Thema 1: Einleitung
Thema 2a: Griech. Antike
Thema 2b: China
Thema 2c: Frühe Neuzeit
Thema 3a: Aufklärung

Thema 3b: Kantzeit
Thema 3c: Hegel und Marx

Thema 4: entfällt in diesem Semester
Thema 5: Postkoloniale, feministische und interkulturelle Perspektiven
Thema 6: Globale Philosophiegeschichte

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Geschichte der Philosophiehistorie

(Vorlesungen von Franz M. Wimmer, Wien, Version 2014)

Philosophiegeschichtsschreibung in China

Chinabild: deutsche Frühaufklärung
Autoren: Sima Qian | Huang Zongxi
Gattungen: Doxographie | Biographie

Ob Philosophie in China entwickelt wurde und worin ihre eventuellen Leistungen bestehen, ist eine der Fragen, die in der europäischen Frühaufklärung diskutiert wurden, als es darum ging, zu welchem Zweck und mit welcher Methode eine wissenschaftliche Philosophiehistorie etabliert werden sollte1. Seit den ersten neuzeitlichen Berichten über China war die Frage virulent, von wem die Bewohner dieses Landes abstammen könnten. Da es Nachrichten darüber gab, dass sie sehr weit in die Vergangenheit reichende Annalen hätten, kam im Rahmen eines biblisch geprägten Bildes der Menschheitsgeschichte nur jemand in Frage, der nicht lange nach der Sintflut gelebt hatte. Deren Datum war mehr oder weniger errechnet, und älter konnte kein Volk sein, denn die biblische Flut hatte bekanntlich alle Menschen verschlungen, die nicht mit Noah in der Arche überlebten. In einer 1585 erschienenen spanischen Geschichte Chinas sind es darum Noahs Enkel, die als erste Chinesen anzunehmen sind.2 Andere Autoren nahmen Ham, Noahs Sohn, als identisch mit „Fo hi“ (Fu Xi) dem ersten der mythischen Urkaiser der Legende an, von dem die chinesischen Annalen selbst sprachen. Ein geologisch-archäologisches Werk zu Ende des 17. Jahrhunderts klärt die Frage vorläufig: „the Chinese mean no other by their first Monarch Fohi, than Noah himself.“3 Die Sache ist darum von Interesse, weil ja die „vorsintflutliche“ Philosophie häufig als höchste Form der Weisheit eingestuft wurde, zumal sie auf göttliche Uroffenbarung an Adam im Paradies zurückging. Und wer, wenn nicht Noah oder seine direkten Nachkommen, konnte von dieser Weisheit etwas über die große Flut gerettet haben? Gottsched übernimmt die These 1734 in seiner Darstellung der „Weltweisheit“4, sie findet sich bei einer Reihe von Autoren, und noch 1827 schreibt Windischmann5 die Besiedlung Chinas biblisch-patriarchalischen Geschlechtern von Westen her zu. Wenn somit die Chinesen zu den ältesten Völkern zählen, wie verhält es sich mit ihrer Philosophie?

1697 hatte Leibniz in der Einleitung zu seinen „Neuesten Nachrichten über China“6 festgestellt:
Durch eine einzigartige Entscheidung des Schicksals, wie ich glaube, ist es dazu gekommen, daß die höchste Kultur und die höchste technische Zivilisation der Menschheit heute gleichsam gesammelt sind an zwei äußersten Enden unseres Kontinents, in Europa und in Tschina (so nämlich spricht man es aus), das gleichsam wie ein Europa des Ostens das entgegengesetzte Ende der Erde ziert. Vielleicht verfolgt die Höchste Vorsehung dabei das Ziel - während die zivilisiertesten (und gleichzeitig am weitesten voneinander entfernten) Völker sich die Arme entgegenstrecken -, alles, was sich dazwischen befindet, allmählich zu einem vernunftgemäßeren Leben zu führen.Wenn wir ... in den handwerklichen Fertigkeiten ebenbürtig und in den theoretischen Wissenschaften überlegen sind, so sind wir aber sicherlich unterlegen - was zu bekennen ich mich beinahe schäme - auf dem Gebiet der praktischen Philosophie, ich meine: in den Lehren der Ethik und Politik, die auf das Leben und die täglichen Gewohnheiten der Menschen selbst ausgerichtet sind.“7
Die beiden Enden des Kontinents sollten einander Missionare schicken, schlägt Leibniz vor: die Europäer sollten die wahre Religion und die theoretischen Wissenschaften verbreiten, von den Chinesen sollten sie ihrerseits dieAnwendung einer praktischen Philosophie und eine vernunftgemäßere Lebensweise“ lernen. Dass Konfuzius der bedeutendste Ethiker der Menschheitsgeschichte sei, war ein Bild, das vor allem Jesuiten-Missionare seit langem vermittelten und das noch lange fortwirken sollte.8 Und 1721 hält Wolff in Halle seine bekannte „Rede zur praktischen Philosophie der Chinesen“9, die ihm später wegen „Atheismus“ den Landesverweis aus Preußen einbringt. Stein des Anstoßes war vor allem die These, dass die (heidnischen) Chinesen in moralischen Fragen allen Völkern zum Vorbild dienen müssten, auch den Christen, die doch im Besitz der Offenbarung seien.

In den Jahren zwischen diesen Daten und noch länger findet eine heftige Diskussion statt. Es geht darum, wie zuverlässig die Berichte und Übersetzungen seien, die chinesische Philosophie und Wissenschaften betrafen. In dieser Diskussion ging es darum, was unter „Philosophie“ streng genommen zu verstehen und dem entsprechend in der Philosophiehistorie zu behandeln sei. Das wird uns in späterem Zusammenhang genauer beschäftigen, dennoch hier schon ein paar Hinweise.

Ab 1715 veröffentlicht Heumann in Leipzig die „Acta philosophorum“, worin man erstmals die Entwicklung einer Theorie von Philosophiehistorie als einer wissenschaftlichen Disziplin gesehen hat.10 Im „11. Stück“ der „Acta“ erscheint 1720 Heumanns Übersetzung einer französischen Abhandlung als „Nachricht und Urtheil von der Philosophie der Sineser“11. Sie stammt von Eusèbe Renaudot, der den Text ursprünglich als Anhang zu einem von ihm übersetzten Bericht über China durch zwei arabische Reisende des 9. Jahrhunderts verfasst hatte. Heumann übersetzt also Renaudots „Nachricht und Urtheil“, kommentiert sie stellenweise und die beiden kommen zu einem vernichtenden Ergebnis.

Die beiden Araber im 9. Jahrhundert haben in China nichts von dem vorgefunden, was die Jesuiten in neuerer Zeit beschreiben, insbesondere keine Philosophie oder bemerkenswerte Leistungen in Wissenschaften. Für Renaudot/Heumann steht fest: Das hohe Alter der chinesischen Annalen ist nicht zu belegen, ihre Historie ist weitgehend erfunden, ihre astronomischen Berechnungen sind falsch und was man ihnen an Erfindungen zuschreibt (Kompass, Buchdruck, Schießpulver, Globen) ist angemaßt. Erfunden haben sie Firniß und den Porcellan“ (772) und eine eigene Schrift, die ihnen aber ganz misslungen ist. Sie hat so viele Zeichen, „daß man mit Wahrheit sagen kan, es sey keine eintzige Sprache, die eine so unvollkommene und mangelhafte Schreib-Art habe“ (778). Entsprechend dürftig ist auch ihre Poesie wie die Kunst überhaupt.

Und die Philosophie der Chinesen? Deren „vornehmstes Stück“ ist wohl „die Morale“ und hiervon machet man insgemein ein sehr grosses Wesen.“ Es ist aber nichts daran, wird Thomasius zitiert: es sind „in derselben viele kluge Lehren enthalten, aber auch viel nichtswürdige Dinge, bey welchen man sich kaum des Lachens enthalten könne". Was dem Konfuzius oder Mencius an Weisheit zugeschrieben wird, kam wohl alles von den Pythagoreern und den Sieben Weisen über Araber nach China, denn es hat ja leichtlich geschehen können, daß dieselben auch in Sina gekommen sind, und daß die Sineser nach ihrem angebohrnen Hochmuth sich mit fremden Federn geschmücket haben. Denn man hat kein Zeugniß, mit welchem man beweisen könne, daß die Araber oder Perser von denen Sinesern etwas entlehnet hätten.“ (754) Die Goldene Regel kennen sie wahrscheinlich aus Indien, den Begriff einer Methode kennen sie ebenso wenig wie Prinzipien, sie haben nicht einmal ein Wort für Gott, auch keine Idee von der Unsterblichkeit der Seele, und so konnten selbst die Muhamedaner … nicht anders, als mit Verachtung von den Sinesern reden...“ (770) Was Leibniz und andere davon faseln, gehört nicht zur wissenschaftlichen Literatur, das sind Mahnpredigten.

Soweit Heumann-Renaudot 1720. Im Jahr darauf hält, wie gesagt, Christian Wolff seine „Rede“, die Debatte ist nicht zu Ende, Voltaire rühmt China wegen dessen aufgeklärter Herrscher und seinen Beamten-Philosophen, die eine Vernunftreligion vertreten12, aber nur mehr wie ein Nachklang aus Kindertagen klingt das gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Lichtenbergs Satire über China an: So lange ich über Völker zu denken im Stande gewesen bin, habe ich immer gemutmaßet, daß die Schinesen das weiseste, gerechteste, sinnreichste und glücklichste Volk auf Gottes Erdboden seien.“13 Er lässt sich durch den (fiktiven) Reisebericht des Butlers einer englischen Gesandtschaft eines Anderen belehren. Moral gibt es dort so gut wie nicht und wie alles andere stagniert in China auch die Philosophie: Diese war bereits vor funfzigtausden Jahren völlig fertig. Jetzt philosophiert man, wie man lackiert nach Rezepten. Oder so wie wir Musikanten haben und keine Musiker mehr, so haben wir auch nur bloß Philosophanten und Physikanten, und keine Philosophen und keine Physiker mehr.“ (S. 113) Bei einzelnen Autoren des 19. Jahrhunderts – insbesondere Hegel – werden wir auf die Frage der chinesischen Philosophie einzugehen haben, aber insgesamt spielt sie bis weit ins 20. Jahrhundert keine Rolle mehr in allgemeinen Philosophiehistorie, die mit derjenigen vor dem 18. Jahrhundert vergleichbar wäre. Dass es eine eigene Tradition von Philosophiehistorie in China gegeben habe, wird bis heute weitgehend ignoriert oder explizit geleugnet. Wenn Forke14 urteilt, die Chinesen hätten bis in die neueste Zeit zusammenhängende Darstellungen der Philosophiegeschichte nicht besessen, so merkt er doch gleichzeitig auch an, dass über die Werke der einzelnen Philosophen manches Bemerkenswerte, besonders Textkritisches geschrieben "... und in die großen Enzyklopädien ... aufgenommen worden" sei. Dieses Urteil gilt natürlich nicht mehr ab dem 20. Jahrhundert, da es zahlreiche von chinesischen Autoren verfasste Werke der Philosophiehistorie15 gibt. Das Folgende ist daher ein Versuch, von älteren Behandlungsformen eine Skizze zu geben, die nicht davon ausgeht, Philosophiehistorie müsse überall in derselben, nämlich in der in Europa entwickelten Form auftreten.

Traditionelle Historiographie und Philosophiegeschichte in China

Innerhalb der traditionellen chinesischen Historiographie hat sich schon in antiker Zeit ein Schematismus entwickelt, der vor allem die sogenannten Standardgeschichten, in hohem Grad jedoch überhaupt historisches Denken und Geschichtsschreibung in China bestimmte. Während der frühen Qing-Zeit (um ca. 1650), als die Standardgeschichte16 der vorangegangenen Dynastie, der Ming, von einer Historikerkommission mit kaiserlichem Auftrag ausgearbeitet werden sollte, gewann vorübergehend auch die Kategorie des Philosophischen, bzw. des Ideologischen im Zusammenhang mit den Kategorien zur Beschreibung der abgelaufenen Ära eine gewisse Bedeutung. Huang Zongxi (Huang Tsung-hsi, 1610-95), einem der führenden Theoretiker dieser Zeit, der zwar an der Geschichte der Ming selbst nicht mitgearbeitet, diese aber methodologisch, vor allem durch seine Schüler, stark beeinflusst hat, wird daher von einigen Autoren bescheinigt, er habe zuerst der Geschichtsschreibung über Philosophenschulen innerhalb der offiziellen Historiographie Chinas Geltung verschafft, wenn dies vielleicht auch nur eine vorübergehende Entwicklung gewesen sei. Huang ist der Verfasser einer Geschichte der Denker der Ming-Zeit17 und hat auch die entscheidenden Vorarbeiten für eine Geschichte des Denkens in den Dynastien der Song und Yuan geleistet. Ich will hier jedoch nicht mit diesem Datum beginnen, weil es wohl auch für Europa unzutreffend wäre, die Entstehung der Philosophiehistorie erst mit ihrem Auftreten als einer eigenen Disziplin anzusetzen und die frühen (doxographischen, biographischen etc.) Formen in den antiken Mittelmeerkulturen zu übergehen. Ich will daher auch im Hinblick auf China wenigstens versuchsweise die klassische Zeit der antiken Philosophie in den Blick nehmen. In diesem Zusammenhang sind vor allem folgende Fragen zu behandeln:

Wie ist die Grundstruktur der traditionellen chinesischen Standardgeschichten zu kennzeichnen? Welche geschichtsphilosophischen Auffassungen herrschen vor? Diese Fragen sind darum von Interesse, weil bei dem hohen Institutionalisierungsgrad der chinesischen Geschichtsschreibung das geschichtliche Denken überhaupt in hohem Grad von der Struktur der Standardgeschichten bestimmt war, und es daher aufschlussreich ist, zu sehen, warum es innerhalb dieser Tradition nicht (bzw. nur spät und vorübergehend, wenn wir die Geschichte der Ming in Betracht ziehen) zu einer Diskussion der Disziplin der Philosophiehistorie gekommen ist.

Sima Qian: Shiji (Buch der Berichte) - 史記 (Schreibweise in der VR China: 史记)

Die Grundstruktur der chinesischen Standardgeschichten zeigt sich zum ersten Mal in dem in der Folgezeit klassisch gewordenen Werk der Han-Zeit, das von Sima Qian (Ssŭma Ch'ien, ca. 145 v.-90 v.) fertiggestellt worden ist.18 Sima Qian war als Amtsnachfolger seines Vaters kaiserlicher Historiograph (es gibt keine wirklich vergleichbare Institution in der europäischen Geschichte) unter dem vierten Kaiser der Han-Dynastie, Wudi (regiert 140 v.-86 v.).

Sima Qians Bericht über die Geschichte Chinas von den Anfängen bis in seine Gegenwart entwickelt in prägender Weise jene Kategorien, Begriffe und Methoden, die auch später noch, und in einzelnen historischen Unternehmungen bis in unsere Zeit, die chinesische Historiographie bestimmt haben. Der Einheitsgesichtspunkt, der dem Ganzen zugrunde liegt, ist ein universalistischer und integrativer Begriff unter dem Namen einer Dynastie. Die Einheit der Dynastie, ihre jeweilige Charakteristik, ihre Vorzüge und ihre Mängel bestimmen sowohl die Auswahl der Ereignisse, Personen, Institutionen, als auch den Aufbau der Darstellung und die Bewertung der einzelnen Faktoren im historischen Werk. Ich will daher zunächst auf diesen Begriff der Dynastie und die mit ihm verbundene Geschichtsauffassung kurz eingehen, um dann die eher formalen Strukturelemente zu skizzieren, wie sie vor allem den Standardgeschichten zugrunde liegen.19

Ganzheit in Zyklen

Das Auffallendste an den traditionellen chinesischen Geschichtswerken scheint darin zu liegen, dass sie von der (gelegentlich fiktiven und sicher oft propagandistischen) Idee ausgehen, dass immer wieder eine einzige Dynastie über China herrsche, welche das geistig-kulturelle ebenso wie das wirtschaftlich-politische Leben gänzlich bestimme. Die von Konfuzius (in den so genannten Frühlings- und Herbstannalen) idealisierte Dynastie der Zhou (ca. 1050 v.-ca. 250 v.) liefert eines der ersten Muster dafür. Gerade hierbei fällt auf, dass dieser Dynastie eine übermäßig lange Verfallszeit attestiert wird, da sie nach ca. 800 v. faktisch keine Macht mehr ausübt und von den meisten tatsächlichen Machthabern und deren Ideologen wohl auch nicht mehr als die herrschende Dynastie betrachtet wurde. Konfuzius denkt hier anders, also restaurativ, wo er nur Faktisches in den Annalen zu konstatieren vorgibt. Trotz der in Wirklichkeit großen Veränderungen und Machtverschiebungen wird die ganze Epoche bis zu jener kurzen Phase des Qin-Reiches, als der Erste Kaiser von China (Qin Shih huang, regiert 221-206 v. über alle sieben Nachfolgestaaten des ehemaligen Zhou-Reiches), als eine Einheit, eben als die Zeit der Zhou-Dynastie, betrachtet. Schon bei Sima Qian findet sich hierfür eine entsprechende kosmologisch metaphysische Hintergrundtheorie, die eine solche Geschichtsauffassung stützen soll.

Sima Qian nimmt an, dass jede der großen Dynastien eine Teilform oder besondere Anwendung des Tao als ihr jeweiliges Staatsprinzip durchsetzt. Jedoch muß, eben weil es sich jeweils um bloß verabsolutierte Teile, nie um das Ganze des Tao handelt - und handeln kann - jeder dieser Staaten, jede dieser Dynastien wieder zerfallen: das Gegenprinzip des jeweiligen Teilprinzips wird sich durchsetzen. Eine Dynastie stellt also ein zeitweiliges Übergewicht einer bestimmten Ordnungsvorstellung her - und dauerhaft sind jene Dynastien, deren Staatsprinzip die richtige Heilung für die von der vorausgegangenen Dynastie verursachten Mißstände bringt.

Es gibt aber nur eine kleine Zahl von solchen Teil-Taos oder Staatsprinzipien, sodass der Gesamtprozeß durch sich wiederholende Zyklen gekennzeichnet ist. Dies leuchtet ein, wenn man voraussetzt, dass Staatsprinzipien, deren Kairós nicht gegeben ist, oder die überhaupt nicht dem Tao entsprechen, ohnedies sehr schnell wieder samt ihren Verfechtern (da diese nicht das Mandat des Himmels haben) verschwinden - was bei der Interpretation der Geschichte durchaus zur Rechtfertigung des langdauernd Erfolgreichen verwendet wird, bei der Interpretation der Gegenwart aber sowohl revolutionären wie auch reaktionären Ideologen dienen kann. Diese Zyklentheorie Sima Qians scheint im historischen Denken Chinas wichtig, aber durchaus nicht allgemein bestimmend gewesen zu sein. Als Pendant dazu möchte ich daher noch kurz auf den etwa 1900 Jahre späteren Geschichtsphilosophen Zhang Xuecheng (Chang Hsüeh-cheng) hinweisen, der nach dem Urteil seines modernen Kommentators Nivison20  den großen europäischen Geschichtsdenkern nicht nachsteht. Zunächst aber noch einmal zum Shiji.

Sima Qian führt in seiner Darstellung des Gründers derjenigen Dynastie, unter der er lebt, gewichtige Gründe dafür an, warum in der Revolte, in der diese Dynastie sich schließlich etablieren konnte, das rechte Prinzip getroffen worden und eine dauerhafte Regierung zu erwarten sei. Zu diesem Zweck greift er auf die alten, nur teilweise noch historisch nachweisbaren Dynastien zurück, soweit sie ebenfalls in der rechten Reihenfolge das jeweils anstehende Teilprinzip des Tao mit ihrem Staatswesen verwirklicht hätten. Zuerst wird die legendäre Hsia (Xia)-Dynastie genannt: sie war durch guten Glauben gekennzeichnet, ihr Verfall lag in dessen Kehrseite, der Derbheit. Die anschließende Shang-Dynastie (ca. 1600-1100 v.) heilte diesen Verfallszustand durch ihr Prinzip der Verehrung, welches aber im Verlauf der Zeit zu abergläubischem Götzendienst entartet sei. Es folgen die Zhou, als deren Staatstugend er Verfeinerung und Ordnung angibt; die Verfallsform dazu wiederum war hohle Schaustellung. Jetzt wäre es geboten gewesen, zum guten Glauben zurückzukehren, aber die Qin-Dynastie, die auf die Zhou folgte, schlug nicht diesen Weg ein, sondern führte, von den legalistischen Philosophen schlecht beraten, zur Erhaltung von Recht und Staat "harte Strafen und Gesetze" ein - was in Sima Qians Augen erklärt, dass diese Dynastie schon bald nach dem Tod ihres Begründers, des legendären Shih Huang-ti (im Jahre 206 v.) scheitern mußte. Erst die Han-Dynastie, also der Ahn des Kaisers Wudi, habe wieder den alten Völkerglauben etabliert, sie wurde damit zu den Hsia von Sima Qians Gegenwart, sie habe den Zyklus in rechter Weise von neuem begonnen.

In dieser Auffassung scheint die Vorstellung von einem linearen Fortschreiten, einer stets weiterführenden Entwicklung zu fehlen: es herrscht die Vorstellung vom Variieren eines Modells, wobei die Realität, an der die Tauglichkeit der einzelnen Varianten sich messen kann, eine kosmisch-metaphysische Ordnung ist. Es scheint mir, dass diese Geschichtsauffassung, die sich zwanglos mit der Idee einer Epochalisierung in Dynastien verbindet, auch bei der traditionellen Einstellung chinesischer Gelehrter gegenüber der Vergangenheit ihrer Philosophie eine Rolle gespielt und einer Entwicklung der spezifischen Disziplin der Philosophiehistorie, wie wir sie in Europa vorfinden, in dieser frühen Phase entgegengewirkt hat. Auf die eingangs schon angesprochene Episode anläßlich der Abfassung der Ming-Geschichte sollten wir allerdings anschließend noch einen kurzen Blick werfen.

Betrachten wir nun, um das skizzierte zyklische Geschichtsbild nicht als das einzige Modell stehen zu lassen, kurz den schon erwähnten Zhang Xuecheng (Chang Hsüeh-ch'eng). Sind die charakteristischen Merkmale, die Sima Qian für die Staatsprinzipien angibt, eng mit religiösem Denken und religiöser Institution verbunden, so finden wir bei Zhang im Vergleich dazu eine säkularisierte Theorie vor. Zhang Xuecheng (1738 - 1801) ist ziemlich genau ein Zeitgenosse großer europäischer Geschichtsdenker, doch besagt diese Parallele natürlich ebensowenig für die geistesgeschichtliche Einordnung Zhangs, als wollte man Sima Qian als ungefähren Zeitgenossen des Titus Livius kennzeichnen. Es ist von der chinesischen Situation auszugehen; und hier stellt sich Zhang gegen einen verbreiteten philologischen Kritizismus in der Historiographie, und allgemein in der literarischen Produktion, der ihm steril erscheint. Doch auch aus dieser Gegnerschaft entsteht das Bild einer zyklisch verlaufenden Geschichte.

Auch für Zhang Xuecheng ist Geschichte ein Bereich, in dem vorherrschende Kräfte einander ablösen, wobei jede dieser Kräfte von einer Dynastie verkörpert wird. Er spricht von vorherrschenden Tendenzen, einer Art Zeitgeist oder Epochengeist, und auch er konstatiert hier drei - es sind dies jeweils einseitige Verwirklichungen des Tao, die alle zusammen im menschlichen Geist (wie in der Natur im Ganzen) angelegt seien: Studium (hsüeh), Fantasie (ts'ai) und Verstand (shih). In traditionell westlicher Ausdrucksweise müßte man hier wohl von den Geisteskräften des Gedächtnisses, der Einbildungskraft und des Verstandes sprechen - und die methodologischen Reflexionen Heumanns oder die Geschichtstheorie Vicos in Erinnerung rufen. Im Tao kommen alle drei zusammen, und wo kein Übergewicht von einem davon herrscht, ist das Tao. Die historische Zeit jedoch, die Zeit der Dynastien und Staaten, ist davon gekennzeichnet, dass eben nur jeweils eine dieser Fähigkeiten zum herrschenden Prinzip gemacht wird.

Auch nach Zhangs Auffassung wiederholen sich die Stadien zyklisch; seine Kritik am - wie er hofft - untergehenden Epochengeist der vergangenheitsorientierten philologischen Kritik ist darum berechtigt, weil dieser Wechsel eben an der Zeit ist. Wir finden also bei zwei zeitlich weit voneinander entfernten und in vielen Dingen höchst unterschiedlichen chinesischen Geschichtsphilosophen das Bild eines variablen, zyklisch wiederkehrenden, in dynastischen Einheiten erfassbaren Geschichtsganzen, eine Vorstellung, die zwar in der chinesischen Tradition nicht unbestritten ist. Wenn die beiden, zeitlich und ideologisch weit auseinander liegenden Denker eine generelle Tendenz innerhalb des chinesischen Geschichtsdenkens repräsentieren, so sind sie damit wichtig genug, um etwas an der Eigentümlichkeit der chinesischen Geschichtsschreibung zu erklären, auch, was die Philosophiehistorie betrifft.

Enzyklopädik

Wenden wir uns nun dem anderen Teil der ersten Frage zu: der Struktur der chinesischen Standardgeschichten. Auch dies kann uns einigen Aufschluss über die Darstellung des Wissens aus der Vergangenheit der Philosophie verschaffen. Das Werk Sima Qians, als Modell noch lange Zeit vorbildlich, soll dazu als Anhaltspunkt dienen. Es ist in 130 Kapitel gegliedert, welche die gesamte bisherige Geschichte der Chinesen und der dem Autor bekannten Nicht-Chinesen zum Gegenstand haben und sich wiederum in 5 Sektionen unterteilen lassen:

a) Annalen: 12 Kapitel über die frühesten Dynastien und das Leben einzelner Kaiser der regierenden (Han-)Dynastie
b) Chronologische Tafeln: 10 Kapitel in graphischer Form, die wichtigsten Ereignisse mit ihren Daten betreffend
c) Abhandlungen: 8 Kapitel über Riten, Musik, Astronomie, Religion und Wirtschaft
d) Adelsfamilien: 30 Kapitel über die Geschichte der verschiedenen Feudalstaaten vor der Reichseinigung durch die Qin-Dynastie
e) Biographien: 70 Kapitel über einzelne berühmte Chinesen und Nicht-Chinesen.
Innerhalb jeder Sektion ist die Anordnung des Materials chronologisch vorgenommen. Wie ersichtlich, hat schon die Darstellung Sima Qians einen ausführlichen Teil enthalten, der als Wissenschafts- und Geistesgeschichte klassifiziert werden muss. Dies wurde später stets beibehalten.

Anläßlich der bereits erwähnten Geschichte der Ming, die in der frühen Qing-Dynastie (1644-1911) abgefasst wurde, wurden die unter den Ming einflussreichen Neokonfuzianer kritisch vorgestellt und beurteilt. Dabei ging es darum, die ideologische und philosophische Entwicklung dieser Epoche richtig, d.h. im Sinn der absolutistischen Tendenzen der neuen Dynastie zu bewerten und darzustellen. Ein Fixpunkt in diesen Diskussionen war die These, in der Ming-Zeit seien haarspalterische Unterscheidungen ein wesentliches Merkrnal des Schulbetriebs gewesen. Huang Zongxi's Werk nennt sich "Untersuchungen über (konfuzianische) Gelehrte während der Ming-Zeit" ("Ming-ju hsüeh-an") und bringt eine Revision gegenüber der Praxis in vorangegangenen Standardgeschichten. Die Geschichte der Sung-Dynastie (960-1280) nämlich, zu Beginn der Yüan-Zeit (1280-1368) verfasst, hatte ein traditionelles Kapitel über "Konfuzianische Gelehrte" ("ju-lin") enthalten, daneben aber wurden dort noch eigens die "orthodoxen Konfuzianer" ("tao-hsüeh") behandelt. Diese Kategorie der konfuzianischen Orthodoxie war, wie Lien-Sheng Yang21 schreibt, unter den Historikern der frühen Qing-Zeit heftig umstritten, wobei eben das negative Urteil Huang Zongxi's den Ausschlag gegeben habe, der kurzerhand die Schulstreitigkeiten der verschiedenen neokonfuzianischen Schulen der Ming-Zeit als nicht relevant oder nicht interessant genug erachtete, um sie in einer allgemeinen Geschichte dieser Epoche zu behandeln.

Dies war eine Revision, denn die Kategorie der "orthodoxen Konfuzianer", im Unterschied zu den "Konfuzianern" war erst in der Geschichte der Sung eingeführt worden, um die Richtung des Chu Hsi zu kennzeichnen, wobei angenommen wird, dass dies auf eine Selbstbezeichnung aus der Sung-Zeit zurückgeht. Auffallend für den europäischen Leser ist sicherlich die Ähnlichkeit der Argumentation, mit der hier quasi ein Mittelalter gezeichnet wird. Inhaltliche Irrelevanz, Haarspalterei, Schulgezänk - das waren schließlich auch die Ausdrücke, auf die Philosophiehistoriker in der europäischen Neuzeit immer wieder verfielen, um sich von der Scholastik abzusetzen. Und wenn Huang Zongxi in der Einleitung zu Ming-ju hsüeh-an schreibt, es sei eben nicht möglich, alle Denker der Vergangenheit über einen Leisten zu scheren, auch wenn bei ihnen allen die gemeinsame Wurzel zu suchen sei, so lässt auch diese Überlegung an ähnliche Motivationen europäischer Philosophiehistoriker der frühen Neuzeit denken, bei denen der Rückgang zu den Quellen zugleich eine Erforschung des eigenen Geistes bedingen sollte.

Diese wenigen Hinweise lassen gewiss keine weitreichenden Schlussfolgerungen zu; sie weiter zu verfolgen, wäre auch nur mit Hilfe philologisch kompetenter Methoden möglich. Es scheint mir jedoch, dass ein solcher Aufwand gegenüber der chinesischen Geistesgeschichte der letzten Jahrhunderte durchaus angebracht wäre und vielleicht zu überraschenden Ergebnissen führen könnte. Nun ist aber ganz abgesehen von solch explizit historiographischen Ansätzen zumindest auf einige Kennzeichen der traditionellen philosophischen Literatur Chinas hinzuweisen, in denen eine implizit philosophiehistorische Methode angewandt wird - und zwar zu genau denselben Zwecken, wie wir sie in der antiken Philosophiehistorie der Griechen gesehen haben, nämlich zur Herstellung und Stärkung von Schultraditionen, zur Verteidigung von Stifterfiguren und zur Tradierung von Diskursformen.

Doxographie und Biographie in konfuzianischer Klassik

Ein Beispiel für doxographische und biographische Darstellung der Philosophie scheint mir in der Redaktion der so genannten Analekten oder „Gespräche des Konfuzius“ (chin.: Lun Yu, 論語 论语) vorzuliegen.22 Der Text ist in 20 Bücher gegliedert. Das erste Buch ist eine Doxographie: nach einer groben Vorstellung des Begriffes eines edlen Menschen (mit Hilfe von referierten Aussprüchen des Konfuzius) folgen mehrere Auslegungen dieser Idealvorstellung, die voneinander zum Teil beträchtlich abweichen, durch Konfuzius und andere Philosophen, Schüler des Meisters. Hier findet sich also das Grundmuster des Kanons, das für die Doxographie typisch ist. Die ersten Abschnitte (Kap. 2-8) des Buches 1 sind solche Beschreibungen des Edlen.

Darauf folgen Abschnitte, in denen die grundlegenden "Pflichten gegen andere" und "Pflichten gegen sich selbst" behandelt werden. Den Abschluss des ersten Buches (Kap.16) bildet ein Ausspruch des Konfuzius, der die Autonomie des einsichtsfähigen Subjekts betonen soll: er kümmere sich nicht darum, ob die Menschen ihn kennen; er kümmere sich darum, ob er die Menschen kennt. Mehr oder weniger in dieser Art sind auch die Bücher 2 bis 9 der Analekten redigiert: Aussprüche des Meisters oder seiner großen Schüler über die kanonischen Themen, also über Regierungskunst, Familienpflichten, Erziehung der Jugend u.ä. Ein durch und durch doxographisches Werk.

Das zehnte Buch weicht von diesem Schema ab. Es ist nicht so sehr doxographisch, als vielmehr biographisch: es enthält Beschreibungen von Handlungen und Verhaltensweisen des Konfuzius selbst. Allerdings ist dies offenbar weniger ein Bericht über dessen individuelle Taten und Erlebnisse, als vielmehr über Verhaltensformen, die den Konfuzius als einen Edlen ausweisen. Damit ist die erzieherische Absicht des Textes ganz klar. Das erste Kapitel etwa lautet:

In seinem Heimatort verhielt sich Konfuzius besonders höflich und so zurückhaltend, als könne er nicht sprechen. Im fürstlichen Ahnentempel und bei Hofe redete er unbefangen, aber er wählte seine Worte mit Bedacht.

Es folgen ähnliche, gewiss normativ zu lesende und zu verstehende Beschreibungen über des Meisters Verhalten gegenüber Beamten, Freunden, über seine Kleidungs-, Essens-, Schlafgewohnheiten etc. Die Biographie steht hier unter dem kanonischen Schematismus, sie dient zur Gänze der Exemplifizierung der ethischen Lehre. Die farbigeren, individuelleren Episoden aus dem Leben des Konfuzius finden sich in späteren Büchern (Analekten 16 und 17), obgleich insgesamt die Bücher 11 bis 20 wieder als doxographisch zu bezeichnen sind.

Wieweit es in der Entstehungszeit der ersten konfuzianischen Schriften eine Reflexion auf die Formen der Historiographie der Philosophie, vergleichbar etwa der platonischen oder der aristotelischen Reflexion, gegeben hat, kann ich nicht beurteilen. dass aber, zumindest in diesen Schriften (und wohl auch in denjenigen späterer Konfuzianer, aber auch der Mohisten und der Legalisten) philosophiehistorische Praktiken entwickelt sind, scheint mir nicht fraglich zu sein. Daraus aber zu folgern, dass philosophiehistorische Formen der chinesischen Tradition überhaupt nicht eigentümlich seien, hieße wohl, sich allzu stark an der neuzeitlichen Literaturgattung der allgemeinen Philosophiegeschichten zu orientieren. Es ist daher zwar ein zutreffendes, aber kein hinreichend differenziertes Urteil, wenn Forke sagt, Philosophiehistorie habe es in China bis in die neueste Zeit nicht gegeben.

Das Konfuzius-Kapitel bei Sima Qian ist, bei aller deutlich merkbaren didaktischen Absicht, frisch und ansprechend geschrieben. Das plastische Bild des Konfuzius, das hier entworfen wird, hat jedoch seine Angelpunkte in ganz ähnlichen Stereotypen, wie wir ihnen bei den griechischen Philosophenviten schon begegnet sind, und wie sie uns bis heute unterkommen, wo Lebensläufe von Philosophen beschrieben werden: Umstände der Geburt und Kindheit, Lehrzeit, Auseinandersetzung mit Gegnern und unverständigen Schülern, Versuchungen durch Macht und Reichtum, schließlich die Umstände des Todes - es sind ähnliche Stereotype übrigens auch in den Viten der großen Religionsstifter gegenwärtig, man denke an Buddha, Jesus oder Mohammed. Daraus ist zu ersehen, worin die Leser oder Hörer solcher Philosophenleben Vorbilder suchten oder erkannten; darum sind die Anekdoten aus den Philosophenleben auch stets als aufschlussreich für das Selbst- und Lebensverständnis der Zeit anzusehen, in der diese Beschreibungen entstanden sind.

Den wesentlichen Unterschied zwischen den biographischen Daten in den Analekten X und der Darstellung bei Sima Qian sehe ich in Folgendem: der erstere Text ist stärker kanonisch aufgebaut, die angesprochenen Themen gliedern sich nicht nach chronologischer Ordnung, sondern entsprechend ihrer inhaltlichen Gewichtung. So ist die Kennzeichnung des Verhaltens des Konfuzius in seinem Dorf und bei Hof gefolgt von zwei weiteren Abschnitten, die das Verhalten bei Audienzen (X,2) und gegenüber Staatsgästen (X,3) betreffen, also insgesamt drei Relationen öffentlicher Existenz. Die einzelnen Verhaltenszuschreibungen wirken in den Gesprächen also auch dort standardisiert und formelhaft, wo sie persönlich formuliert sind. Sima Qians Konfuzius-Kapitel ist ebenfalls standardisiert, aber weniger nach einem thematischen Raster, als vielmehr nach einer Vorstellung von Lebenseinheit, die der Historiker auch sonst anwandte. Worauf es ihm bei dieser Vita ankommt, drückt Sima Qian in dem sehr persönlich gehaltenen Schlusswort zu seiner Darstellung des Meisters so aus: Ich suche den Menschen Konfuzius selbst.


1Ähnliche Diskussionen fanden auch bezüglich der übrigen „philosophiae barbaricae“ statt, also der chaldäischen, ägyptischen, indischen, keltischen etc. Philosophie, die alle einen festen Ort noch in den Philosophiegeschichten des Humanismus hatten.

2Gonzalez de Mendoza: Historia de las cosas mas notables, ritos y costumbres del Gran Reyno de la China. Roma: Vincentio Ascolti, 1585, S. 11: „ay opinion, que los primeros, que le poblaron, fueron los nietos de Noe“.

3William Whiston: A New Theory of the Earth. From Its Original, to the Consummation of All Things. Wherein the Creation of the World in Six Days, the Universal Deluge, and the General Conflagration, as Laid Down in the Holy Scriptures, are Shewn to be Perfectly Agreeable to Reason and Philosophy. London: Benjamin Tooke, 1708, S. 140. (Erstdruck: 1696)

4Johann Christoph Gottsched: Erste Gründe der gesammten Weltweisheit. Hg.: P.M. Mitchell. 7. Aufl., (Ausgewählte Werke Bd. 5,1). Berlin: de Gruyter, 1983. (EA: 1734 Erstdruck der 7. Aufl. letzter Hand: 1762), S. 23f.: „… nichts ist wahrscheinlicher, als daß Noah eben der erste Monarch und Stammvater der Chineser gewesen ist ...“ und führt die These, weil sie in Deutschland „nicht sehr bekannt“ sei, mit elf Argumenten aus.

5Carl Josef Hieronymus Windischmann: Die Philosophie im Fortgang der Weltgeschichte. Erster Theil: Die Grundlagen der Philosophie im Morgenland. Erste Abtheilung. 3 Bde. Vol. 1. Bonn: Marcus, 1827, S. 19 und 85.

6Gottfried Wilhelm Leibniz (Hg.) Das Neueste von China. Novissima Sinica (1697) Köln: Deutsche China-Gesellschaft, 1979. Online verfügbar:
http://www.mnemeion.studien-von-zeitfragen.net/Leibniz/DASNEU_1/dasneu_1.HTM

7Zit. nach: Gottfried Wilhelm Leibniz: "Vorwort zu "Novissima Sinica"." Online: http://www.mnemeion.studien-von-zeitfragen.net/Leibniz/DASNEU_1/dasneu_1.HTM Abs. 1 und 3.

8Herder schreibt noch 1802: „Die Philosophie, vorzüglich die politische Sittenlehre jener Nation hat in Europa vielen Beifall gefunden; Leibnitz, Bilfinger, Wolf nahmen sich ihrer in Deutschland an, der letzte fast mit einem ihm sonst ungewohnten Enthusiasmus.“ vgl. Johann Gottfried Herder: "Christianisierung des sinesischen Reiches." In Deutsche Denker über China, Hg.: Adrian Hsia, 135-40. Frankfurt/M.: Insel, 1985. S. 139.

9Christian Wolff: Oratio de Sinarum philosophia practica. Rede über die praktische Philosophie der Chinesen (1721). Hamburg: Meiner Verlag, 1985.

10Lucien Braun: Geschichte der Philosophiegeschichte. Übersetzt von Franz Martin Wimmer. Hg.: Ulrich Johannes Schneider. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1990.

11Eusèbe Renaudot: "Nachricht und Urtheil von der Philosophie der Sineser." Übersetzt von Christoph August Heumann. In Acta philosophorum, das ist gründliche Nachrichten aus der historia philosophica. Elftes Stück, Hg.: Christoph August Heumann, S. 717-86. Halle: Rengerische Buchhandlung, 1720.

12Die Debatte darüber spiegelt sich noch heute in der Frage, wie „ganz anders“ China sei. Vgl. die Kontroverse zwischen F. Jullien und Jean François Billeter: Contre François Jullien. Paris: Editions Allia, 2006. Es ist jedoch eine Frage geworden, die in der Sinologie als einer besonderen Disziplin verhandelt wird, nach dem 18. Jahrhundert kaum mehr von Philosophen oder Philosophiehistorikern. Eine Ausnahme stellt dar: Elmar Holenstein: China ist nicht ganz anders. Vier Essays in global vergleichender Kulturgeschichte. Zürich: Ammann Verlag, 2009, davon siehe Kurzfassung online: http://www.eu-ro-ni.ch/publications/Holenstein_China.pdf

13Georg Christoph Lichtenberg: "Von den Kriegs- und Fast-Schulen der Schinesen, neben einigen andern Neuigkeiten von daher. (1796)" In Deutsche Denker über China, Hg.: Adrian Hsia, S. 103-16. Frankfurt/M.: Insel, 1985. S. 103.

14Alfred Forke: Geschichte der chinesischen Philosophie. 2. Aufl. Bd. 1-2. Hamburg: de Gruyter, 1964.

15Bahnbrechend war: Fung Yu-Lan: A History of Chinese Philosophy. Übersetzung Derk Bodde. 2 Bde. Princeton, Princeton University Press 1952 und 1953

16Mit diesem Ausdruck (chin. Zhengshi, engl: official history bzw. dynastic history) werden die vierundzwanzig „offiziellen“ Geschichtswerke seit der Han-Zeit bezeichnet, die jeweils von einer neu etablierten Dynastie über die Vorläuferdynastie erstellt werden. Als erstes Werk dieser Art gilt das Shiji des Sima Qian (s.u.) Vgl. Lien-Shang Yang: "The Organization of Chinese Official Historiography." In Historians of China and Japan, Hg.: William G. Beasley und G.E. Pulleyblank, London: Oxford Univ. Press, 1961.

17Huang Tsung-hsi: "The Record of Ming Scholars." Hg.: Julia Ching und Fang Chaoying. Honolulu: Univ. of Hawaii Press, 1987.

18In Deutsch liegt eine Auszugsübersetzung des Shiji vor: Szuma Chien: Der Herr von Sin-Ling. Reden aus dem Chan-kuo tse und Biographien aus dem Shi-ki. Hg.: Erich Haenisch Stuttgart: Reclam, 1965. Größere Auszüge bieten: Szuma Chien: Records of the Historian. Chapters from the Shih chi of Ssu-ma Ch'ien. Hg.: Burton Watson New York und London: Columbia Univ. Press, 1969 und Szuma Chien: Selections from Records of The Historian. Hg.: Hsien-yi Yang und Gladys Yang. Peking: Foreign Languages Press, 1979.

19Zu Sima Qian vgl.: Thomas R. Martin: Herodotus and Sima Qian: The First Great Historians of Greece and China. A Brief History with Documents. 1. Aufl. Bedford: St. Martin's, 2010; William H. Nienhauser Jr.: "Sima Qian and the Shiji." In The Oxford History of Historical Writing: Volume 1: Beginnings to AD 600, Hg.: Andrew Feldherr und Hardy Grant, S. 463-84. Oxford: Oxford Univ. Press, 2011.

20David S. Nivison: The Life and Thought of Chang Hsüeh-ch'eng (1738-1801). Stanford: Stanford University Press, 1966.

21Lien-Shang Yang: "The Organization of Chinese Official Historiography." In Historians of China and Japan, Hg.: William G. Beasley und G.E. Pulleyblank. London: Oxford Univ. Press, 1961.

22Es sind derzeit mehrere deutsche Übersetzungen dieses (im 2. vorchristl. Jh. redigierten) Werks verfügbar. Verwendet wurde hier: Konfuzius: Gespräche. Übersetzt von Ralf Moritz. 2. Aufl. Leipzig: Reclam, 1989.


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Letzte Bearbeitung: WS 2014/15