiskasten leer ist. Allerdings glaube ich, daß sich viele auf die Frau verlassen - " sie wird es schon richten!". Und die Frau erledigt auch die Arbeit. Sie hat einfach ein anderes Bewußtsein bezüglich Hausarbeit.

Ich finde, daß die Ehemänner im Haushalt mithelfen müssen, wenn beide Partner vollerwerbstätig sind. Ist die Frau allerdings "Nur Hausfrau", dann sehe ich keine Notwendigkeit der Mithilfe. Natürlich kann man helfen, aber wenn die Frau die Tätigkeit einer "Nur Hausfrau" freiwillig gewählt hat, dann finde ich, daß ihre Arbeit erledigen soll, genauso wie ihr Mann die Arbeit im Büro erledigt.

Bei den Ergebnissen der Kinderbetreuung läßt sich feststellen, daß die Väter einen kleinen Teil dazu beitragen. Die Tätigkeiten beschränken sich zwar auf Ausflüge machen, spielen oder Gute Nacht Geschichten vorlesen, aber es läßt sich ein deutlicher Trend zu mehr Betreuung mit dem Kind feststellen.

Ich glaube, daß es gut ist, wenn sich der Vater mit dem Kind beschäftigt. Die Beziehung zum Kind wird dadurch sicherlich stärker. Allerdings wäre es wünschenswert, wenn sich dieser Trend noch wesentlich ansteigen würde.


Inhaltsverzeichnis

12) Die berufliche und familiärer Rolle der Frau nach der Karenz (2)

HEIDER Andrea

A. THEORETISCHER RAHMEN

1. Einleitung

Betrachtet man die geschlechtsspezifische Arbeitsverteilung in den letzten Jahrzehnten, so ist diese gekennzeichnet von einer asymmetrischen Entwicklung.

Frauen sind daher häufiger gezwungen, mit der Doppelorientierung auf familiäres und partnerschaftliches Leben einerseits und beruflicher Tätigkeit andererseits , eine Doppelbelastung auf sich zu nehmen.

Mit der Geburt eines Kindes stellt sich für die meisten Frauen jedoch die Frage einer zumindest zeitweiligen Unterbrechung der Erwerbstätigkeit, auf die häufig ein gänzlicher Ausstieg folgt, wenn weitere Kinder hinzukommen.

Hält die Frau ihre Teilnahme am Erwerbsleben trotz dem Vorhandensein von Kindern aufrecht, übernimmt sie meist zwei Rollen, denn an der Arbeitsteilung im Haushalt und bei der Betreuung der Kinder ändert sich wenig. Die Belastung der Frau ist in der Folge dementsprechend hoch.

Auch Navé-Herz (1992, S.69) weist darauf hin, daß die Rollenerwartung an die Mutter immer noch von kindzentriertem Verhalten und dem Rückzug der Frau in die Hausfrauenrolle geprägt ist.

Ebenso wäre jedoch eine Kombination verschiedener Rollen, traditioneller und moderner Art, denkbar, die sich etwa in Form einer "fürsorglichen, selbstbewußten, kindorientierten, erwerbstätigen Mutter" darstellen könnte.

Eine solche Kombination von Berufs- und Familienleben kann jedoch nur gelingen, wenn die Arbeitsteilung zwischen Frau und Mann in beiden Bereichen zu gleichen Teilen erfolgt.

Gleichzeitig muß die Hausarbeit in ihrem gesamten Umfang als Arbeit aufgewertet werden.

2. Erwerbsarbeit

2. 1. Bedeutung der Erwerbsarbeit für Frauen

Erwerbsarbeit bietet den Frauen die Möglichkeit, sich nicht nur über die Rolle der Ehefrau und Mutter zu definieren, sondern eigene fachliche Kenntnisse in die Arbeit einzubringen, die in der Hausfrauentätigkeit keinen persönlichen Stellenwert einnehmen.

Daher wird der Berufstätigkeit allgemein von Frauen wie auch Männern positiver bewerten als Hausarbeit.

Die zu beobachtende verstärkte Berufsorientierung von Frauen führt dazu, daß diese bessere Ausbildungsmöglichkeiten anstreben, um in der Folge qualifizierte Arbeitsplätze in Anspruch nehmen zu können.

Die außerhäusliche Berufstätigkeit der Frau wird von Männern jedoch oft als Nebentätigkeit angesehen, sei es zur Ergänzung des Familieneinkommens oder der Erweiterung persönlicher Kontakte, in einer durch Familienpflichten bestimmten Biographie.

Mag die Einstellung vieler Männer zur Berufstätigkeit ihrer Partnerin heute nicht mehr ganz so negativ ausfallen, so ist jedoch eine Teilnahme beider Partner am Erwerbsleben keineswegs selbstverständlich, wenn die Geburt eines Kindes hinzukommt.

Häufig ist die Mutter gezwungen, ihre Erwerbstätigkeit für längere Zeit zu unterbrechen, woraus sich für ihre weitere berufliche Laufbahn meist erhebliche Nachteile ergeben.

Auch Krombholz (1991, S. 225) stellt in einer in Deutschland durchgeführten Untersuchung fest, daß die Einstellung zur Aufteilung der Erwerbstätigkeit in einer Partnerschaft in starkem Maße vom Vorhandensein und dem Alter von Kindern beeinflußt wird. Solange keine Kinder vorhanden sind, sprechen sich nur 3% der befragten Männer und Frauen für eine Nichterwerbstätigkeit der Frau aus, ist das jüngste Kind unter 3 Jahren, sind dagegen 60%. Ist das Kind im Schulalter, sind es mehr als 30%, die die Meinung vertreten, die Mutter sollte Hausfrau sein.

Weiters zeigt sich die Tendenz, daß Frauen stärker die Ansicht vertreten, eine Frau sollte beim Vorhandensein von Kindern berufstätig sein, wobei diese Tendenz bei jüngeren und besser ausgebildeten Frauen stärker ist. Dies sind jene Frauen, die auch wenn sie Kinder haben, tatsächlich häufiger erwerbstätig sind.

2.2. Verlauf weiblicher Erwerbsbiographien

Die weibliche Normalbiographie ist durch einen diskontinuierlichen Verlauf gekennzeichnet.

2.2.1. Zwei-Phasen-Modell des Verlaufes weiblichen Erwerbsverhaltens

An die Phase der Schul- und Berufsausbildung schließt eine Phase der Erwerbstätigkeit an, die dann zumeist abgebrochen, manchmal ein- oder mehrmals unterbrochen wird, um sich familiären Tätigkeiten zu widmen, wie Kindererziehung und -pflege und der Versorgung des gesamten Haushaltes.

2.3. Unterschied zwischen Männern und Frauen bezüglich Erwerbsleben

Während Männer in der Regel nach Abschluß der Bildungsphase ins Erwerbsleben eintreten, um bis zum Erreichen des Ruhestandes erwerbstätig bleiben, ist für Frauen ein solcher Erwerbsverlauf nicht vorgesehen.

Weibliche Erwerbsverläufe sind, im Gegensatz zu männlichen, durch eine hohe Variationsbreite gekennzeichnet, die Ausdruck ihrer Flexibiliät und des Bemühens sind, familiale Aufgaben und Erwerbstätigkeit zu vereinbaren (Goldberg, 1995 S. 46).

2.4. Berufstätigkeit und Familie

Der Wunsch nach Berufstätigkeit läßt sich für Frauen oft nicht mit dem Wunsch nach Familie und Kindern vereinbaren.

Aus einer Untersuchung von Findl (1985, Kap. 3.3.5) geht hervor, daß im Jahr vor der ersten Geburt 82% aller befragter Frauen in Österreich ganztags außerhäuslich berufstätig waren.

Zwischen der ersten und zweiten Geburt nahm die Anzahl der erwerbstätigen Frauen ab und nur noch 1/3 aller Frauen war halbtags außer Haus und 12% zu Hause berufstätig. 42% waren nicht bzw. nicht mehr berufstätig.

Zwischen der zweiten und dritten Geburt reduzierte sich der Anteil der ganztags außerhäuslich beschäftigten Frauen auf 10% und jener der halbtags außer Haus beschäftigten Frauen auf 7%. Dagegen war 1/3 der Frauen zu Hause berufstätig. Die Hälfte aller Frauen ging gar keiner Berufstätigkeit mehr nach.

Viele Frauen versuchen heute ihre Erwerbstätigkeit nur mehr kurz zu unterbrechen und suchen dann verstärkt nach Teilzeitarbeitsmöglichkeiten, um die organisatorischen Probleme der Verbindung von Beruf und Familie so gering wie möglich zu halten.

Qualifizierte Teilzeitarbeitsplätze sind jedoch rar, meist verbunden mit geringer Arbeitsplatzsicherheit, und bedeuten oft einen Verzicht auf Aufstiegschancen.

Meist sind es Tätigkeiten, die weniger inhaltliche Befriedigung und weniger Entscheidungsspielraum bieten (Beck-Gernsheim, 1984).

2.5. Verändertes Erwerbsverhalten von Frauen

2.5.1. Drei-Phasen-Modell des Verlaufes weiblicher Erwerbsbiographien

War zuerst noch ein Zwei-Phasen-Modell des Verlaufes weiblichen Erwerbsverhaltens gültig, wonach die Frau ihre Erwerbstätigkeit nach der Heirat bzw. Familiengründung aufgab, und in der Folge nicht mehr aufnahm, stellten Myrdal und Klein (1965) ein Drei-Phasen-Modell

des weiblichen Lebenslaufes auf, wobei Frauen nicht mehr nur bis zur Heirat, sondern bis zur Geburt des ersten Kindes berufstätig bleiben: Die weibliche Normalbiographie wurde aufgeteilt in eine Phase der Berufstätigkeit bis zum ersten Kind, gefolgt von einer 10-15 Jahre dauernden Familienphase und eventuell einer anschließenden Wiederaufnahme der Berufstätigkeit in der "empty-nest"-Phase.

Das Drei-Phasen-Modell hat sich in der Praxis aber als kaum funktionsfähig erwiesen, da es strukturelle Mängel aufweist, und mit der heutigen Arbeitsmarktsituation und "mit den auf Kontinuität angelegten Berufskarrieren nicht in Einklang zu bringen" (Bertram & Borrmann-Müller, 1988, S.259) ist.

In der Folge kommt es zur Modifizierung des Modells, indem die Erwerbstätigkeit anläßlich der Geburt von Kindern nur einige Jahre unterbrochen wird. Sobald Kindergarten und Schule die Betreuung des Kindes zumindest teilweise übernehmen geht die Mutter wieder arbeiten, vorzugsweise halbtags.

2.5.2. Strukturelle Veränderungen

Hier sind vor allem Veränderungen in der Erwerbsstruktur und Veränderungen der gesellschaftlichen Struktur zu berücksichtigen, die zu einer veränderten Versorgungssituation der Familien und somit auch zu einer veränderten Lebensplanung von Frauen geführt haben.

a) Veränderungen der Erwerbsstruktur

Im Zuge der Industrialisierung hat der Anteil der in der Land- und Forstwirtschaft erwerbstätiger Frauen und Männer abgenommen.

Auch im produzierenden Gewerbe ist die Anzahl der Beschäftigten kontinuierlich gesunken, während im Dienstleistungsbereich der Anteil der Erwerbstätigen wächst (Bertram & Bayer, 1984, S. 6).

Viele Arbeitsbereiche, die eng mit Haushalt und Familie verbunden waren, sind verschwunden.

Waren früher viele Frauen vor allem als mithelfende Familienangehörige tätig und mit haushaltsnahen Tätigkeiten beschäftigt, so gehen sie heute außerhäuslicher Erwerbstätigkeit nach, die nichts mit Haushalt und Familie zu tun hat. Dadurch haben gleichzeitig die Schwierigkeiten, Mutterrrolle und Berufsrolle zu vereinbaren, zugenommen.

b) Veränderungen der gesellschaftlichen Struktur

In der vorindustriellen Zeit wurde Eheschließung und Familiengründung eher unter einem ökonomischen Gesichtspunkt gesehen. Neue Arbeitskräfte zu gewinnen, den vorhandenen Besitz zu sichern, sowie Vermögen und Ansehen zu vergrößern, trugen wesentlich zu einer solchen Entscheidung bei.

Um eine gewisse soziale Absicherung zu erreichen und ihre Selbständigkeit zu erhalten, ist es für Frauen heute notwendig, längerfristige Beschäftigungsverhältnisse einzugehen bzw. ihre Erwerbstätigkeit für zu lange Zeit zu unterbrechen.

2.6. Wiedereinstieg ins Berufsleben

Der Wiedereinstieg von Frauen ins Berufsleben wird heute vor allem von individuellen Merkmalen bestimmt. Dazu gehören u. a. die Bildungsqualifikation der Frau, die Dauer der Berufstätigkeit vor der Unterbrechung und die Plazierung im Berufssysem (Lauterbach, 1994, S. 249).

2.6.1. Motive für den Wiedereinstieg ins Berufsleben

a) Identität durch den Beruf

Die Integration in einen Arbeitsprozeß ist wichtig für den Aufbau und Erhalt der eigenen Identität. Das Interesse der Frauen, sich nicht nur über die Rolle der Ehefrau und Mutter zu definieren, wächst vor allem bei jenen Frauen, die bereits berufstätig waren und dann für einige Zeit aus dem Berufsleben ausscheiden.

Nicht nur der Mangel an sozialen Kontakten, sondern vor allem das Ausgeschlossensein von gesellschaftlichen Prozessen, sowie die eingeschränkte Möglichkeit, die eigenen fachlichen Kompetenzen einbringen zu können, erleben Frauen als negative Konsequenzen der Hausfrauenrolle.

b) Zuverdienen zum Familieneinkommen

Trägt die Frau finanziell zum Lebensunterhalt der Familie bei, hat sie mehr Mitspracherechte in familiären Entscheidungsprozessen und bei der Gestaltung des Lebensstils.

Weiters wird ihre Entscheidung, ins Berufsleben einzusteigen, durch das zusätzliche Einkommen legitimiert und die Frau kann mit mehr Rücksichtnahme und Mithilfe im Haushalt seitens der Familie rechnen, wenn die Berufstätigkeit der Mutter notwendig ist.

d) Wunsch nach sozialen Kontakten

Nach längerer Hausfrauentätigkeit fühlen sich viele Frauen sozial isoliert. Ihre Kontaktmöglichkeiten beschränken sich auf wenige Bezugspersonen und Bekannte, und bringen kaum Neues.

Berufliche Kontakte hingegen geben der Frau die Möglichkeit getrennt von ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter zu agieren und als eigene Person gesehen zu werden.

B. EMPIRISCHER TEIL

3. Zielsetzung der Untersuchung

Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit dem Wiedereinstieg von Frauen ins Berufsleben nach Ablauf der Karenzzeit, der Arbeitsteilung in Familien, sowie den Einstellungen von Frauen zu Beruf und Familie.

In diesem Zusammenhang wurden erwerbstätige und nichterwerbstätige Frauen hinsichtlich Haushaltsaufteilung und Aufteilung der Kinderpflege und -betreuung, Partnerschaft, Freizeitverhalten und Einstellungen zur Elternschaft verglichen.

Ziel der Untersuchung ist es, einerseits festzustellen, ob Frauen nach Ablauf der Karenzzeit ins Berufsleben zurückkehren bzw. einen Wiedereinstieg planen, welchen Zeitpunkt sie dafür auswählen und welche Motive hinter einer Entscheidung für eine erneute Erwerbstätigkeit stehen bzw. aus welchen Gründen sie sich dagegen aussprechen.

Andererseits soll der Frage nachgegangen werden, ob sich erwerbstätige und nichterwerbstätige Frauen hinsichtlich der Arbeitsteilung im Haushalt und bei der Kinderpflege und -betreuung unterscheiden und wie zufrieden sie mit der Arbeitsteilung sind.

Außerdem soll festgestellt werden, ob bei einer neuerlichen Berufstätigkeit der Frau eine Veränderung der Arbeitsteilung im Haushalt stattfindet, und wenn ja, in welcher Form.

Weiters soll untersucht werden, ob sich erwerbstätige und nichterwerbstätige Frauen hinsichtlich verschiedener Aspekte der Parnterschaft un in ihren Einstellungen zur Elternschaft unterscheiden.

3.1. Erhebungsinstrument

Die Datenerhebung erfolgte mittels eines strukturierten Fragebogens.

Ein Großteil der Fragen entstammt dem Elternschaftsfragebogen von Nickel (1990), der in abgewandelter Form vorgegeben wurde.

Dabei wurden die Items dem Alter der Kinder angepaßt.

Zur Erhebung der Einschätzung der Partnerschaft durch die Frau wurde der Parnterschaftsfragebogen von Hahlweg (1979) vorgegeben.

Erwerbstätige und nichterwerbstätige Frauen erhielten den gleichen Fragebogen, abgesehen von jeweils einem Fragenkomplex, der ausschließlich von erwerbstätigen bzw. nichterwerbstätigen Frauen beantwortet wurde.

3.2. Beschreibung der Stichprobe

Die Erhebung der Daten erfolgt im Rahmen einer Fortsetzung des an der Abteilung für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie der Universität Wien durchgeführten Forschungsprojektes "Die Bedeutung von Rollenauffassungen junger Eltern für den Übergang zur Elternschaft.". Dazu wurden bereits zu zwei vorangegangenen Befragungszeitpunkten, einmal im 6. Schwangerschaftsmonat und einmal drei Monate nach der Geburt des Kindes, Elternpaare mittels Fragebogen zu diesem Thema befragt.

4. Darstellung und Interpretation der Ergebnisse

4.1. Soziodemographische Daten

4.1.1. Darstellung der Ergebnisse

Wie die Angaben der befragten Frauen zum Familienstand zeigen, sind fast alle Frauen verheiratet und nur ein geringer Prozentsatz lebt in einer Lebensgemeinschaft mit dem Partner. Vom Partner getrennt haben sich seit dem letzten Befragungszeitpunkt (drei Monate nach der Geburt des Kindes) drei der zu jetzigen Zeitpunkt befragten Frauen, wovon zwei der Frauen geschieden sind, eine Frau von ihrem Partner getrennt lebt.

Tabelle 1: Personenanzahl und Familienstand (EF=erwerbstätige Frauen; NEF Frauen; Spaltenprozent)

VARIABLE EF NEF

Personenanzahl 74 (48.7%) 78 (51.3%)

Familienstand ledig 2(2.7%) -

verheiratet 64(86.5%) 69 (88.5%)

in Lebensgem. 6 (8.1%) 7 (9.0%)

getrennt - 1 (1.3%)

geschieden 1 (1.4%) 1 (1.3%)

verwitwet 1 (1.4%) -

Ein signifikanter Unterschied zwischen der Gruppe der erwerbstätigen und jener der nichterwerbstätigen Frauen zeigt sich in der Anzahl der Kinder. In der Gruppe der nichterwerbstätigen Frauen haben 91.0% zwei oder mehr Kinder, während in der Gruppe der erwerbstätigen Frauen lediglich 66.3% mehr als ein Kind haben.

Ein signifikanter Vergleich in den Häufigkeitsverteilungen zeigt sich auch beim Vergleich der Gruppen hinsichtlich der Geburt eines weiteren Kindes. Während 41.0% der nichterwerbstätigen angegeben, ein weiters Kind bekommen zu haben, sind es in der Gruppe der Erwerbstätigen nur 10.8%.

Tabelle 2: Geburt eines weiteren Kindes (EF=erwerbstätige Frauen; NEF=nichterwerbstätige Frauen; SINGN=Irrtumswahrscheinlichkeit; Signifikanztest: Chi-quadtrat-Test)

Geburt eines weiteren Kindes EF NEF SIGN

Ja 8 (10.8%) 32 (24.0%) .000**

ein 66 (89.2%) 46 (59.0%)

4.2. BERUFSTÄTIGKEIT

4.2.1. Darstellung der Ergebnisse der Befragung aller Frauen

Tabelle 3: Mittelwertsvergleich bezüglich Aspekte der Berufstätigkeit (EF=erwerbstätige Frauen; NEF=nichterwerbstätige Frauen; M=Mittelwert, SD=Standardabweichung; n=Gruppengröße; SIGN=Irrtumswahrscheinlichkeit; Signifikanztest; Median-Test)

VARIABLE EF NEF SIGN

finanzielle Notwendigkeit, M 4.767(n=73) 4.669(n=77) .716

Zuverdienen SD 2.598 2.709

Selbständigkeit M 3.500(n=73) 4.195(n=77) .108

SD 1.889 2.004

Wunsch nach Kontakt zu M 5.473(n=73) 4.955(n=77) .023*

Kollegen SD 1.791 1.841

Freude am Beruf M 3.068(n=73) 2.773(n=77) .809

SD 1.915 1.893

bessere Integration in die M 6.000(n=73) 6.013(n=77) .572

Gesellschaft SD 1.873 1.919

Selbstbestätigung durch den M 4.151(n=73) 4.032(n=77) .907

Beruf SD 1.991 1.937

eigenes Einkommen, M 3.459(n=73) 4.429(n=77) .050*Ü

finanzielle Unabhängigkeit SD 2.220 2.297

Wunsch nach Weiterbildung M 5.514(n=73) 4.883(n=77) .102

SD 1.908 2.104

Die acht vorgegebenen Aspekte sollten von den Frauen nach ihrer persönlichen Wichtigkeit in eine Rangreihe gebracht werden, wobei der für sie wichtigste Aspekt mit "1" gekennzeichnet werden sollte, der am wenigsten wichtige Aspekt mit "8".

Erwerbstätige und nicht erwerbstätige Frauen wurden dann bzgl. der Rangreihung der einzelnen Aspekte miteinander verglichen (s. Tab. 3).

Signifikante Unterschiede zwischen der Gruppe der erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Frauen ergeben sich bei der Beurteilung der Aspekte "Wunsch nach Kontakt zu Kollegen", und "eigenes Einkommen", "finanzielle Abhängigkeit".
 

4.2.2. Darstellung der Ergebnisse der Befragung nichterwerbstätiger Frauen

Als Grund für ihre derzeitige Nichterwerbstätigkeit geben 57.7% der Frauen an, Karenz in Anspruch zu nehmen, 33.8% der Frauen sind Hausfrau, 5,6% stehen noch in der Ausbildung und 2.8% geben an, arbeitslos zu sein.

Eine Berufsrückkehr planen 78,8% der Befragten, wobei etwa ein Drittel der Frauen warten möchte, bis das Kind in den Kindergarten kommt (32.3%), gefolgt von jenen Frauen, die sich eine Berufsrückkehr sobald wie möglich vorstellen können (22.6%) bzw. nach Ablauf der Karenz wiedereinsteigen möchten (19,1%).

16.1% befragten Frauen sind noch unentschlossen, und nur 9.7% halten den Schulbeginn des Kindes für den richtigen Zeitpunkt, die Berufstätigkeit wiederaufzunehmen.

4.2.3. Darstellung der Ergebnisse der Befragung erwerbstätiger Frauen

Befragt nach dem Beschäftigungsausmaß geben 37.1% der erwerbstätigen Frauen an ganztags, 20.0% halbtags und 42,9% teilzeit beschäftigt zu sein. Die Anzahl der Arbeitsstunden beträgt bei teilzeit erwerbstätigen Frauen durchschnittlich 18.9 Stunden.

23.5% der Frauen sind selbständig erwerbstätig.

5. PERSÖNLICHE STELLUNGNAHME

Ich denke, daß eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie nur dann möglich ist, wenn beide Partner bereit sind, sich die Aufgaben der Kindererziehung und des Haushaltes zu teilen. Ich meine jedoch, daß diese Rollenaufteilung nur dann funktionieren kann, wenn mindestens einer der beiden Partner teilzeit beschäftigt ist. So wäre es möglich, auch dem Kind genügend Zeit zu widmen und dennoch die tägliche Hausarbeit zu bewältigen.

Ich bin der Meinung, daß nicht nur ein Umdenken seitens des Männer stattfinden sollte, was vor allem die Hausarbeit betrifft, sondern auch ein Umdenken seitens der Frauen, die den Männern vielleicht bezüglich Kinderbetreuung mehr zutrauen sollten. Ich stehe dem Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie jedoch positiv gegenüber und denke, daß das typische Rollendenken bereits mehr und mehr verschwindet, vielleicht hat auch die Aufteilung der Karenzzeit einige zum Umdenken angeregt.


Inhaltsverzeichnis

13) Wiedereinstieg von Frauen ins Berufsleben

COUROUPIS Alexander

Einleitung

Da sich diese Arbeit mit der Wiederaufnahme der Berufstätigkeit von Frauen nach einer Unterbrechung beschäftigt, soll zunächst auf die Unterbrechungsgründe bzw. die Unterbrechungsverläufe eingegangen werden.

Die nun folgenden Daten entstammen einer 1990 durchgeführten Mikrozensuserhebung, die sich auf alle zu diesem Zeitpunkt berufstätigen- bzw. zwischen 1970 und 1990 berufstätig gewesenen Frauen bezieht:

Für 43 % der Frauen, die keine durchgehende Berufslaufbahn aufweisen ist die Geburt eines Kindes der Grund für eine über die Karenzzeit hinausreichende Unterbrechung. Die zweithäufigste Ursache ist die 10.6 % dieser Gruppe betreffende Arbeitslosigkeit, gefolgt von "Eheschließung", die für 4.2 % ausschlaggebend war. Im Vergleich dazu führen lediglich 0.3 % der Männer eine Eheschließung als Unterbrechungsgrund an. Dieser Umstand, sowie der große Einfluß der Geburt eines Kindes, legen den Verdacht nahe, daß die Entscheidung über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie z.T. traditionellen Rollenbildern folgt.

Dafür, daß dies dem Wunsch vielen Männern entgegenkäme, spricht eine von Zulehner (1994) durchgeführte Untersuchung, derzufolge sich 41 % der Männer für eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung aussprachen bzw. sogar 68 % der Befragten die Meinung vertraten, daß Frauen besser geeignet wären, Kinder großzuziehen. (Inwiefern die Meinungen eventueller Partnerinnen damit akkordiert waren, wurde nicht erfragt). Was nun die schwangerschaftsbedingte Unterbrechung betrifft, so fallen hier im wesentlichen nur drei Verläufe ins Gewicht: 30 % dieser Frauen nehmen die Erwerbstätigkeit sofort nach Beendigung des Karenzurlaubes wieder auf (und gehören somit eigentlich nicht zu Gruppe der Wiedereinsteigerinnen), bei 9 % dieser Gruppe war die Karenzzeit von einem unbezahlten Urlaub gefolgt und 36 % ließen die Arbeit länger oder für immer ruhen. (Von diesen 36 % steigen knapp 70 % letztendlich wieder in den Arbeitsmarkt ein.) Viele der zuletzt genannten Gruppe widmen sich in den folgenden Jahren der Kindererziehung und setzen ihre Berufslaufbahn erst fort wenn die Kinder volljährig sind oder ein gewisses Maß an Selbständigkeit erreicht haben - aber dazu später mehr. Die langfristige Unterbrechung zwecks Kindererziehung mag teilweise stereotypen Rollenklischees entstammen, beruht aber auch auf Zwängen wie einem Mangel an adäquaten Kinderbetreuungsplätzen. Dieser steht aber wiederum in engem

Zusammenhang mit den typischen Rollenklischees, da auch Politiker nicht zwingend andere Werthaltungen vertreten als große Teile der

Durchschnittsbevölkerung. So wurde von Kritikern der österreichischen Sozialpolitik beispielsweise auch die kurzzeitige Verlängerung der Karenzzeit bemängelt, da diese dazu beitragen würde Frauen nachhaltig aus dem Arbeitsleben zu drängen, zumal diese es seien, die sie in Anspruch nähmen.
 


Die Situation der Kinderbetreuung in Österreich

Bezüglich des Mangels an Kinderbetreuungsstätten sollte eine 1993/94 durchgeführte Studie Auskunft über die momentane (damalige) Lage sowie den Nachholbedarf geben: Zunächst fiel dabei auf, daß in acht Bundesländern Betreuungsmöglichkeiten (ist Landesangelegenheit!) erst ab dem vollendeten 3. Lebensjahr vorgesehen sind - in Vorarlberg sogar erst ab dem 4 Lebensjahr. Ausnahmen davon gibt es in geringer Zahl nur in regionalen Ballungszentren. Somit ist gerade in dieser kritischen Phase (zumeist) die Mutter auf sich selbst (oder die Hilfsbereitschaft naher Verwandter) angewiesen und die neuerliche Berufstätigkeit muß zumindest für einige Zeit verschoben werden.

An dieser Stelle sei auch angemerkt, daß es sich bei den Frauen, denen aus Mangel an Betreuungsplätzen der rasche Wiedereinstieg verwehrt bleibt, in der Regel nicht um alleinerziehende Mütter handelt, da diese wirklich Kreativität bei der Kindesunterbringung an den Tag legen müssen. Der Grund dafür ist, daß 73 % dieser Gruppe aus finanziellen Gründen arbeiten müssen. Doch zurück zu den Versorgungsengpässen: durch den Mangel an Krippenplätzen werden in den meisten Bundesländern nur 0.5 % der Kleinkinder außerhalb der Familie betreut. Lediglich Wien ist mit einer Quote von 9.12 % einsamer Spitzenreiter vor dem Burgenland und Oberösterreich. Was die Betreuung der 3- bis 6jährigen anbelangt, so weist das Burgenland, wo 86.6 % der Kinder dieser Altersgruppe den Kindergarten besuchen, den höchsten Versorgungsgrad auf. Auf den Plätzen folgen Wien (mit 76.9 %) und Niederösterreich (mit 66.3 %). Die schlechteste Versorgung weisen Vorarlberg (50.4 %) und Kärnten (44.7 %) auf. Der Bundesschnitt liegt bei 61.9 %, was insofern unzufriedenstellend ist als das Angebot 85 % der Kinder umfassen müßte um die österreichische Nachfrage zu stillen. Somit dürfte nur das Burgenland dieser Nachfrage voll gerecht werden. Kindertagesstätten für 6- bis 10jährige werden in Wien von 25 % der Kinder dieser Altersklasse in Anspruch genommen, Oberösterreich hält mit passablem Abstand bei 12.7 % und das Burgenland, dessen Versorgungskapazität in diesem Bereich drastisch abfällt, nimmt den letzten Platz ein. Einen bundesweiten Abfall - verglichen mit den Kindertagesstätten - gibt es beim Angebot an Tagesheimen für die 11-bis 15jährigen, wo bundesweit durchschnittlich 1.4 % der Jugendlichen diese Einrichtungen

besuchen. Regional ist das Angebot in Wien mit 4 % am größten. Bei den Kindertagesstätten wie bei den Tagesheimen ist natürlich nicht nur das Angebot sondern auch die Nachfrage geringer, da die Kinder/Jugendlichen vormittags ohnehin schulpflichtig sind, und ihnen - in Hinblick auf einen Ganztagesjob - ohnehin ein gewisses Maß an Selbständigkeit zugebilligt werden kann.

Um Mißverständnissen vorzubeugen: Die eben angeführten Zahlen bezogen sich auf die Anzahl der Individuen, innerhalb der Referenzgruppen, die die jeweiligen Einrichtungen in Anspruch nahmen. Trotzdem sind die Zahlen äquivalent mit dem Angebot an die Gesamtheit der jeweiligen Altersgruppen, da die Nachfrage - mit Ausnahme des Burgenlandes bei den Kindergartenplätzen - stets höher war. Gerade im Kindergartenbereich müßten beispielsweise die Kapazitäten um durchschnittlich 40 % (in Kärnten sogar um 90 %, in Vorarlberg um 70 %) erweitert werden. Noch gravierender ist die Situation bei den Kinderkrippen wo 60 % der Nachfrage ungedeckt sind, was dazu führt, das 21 % jener Frauen, die auch nach der Karenzzeit zu Hause bleiben, dies nur mangels Alternative bei der Kinderbetreuung tun.

Abgesehen von Mangel an Betreuungsstätten sind auch die Öffnungszeiten der bestehenden Einrichtungen relevant. Im wichtigen Kindergartenbereich hatten 1993/94 etwa nur 54 % ganztägig und durchgehend geöffnet. Das regionale Gefälle ist hierbei aber beachtlich, da in Wien 93.2 % der Kindergärten diesen Service anbot, in Tirol aber nur 4.9 %. Das hat zur Folge, daß auch jene Mütter, die einen Kindergartenplatz ergattern konnten, in vielen Bundesländern nur einen Halbtagesjob ausüben konnten (aber dazu später mehr). Relevant ist auch die Wochenendbetreuung, die nur 1.5 % der Kindergärten bzw. nur 4 der 377 Kinderkrippen anboten. Besonders in Fremdenverkehrsregionen, wird so ein Gros der Jobs- und damit ein rascher Wiedereinstieg für viele Frauen unattraktiv.

Generell läßt sich sagen, daß die Position der arbeitsuchenden Mutter im Osten Österreichs aufgrund des weit besseren Angebotes an institutionalen Betreuungsformen viel besser ist, sowie, daß auch bundesländerintern die Frauen die Landbevölkerung - gegenüber der städtischen im Nachteil sind.

Gründe für den Wiedereinstieg und die Länge der Unterbrechungsdauer

Nachdem nun der Hauptgrund für die Berufsunterbrechung, sowie die damit verbundenen Schwierigkeiten beim Wiedereinstieg umfassend abgehandelt wurden, ist zweifellos von Interesse, welche Faktoren die Wiederaufnahme eines Arbeitsverhältnisses abgesehen von der Volljährigkeit/Selbständigkeit der Kinder bedingen. Als zweiter wichtiger Grund wäre hierbei nämlich die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes zu nennen: Anfang der Siebziger Jahre,

als die Arbeitsmarktsituation vergleichsweise entspannt war, betrug die durchschnittliche Unterbrechungsdauer weniger als zwei Jahre, während es zu Beginn der Achtziger Jahre knapp drei Jahre waren - seither stagniert sie auf diesem Niveau. Als dritter wesentlicher Grund läßt sich die berufliche Qualifikation anführen: Bei leitenden weiblichen Angestellten erfolgte der Wiedereinstieg nach durchschnittlich 2.1 Jahren, bei den mittleren Angestellten nach 3.1 Jahren und bei niedrigen Angestellten nach 3.8 Jahren. Ein von der Struktur her äquivalentes Bild ergibt sich auch bei den Arbeiterinnen. Ob die Furcht um vergleichsweise gute Jobs, die guten Arbeitsbedingungen oder andere Dinge die Rückkehr beschleunigten wurde nicht ermittelt.

Faktum ist jedoch auch, daß niederqualifizierte Kräfte ein größeres Interesse an einem raschen Wiedereinstieg haben müßten, da nach einer über die Karenzzeit hinausgehenden Unterbrechung nur 82 von 100 Hilfsarbeiterinnen ihren Status aufrechterhalten, während bei gleichen Bedingungen 95 von 100 höheren weiblichen Angestellten in ihren Job zurückkehren. Der vergleichsweise niedrigen Quote bei den Hilfsarbeiterinnen liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht eine berufliche Besserstellung zugrunde, da Wiedereinsteigerinnen hier generell mit einer Verschlechterung rechnen müssen.

Das manifestiert sich auch in den Gehältern, da 19.4 % aus der Gruppe der 1990 bzw. 20 Jahre davor erwerbstätigen Frauen eine Einkommensverschlechterung beklagten. Allerdings wußten auch 14.5 % über eine Gehaltssteigerung zu berichten, was jedoch darauf rückführbar scheint, daß Frauen mit längerer Job-Abstinenz nicht berücksichtigt wurden, da die Wirkung der Inflation einen großen Teil ihrer Einkommenszufriedenheit ausmachte.

Als vierter wesentlicher (aus einer Reihe weiterer Gründe) Einflußfaktor auf Geschwindigkeit mit der die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt erfolgt lassen sich eine Reihe persönlicher Motive identifizieren. Dazu zählen der Wunsch nach dem Entkommen aus der häuslichen Isolation, die Suche nach neuen Herausforderungen, der Wunsch nach ökonomischer Unabhängigkeit (der bei Witwenschaft oder kurz vor Scheidungen forciert auftritt, sowie grundsätzliche ökonomische Zwänge.

Natürlich darf nicht verschwiegen werden, daß auch bei einer durchschnittlichen Unterbrechungsdauer von nur 3.1 Jahren viele Arbeitnehmerinnen wesentlich länger aus dem Arbeitsprozeß gerissen werden, wodurch auch die Schwierigkeit einer Reintegration in den Arbeitsmarkt deutlich ansteigt.

Förderprogramme zur Erleichterung der Arbeitsfortsetzung

Bei Frauen mit längerer Unterbrechungsdauer existieren Förderprogramme, die ihnen den Wiedereinstieg erleichtern sollen, wobei eines dieser Programme, daß Gegenstand einer Studie war, im Folgenden genauer besprochen werden soll.

Es handelt sich dabei um ein 1988 vom Arbeitsmarktservice Tirol gemeinsam mit dem Berufsförderungsinstitut Tirol ins Leben gerufene Programm, in dem unter anderem Stellenbewerbungstraining, EDV-Einschulung, Betriebspraktika in freigewählten Berufsfeldern und Unterstützung beim Bewältigen der Vereinbarungsproblematik (Beruf - Kinder) angeboten wurden.

Die Dauer des Programmes beträgt jeweils 3 Monate, wobei Anwesenheitspflicht herrscht. Die Frauen erhalten über diesen Zeitraum Mittel zur Deckung ihres Lebensunterhaltes. Die parallel dazu vom Berufsförderungsinstitut Tirol im Auftrag des AMS Tirol durchgeführte Studie verfolgte zwei Ziele, nämlich die Erfahrungen und Einstellungen von Wiedereinsteigerinnen hinsichtlich ihres neuen Arbeitsplatzes/der Qualität der Arbeit zu evaluieren - sowie die Erfahrungen der Arbeitgeber mit diesen Wiedereinsteigerinnen zu erkundschaften. Die dem zugrundeliegende Idee war, über den Vergleich der erhobenen Daten vor Kurseintritt und nach Kursende die berufliche Veränderung der Frauen zu erfassen, sowie Lücken in der eigenen Angebotspalette zu entdecken , um so eine Modifikation in Hinblick auf die Erfordernisse der Berufswelt vornehmen zu können. Operationalisiert wurden diese Untersuchungsziele durch eine quantitative und eine qualitative Untersuchung. Im Rahmen der quantitativen Untersuchung wurden (zu beiden Zeitpunkten) soziobiographische Daten und berufliche Daten wie Bildungswege und bisherige Beschäftigungsverläufe erhoben. Von den 244 Frauen, die die Fördermaßnahme zwischen 1988 und 1993 in Anspruch genommen hatten , waren 41 % bereit an der Untersuchung teilzunehmen; wodurch das Sample repräsentativ für die Gesamtheit war. Der qualitativen Untersuchung lagen teilstrukturierte Interviews (von ca. einer Stunde Dauer) mit 20 Frauen und ebensovielen Personalchefs der angeschriebenen Betriebe zugrunde. Die Frauengruppe wurde, um repräsentative Ergebnisse zu erhalten, nach folgenden Kriterien ausgewählt: der Herkunftsregion, der Altersgruppe, dem Ausmaß der bisherigen Erwerbstätigkeit, sowie nach der Berufsgruppe und dem Familienstand. Die Auswahl der Betriebe erfolgte nach der Branchenzugehörigkeit, dem Sitz des Betriebes sowie dessen Größe. Um diesen qualitativen Teil der Untersuchung auswerten zu können, bediente man sich der Technik der Inhaltsanalyse, die eine Ordnung der Gesprächsinhalte in einzelne Kategorien ermöglichte - sowie in weiter Folge, die Bestimmung der Gewichtung bzw. der Häufigkeiten einzelner Aussagen.

Nun zu den Ergebnissen dieser Untersuchung: Annähernd drei Viertel (72 %) der Wiedereinsteigerinnen sind zwischen 35 und 49 Jahren alt , und entsprechen daher nicht dem vom Arbeitsmarkt "verlangten" Ideal (25 bis 35 Jahre). Weniger als 10 % der ins Förderprogramm aufgenommenen Frauen sind kinderlos. Für den überwiegenden Teil der Mütter ist das Alter der Kinder ein guter Indikator für den Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Berufstätigkeit. So haben 67 % der Mütter Kinder im Alter zwischen 11 und 15 Jahren bzw. darüber, was, wie zu Beginn ausgeführt, seine Ursache in der nicht mehr benötigten Vollzeitbetreuung durch die Mutter zu haben scheint. Die Tatsache, daß nur 5 % der erfaßten Wiedereinsteigerinnen Kinder im Alter von null bis zwei Jahren haben, ist ebenfalls mit dem gerade in dieser Altersklasse spärlich gesäten Betreuungsangebot zu sehen. (Die Anzahl der Kinder wirkt sich im Gegensatz zu deren Alter nicht entscheidend auf die Unterbrechungsdauer aus.) In vielen Interviews wurde zudem deutlich, daß eben die , mit dem Heranwachsen der Kinder freiwerdenden "Kapazitäten" Raum für Gedanken an Selbstverwirklichung im Beruf schaffen.

Was die Schul- und Berufsausbildung betrifft, so existieren bei den registrierten Frauen keine nennenswerten Defizite : 30 % verfügten über eine abgeschlossene Berufsschulausbildung - der Rest verteilt sich auf den Besuch von AHS und BHS - bzw. von berufsbildenden Kursen nach dem Pflichtschulabschluß. Die eingeschlagenen Bildungswege wurden zumeist auch zum Abschluß gebracht, einzig bei den AHS ist mit 41 % eine sehr hohe Drop-out-Rate zu konstatieren.

Eine für die Untersuchung relevante Fragestellung waren die Erwartungen der Wiedereinsteigerinnen an die Betriebe - und umgekehrt. Von Seiten der Frauen wurden positive Beziehungen zu den Arbeitskollegen, Entgegenkommen der Vorgesetzten - und "demokratische innerbetriebliche Interaktionsformen" am Häufigsten genannt. Die interviewten Personalchefs betonten die Wichtigkeit von Teamfähigkeit und Organisationsgeschick, verwiesen aber gleichzeitig auf die große Bedeutung, die formaler Qualifikation wie PC- oder Buchhaltungskenntnissen zukommt. Erfahrungen als Hausfrau und Mutter werden zwar von Firmenseite her begrüßt, da damit angeblich mehr soziale Fertigkeiten sowie Koordinationsfähigkeit verbunden wären - in die Bezahlung fließt derartiges aber nicht mit ein. Das läßt sich dahingehend deuten, daß die Firma zwar jene Fähigkeiten, die Müttern gemeinhin zugeschrieben werden, zu

schätzen wissen, aber gleichzeitig auch deren prekäre Lage bei der Arbeitssuche kennen. Auch die Möglichkeit, daß es sich hierbei nur um Lippenbekenntnisse handelt, darf nicht außer Acht gelassen werden. Dies deshalb, da einige Personalchefs auch die Auffassung vertraten, daß Leute, die mehrere Jahre aus dem Berufsleben gerissen wurden, nicht mehr in den Arbeitsprozeß integrierbar wären. Andere Vorurteile lauten dahingehend, daß Kinder zwangsläufig die Arbeitsmoral senken würden. Mit ähnlichen Vorurteilen haben natürlich auch ältere Arbeitnehmerinnen zu kämpfen (was wiederum viele Mütter betrifft) Diese werden oft aufgrund künftig befürchteter gesundheitlicher Probleme abgelehnt - aber auch aus Kostengründen. Der Grund dafür ist, daß einige der befragten Personalchefs wenig von Arbeitserfahrung aber viel von formaler Qualifikation halten. Herrscht in diesem Bereich nämlich Gleichheit zwischen zwei unterschiedlich alten Bewerberinnen, so wird natürlich die jüngere wegen des Kostenargumentes eingestellt. Diese Einstellungen gereichen natürlich gerade der Gruppe der "spätberufenen" Wiedereinsteigerinnen nicht zum Vorteil. Ein weiterer Wunsch (neben der Genügsamkeit bzw. Jugendlichkeit der Bewerberinnen) der Personalchefs in Branchen wie z.B. der Krankenpflege oder dem Verkauf sind sogenannte Schlüsselqualifikationen, worunter aber nichts Erlernbares verstanden wird , sondern psychische oder physische Robustheit.

Dies natürlich mit dem Hintergedanken, daß so nicht die Arbeitsbedingungen an die Ansprüche der Angestellten angepaßt werden müssen, sondern daß es dann vielmehr umgekehrt der Fall wäre. Das hat zur Folge, daß das Ignorieren körperlichen Belastungen von den Wiedereinsteigerinnen sehr oft als negativ am neuen Beruf erlebt wird. Andere häufig genannte Kritikpunkte sind: Kommunikationsmangel, Unterforderung, das Ausführen von Reproduktionsaufgaben und mangelnde soziale Anerkennung. Letzteres wird im besonderen Maße von Krankenschwestern und Altenpflegerinnen genannt, da der oft hohe persönliche Einsatz - und damit auch die starke Belastung - nach außen hin nicht immer transparent sind.

Auf die Frage nach der Motivation für ihre Arbeit antworten die meisten Frauen (sinngemäß), daß diese im Bewältigen der an sie gestellten Anforderungen beim Vollzug der Arbeit selbst liegt, und daß es sie weiters mit besonderer Befriedigung erfüllt, wenn es gelingt, den (nebenbei laufenden ) Haushalt und die Arbeitstätigkeit optimal zu verbinden. Es scheint also, als seien diese Frauen weniger vom Streben nach Macht und Einfluß , als vielmehr vom Erreichen maximaler Effizienz im beruflichen - wie im privatem Bereich getrieben. Diese Zielsetzungen führen zwar nicht selten zu Überforderung, rechtfertigen aber nicht den Schluß auf mangelndes Interesse Neuem gegenüber. Ganz im Gegenteil, innerbetriebliche Weiterbildungsmöglichkeiten werden dankbar angenommen, auch wenn sie, aus Sicht der Frauen Mangelware zu sein scheinen. Im Gespräch mit den Vertretern der jeweiligen Firmen freilich bietet sich ein ganz anders Bild, da dort von diversen Angeboten, sogar von außerbetrieblichen - deren Kosten die jeweiligen Firmen selbst übernehmen - berichtet wird. Die Gründe für eine derartige Diskrepanz liegen einerseits darin, daß die Angebote oft zuwenig transparent sind - sowie andererseits in der mangelnden Bereitschaft vieler Firmen in die Fortbildung von Teilzeitkräften zu investieren. Gerade in diesem Segment ist der Großteil der Wiedereinsteigerinnen aber beschäftigt. Damit einher geht, daß zwar 63.6 % der Frauen allen Hindernissen zum Trotz von Weiterbildungsmaßnahmen Gebrauch gemacht haben, dies aber lediglich für 19 % mit einer höheren Position im Betrieb verbunden war.

Die Situation nach Absolvierung der Fördermaßnahme

Unmittelbar zuvor wurde erwähnt, daß die meisten Wiedereinsteigerinnen mit Teilzeit-Jobs vorlieb nehmen müssen, was sich vor allem auf ein Beschäftigungsausmaß zwischen 20 und 24 Wochenstunden bezieht, das 49.2 % dieser Frauen angaben. Weitere 19.1 % der Frauen waren sogar noch geringfügiger beschäftigt und nur 14.3 % mußten über 38 bis 40 Wochenstunden zu berichten. Insgesamt arbeiteten rund 75 % der Frauen nur vormittags. Parallel dazu kommen um wenige Frauen in den Genuß höherer Einkommen, da nur 9.5 % zwischen 13100 - und 15000 Schilling verdienten (darüber hinausgehende Einkommen wurden nicht einmal mehr prozentuell erfaßt), es stattdessen aber eine starke Kumulierung im Bereich zwischen 5100 - und 11000 Schilling gibt: 71.4 % der Berufsrückkehrerinnen bewegten sich in diesem Bereich.

Inwiefern der geringe Grad an Vollbeschäftigung und das damit verbundene jeweilige Einkommen auf "Freiwilligkeit beruhen wurde nicht erfaßt (Das wäre zumindest aufgrund der zumeist fortbestehenden Doppelbelastung Beruf/Haushalt nicht ganz abwegig). Trotz dieser Zahlen wäre es falsch den Fördermaßnahmen des AMS den Erfolg abzusprechen, denn immerhin 50 % der großteils schwer vermittelbaren Teilnehmerinnen fanden innerhalb von fünf Monaten nach Kursende eine Beschäftigung. Weitere 7.5 % schafften dies nach 6 bis 11 Monaten, und beachtlichen 15 % glückte die Jobsuche nach ein bis eineinhalb Jahren.

Als Erfolg kann auch gewertet werden, daß als Folge den besseren Qualifikation der Angestellten-Anteil auf 92 % stieg, was ein Plus von 15 % bedeutet. Im Gleichen Maß sank der Anteil der Arbeiterinnen von 7 % auf 2 %. Auf Sparten bezogen ist der Anstieg bei den Büroangestellten von 43 % auf 54 % - sowie der, der Handelsbediensteten von 10 % auf 16 % ebenfalls erfreulich, da beide Jobs für gewöhnlich einer Tätigkeit in Fabriken oder als Hilfsarbeiterinnen vorzuziehen sind.

Somit bleibt als Resumeé, daß nicht wie sonst nach Unterbrechungen üblich ein Abwandern in solche Jobs erfolgte, die unter den persönlichen Qualifikationsniveau liegen, sondern daß dieser Trend sogar ins Gegenteil verkehrt werden konnte. Zudem stellte sich heraus, daß 56 % (bis zum Untersuchungsende) nie ihren Job wechselten bzw. daß sogar 69 % der Befragten nie Arbeitslosenunterstützung beziehen mußten. An dieser Stelle sei auch der diesbezügliche "Gegenpol" erwähnt, nämlich die Gruppe derer, die öfter als fünf Mal auf staatliche Unterstützung angewiesen waren: Ihr Anteil liegt bei bescheidenen 3.1 %. Die zuletzt genannten Zahlen sprechen durchaus für eine nachhaltige Verankerung in der Arbeitswelt, was ebenfalls als Erfolg zu werten ist. Auch von Firmenseite her war Positives zu hören, schließlich bekundeten zwei Drittel der Arbeitgeber von Wiedereinsteigerinnen, die das Förderprogramm absolviert hatten, vollste Zufriedenheit mit diesen. Trotzdem ist nach Meinung jener Frauen, die dieses Programm durchlaufen haben auch noch weiterhin viel zu tun: Die Verbesserungswünsche umfassen den Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten, eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit, sowie weitere Fortbildungsmaßnahmen (vor allem im Dienstleistungssektor). Ebenfalls oft wurde der Wunsch nach einem Ausbau der Berufsorientierungsmaßnahmen an den Schulen geäußert. Von Seiten der Unternehmer gibt es auch eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen, wobei zumeist eine engere Zusammenarbeit mit dem AMS genannt wird. Des weiteren wird dessen "Informationspolitik" dahingehend kritisiert, daß über eine sachliche Gegenüberstellung der Vor -und Nachteile (tatsächliche Qualifikationsvorteile vs Mehrkosten) von älteren Arbeitnehmerinnen (z.B. in Form einer Broschüre) viele Vorurteile abbaubar wären. Darüberhinaus werden praxisbezogenere Förderprogramme (eventuell in Kooperation mit einzelnen Betrieben) genauso genannt, wie der Wunsch nach forcierter staatlicher Förderung für all jene, die ältere Arbeitnehmerinnen einstellen.

Zusammenfassung

Die Hauptursache für die Unterbrechung der Berufstätigkeit bei Frauen ist die Geburt eines Kindes. Nach der Karenzzeit läßt die überwiegende Mehrzahl der Frauen die Arbeit mittel -oder langfristig ruhen, was im Zusammenhang mit einem Mangel an Betreuungsplätzen gesehen werden muß. Tendenziell ist das Angebot im Osten Österreichs aber besser als im Westen - und in der Stadt besser als in ländlichen Gegenden. Wegen des schlechten Betreuungsangebotes lassen viele Mütter die Arbeit solange ruhen, bis die Kinder ein gewisses Maß an Selbständigkeit erreicht haben (daneben entscheidet aber auch die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes und das Qualifikationsniveau der Frauen über die Dauer der Unterbrechung). Bei längerer Unterbrechungsdauer (vor allem durch Kinder) sind die ausschlaggebenden Gründe für die Wiederaufnahme der Arbeit zumeist im Wunsch nach Selbstverwirklichung bzw. einer angestrebten Flucht aus der sozialen Isolation zu suchen. Zu diesem späten Zeitpunkt sind diese Frauen aber meist schon in einem Alter, das sie für den Arbeitsmarkt unattraktiv macht, weshalb häufig Jobs angenommen werden, die unter dem eigentlichen Qualifikationsniveau der Betroffenen liegen. Um diesen Mißstand zu beheben, wurden in den vergangenen Jahren mehrere aus öffentliche Geldern finanzierte Projekte gestartet, die den Wiedereinstieg von Frauen in den Arbeitsmarkt erleichtern sollen. Eines davon (gestartet vom Arbeitsmarktservice Tirol und dem Berufsförderungsinstitut Tirol) war Gegenstand einer Untersuchung. Im konkreten Fall wurden unter anderem eine EDV-Einschulung, Betriebspraktika in frei gewählten Berufsfeldern sowie Stellenbewerbungstraining angeboten. Die Folge war, daß sich der Wiedereinstieg für die meisten innerhalb von achtzehn Monaten nach Ende des Programmes vollzogen hatte, und der drohende berufliche Abstieg verhindert werden konnte. Einziger Wermutstropfen war, daß die meisten Jobs im Teilzeitbereich angesiedelt waren - und daß die Bezahlung dementsprechend war.

Literatur

Bundesministerium für Arbeit und Soziales. (1996). Wiedereinstieg von Frauen in das Berufsleben - und danach? Wien: Autor

Bundesministerium für Frauenangelegenheiten/Bundeskanzleramt. (Hrsg.). (1995). Frauenbericht. Bericht über die Situation der Frauen in Österreich. Wien: Autor.


Inhaltsverzeichnis

14) Familie und Arbeitswelt

STEINBÜGL Karin

Definitionen Familie und Arbeit

Sowohl im Alltag als auch in der Wissenschaft besteht keine einheitliche Auffassung darüber, was unter diesen zwei Begriffen zu verstehen ist. Die Definitionen sind stark abhängig von den historischen, strukturellen und ethnischen Bedingungen einer Gesellschaft, sowie von persönlichen Erfahrungen.

Beispiele für "Familie": Traditionelle Kernfamilie (Vater-Mutter-Kind), Alleinerzieher, Großfamilie (inkl. Großeltern, Tanten, Onkeln und sonstige Verwandte), Wohngemeinschaften (ohne Blutsverwandtschaft oder Ehe), Single-Dasein, u.v.a.

Beispiele für "Arbeit": Verschiedenste Definitionen von Wirtschaft über Psychologie bis hin zur Physik.

Arbeit und Familie: Die räumlich funktionale Trennung zweier Lebensbereiche

Menschen arbeiteten von jeher. Für die meisten Gesellschaften bedeutete Arbeit den Kampf ums Überleben. Ab dem Beginn der Neuzeit erfuhr der Begriff Arbeit eine starke Aufwertung. Es setzte sich der Glaube durch, daß jeder Mensch zur Arbeit berufen war, und zwar in den Stand und an den sozialen Ort, an dem er sich vorfand. Die Arbeit war in das Familienleben eingebettet und somit noch Bestandteil eines ganzheitlich empfundenen Lebens. Später entstanden jedoch neue Formen der Arbeitsteilung und der Arbeitsorganisation. Mit der Ausbreitung der industriellen Produktionsweise und der Weiterentwicklung zur Fabrik wurde die vorindustrielle Familienwirtschaft aufgelöst und die Arbeit aus dem sozialen Leben herausgerissen. Es kam zur räumlich funktionalen Trennung von Beruf und Familie und so auch zur Trennung von Erwerbsarbeit einerseits und Haus- oder Familienarbeit andererseits.

Die zwei Welten von Arbeit: Erwerbsarbeit und Familienarbeit

Die Erwerbsarbeit findet meist außerhalb des familialen Haushalts statt. In der Arbeitswelt steht die Produktion von Gütern und Dienstleistungen im Mittelpunkt. Sie unterliegt den Gesetzen des Marktes und verlangt Einstellungen und Fähigkeiten wie Leistung Disziplin, Zielstrebigkeit und Durchsetzungsvermögen.

Das Pendant der Erwerbsarbeit ist die Haus- oder Familienarbeit. Sie ist als komplementäre Form des Lebenslaufs zuständig für diejenigen menschlichen Bedürfnisse, die unter den Bedingungen des Marktes ins Abseits gedrängt werden. Darunter werden alle Reproduktions und Sozialisationsaufgaben subsumiert.

Familienarbeit: Aufgaben und Leistungen der Familie

Familienarbeit umfaßt im wesentlichen den Aufbau enger, tragender sozialer Beziehungen. Sie ist also Beziehungsarbeit und erfordert die Bereitschaft, einander Zeit und Energie zu widmen ohne dabei den persönlichen Nutzen zu kalkulieren. Sie folgt Prinzipien, die sich gänzlich von denen der Erwerbsarbeit unterscheiden. Prinzipien der Erwerbsarbeit wie Leistung und Effizienz verunmöglichen eine gesunde Entwicklung in der Familie. Familienarbeit erfordert ein Handeln nach den Prinzipien gegenseitiger Rücksichtnahme und Solidarität sowie das Akzeptieren eines anderen. Nicht die Gesetze des Marktes, sondern die Bedürfnisse der einzelnen Familienmitglieder stehen im Vordergrund. Familienarbeit ist abhängig von den biologischen und sozialen Bedürfnissen der Familienmitglieder und erfordert - anders als Berufsarbeit - nicht so sehr erlerntes Spezialwissen, sondern primär Geduld, Empathie und hohes persönliches Engagement. Sie ist gekennzeichnet durch das Fehlen von Freizeit.

Mit dem Wandel der Arbeitsorganisation und dem Ausbau des Schulwesens kam es auch zu einer Veränderung der Funktionen, die die Familie in einer Gesellschaft erfüllt. Die zunehmende Trennung von Produktionsstätte und Familie führte zu einer zumindest teilweisen Auslagerung der Produktion aus der Hausgemeinschaft. Ehemals in der Familie vorgenommene Sozialisationsfunktionen und Pflege- und Betreuungsaufgaben wurden zu einem großen Teil von außerfamilialen Institutionen übernommen (Schulen, Krankenhäuser etc.). Zugleich wird aber in verstärktem Maß von der Familie erwartet, daß sie die affektiven Bedürfnisse ihrer Mitglieder weitgehend abdeckt und so die emotionale Stabilität der Familienmitglieder sichert.

Die zentralen Aufgaben, deren Erfüllung heute von der Familie erwartet wird:

Wechselbeziehungen zwischen Familie und Beruf

Trotz der Trennung zwischen Familienwelt und Berufswelt und den unterschiedlichen gesellschaftlichen Funktionen dieser zwei Lebensbereiche stehen diese nicht unabhängig nebeneinander sondern beeinflussen sich gegenseitig.

Berufliche Zufriedenheit, aber auch beruflicher Streß und Überlastung fließen in den familialen Alltag ein, ebenso wie umgekehrt Zufriedenheit in der Familie, aber auch familiale Konflikte berufliche Leistungen tangieren können.

Das familiale Interaktionssystem wird stark von Faktoren wie Arbeitseinkommen und Arbeitszeit geprägt, die elementare Rahmenbedingungen wie Wohnen und gemeinsame Zeit bestimmen. Familien sind in ihrer ökonomischen Existenz auf das Erwerbseinkommen eines oder mehrerer Familienmitglieder angewiesen. Unzureichendes Erwerbseinkommen, Arbeitsplatzunzufriedenheit oder Arbeitslosigkeit beeinträchtigen die ökonomische Lage der Familie und bringen oft auch familiale Konflikte mit sich.

Andererseits erbringt die Familie Arbeit, die für die Berufswelt von zentraler Bedeutung ist. Sie übernimmt zentrale Sozialisationsaufgaben und vermittelt Werte und Normen, die für das spätere berufliche Verhalten in Hinblick auf Arbeitsmotivation, Sorgfalt, Leistung u.v.m. von Bedeutung sind. Die Familie ist das Gegenmilieu zur Arbeit, wo psychische Sicherheit und soziale Stabilität häufig bedroht sind. Die emotionale Stabilisierung der Familienmitglieder ist ein notwendiger Teil der Reproduktion der Arbeitskraft.

Leider kumulieren bei Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status häufig Belastungen am Arbeitsplatz mit schlechten Reproduktionsbedingungen (Wohnung, Konsumationschancen, Urlaub, Freizeiterholung).

Die Hierarchie Beruf - Familie

Da sich die ökonomische Abhängigkeit der Familie von der Arbeit kurzfristiger und direkter auswirkt als die familialen Leistung auf die Berufswelt, ergibt sich ein scheinbares Ungleichgewicht. Dies führt dazu, daß es eher die Familien sind, die sich an die Arbeits- und Berufsbedingungen anpassen (müssen), als daß Arbeitsorganisationen und berufliche Interessenorganisationen auf familiale Bedingungen Rücksicht nehmen. Zudem ist das Einfließen beruflicher Sorgen in das Privatleben "legitim", während umgekehrt familiäre Sorgen nichts im Berufsleben zu suchen haben. Diese "Asymmetrie" verleiht der Familie ihre rekreative Funktion und ordnet sie zugleich dem Beruf hierarchisch unter.

Probleme der Vereinbarkeit von Familienarbeit und Erwerbstätigkeit

Spannungen und Konflikte bei der Verknüpfung der beiden Bereiche ergeben sich v.a. durch:

Oft ist eine Vereinbarung von Arbeitszeit und "Betreuungszeit wegen mangelnder Kinderbetreuungsmöglichkeiten und Öffnungszeiten institutioneller Einrichtungen zur Kinderbetreuung nicht möglich. Die Organisation des Erwerbslebens mit seinen starren Arbeitszeiten bietet nicht genügend Flexibilität, sich auf unterschiedliche Familienbedürfnisse einzustellen.

Lösungsansätze zur Kinderbetreuung

Der Mangel an (flexiblen) Betreuungsformen stellt eines der Hauptprobleme dar, Berufs- und Familienarbeit zu verbinden. Schätzungsweise könnten hier in Österreich etwa 20.000 Arbeitsplätze geschaffen werden.

In der Betreuung von Kleinkindern werden oft Tagesmütter institutionellen Einrichtungen vorgezogen. Sie betreuen gegen Bezahlung im eigenen Haushalt Kinder, deren Eltern berufstätig sind. Mit ihnen ist eine flexiblere Zeiteinteilung leichter möglich.

Die öffentliche Hand delegiert Kompetenzen an private und fachlich anerkannte Jugendwohlfahrtsträger und stellt ihnen die finanziellen Mittel zur Verfügung. Damit werden Schulungen, Beratungen und Supervision von Tagesmüttern durchgeführt. Die ausgebildeten Frauen werden in den Vereinen angestellt, sind pensions- und sozialversichert und erhalten regelmäßig Fortbildung und Begleitung. Damit können einerseits die erwerbstätigen Eltern ihren Arbeitsplatz erhalten, andererseits werden dadurch qualifizierte, neue Arbeitsplätze geschaffen.

In Frankfurt versuchen sechs Unternehmen ihren MitarbeiterInnen zeit- und bedarfsgerechte Betreuungsmöglichkeiten anzubieten bzw. zu vermitteln. Das Familienservice sucht Kindergartenplätze, testet Tagesmütter und organisiert die Ferienbetreuung von Kindern.

Lösungsansätze zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten
 
Arbeitsform Vorteil(e) Nachteil(e)
Teilzeitarbeit
  • Relativ konfliktarme Kombination von Beruf und Familie. 
  • Geringeres Einkommen 
  • Schlechte soziale Sicherung 
  • Betriebliche und berufliche Nachteile (z.B. geringere Aufstiegschancen) 
  • Zeiteinteilung oft nach betriebl. Bedarf 
  • Billiges Überstunden-Potential 
  • Image, daß die Arbeit nicht so wichtig genommen wird. 
  • Gleitzeitarbeit
    • Zeitpunkt von Arbeitsbeginn und -ende kann frei gewählt werden. 
    • Dauer der tägl. Arbeitszeit kann variieren. 
    • Möglichkeit, Kinder an ihren Betreuungsplatz zu bringen und persönl. Wege leichter zu erledigen. 
    • Bessere Abstimmung der Arbeitszeit und der Wahl des Verkehrsmittels. 
    • Erhöhung des Freizeitwertes durch Konsumation des Zeitausgleiches. 
  • Persönliche Wege wie Behördenwege oder Arztbesuche werden teilweise während der Freizeit und nicht in der bezahlten Arbeitszeit verrichtet. 
  • Kapovaz und Frequovaz
    • Während man "auf Abruf" wartet, kann den haushaltlichen Tätigkeiten nachgekommen werden. 
  • Der Arbeitnehmer kann Zeitpunkt und Dauer der Arbeitsleistung nicht beeinflussen und muß "auf Abruf" verfügbar sein. 
  • Es wird nur die tatsächliche Arbeitszeit und nicht die Bereitschaftszeit bezahlt. 
  • Jobsharing
    • Leichtere Koordination von Beruf und Familie. 
  • Gegenseitige Vertretungspflicht 
  • "geteilte" soziale Sicherheit 
  • Image des Leistungsverweigerers 
  • Schwierigkeiten, seine Verpflichtungen einzuhalten, schlagen sich auf den/die anderen Kollegen/in nieder. 
  • Flexible Wochenarbeits-

    zeit (Tendenz in Ö zu verkürzter Arbeitswoche mit verlängertem Wochenende) 

    • Strukturen des Alltagslebens werden durchbrochen 
    • Wegzeiten und -kosten werden reduziert 
    • Verkehrsentlastung 
  • Durch die verlängerte tägliche Arbeit steigt die Belastung 
  • Während der Tage an denen gearbeitet wird, bleibt kaum Zeit für die Familie, kulturelle und soziale Interessen. 
  • Nach der Freizeit braucht man längere Eingewöhnung. 
  • Flexible Jahresarbeitszeit
    • Familienfreundlich, wenn die Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit so legen könnten, daß sie z.B. während der Ferienzeit nicht arbeiten müßten. 
  • Einschränkung des Privatlebens durch Verteilung der Arbeitsstunden ohne Mitsprache der Arbeitnehmer. 
  • Heimarbeit (Telearbeit)
    • Flexible Gestaltung der Arbeit 
    • Möglichkeit zur Abstimmung berufl. Anforderungen mit den Bedürfnissen von Kindern 
    • qualifizierte Mitarbeiter/innen werden gehalten 
    • Verkehrsentlastung 
  • Isolation, kaum Kontakt zu den Arbeitskollegen/innen 
  • Doppelbelastung steigt, wenn sich der/die Arbeitnehmer/in mit den Kindern beschäftigt und in der Nacht arbeitet. 
  • Andere Modelle:

    Das Modell der "geschützten" Teilzeitarbeit schlägt vor, daß Arbeitnehmer/innen mit betreuungsbedürftigen Kindern (bis 12 Jahre) anstelle des ganzen Tages nur den halben oder dreiviertel Tag erwerbstätig sind, dabei keine Einkommenseinbuße erleiden und die arbeitsrechtlichen, sozialpolitischen und betrieblichen Rechte aus dem Arbeitsverhältnis behalten. Der Ausgleich des Einkommens und der Sozialversicherung soll durch eine sog. "Elternversicherung" subventioniert werden. Durch gelegentliche Beschäftigung (z.B. Urlaubsvertretung) oder Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen während der Familienpause könnte einerseits der Kontakt zur Berufswelt aufrechterhalten bleiben, andererseits die fachlichen Kenntnisse am laufenden gehalten werden. Das Model schlägt die Schaffung eines offenen Systems vor, das den zeitlichen Rückzug aus dem Erwerbsleben ebenso wie den problemlosen Wiedereinstieg ermöglicht. Die "freien" Arbeitsplätze könnten Arbeitslosen zur Verfügung gestellt werden, die gleichzeitig dadurch die Möglichkeiten haben, sich "on the job" zu qualifizieren.

    Wie Kinder und Beruf sich verbinden lassen - nach Sandra Scarr

    In ihrem Buch "Wenn Mütter arbeiten. Wie Kinder und Beruf sich verbinden lassen" zeigt die amerikanische Psychologin Sandra Scarr Wege, die Probleme bei der Vereinbarung von Familie und Erwerbstätigkeit zu reduzieren und objektiviert die bestehenden Vorurteile über die schlechte Betreuung von Kindern, deren Mütter arbeiten. Sandra Scarr ist Professorin für Entwicklungspsychologie an der University of Virginia und selbst Mutter von vier Kindern. Ihre wichtigsten Argumentationen, die sich auf zahlreiche Forschungsergebnisse berufen, seien nachstehend angeführt.

    Vorteile mütterlicher Erwerbstätigkeit

    ... werden im Gegensatz zu den vielen so häufig diskutierten Nachteilen (die noch nie wissenschaftlich bewiesen wurden) in den verschiedensten Untersuchungen so gut wie nie erwähnt. So kann das Vorbild einer selbständigen, "starken" Frau in der Familie positiv zur Entwicklung von Töchtern beitragen. Zudem wird eine arbeitende Mutter (die mit ihrer Arbeit glücklich ist), ihre Zufriedenheit in die Familie mitbringen und so eine bessere, ausgeglichenere Mutter sein können, als eine "frustrierte Hausfrau", die sich durch ihre Kinder an das Haus "gefesselt" fühlt.

    Arbeitende Mütter verbringen nicht zwingend weniger Zeit mit ihren Kindern:

    Die Qualität der Beschäftigung mit dem Kind ist maßgebender als die Quantität und entscheidend ist nicht die Anwesenheit sondern die direkte Interaktion. Mütter, die zu Hause sind, beschäftigen sich die meiste Zeit mit dem Haushalt, verbringen vielleicht auch einige Stunden am Telefon oder vor dem Fernseher und erledigen Arbeiten, die wohl mit dem Kind zu tun haben, bei denen das Kind jedoch in keinster Weise davon profitiert, daß diese Arbeiten von der Mutter erledigt werden und nicht von anderen Personen (Windeln waschen, Nahrung zubereiten, Einkaufen etc.). Untersuchungen über Zeiteinteilung zeigen, daß berufstätige Frauen genauso viel Zeit in direkten Interaktionen mit ihren Kindern verbringen wie nicht-arbeitende Frauen. Der einzige Unterschied besteht darin, daß sie weniger Zeit mit ihren Kindern verbringen, indem sie einfach nur da sind. Die Berufstätigkeit der Mutter geht weniger auf Kosten des Kindes als auf Kosten der eigenen Freizeit und Muße.

    Die Mutter ist nicht die einzige Person, die gute Kinderbetreuung leisten kann:

    Die Bedeutung des indirekten Kontakts mit der Mutter ist fraglich. Niemand hat bewiesen, das die bloße Gegenwart irgendwelche Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung hätte. Natürlich muß ein Erwachsener dasein, der das Kind pflegt und ihm zu Hilfe kommt, wenn es diese braucht. Doch dieser Erwachsene muß nicht die biologische Mutter sein. Auch mit anderen Betreuern können Kinder sich sicher und zufrieden fühlen. Zur Beurteilung von Betreuungseinrichtungen gibt Sandra Scarr genaue Richtlinien, was alles zu beachten ist, um die Qualität der Betreuung gewährleistet zu wissen. Möglichkeiten einer ganz anderen Art guter Kinderbetreuung zeigt die Autorin am Beispiel kollektiv erzogener Kinder im Kibbuz und in der Bruderhof-Gemeinschaft. Auch hier werden Berufstätigkeit und Familie vereinbart, indem ein großer Teil der Kinderbetreuung von den Gemeinschaftsmitgliedern übernommen werden (v.a. Erziehung und Pflege), während die Mutter in der Zeit, in der sie nicht arbeitet, intensiven Kontakt mit ihrem Kind genießen kann.

    Die "besondere Beziehung" zwischen Mutter und Kind - Das Bindungskonzept

    ... wird von Scarr in Frage gestellt. Babies mit nicht-mütterlicher Fürsorge entwickeln sich genauso gut wie mit mütterlicher, solange es eine gute Fürsorge ist. Das Wer und Wo ist weniger wichtig als das Was. Die Bindung eines Kindes an seine Mutter hat auch nichts mit der Berufstätigkeit der Frau zu tun. Kinder arbeitender Mütter hängen genauso an diesen wie die nicht-arbeitender Mütter.

    "Investieren, Investieren, Investieren"

    Geht eine Mutter nicht nur aus ökonomischen Gründen arbeiten, sondern aus Gründen der Selbstverwirklichung, sollte die Familie so viel Geld wie möglich investieren, um die Doppelbelastung der Frau zu reduzieren, d.h. Bügelservice, Tiefkühlkost, Haushaltshilfe, Babysitter u.a. arbeitssparende Dienstleistungen.

    Zusammenfassung und persönliche Stellungnahme

    In den westlichen Industriegemeinschaften sind Familie und Arbeit zwei Lebensbereiche, die sich einerseits bedingen, deren Kombination andererseits aber auf eine Unzahl von Problemen stößt, mit denen in erster Linie Frauen betroffen sind. Zur Lösung dieser Problematik müssen v.a. eine Erweiterung von Möglichkeiten zur Kinderbetreuung und der flexiblen Arbeitszeiten, aber auch eine Einstellungsänderung bezüglich arbeitender Mütter und fremdbetreuter Kinder erfolgen.

    Stellungnahme: Familie und Arbeit - ein Frauenproblem?

    Das Thema lautet zwar "Familie und Arbeitswelt", dennoch möchte ich meine persönlichen Anmerkungen zu berufstätigen Müttern treffen, weil diese ja eigentlich der gröbste Reibungspunkt zwischen diesen zwei Bereichen darstellen. Für mich spiegelt die Diskussion darüber weniger ein tatsächliches Problem wieder als die Entwicklung unserer gepriesenen "modernen" Gesellschaft. Meiner Meinung nach unabänderliche Grundsteine sind drei Tatsachen:

    1. Die vollkommene Gleichstellung von Frauen und Männern kann nicht funktionieren. Dies hat nichts mit Diskriminierung zu tun, sondern liegt in der Natur der Sache: Frauen gebären und säugen Kinder und diese Tätigkeit kann ihnen niemand abnehmen.
    2. Arbeitgeber verlangen - teils bedingt durch den Zwang, wettbewerbsfähig zu bleiben und nicht unterzugehen - immer mehr: Leistung, Effizienz, Verausgabung aller Energien. Der Arbeitnehmer ist kein individueller Mitarbeiter, sondern leicht ersetzbares Arbeitsmaterial.
    3. Die derzeitige Wirtschaftslage ist schlecht und viele Familien können es sich weder leisten, nur von einem Einkommen zu leben, noch, Geld in Hilfsleistungen zu investieren, die die Doppelbelastung mindern könnten.
    So entsteht ein Problemkreis zwischen Arbeitgebern und der Frau als Arbeitnehmer, der leider kaum zu durchbrechen sein wird:

    Da die Frau das Kind zur Welt bringt und zumindest noch die nächste Zeit mit dem Kind verbringen muß, ist eine Unterbrechung ihrer Berufstätigkeit vorprogrammiert. Bei einem Mann ist dies nicht der Fall. Wenn ein Arbeitgeber nun einen Posten zu vergeben hat, sitzt ihm dieser Gedanke sicher im Hinterkopf. Handelt es sich um einen Arbeitsplatz, an dem die Person schnell eingeschult und leicht ersetzbar ist, wird ihn das Geschlecht des Bewerbers wenig beeinflussen. Handelt es sich jedoch um einen Job, der längere Einschulung, eventuell laufende Weiterbildung - also Investitionen für den Arbeitgeber erfordert und nicht so leicht nachzubesetzen ist, ist das Risiko, hier ein "Verlustgeschäft" zu machen, für ihn größer, wenn er eine Frau nimmt. So gesehen darf man niemanden einen Vorwurf machen, bei gleicher Qualifikation einen Mann vorzuziehen. So sitzen bereits in jungen Jahren Männer oft an den besseren, höher bezahlten Posten als Frauen. Nun, verdient der Mann mehr als die Frau, wird wohl sie in Karenz gehen und nicht er, da dies ja sonst die Familienkasse beeinträchtigen würde. Hat die Frau erst einmal ihre Karriere unterbrochen, kann sie bestenfalls wieder da anfangen, wo sie aufgehört hat. Die Differenz zum männlichen Einkommen ist größer geworden, denn er hat ja in der Zwischenzeit Gehaltserhöhungen bekommen; sie dagegen hat an Qualifikationen verloren, wird bei der nächsten Personalentscheidung wieder nicht berücksichtigt und wird unzufrieden - und erst aus der Unzufriedenheit entsteht die Doppelbelastung und damit das Problem.

    Natürlich ist o.a. ein sehr überzeichnetes Bild, aber doch in vielen Fällen das Grundmuster der Entwicklung der Konflikte zwischen Familie und Arbeit. Es muß noch viel in Richtung rechtlicher und finanzieller Absicherung (z.B. längerer Kündigungsschutz nach der Karenz u.v.m.) getan werden, es muß das Angebot an guten Kinderbetreuungsplätzen erhöht werden und es müssen flexiblere Arbeitsplätze geschaffen werden. Dadurch können zumindest diejenigen Mütter, die aus rein finanziellen Gründen arbeiten gehen, entlastet werden. Außerdem muß natürlich eine gerechte Aufteilung der Haushalts- und Familienarbeit zur Regel werden, was wahrscheinlich noch einige Zeit dauern wird und auch kaum erzwungen werden kann. Zudem darf man nicht außer Acht lassen, daß die meisten Modelle der flexiblen Arbeit einen Großteil der Frauen ausschließen, da sie sich fast nur auf administrative Tätigkeiten anwenden lassen, und daß gute Kinderbetreuungsplätze Geld kosten, daß sich gerade die Familien, wo die Frau am Fließband arbeitet und keine Möglichkeit auf Heimarbeit hat, nicht leisten können. Auch die Ratschläge Sandra Scarrs bezüglich der Vereinbarung von Kindern und Beruf sind nur für bessergestellte Familien und Frauen mit guter Ausbildung praktikabel. Die zahlreichen Fabriksarbeiterinnen, Näherinnen, Kellnerinnen und all die anderen, die ihre 40 Stunden in der Woche abarbeiten müssen, um leben zu können, fallen bei all diesen Möglichkeiten wieder durch. Hier könnte nur eine starke Subventionierung der Familien von seiten des Staats helfen, doch die Entwicklung läuft zur Zeit ja eher in die Gegenrichtung und so bleiben in der Praxis nur die Möglichkeiten Armut, kein Kind oder Doppelbelastung.

    Auch die Lage der Frauen, die nicht arbeiten müßten, um zu überleben, wird sich wohl nie ganz an die Männersituation anpassen können, denn nur wenige Arbeitgeber werden Mitarbeiter, die Kinderpausen nach oder ev. noch vor sich haben oder Teilzeit arbeiten, bei wichtigen Personalentscheidungen bevorzugen. Darum - so denke ich - werden sich die meisten Frauen, immer zwischen Karriere und Kind entscheiden müssen, denn beides sind Dinge, die 100%igen Einsatz erfordern und da (außer vielleicht einigen "Superfrauen" ) sich dies nicht vereinbaren läßt, müssen wohl bei dem einen oder anderen Einschränkungen gemacht werden.

    Zusammenfassend: Meiner Ansicht nach ist das Problem Arbeit-Familie v.a. wirtschaftlich und finanzpolitisch bedingt und spielt sich zu Lasten der Familien und hier speziell der Frauen ab. Verbesserungen im Bereich der Familie, Kinderbetreuung, Arbeitszeitenregelung u.s.w. sind daher nur "Behandlungen des Symptoms" und können wahrscheinlich nicht zur "Heilung" , sondern nur zur "Linderung" führen - aber es sind wohl die einzig möglichen Maßnahmen.

    Verw. Literatur: BM für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, 1995: Familie und Arbeitswelt

    Sandra Scarr 1990: Wenn Mütter arbeiten. Wie sich Kinder und Beruf verbinden lassen


    Inhaltsverzeichnis

    15) Kulturelle Determinanten des Elternschaftserlebens am Beispiel Südkoreas

    SCHÖNACH Severine

    Einleitung

    Das Thema dieses schriftlichen Berichts ist eine interkulturelle Untersuchung von Claudia Quaiser-Pohl (1996) "Übergang zur Elternschaft und Familienentwicklung in Deutschland und Südkorea". Diese Untersuchung ist Teil eines größeren Forschungsprojekts, das seit 1987 am Institut für Entwicklungs- und Sozialpsychologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf durchgeführt wird.

    Dieses Forschungsprojekt will in verschiedenen Ländern ( Deutschland, Österreich, USA und Südkorea ) die Einstellungen junger Paare zu Kindern und Familie sowie deren Veränderung im Verlauf der Familienentwicklung erforschen.

    Erster Teil: Einige Hintergrundinformationen über Südkorea

    1 Die traditionelle koreanische Gesellschaft

    1.1 Das Wertesystem

    Das Wertesystem einer Gesellschaft wird immer stark von den in ihr herrschenden Religionen beeinflußt. Der Konfuzianismus ist von der Anhängerzahl zwar nur der drittgrößte, der Buddhismus nimmt die führende Stellung ein, gefolgt vom Christentum, aber dennoch der einflußreichste Vertreter der koreanischen Religionen (Korean Overseas Information Service,1994, zitiert nach Quaiser-Pohl,1996). Es handelt sich nicht so sehr um eine Religion im eigentlichen Sinn, da es keine Gottheit gibt, sondern eher um einen Gesellschafts- und Moralkodex. Es gelten die von Konfuzius festgelegten, die Gesellschaft ordnenden " fünf menschlichen Beziehungen" : Treue des Untertans gegenüber dem Herrscher, Ehrfurcht der Kinder vor den Eltern, Gehorsam der Ehefrau gegenüber dem Ehemann, Respekt des Jüngeren für den Älteren und Vertrauen unter Freunden.

    Drei dieser fünf Sittenregeln beziehen sich auf Pflichten innerhalb der Familie.

    1.2 Die Familie

    In der traditionellen Kultur Ostasiens stellt die Familie und nicht das Individuum die kleinste Einheit der Gesellschaft dar. Die Funktionen in der Familie waren zwischen Mann und Frau klar aufgeteilt. Der Ehemann war alleine für die Beziehungen und Interaktionen mit der Außenwelt zuständig, die Frau herrschte im Haus, erzog die Kinder und verwaltete die Finanzen.

    Die traditionelle Familienform war patrilinear und patriarchalisch. Einerseits hatten sich Frauen Männern unterzuordnen, andererseits hatte sich die jüngere Generation der älteren Generation unterzuordnen.

    1.3 Schwangerschaft und Geburt

    Die konfuzianische Kindespflicht ist die Verpflichtung und Aufgabe einer jungen Frau, der Familie einen Sohn zu gebären, um die Familienlinie fortzusetzen. Es wird als selbstverständlich betrachtet, daß ein bis zwei Jahre nach der Heirat ein Kind geboren wird.

    Es herrscht die Vorstellung, daß die Erfahrungen und Emotionen der Mutter bereits den Charakter des Ungeborenen prägen. Die intrauterine Erziehung ist daher besonders wichtig. Sie schreibt der Schwangeren bestimmte Verhaltensweisen vor und verbietet andere. Der Ehemann soll in dieser Zeit besonders viel Rücksicht nehmen, um eine gesunde körperliche und psychische Entwicklung des Fetus zu gewährleisten (Yang, 1990, zitiert nach Quaiser-Pohl, 1996). Vor allem die Geburt des ersten Kindes ist von großer Bedeutung. Weitere Schwangerschaften werden seitens der Familie nur dann gewünscht, wenn das erste Kind ein Mädchen ist und der Wunsch nach einem Sohn weiterhin besteht.

    2 Modernisierungsprozesse- die südkoreanische Gesellschaft heute

    2.1 Industrialisierung und Urbanisierung

    Südkorea konnte sich in wenigen Jahrzehnten von einem Agrarstaat über ein Billiglohnland zu einer Industrienation mit westlichen Zügen entwickeln. Basis für die wirtschaftliche Entwicklung waren vor allem auch die Niedrigstlöhne. 1987 kam es aufgrund anhaltender schlechter Arbeits- und Lohnverhältnisse zu Arbeiter- und Studentenunruhen, die eine allgemeine Liberalisierung bewirkten und die Gründung von Gewerkschaften ermöglichten. Dies führte zu drastischen Lohnerhöhungen, was einerseits die Konkurrenzfähigkeit Südkoreas zugunsten südost-asiatischer Billiglohnländer verschlechterte, andererseits die Lebensbedingungen der Menschen erheblich verbesserte und westlichen Verhältnissen annäherte.

    Das Verhältnis von Stadt- und Landbewohnern hat sich umgekehrt. Der Agrarsektor wurde im Zuge der industriellen Entwicklung lange Zeit vernachlässigt, was zu einer dramatischen Landflucht führte. Diese wurde von staatlicher Seite zunächst begrüßt, da man billige Arbeitskräfte benötigte. Erst als es zu einer Krise in der Landwirtschaft kam und das soziale Gefälle zwischen Stadt- und Landbewohnern immer größer wurde, versuchte man von staatlicher Seite dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Eine soziale Gleichstellung von Stadt- und Landbewohnern ist aber nicht gelungen.

    2.2 Die Rolle der Frau

    Zumindest in der schulischen Bildung gibt es fast eine Gleichstellung von Jungen und Mädchen. Die verbesserte Stellung der Frau macht sich auch in einer veränderten Situation am Arbeitsmarkt bemerkbar. 1960 wurden nur 539.000 weibliche Erwerbstätige gezählt, 1992 hingegen 7.6 Mio (Korean Overseas Information Service, 1994, zitiert nach Quaiser-Pohl, 1996). Allerdings sind Frauen am Arbeitsmarkt gegenüber Männern benachteiligt; sie werden für weniger qualifizierte Arbeiten herangezogen, erhalten für die gleiche Arbeit weniger Lohn und müssen statistische gesehen mehr arbeiten.

    Auch im öffentlichen Leben spielen Frauen nach wie vor eine untergeordnete Rolle

    3 Einflüsse gesellschaftlicher Veränderungen auf die Familienentwicklung

    3.1 Bevölkerungsentwicklung und Familienplanungsprogramme

    Südkorea weist mit mehr als 400 Einwohnern pro Quadratkilometer die drittgrößte Bevölkerungsdichte der Welt auf. Seit 1953 hat sich die Bevölkerungszahl von 21.5 Mio. auf über 40 Mio. fast verdoppelt (Statistisches Bundesamt, 1987, zitiert nach Quaiser-Pohl, 1996). Verantwortlich dafür ist einerseits der nach Ende des Korea-krieges einsetzende Babyboom, und andererseits die verbesserte medizinische Versorgung.

    In den 60er Jahren wurde die Notwendigkeit von Maßnahmen der Familienplanung erkannt. Ziel der staatlichen Familienplanungsprogramme war es, die Zahl jener Paare, die Geburten-kontrolle praktizieren, zu erhöhen und die durchschnittliche Kinderanzahl pro Familie zu verringern. Auf staatliche Sanktionen gegen kinderreiche Familien wurde verzichtet.

    Die jährliche Bevölkerungszuwachsrate ist von 3% im Jahre 1961 auf 0,91% im Jahre 1992 zurückgegangen (Korean Overseas Information Service,1994, zitiert nach Quaiser-Pohl,1996).

    3.2 Die Bedeutung der Familie und Rolleneinstellungen und Rollenverhalten

    Mit dem sozialen Wandel haben sich auch Veränderungen in bezug auf die Bedeutung der Familie vollzogen. Die Anzahl der Kernfamilien hat vor allem in Großstädten zugenommen. Eine Veränderung der Familienstruktur resultiert auch aus der Tendenz zur späteren Heirat. 1960 heirateten Frauen durchschnittlich noch mit 21 Jahren, Ende der 80er Jahre mit 24 Jahren (Machetzki & Pohl, 1988, zitiert nach Quaiser-Pohl, 1996).

    Mit dem steigenden Einfluß westlicher Wertvorstellungen hat in Südkorea auch die Partnerbeziehung an Bedeutung gewonnen. Durch diese Veränderung und die zunehmende Berufstätigkeit der Frau wandelte sich auch das Rollenverständnis, wenn es auch nicht zu einer gänzlichen Aufhebung der traditionellen Rollenaufteilung kam (Yang, 1990, zitiert nach Quaiser-Pohl,1996). In bezug auf Hausarbeit und Kinderbetreuung herrscht noch ein seht traditionelles Rollenverständnis. Eine Veränderung zeigt sich dahingehend, daß sich Frauen auch an gesellschaftlichen Aktivitäten und Familienangelegenheiten beteiligen.

    Für berufstätige Frauen resultiert auf jeden Fall eine Doppelbelastung.

    Zweiter Teil: Theoretisches Konzept

    4 Das ökopsychologische Modell

    Den theoretischen Rahmen für diese Untersuchung liefert das ökopsychologische Modell von Bronfenbrenner ( 1981, 1986 zitiert nach Quaiser-Pohl, 1996). In struktureller Hinsicht werden dabei verschiedene Systeme unterschieden.

    - Das Mikrosystem: Die Familie stellt z.B. ein solches Mikrosystem dar. Es handelt sich hierbei um den unmittelbar erlebten Lebensbereich einer Person.

    - Das Mesosystem beschreibt die Wechselwirkung zwischen verschiedenen Lebensbereichen, wie z. B. zwischen dem Mikrosystem Familie und bestimmten außerfamiliären "settings".

    - Als Exosystem werden Lebensbereiche verstanden, an denen sich die sich entwickelnde Person nicht selbst beteiligt, in denen aber Ereignisse stattfinden , die sich auf ihre eigenen Lebensbereiche auswirken oder die davon beeinflußt werden.

    - Das Makrosystem bildet ein System von ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, in das die anderen Systeme eingebettet sind.

    In Anbetracht des kulturvergleichenden Ansatzes ist vor allem die Struktur des Makrosystems von Interesse.

    Im Zentrum des Modells stehen dabei die individuellen Einstellungen und Auffassungen der Befragten, wie ihre Einstellung zu Kindern, ihre Rolleneinstellungen und ihr Rollenverhalten sowie ihre Zufriedenheit mit der Partnerschaft. Weiters wird davon ausgegangen, daß bestimmte individuelle Voraussetzungen - in der mittleren Modellebene angeordnet - sich einerseits auf die jeweilige Familienentwicklung und Einstellungen auswirken, andererseits aber von dauerhaften Einflüssen des Makrosystems - in der äußeren Modellebene angeordnet - beeinflußt werden. Es wird angenommen, daß sich sowohl die auf einer Ebene befindlichen Faktoren wechselseitig beeinflussen, als auch Wechselbeziehungen zwischen allen drei Modellebenen bestehen.

    5 Fragestellungen

    Die Fragestellung dieser Untersuchung gliedert sich in drei Teilaspekte:

    - Wie verändern sich bestimmte Einstellungsvariablen kurzfristig beim Übergang zur Elternschaft und längerfristig im Verlauf der Familienentwicklung ( entwicklungspsychologischer Aspekt )?

    - Von welchen Variablen des ökopsychologischen Netzwerkes wird die Familienentwicklung beeinflußt und in welcher Weise ( ökopsychologischer Aspekt )?

    - Welche Unterschiede zeigen sich in bezug auf den Übergang zur Elternschaft und die Familienentwicklung sowie die sie beeinflussenden Variablen bei werdenden Eltern in Deutschland und Südkorea ( kulturvergleichender Aspekt )?

    6 Die Untersuchungsmethode

    6.1 Die Primärerhebung

    Es handelt sich bei dieser Untersuchung um eine Sekundäranalyse. Die Daten wurden im Rahmen des Forschungsprojekts "Junge Eltern im Kulturvergleich", das seit 1987 am Institut für Entwicklungs- und Sozialpsychologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf durchgeführt wird, in Form eines Querschnitt- Längsschnitt- Designs erhoben. Die längerfristige Familienentwicklung vom ersten zum zweiten Kind wurde querschnittlich über den Vergleich von Erst- und Zweiteltern untersucht. Die kurzfristige Familienentwicklung und der Übergang zur Elternschaft konnte längsschnittlich durch Befragung zu zwei Untersuchungszeitpunkten, im sechsten Schwangerschaftsmonat (T1) und drei Monate nach der Geburt des Kindes (T2), erfaßt werden.

    In Deutschland nahmen zu T1 152 Erst- und 58 Zweiteltern teil, zu T2 133 Erst- und 48 Zweiteltern.

    In Südkorea gab es auswertbare Daten von 76 Erst- und 54 Zweiteltern zum ersten Untersuchungszeitpunkt, zu T2 nahmen nur noch 47 der Erst- und 42 der Zweiteltern an der Befragung teil.

    Als Meßinstrument diente ein Fragebogenset (Nickel, Grant, Vetter, 1990), mit dem Einstellungen zu verschiedenen Bereichen, wie z. B. zur Bedeutung von Kindern und zum Rollenverständnis erfaßt wurden. Weiters wurden sozioökonomische Variablen erhoben, wie

    z. B. das Alter und der Schulabschluß. Zu T2 wurden außerdem die Umstände und der Verlauf der Geburt und die Einschätzung des Umgangs mit dem Säugling erfragt.

    In der koreanischen Stichprobe wurde das Fragebogenset teilweise modifiziert, um es den landesspezifischen Rahmenbedingungen anzupassen.

    6.2 Überprüfung der interkulturellen Vergleichbarkeit

    Um die interkulturelle Vergleichbarkeit, der mit Hilfe des Fragebogensets erfaßten Einstellungsdimensionen zu überprüfen, wurde in den einzelnen Untersuchungsstichproben eine Faktorenanalyse durchgeführt und die Übereinstimmung der so eruierten Faktoren überprüft.

    Einstellungsfragebogen FB 82

    Sowohl für deutsche Erst- als auch für Zweitmütter ergab sich zu beiden Untersuchungszeitpunkten eine 4- Faktoren- Lösung. Die Faktoren lassen sich folgendermaßen benennen : "Kinder als Wert", "Kinder als Belastung", "Rolleneinstellungen", "Mutterschaft und Berufstätigkeit".

    Für südkoreanische Erst- und Zweitmütter konnten zu beiden Untersuchungszeitpunkten drei Faktoren identifiziert werden: "Kinder als Wert", "Kinder als Belastung" und "Rolleneinstellungen".

    Aufteilung der Haushaltstätigkeiten

    Es sollte eingeschätzt werden wer gewöhnlich verschiedenen Tätigkeiten im Haushalt übernimmt.

    In der deutschen Stichprobe verteilten sich die Haushaltstätigkeiten auf zwei Faktoren: "Traditionell eher weibliche Haushaltstätigkeiten", wie z. B. "Abwaschen" und "Traditionell eher vom Mann ausgeführte Tätigkeiten", wie z. B. "Behördengänge erledigen".

    In der südkoreanischen Stichprobe konnte nur ein Faktor eruiert werden, der die höchste Übereinstimmung mit dem Faktor "Traditionell weibliche Haushaltstätigkeiten" in der deutschen Stichprobe zeigte.

    Aufteilung der Pflegetätigkeiten

    Zu T2 wurde auch die Aufteilung der Tätigkeiten zur Pflege des Säuglings unter den Partnern erfaßt.

    In der deutschen Stichprobe ergab sich eine 2- Faktoren- Lösung, wobei der erste Faktor als "Sorgen und Pflegen" zusammengefaßt werden kann, der zweite Faktor als "Beschäftigen".

    In der südkoreanischen Stichprobe ergab sich nur ein Faktor, der am höchsten mit dem Faktor "Sorgen und Pflegen" in der deutschen Stichprobe korrelierte.

    Für einige der eruierten Faktoren konnte die interkulturelle Vergleichbarkeit nachgewiesen werden. Da es sich aber nicht um identische Skalen handelt und oft sogar eine unterschiedliche Faktorenanzahl auftrat, wurde auf einen direkten Vergleich von Einstellungen südkoreanischer und deutscher Eltern verzichtet und die kurz- und längerfristig entwicklungsbedingten Einstellungsänderungen nur innerhalb der Länderstichproben ausgewertet.

    Daß in der koreanischen Stichprobe keine männlichen und weiblichen Haushaltstätigkeiten unterschieden werden konnten und lediglich ein Pflegefaktor identifiziert werden konnte, bestätigt, daß auch heute noch in bezug auf den Haushalt in Südkorea eine sehr traditionelle Rollenaufteilung praktiziert wird.

    Der Nachweis eines Faktors "Mutterschaft und Berufstätigkeit" für deutsche Mütter macht die starke gedankliche Beschäftigung deutscher Frauen mit diesem Thema deutlich.

    Dritter Teil: Ergebnisse und Diskussion

    7 Soziodemographische Merkmale

    7.1 Religionszugehörigkeit

    Etwa die Hälfte der deutschen Eltern bezeichnete sich als katholisch, ein Drittel als evangelisch und weniger als ein Sechstel gab an keiner Religion anzugehören.

    In der südkoreanischen Stichprobe war die Gruppe der religiös nicht gebundenen die größte ( 35% der Erst- und 43% der Zweitmütter zählten sich zu dieser Gruppe). Etwa gleich häufig mit etwa 25% wurde die evangelische Konfession und der Buddhismus genannt. In beiden Ländern ergab sich kein Zusammenhang zwischen der Religionszugehörigkeit und der Elterngruppe.

    7.2 Schulbildung

    Die größte Gruppe stellte bei den deutschen Müttern diejenige mit Real- bzw. Mittelschulabschluß. Auffällige Abweichungen zwischen deutschen Erst- und Zweitmüttern waren nicht festzustellen, wohingegen südkoreanische Erstmütter einen höheren Schulabschluß aufwiesen als Zweitmütter.

    7.3. Berufstätigkeit

    Zum ersten Untersuchungszeitpunkt war der Anteil erwerbstätiger deutscher Erstmütter fast dreimal so hoch ( 85,5,% ) wie der Anteil erwerbstätiger südkoreanischen Erstmütter ( 30,3% ). Bei deutschen Zweitmüttern hatte sich der Anteil der Berufstätigen zu T1 auf weniger als die Hälfte verringert ( auf 37,9% ). Bei südkoreanischen Zweitmüttern verringerte sich der Anteil der Berufstätigen zu T1 in deutlich geringerem Maß ( auf 18,5 %). Zu T2 war nur noch ein geringer Teil der deutschen Mütter berufstätig, nämlich 7,3% der Erst- und 6,3% der Zweitmütter.

    In Südkorea gingen zu T2 30,3% der Erst- und 16,2% der Zweitmütter einer Erwerbstätigkeit nach.

    Die deutschen Mütter waren also bis zur Geburt ihres ersten Kindes zu einem sehr hohen Prozentsatz berufstätig, gaben die Berufstätigkeit aber in der Regel auf, und ein geringer Teil scheint sie bis zur Geburt des zweiten Kindes wieder aufzunehmen. In der südkoreanischen Stichprobe war einerseits die Berufstätigkeit von Müttern prozentual viel geringer, andererseits änderte sie sich im Verlauf der Familienentwicklung wesentlich weniger.

    8 Charakteristiken der Familiengründung

    8.1 Familienstand

    In der deutschen Stichprobe waren 88,8% der Erst- und 98,3% der Zweiteltern verheiratet.

    Die südkoreanischen Zweiteltern waren alle verheiratet, bei den Ersteltern waren es 98,7%. Hier spiegelt sich die Tatsache wider, daß es in Südkorea gesellschaftlich nicht akzeptiert ist, in einer nichtehelichen Gemeinschaft zu leben und Kinder zu bekommen. In Deutschland dürfte die nichteheliche Lebensgemeinschaft spätestens beim zweiten Kind in eine eheliche übergeführt werden.

    8.2 Zustandekommen der Ehe bzw. Partnerschaft

    Diese Variable wurde nur in der südkoreanischen Stichprobe erhoben. Ca. 15-20% der Befragten gaben an, daß ihre Ehe ausschließlich durch Vermittlung anderer zustande gekommen sei, mehr als ein Viertel machte teils eigene Aktivitäten teils Initiative anderer dafür verantwortlich. Nur etwas mehr als die Hälfte gab, an sich selbst kennengelernt zu haben. Die Art und Weise, in der Partnerschaften in Südkorea zustande kommen, scheint auch heute noch ziemlich traditionell zu sein.

    8.3 Dauer der Partnerschaft bzw. Ehe bis zur Geburt des ersten Kindes

    Südkoreanische Paare hatten bis zur Geburt des ersten Kindes kürzer zusammengelebt als deutsche Paare. Deutsche Ersteltern lebten durchschnittlich 5 Jahre, südkoreanische Ersteltern nur 1,1 Jahre, deutsche Zweiteltern 4,6 Jahre und südkoreanische Zweiteltern nur 1,5 Jahre zusammen.

    8.4 Kinderwunsch

    Die Paare wurden auch gefragt wieviel Kinder sie sich unter idealen Bedingungen wünschen und wieviel sie tatsächlich haben wollen. Die deutschen Mütter wünschten sich sowohl unter idealen als auch unter realen Bedingungen mehr Kinder als die südkoreanischen Mütter. Z. B. wünschten sich deutsche Erstmütter ideal 2,7 Kinder, real 2,1 Kinder; südkoreanische Erstmütter wünschten sich ideal 1,87 Kinder real 1,6 Kinder.

    Das könnte mit der Tatsache in Zusammenhang stehen, daß in Südkorea der Wunsch ein Kind zu bekommen zwar weiterhin kulturell bedeutsam ist, daß aber heutzutage ein männlicher Nachkommen ausreicht.

    9 Veränderungen von Einstellungen beim Übergang zur Elternschaft

    9.1 Veränderungen in den Einstellungen zu Kindern

    9.1.1 Kinder als Wert

    In der deutschen Stichprobe war in bezug auf die Einstellung Kinder als Wert anzusehen sowohl eine kurzfristige als auch eine längerfristige Entwicklung in Richtung einer Verstärkung nachweisbar. Im Verlauf der Familienentwicklung wurden die positiven Eigenschaften von Kindern zunehmend betont.

    Auch bei den südkoreanischen Erstmüttern stieg die Tendenz Kinder als Wert anzusehen vom ersten zum zweiten Untersuchungszeitpunkt an. Bei den südkoreanischen Zweitmüttern zeigte sich aber eine Einstellungsänderung in die umgekehrte Richtung; nach der Geburt des Kindes maßen sie Kindern einen geringeren Wert bei als noch zu T1. Diese Einstellungsänderung erwies sich aber als abhängig vom Geschlecht des Kindes. Nur wenn das erste Kind ein Junge und das zweite Kind ein Mädchen war, fiel die Werteinstellung von T1 zu T2 nicht ab. Weiters wurde der Wert von Kindern zum zweiten Untersuchungszeitpunkt höher eingeschätzt, wenn als erstens Kind ein Mädchen geboren worden war, als wenn ein Junge geboren worden war.

    Daß nach der Geburt des zweiten Kindes südkoreanische Mütter Kindern einen geringeren Wert beimessen, ist in Zusammenhang mit der konfuzianischen Kindespflicht zu interpretieren. Durch die Geburt eines männlichen Nachkommen muß die Fortsetzung der patrilinearen Familientradition gewährleistet werden. Mehr als ein Kind ist nur dann notwendig, wenn das erste Kind ein Mädchen ist, daher wurde auch der Wert von Kindern zu T2 höher eingeschätzt, wenn als erstes Kind ein Mädchen geboren worden war.

    9.1.2 Kinder als Belastung

    Deutsche Erst- und Zweitmütter sahen zum zweiten Untersuchungszeitpunkt Kinder stärker als Belastung an als noch währen der Schwangerschaft. Weiters war das Belastungsempfinden der deutschen Zweitmütter stärker als das der Erstmütter.

    Bei den südkoreanischen Müttern war nur ein geringfügiger Anstieg der Belastungseinschätzung von T1 zu T2 nachweisbar, längerfristig zeigt sich diese Entwicklung nicht.

    9.2 Veränderungen von Rolleneinstellungen und Rollenverhalten

    9.2.1 Einstellungen zur Elternrolle

    Die südkoreanischen Zeitmütter hatten eine konservativere Einstellung als die Erstmütter. Auch von T1 zu T2 entwickelte sich die Einstellung der südkoreanischen Mütter in Richtung einer traditionelleren Rolleneinstellung. Möglicherweise führte die Konfrontation mit den tatsächlichen Anforderungen dazu, daß die koreanischen Mütter ihre vorher egalitäre Rolleneinstellung in Rückbesinnung auf konfuzianische Werte revidierten und sich auf ihre traditionelle Frauenrolle zurück besannen.

    Bei den deutschen Müttern änderten sich die Rolleneinstellungen im Verlauf der Familienentwicklung nicht signifikant.

    9.2.2 Aufteilung der Haushaltstätigkeiten

    Sowohl deutsche als auch südkoreanische Zweitmütter gaben einen wesentlich höheren Anteil an den Haushaltstätigkeiten an als Erstmütter (längerfristige Veränderung). In beiden Stichproben schätzten Erst- und Zweitmütter ihren Anteil an den Haushaltstätigkeiten nach der Geburt des Kindes wesentlich höher ein als noch während der Schwangerschaft (kurzfristige Veränderung). Es war eine Umverteilung der Tätigkeiten zu Lasten der Mütter zu verzeichnen.

    9.2.3 Aufteilung der Pflegetätigkeiten

    Deutsche Zweitmütter schätzten ihren Anteil an Pflegetätigkeiten, die sich auf "Beschäftigen" beziehen höher ein als Erstmütter. Bezüglich des Pflegefaktors "Sorgen und Pflegen" zeigte sich zwischen deutschen Erst- und Zweitmüttern kein signifikanter Unterschied.

    In der südkoreanischen Stichprobe traten keine signifikanten Unterschiede bezüglich der Aufteilung der Pflegetätigkeiten zwischen Erst- und Zweitmüttern zutage.

    9.2.4 Veränderungen der partnerschaftlichen Zufriedenheit

    Bei allen Befragten nahm die Zufriedenheit mit der Partnerschaft im Verlauf der Familienentwicklung ab. Bei den südkoreanischen Müttern zeigte sich diese Veränderung aber nur längerfristig vom ersten zum zweiten Kind. Nach der Geburt des ersten Kindes war keine geringere Zufriedenheit zu verzeichnen, was in Zusammenhang mit der großen Bedeutung der Geburt des ersten Kindes für südkoreanische Familien und das dadurch gewonnene Ansehen für die Erstmutter interpretiert werden kann.

    10 Anpassung an die Situation mit dem Kind

    Zum zweiten Untersuchungszeitpunkt wurden die Partner auch gebeten in Form eines größeren Frageblocks Angaben darüber zu machen, wie ihnen die Anpassung an die neue Situation mit dem Neugeborenen bzw. dem Säugling gelungen war. Anhand dieser Fragen wurden hierarchische Clusteranalysen berechnet. Dabei wurden die Cluster einerseits anhand der ursprünglich sie konstituierenden Variablen und andererseits durch die Unterschiede in den Einstellungsvariablen beschrieben. Sowohl für deutsche als auch für südkoreanische Mütter ließen sich jeweils sechs verschiedene Anpassungscluster darstellen.

    Die Anpassung an das Kind wurde bei südkoreanischen und deutschen Eltern sowohl von Einstellungsvariablen als auch von Variablen des ökopsychologischen Netzwerkes beeinflußt. Es zeigten sich allerdings interkulturelle Unterschiede zwischen südkoreanischen und deutschen Eltern.

    Einstellungsvariablen wiesen vor allem in der deutschen Stichprobe einen auffallenden Zusammenhang mit dem Gelingen der Anpassung auf, wobei die Einstellungen zum Wert und zur Belastung durch Kinder, aber auch die Partnerschaftszufriedenheit eine bedeutsame Rolle spielten. Dabei zeigte sich, daß die Frage wie zufrieden beide Elternteile bereits während der Schwangerschaft mit ihrer Partnerschaft waren, in direktem Zusammenhang zur späteren Anpassung an das Kind stand.

    Berufstätigen deutschen Müttern gelang die Anpassung an das Kind besser, wenn sie von ihrem Partner bei der Säuglingspflege unterstützt wurden.

    Bei südkoreanischen Eltern wurde das Gelingen des Übergangs hauptsächlich von verhaltensbezogenen Skalen, wie Aufteilung der Haushalts- und Pflegetätigkeiten beeinflußt.

    Bei den südkoreanischen Frauen wirkte sich auch der Schulabschluß sowie die Berufstätigkeit auf das Gelingen des Übergangs zur Elternschaft aus. Für die deutschen Frauen spielte die Tatsache, ob sie berufstätig waren, in bezug auf die Anpassung an das Kind keine Rolle, wohl aber ihre Einstellung zu dem Thema "Mutterschaft und Berufstätigkeit". Nur für deutsche Mütter ergaben sich in der Anpassung charakteristische Unterschiede zwischen Erst- und Zweitmüttern in der Hinsicht, daß Zweitmütter generell sicherer im Umgang mit dem Kind waren, sich aber auch stärker vom Partner vernachlässigt fühlten.

    11 Familienentwicklung und Variablen des Makrosystems

    11.1 Schulbildung und Familienentwicklung

    Sowohl deutsche als auch südkoreanische Mütter schrieben mit höherer Schulbildung Kindern einen geringeren Wert zu als Mütter mit niedrigerer Bildung.

    Zwischen Schulabschluß und der Einstellung "Kinder als Belastung" konnten keine Zusammenhänge nachgewiesen werden.

    Auch die Rolleneinstellung war sowohl bei deutschen als auch bei südkoreanischen Müttern von der Schulbildung abhängig. Mit steigender Schulbildung wurde das Rollenverständnis immer partnerschaftlicher orientiert. Interessant ist, daß deutsche Mütter mit höherer Schulbildung eine Traditionalisierung von T1 zu T2 zeigten, während weniger gebildete deutsche Mütter zunehmend egalitärer wurden.

    11.2 Religionszugehörigkeit und Familienentwicklung

    Katholische deutsche Mütter maßen Kindern den höchsten Wert bei, während deutsche Mütter, die angaben keiner Religion anzugehören, Kinder am wenigsten als Wert und viel stärker als Belastung empfanden als katholische und evangelische Mütter.

    Bei südkoreanischen Müttern zeigt sich kein Zusammenhang zwischen ihrer Religionszugehörigkeit und ihren Einstellungen zu "Kindern als Wert" und "Kindern als Belastung", dafür aber ein Zusammenhang zu ihrer Rolleneinstellung. Buddhistische und katholische Mütter zeigten ein überdurchschnittlich traditionelles Rollenverständnis. Evangelische Mütter hatten dabei die egalitärste Rolleneinstellung.

    11.3 Berufstätigkeit der Frau und Familienentwicklung

    Zu T2 berufstätige deutsche Mütter schrieben Kindern einen geringeren Wert zu als zum selben Zeitpunkt nicht berufstätige. Andererseits stieg die Wertschätzung von der Schwangerschaft bis zur Geburt des Kindes stärker an, wenn die Mutter zu T2 berufstätig war. Auch die Einstellung zum für deutsche Mütter spezifischen Faktor "Mutterschaft und Berufstätigkeit" veränderte sich in Abhängigkeit von der tatsächlichen Berufstätigkeit. Berufstätige Zweitmütter stimmten der Vereinbarkeit von Mutterschaft und Berufstätigkeit stärker zu als berufstätige Erstmütter, während bei Frauen, die zu keinem Zeitpunkt berufstätig waren, Zweitmütter die Vereinbarkeit von Mutterschaft und Berufstätigkeit stärker verneinten als Erstmütter.

    Für die südkoreanischen Frauen hatte die Berufstätigkeit einen Einfluß auf ihre Einstellung "Kinder als Wert". Bei den nichtberufstätigen Zweitmüttern nahm die Einstellung zu Kindern als Wert stärker ab als bei den berufstätigen Zweitmüttern und zwar ausgehend von einem höheren Ausgangsniveau in T1 zu einem erheblich niedrigeren Wert in T2 führend.

    Koreanische Mütter, die nach der Geburt des Kindes einer Berufstätigkeit nachgingen, waren in ihrer Rollenauffassung besonders egalitär.

    Vierter Teil: Zusammenfassung und übergreifende Interpretation

    Es wurden charakteristische Einstellungsveränderungen im Verlauf der Familienentwicklung sowie ihre Abhängigkeit vom jeweiligen Makrosystem aufgezeigt.

    Deutsche Mütter betrachten Kinder im Verlauf der Familienentwicklung sowohl kurz- als auch längerfristig zunehmend als Wert, gleichzeitig wird aber auch das Belastungsempfinden stärker, das bei südkoreanischen Müttern kaum eine Rolle spielt. Auch südkoreanische Mütter betrachten Kinder nach der Geburt des ersten Kindes zunehmend als Wert, nach der Geburt des zweiten Kindes wird jedoch Kindern ein geringerer Wert beigemessen, was in Zusammenhang mit der Verpflichtung eines Paares die Familienlinie fortzusetzen interpretiert werden kann. Mehr als ein Kind ist nur notwendig, wenn das erste Kind ein Mädchen ist. Damit übereinstimmend wünschen sich südkoreanische Paare sowohl unter idealen als auch unter realen Bedingungen weniger Kinder als deutsche Paare.

    Generell war ein Rückgang der partnerschaftlichen Zufriedenheit zu beobachten, bei koreanischen Erstmüttern trat diese Entwicklung allerdings nur längerfristig auf, was sich durch die besondere Bedeutung der Geburt des ersten Kindes und durch das Ansehen, das die Frau dadurch gewinnt, erklären läßt.

    Die praktizierte Rollenaufteilung ist in beiden Ländern noch immer eher traditionell. Die Frau übernimmt den Hauptanteil an den Haushaltstätigkeiten und ihre Beanspruchung steigt im Verlauf der Familienentwicklung.

    Rollenaufteilung und Berufstätigkeit der Frau dürften jedoch in einem Zusammenhang stehen.

    Südkoreanische berufstätige Frauen wiesen eine partnerschaftlichere Rolleneinstellung auf als nichtberufstätige Mütter.

    Berufstätigkeit und Familie stellen für einen Teil der deutschen Frauen zumindest theoretisch vereinbare Ziele dar. Die praktische Umsetzung scheint aber nur durch vermehrte Realisierung partnerschaftlichen Rollenverhaltens möglich. Deutsche Mütter, die der Meinung sind, daß Mutterschaft und Berufstätigkeit miteinander vereinbar sind, gelingt die Anpassung an das Kind besser, wenn sie von ihrem Partner bei der Säuglingspflege unterstützt werden. Der für deutsche Mütter spezifische Faktor "Mutterschaft und Berufstätigkeit" weist auch daraufhin, daß für deutsche Frauen die Entscheidung für ein Kind auch von ihrer Berufsorientierung beeinflußt wird.

    Auch Erkenntnisse zu kultur- und makrospezifischen Bedingungen und Voraussetzungen für die Familiengründung und -entwicklung wurden gewonnen. In Südkorea erfolgt die Eheschließung zum Zweck der Familiengründung mit der Absicht des Gebärens von Kindern. Das erste Kind wird auch bereits ein bis eineinhalb Jahre nach der Eheschließung geboren. Bei deutschen Paaren liegen im Durchschnitt drei Jahre zwischen Heirat und Geburt des ersten Kindes. Man kann nicht von einer vorwiegend kinderorientierten Eheschließung bei deutschen Paaren sprechen. Auch die Gründung einer Familie ist in Südkorea stärker gesellschaftlich kontrolliert. Das Zustandekommen der Ehe ist zum Teil noch sehr traditionell und nahezu alle Eltern sind verheiratet.

    In Deutschland sind viele Frauen bis zur Geburt des ersten Kindes berufstätig. Ein Großteil gibt die Berufstätigkeit nach der Geburt des Kindes auf, und nur ein geringer Anteil scheint sie bis zur Geburt des zweiten Kindes wieder aufzunehmen. In Südkorea ist ein wesentlich geringerer Prozentsatz der Frauen berufstätig, dafür kommt es aber zu weniger dramatischen Veränderungen im Verlauf der Familienentwicklung.

    Allerdings ist zu bedenken, daß in Deutschland Erziehungsurlaub gewährt wird, während in Südkorea diese Möglichkeit nicht besteht.

    Es lassen sich auch parallele Auswirkungen von makrosystemischen Variablen auf Einstellungsveränderungen feststellen. In beiden Ländern wird Kindern mit zunehmender Schulbildung ein geringerer Wert zugeschrieben, und mit höherer Schulbildung ist auch die Rolleneinstellung egalitärer.

    Auch die Zugehörigkeit zu bestimmten Religionen erwies sich als bedeutsam für familienentwicklungsrelevante Einstellungen bei Deutschen und Südkoreanern.

    Mögliche Ursachen für den Rückgang der Geburtenzahlen wurden aufgezeigt, wie das Problem der Vereinbarkeit von Mutterschaft und Berufstätigkeit und die damit verbundene Abkehr vom traditionellen Rollenverständnis. Verbesserte Schulbildung der Frauen und die Veränderung gesellschaftlicher Wertvorstellungen beeinflussen die Entscheidung für oder gegen Kinder. Die Geburtenrate kann also dadurch gesenkt werden, daß die gesellschaftliche Stellung der Frau verbessert wird, wie z. B. durch bessere Schulbildung und erweiterte Möglichkeiten zu Berufstätigkeit. Frauen, deren Selbstbewußtsein durch verbesserte Ausbildung und eigene Berufstätigkeit gestärkt ist, sehen ihre Erfüllung nicht mehr ausschließlich in der Mutterrolle.

    Daß sich deutsche Mütter in dieser Untersuchung mehr Kinder wünschen, könnte auch damit zu tun haben, daß sich junge Frauen in ihrer sozialen Stellung heute sicherer fühlen, und daß sie nicht mehr fürchten, bei zwei oder mehr Kindern vom Partner oder von der Gesellschaft in eine Rolle zurückgedrängt zu werden, die ihrem Selbstwertgefühl abträglich ist.

    Persönliche Stellungnahme

    Trotz anfängliche Skepsis fand ich mein Thema dann doch sehr interessant , vor allem weil durch den kulturvergleichenden Ansatz deutlich wurde, daß die Entscheidung eine Familie zu gründen sehr komplex ist und immer auch im Kontext kultureller und gesellschaftlicher Voraussetzungen und Entwicklungen betrachtet werden muß. Das wird am Beispiel Südkoreas besonders deutlich, das in den letzten Jahrzehnten einen sehr rasanten wirtschaftlichen Aufschwung erlebte, der sich sehr viel schneller als etwa in Deutschland vollzog. In Südkorea prallen Tradition und Modernisierungsprozesse stark aufeinander.

    Ich habe den Eindruck gewonnen, daß sich in Südkorea ähnliche Entwicklungen abzeichnen wie in Deutschland bzw. anderen westeuropäischen Staaten. Ein, wenn auch noch geringer Teil der Frauen scheint das traditionelle Rollenmuster zu durchbrechen und verläßt "Heim und Herd", um einer Berufstätigkeit nachzugehen, wobei aber die Frage offen bleibt, ob das eine wirtschaftliche Notwendigkeit darstellt oder für ein verändertes Selbstbild der Frauen spricht. Weiters zeigt sich auch in Südkorea die Tendenz zu Kleinfamilien. Überraschend fand ich, daß koreanische Frauen weniger Kinder haben wollen als deutsche Mütter. Kinder sind auch heute noch in Südkorea eine kulturelle und gesellschaftliche Verpflichtung, die erfüllt werden muß. Andererseits sehen auch südkoreanische Frauen möglicherweise ihre Erfüllung nicht mehr nur in der Mutterrolle. Kinder haben in Südkorea noch einen sehr funktionalen Wert.

    In Deutschland scheint Kindern hingegen ein anderer Wert beigemessen zu werden. Kinder werden zunehmend als emotionaler Wert betrachtet, als etwas das dem Leben einen Sinn gibt, es ausfüllt und zur Selbstvervollständigung beiträgt. Nachdem es meines Empfindens nach einige Zeit geradezu verpönt war "nur" Mutter zu sein, ohne einer Berufstätigkeit nachzugehen, scheint es so als ob Frauen auch ein neues Selbstbewußtsein dahingehend entwickeln ohne Scham und mit Freude und Ausgefülltheit "nur" Mutter zu sein.

    Kritisch an der Untersuchung anzumerken wäre, daß vor allem die südkoreanische Stichprobe mangelnde Repräsentativität aufweist und sicher nicht die durchschnittliche südkoreanische Bevölkerung darstellt. Darauf weist aber auch die Autorin selbst hin. Vielmehr handelt es sich bei den untersuchten Paaren um eine Gruppe, die mit den sozialen und gesellschaftlichen Veränderungen Schritt gehalten hat.

    Literaturverzeichnis

    Bronfenbrenner, U. (1981). Die Ökologie der menschlichen Entwicklung. Stuttgart: Klett-Cotta. [zitiert nach Quaiser-Pohl, 1996]

    Bronfenbrenner, U. (1986). Ecology of the Family as a Context for Human Development Research Perspectives. Developmental Psychology, 22, 723-742. [zitiert nach Quaiser-Pohl, 1996]

    Korean Overseas Information Service (1994). Facts about Korea (2nd ed.). New Jersey: Hollym. [zitiert nach Quaiser-Pohl, 1996]

    Machetzki, R. & Pohl, M. (1988). Korea. Stuttgart: Thienemann. [zitiert nach Quaiser-Pohl, 1996]

    Quaiser-Pohl, C. (1996). Übergang zur Elternschaft und Familienentwicklung in Deutschland und Südkorea. Eine interkulturelle Untersuchung. Münster: Waxmann.

    Statistisches Bundesamt (Hrsg.). (1987). Statistik des Auslandes. Länderbericht Republik Korea 1987. Stuttgart: Kohlhammer.


    Inhaltsverzeichnis

    16) Die wirtschaftliche und soziale Rolle der Frau in Österreich

    SZYMONIK Sandra

    1. Demographische Daten

    1.1. Familienstand

    Familienstand der über 15-jährigen Wohnbevölkerung im Jahre 1991:
     
    ledig  verheiratet  geschieden verwitwet
    Frauen 26 % 52 %  7 % 16 %
    Männer 33 % 58 %  5 % 3 %

    1.2. Eheschließungen und Scheidungen (1992):

    Eheschließungen:

    Die Entwicklung der Zahl der Eheschließungen ist unter anderem auch sehr stark von fiskalischen Maßnahmen beeinflußt. In den Jahren 1972, 1983 und 1987 kam es im Zusammenhang mit der Heiratsbeihilfe zu Heiratswellen. Seit damals nimmt der Anteil der Eheschließungen wieder leicht ab.

    Insgesamt gab es 1992 in Österreich 45.701 Eheschließungen; das waren 5,8 auf 1.000 Einwohner/innen. Seit Mitte der siebziger Jahre steigt das mittlere Heiratsalter ständig an - bedingt unter anderem durch die Verlängerung der Ausbildungszeit, vor allem bei Frauen - und betrug 1992 25,9 Jahre für Frauen und 28,3 Jahre für Männer.

    Scheidungen:

    Die Zahl der Scheidungen (1992:16.300) ist weiterhin ansteigend. Die auf die Eheschließungshäufigkeit bezogene Gesamtscheidungsrate lag 1992 bereits bei 33,7%, - das bedeutet, daß eine von drei damals eingegangenen Ehen letztlich in einer Scheidung enden wird, wenn die ehedauerspezifischen Scheidungsraten auf dem Niveau von 1992 bleiben.

    Scheidung ist weiterhin vorwiegend ein Merkmal urbaner Lebensverhältnisse. So hatte Wien mit 3,3 Scheidungen auf 1.000 Einwohner österreichweit die höchste Scheidungsrate aufzuweisen.

    Etwas mehr als ein Drittel der 1992 geschiedenen Ehen waren kinderlos. Insgesamt gab es aber 17.082 Scheidungskinder, davon 80% unter 19 Jahren. Die Hälfte der betroffenen Kinder war zur Zeit der Scheidung der Eltern unter 10 Jahre alt.

    1.3. Geburten (1992):

    Seit Ende der achtziger Jahre steigt - aufgrund der starken Zuwanderung mit hoher Fertilität - die Zahl der Lebendgeborenen wieder an.

    1992 betrug die Geburtenrate 12,1 Lebendgeborene auf 1.000 Einwohner und die Gesamtfruchtbarkeitsrate 1,51 Kinder pro Frau.

    Innerhalb Österreichs gibt es regional recht unterschiedliche Entwicklungen. Während es in Ost- und Südösterreich zu einer Stagnation bzw. sogar einem Rückgang der Geburten kam, konnte Westösterreich deutliche Geburtenzuwächse verzeichnen.

    Die Altersverteilung der Fertilität ist in den letzten Jahren ebenfalls Veränderungen unterworfen. Bei den unter 25jährigen Frauen ist ein kontinuierlicher Rückgang der Geburtenzahl zu verzeichnen. Hingegen ist in den letzten Jahren vor allem bei 25- bis 30jährigen, aber auch bei 30- bis 40jährigen Frauen wieder ein Anstieg der Fruchtbarkeit zu bemerken. Dementsprechend lag 1992 das durchschnittliche Fruchtbarkeitsalter bei 27,3 Jahren.

    1.4. Privathaushalte

    1.4.1. Haushaltsgröße (1991)

    Während die Zahl der Haushalte immer mehr zunimmt, sinkt ihre Größe weiter ab.

    Die durchschnittliche Haushaltsgröße betrug im Jahre 1991 2,5 Personen. Es ist weiterhin, so wie in den letzten Jahren, mit einer starken Zunahme der Einpersonenhaushalte zu rechnen. Allein zu leben ist aber noch immer vorwiegend ein städtisches Phänomen. So lebte in Wien im Jahre 1991 in 40% aller Haushalte nur eine Person.

    In den letzten Jahren ist auch die Zahl der Zwei- und Dreipersonenhaushalte angewachsen und wird laut Prognose weiter steigen. Der Anteil der Zweipersonenhaushalte betrug 1991 mehr als 25% und soll im Jahr 2015 bereits bei 40% liegen. Bei den Dreipersonenhaushalten hat sich der Anteil auch erhöht, langfristig ist aber mit einem Rückgang zu rechnen. Die Anzahl noch größerer Haushalte wird weiter sinken. Der Trend geht weiterhin weg von der Großfamilie zur Klein- oder sogar Kleinstfamilie.

    1.4.2. Haushaltstyp

    1. 37 %: Ehepaare mit Kindern

    2. 22 %: Ehepaare ohne Kinder

    3. 7 %: alleinerziehende Mütter (= 220.000), davon mehr als drei Viertel berufstätig

    4. 1 %: alleinerziehende Väter

    1.5. Betreuung der Kinder

    Immer mehr Kinder unter 6 Jahren besuchen ein Kindertagesheim (Krippen, Kindergärten, Horte). Je älter die Kinder sind, umso häufiger wird von der Möglichkeit der vorschulischen Erziehung Gebrauch gemacht. Bei den 5 - 6-jährigen Kindern beträgt der Anteil über 80 %.

    Die Möglichkeit, die Versorgung der Kinder zumindest zeitweise von jemandem anderen übernehmen zu lassen, ist für viele Frauen ein wesentlicher Aspekt für die Rückkehr ins Berufsleben. 1992/93 hatten 50% aller in Kindertagesheimen betreuten Kinder eine berufstätige Mutter. In Wien betrug der Anteil dieser Kinder sogar fast 70%.

    Versorgung der Kinder wieder erwerbstätiger Frauen nachmittags (1990):
     
      Frau selbst  Partner Schule Kindergarten  Verwandte Andere
    verheiratete Frauen   42 %  15 % 2 % 10 %  31 % 5 %
    nicht verheiratete Frauen   38 % 8 % 2 %  20 % 37 % 6 % 

    2. Bildung

    2.1. Ausbildung

    1. AHS:

    Seit Beginn der 90-er Jahre sind die Schülerzahlen an allgemeinen höheren Schulen wieder im Steigen begriffen. Überdies besuchen seit damals deutlich mehr Mädchen als Burschen eine AHS.

    2. BHS und berufsbildende Akademien:

    Berufsbildende Akademien werden zu etwa 80 % von Mädchen besucht; bei den BHS beträgt ihr Anteil 47 %. Der Lehrberuf ist nach wie vor eine Domäne der Frauen.

    3. Berufsbildende Pflichtschulen (Berufsschulen):

    Etwa ein Drittel der Besucher berufsbildender Pflichtschulen ist weiblichen Geschlechts.

    4. Maturanten:

    Aufgrund des vermehrten Besuches weiterführender Schulen ist auch die Zahl der Maturant/innen stark angestiegen und hat sich in den letzten 30 Jahren etwa verdreifacht. Ab Mitte der 80-er Jahre sind mehr als die Hälfte der Absolventen weiblich (Vergleich 1970: 1/3).

    5. Studium:

    Im Studienjahr 1992/93 waren 51% der Studienanfänger weiblich, sowie 43% der Absolventen.

    2.2. Bildungsstand

    Das Bildungsniveau der österreichischen Bevölkerung ist in den letzten 40 Jahren kontinuierlich gestiegen. Obwohl sich die Unterschiede im Bildungsstand zwischen Frauen und Männern deutlich verringert haben, bestehen sie auch heute noch.

    Frauen haben weiterhin deutlich häufiger als Männer nur einen Pflichtschulabschluß. 1992 hatten etwas weniger als die Hälfte aller Österreicherinnen nur einen Pflichtschulabschluß.

    Im Jahre 1992 betrug der Akademikeranteil in Österreich 5%. Das Verhältnis Männer - Frauen mit abgeschlossenem Hochschulstudium war 6 : 4%.

    3. Erwerbstätigkeit

    3.1. Erwerbsquoten

    Seit den siebziger Jahren ist ein kontinuierliches Ansteigen der allgemeinen Erwerbsquote (= Anteil der Erwerbspersonen an der Gesamtbevölkerung) zu verzeichnen.

    Die allgemeine Erwerbsquote lag 1992 bei den Frauen bei 37 %, bei den Männern bei 57%. Eine genauere geschlechtsspezifische Betrachtung zeigt auch, daß die Zahl der berufstätigen Frauen viel stärker zugenommen hat als jene der Männer.

    Die höchste weibliche Erwerbsquote mit 75% ist bei der Bevölkerung im Alter von 20 bis 24 Jahren zu finden. Danach nimmt die Erwerbsquote ab. Ein Rückgang der weiblichen Erwerbsquoten ist nur in der Altersgruppe der 15 - 19jährigen zu finden. Ein Grund dafür ist die längere Berufsausbildung und der damit verbundene spätere Eintritt ins Berufsleben.

    Faktoren, die einen wesentlichen Einfluß auf die weibliche Erwerbstätigkeit haben:

    1. Bildung:

    Je höher die Bildungsebene, umso größer ist das Ausmaß der Erwerbsbeteiligung. 77 % der Akademikerinnen oder Absolventinnen verwandter Lehranstalten, wie z.B. pädagogische Akademien, gingen 1992 einer Erwerbstätigkeit nach, aber nur 32 % der Frauen mit nur Pflichtschulabschluß.

    2. Familienstand:

    Der Familienstand hat einen wesentlichen Einfluß auf die weibliche Erwerbstätigkeit. Ab einem Alter von 25 Jahren geht die Erwerbsquote verheirateter Frauen markant zurück und liegt deutlich unter jener der ledigen Frauen. Die Erwerbsquote verheirateter Frauen mit Kindern betrug 1992 57 %, jene alleinerziehender Frauen 75%.

    3. Vorhandensein von Kindern:

    Mit zunehmender Kinderzahl sinkt die Erwerbsbeteiligung der Frauen.

    60 % der bis 59-jährigen Mütter waren berufstätig und der Anteil nimmt ständig zu. Bei den Frauen ohne Kindern betrug der Anteil der Berufstätigen im Jahre 1992 hingegen 65 %. Im Alter von 30 bis 34 Jahren gibt es die größten Differenzen zwischen Frauen ohne und mit Kindern. In dieser Altersgruppe ist der Anteil der kinderlosen Frauen unter den Berufstätigen viel höher.

    3.2. Erwerbspersonen

    Ein Rückgang der Arbeiterinnen ist einem starken Anstieg der Angestellten bzw. Beamtinnen gegenüberzustellen. Der Anteil der Frauen in der Land- und Forstwirtschaft weist eine rückläufige Tendenz auf, ebenso der Frauenanteil in der Industrie. Markant gestiegen ist hingegen der Frauenanteil im Dienstleistungsbereich.

    3.3 Teilzeit

    Die Teilzeitquote der Frauen verzeichnete in den letzten Jahren einen deutlichen Anstieg. Frauen mit ausschließlich Pflichtschulabschluß weisen die höchste Quote an Teilzeiterwerbstätigkeit auf. Frauen mit Kindern (vor allem unter 15 Jahre) weisen eine höhere Teilzeitquote auf als Frauen ohne Kinder.

    3.4. Lohn- und Gehaltseinkommen

    Es bestehen noch immer sehr deutliche Einkommensunterschiede zwischen Männer und Frauen. Männer weisen generell ein höheres mittleres Bruttoeinkommen auf als Frauen. Es liegt gesamt gesehen 43 % über jenem der Frauen.

    mittleres Bruttoeinkommen der unselbständig Erwerbstätigen (1992)
     
      weiblich  männlich
    gesamt 20.656 16.474  23.558
    Arbeiter  18.539 13.800  21.183
    Angestellte 22.983 18.645  30.416

    Bei gleicher Schulbildung liegen die Einkommensvorteile aller Männer bei 25 %.

    l

    Etwa 10% aller unselbständigen Erwerbstätigen verdienten 1991 im Monat weniger als 8.230,- netto. Davon ist jede 6 Frau, aber nur jeder 18 Mann betroffen.

    4. Zusammenfassung

    Die Zahl der Eheschließungen nimmt in den letzten Jahren immer mehr ab. Das mittlere Heiratsalter steigt hingegen immer weiter an.

    Ebenso ist auch die Zahl der Scheidungen weiterhin ansteigend. Scheidung ist nach wie vor überwiegend ein Merkmal urbaner Lebensverhältnisse. So hat Wien österreichweit die höchste Scheidungsrate zu verzeichnen.

    Die Zahl der Lebendgeborenen steigt seit Ende der achtziger Jahre wieder an. Österreichweit gibt es bezüglich der Geburtenraten regional recht unterschiedliche Entwicklungen. Bedingt unter anderem auch durch die längeren Ausbildungszeiten stieg das durchschnittliche Fruchtbarkeitsalter in den letzten Jahren immer weiter an und betrug 1992 27,3 Jahre.

    Die Zahl der Haushalte nimmt immer mehr zu, ihre Größe sinkt jedoch stetig ab. Der Trend geht weiterhin weg von der Großfamilie zur Klein- oder sogar Kleinstfamilie.

    Ein wesentlicher Aspekt für die Rückkehr von Frauen in das Erwerbsleben ist die Möglichkeit, die Versorgung ihrer Kinder zumindest zeitweise von jemandem anderen übernehmen zu lassen. Dementsprechend besuchen immer mehr Kinder unter 6 Jahren ein Kindertagesheim.

    Mädchen und Burschen sind bezüglich ihrer Ausbildung in den letzten Jahren als nahezu gleichwertig anzusehen. Ab Mitte der 80-er Jahre sind mehr als die Hälfte aller Maturanten in Österreich weiblich. Darüber hinaus sind mehr als die Hälfte aller Studienanfänger weiblich, sowie 43% der Absolventen österreichischer Hochschulen.

    Obwohl sich die Unterschiede im Bildungsstand zwischen Männer und Frauen in den letzten Jahren deutlich verringert haben, bestehen sie auch heute noch. So haben Frauen weiterhin deutlich häufiger als Männer nur einen Pflichtschulabschluß. Das Verhältnis Männer - Frauen mit abgeschlossenem Hochschulstudium beträgt 6 : 4%.

    Die Zahl der berufstätigen Frauen hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Die weibliche Erwerbsquote ist bei Frauen im Alter von 20 bis 24 Jahren am höchsten. Es gibt viele Faktoren, wie z.B. Bildung, Familienstand und Vorhandensein von Kindern, die einen wesentlichen Einfluß auf die weibliche Erwerbstätigkeit haben.

    Die Teilzeitquote der Frauen ist ebenfalls deutlich ansteigend. Frauen mit Kindern arbeiten häufiger Teilzeit als kinderlose Frauen.

    Es bestehen weiterhin erhebliche Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen. Bei gleicher Schulbildung liegen die Einkommensvorteile aller Männer bei etwa 25%.

    5. Persönliche Stellungnahme

    Obwohl die Arbeit an meinem Themengebiet die Beschäftigung mit stellenweise ziemlich umfassendem und mir zunächst manchmal recht trocken erscheinenden Zahlenmaterial mit sich brachte, konnte ich nachdem ich mich ein bißchen darin eingearbeitet hatte, doch viel Interessantes entdecken und vieles erfahren, was mir bisher überhaupt nicht geläufig war.

    Dinge wie z.B. die Tatsache, daß die Zahl der Scheidungen immer weiter ansteigt und im Gegenzug dazu die Zahl der Eheschließungen etwas abnimmt, sind durch die Medien doch recht gut bekannt.

    Die mit der wachsenden Berufstätigkeit der Frau verbundene größere finanzielle Unabhängigkeit ist sicherlich ein wesentlicher Grund dafür, warum sich immer mehr Frauen entscheiden, nicht in einer Ehe zu bleiben, die vielleicht in Wirklichkeit gar keine mehr ist. Obwohl ich eine solche Entscheidung unter bestimmten Voraussetzungen durchaus verstehen kann, haben mir die Daten aber auch bewußt gemacht, daß das Leben für eine Alleinerzieherin - einmal nur vom finanziellen Betrachtungspunkt und natürlich auch was Zeit- und Organisationsaufwand betrifft - doch um einiges schwieriger zu sein scheint als das "abgesicherte" Leben einer verheirateten Frau. So arbeiten z.B. viel mehr Alleinerzieherinnen als verheiratete Frauen und auch die Betreuung der Kinder scheint nicht immer so leicht bewerkzustelligen zu sein.

    Auch bezüglich der Geburtenrate bzw. der Haushaltsgröße konnte ich einige meiner Vermutungen bestätigt sehen. Es hat mich aber dennoch ziemlich verwundert, daß der Anteil der Einpersonenhaushalte, vor allem in Wien mit 40% im Jahre 1991 - und vermutlich in den nächsten Jahren noch ansteigend - so hoch ist.

    Es ist sehr erfreulich, daß Mädchen und Burschen in ihrer Ausbildung in letzter Zeit doch weitgehend gleichgestellt sein dürften und daß die Zahl der Maturantinnen und Akademikerinnen so hoch ist. Gerade deshalb hat es mich auch etwas überrascht, daß sich der Bildungsstand der weiblichen und männlichen Bevölkerung Österreichs doch so unterscheidet, daß z.B. noch immer fast die Hälfte aller Frauen nur eine Pflichtschule abgeschlossen hat.

    Auch in der Arbeitswelt scheint, so haben die Daten gezeigt, Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen noch lange nicht gegeben sein. Es gibt immer mehr berufstätige Frauen, wenn auch der Eintritt ins Berufsleben durch die längere Berufsausbildung der Frauen - was meiner Meinung nach sehr begrüßenswert ist - erst später erfolgt.

    Trotz allem sind die Lohn- und Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen noch immer ziemlich groß. Bei gleicher Schulbildung und ich würde sagen damit, kann man annehmen, auch gleichen Fähigkeiten und Fertigkeiten, liegen die Einkommensvorteile aller Männer bei etwa 25%.

    Wie die Daten gezeigt habe, hat sich in den letzten Jahren doch ziemlich viel getan, was einer allmählichen Annäherung an eine Gleichstellung von Männern und Frauen gleichkommt. Ich glaube, daß vielen Frauen z.B. meiner Altersstufe oft gar nicht klar ist, wie sehr sich ihr Leben - in positiver Hinsicht - von jenem unterscheidet, das unsere Großmütter oder auch Mütter geführt haben bzw. führen. Auch muß man immer bedenken, daß Österreich, was die Möglichkeiten die Frauen und Mädchen offenstehen betrifft, glücklicherweise doch zu den eher fortschrittlichen Ländern zählt. Trotz allem muß aber natürlich auch noch weiterhin eine Menge geschehen, um wirkliche Gleichberechtigung in vielen Bereichen zu gewährleisten.

    6. Literatur

    Sieder, R. (1987). Sozialgeschichte der Familie. Frankfurt: Suhrkamp.

    Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.). (1994). Die wirtschaftliche Lage und soziale Rolle der Frau in Österreich. Analyse statistischer Daten. Wien: Autor.


    zurück zur Homepage von Harald Werneck