Universität Wien

Wimmer: Vorlesung SS 2006
180 144 Philosophie im 20. Jahrhundert

4. Vorlesung 28. März 2006: Interkulturelle, postkoloniale, postmoderne Diskurse II



Postkoloniale Theorie
Mit dem Terminus "Postkolonialismus" wird in aller Regel eine Diskussion angesprochen, die ihren Schwerpunkt nicht in der Philosophie hat, sondern in politischer Theorie, in Sozial-, Kultur- und Geschichtswissenschaft. Vgl. dazu "Colonialism, Postcolonialism, and Literature: Theorists and Critics" oder auch den Wikipedia-Artikel Postkolonialismus.

Auch bestimmte Themen literarischer Werke oder die literarische Produktion ehemaliger Kolonialgebiete überhaupt werden mit dieser Bezeichnung angesprochen - letzteres trifft v.a. für die ehemals britischen  und französischen Kolonialreiche zu, kaum für die spanischen, portugiesischen oder andere. Im Spanischen etwa bezeichnet "Literatura Postcolonial" literarische Strömungen im ehemals britischen Imperium ("Estudio sistemático de los principales autores y corrientes de los países de la antigua colonización inglesa", vgl. Univ. Navarra); die Literatur ehemals spanischer Kolonialgebiete wird gewöhnlich nicht so, sondern z.B. als "literatura latinoamericana" bezeichnet - und die Google-Suche im japanischen "Kinokuniya BookWeb" nach ポ ストコロニア ergibt wesentlich weniger Treffer als diejenige nach dessen englischem Pendant "postcolonial", wobei die ersteren anscheinend ebenfalls den englischen Sprachgebrauch spiegeln (und nicht sich auf Literatur der ehemaligen japanischen Kolonien beziehen, was immerhin denkbar wäre). Es ist also zumindest in theoretischer Hinsicht kaum ein klarer, kulturunabhängiger Begriff, mit dem wir es hier zu tun haben.

Sollen wir uns im Zusammenhang mit Philosophie bei dieser Sachlage überhaupt mit postkolonialen Diskursen beschäftigen? Aus zwei Gründen denke ich, dass dies angebracht ist:
Diesem hermeneutischen Monopol wird nun widersprochen und das ist eine Herausforderung für philosophische Hermeneutik überhaupt:
"Die postkoloniale Literaturbewegung signalisiert: Diejenigen, die in den europäischen Diskursen über das Fremde jahrhundertelang bloß als Objekte, als Repräsentierte vorkamen, sprechen nun für sich selbst." (Alexander Honold: "Das Fremde verstehen – das Verstehen verfremden: Ethnographie als Herausforderung für Literatur- und Kulturwissenschaft" in: Trans - Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften)
In der Vorstellung eines jüngst erschienenen Buches von Mona Singer ist zu lesen:
"Postkoloniale und feministische Kritik führt abendländische Wissenschaftstraditionen als eurozentrisch, imperialistisch und patriarchal vor und stellt ihnen das Paradigma des „situierten Wissens“ entgegen – ein Wissen, das den eigenen (politischen) Standpunkt reflektiert." (Rezension der ÖH zu: Mona Singer: Geteilte Wahrheit. Feministische Epistemologie, Wissenschaftssoziologie und Cultural Studies. Wien. Löcker Verlag 2005)

Ich will nun eine kurze Darstellung in drei Punkten versuchen, indem ich zuerst auf den
Diese Darstellung weicht insbesonders in einem Punkt von anderen Darstellungen ab, indem ich als Referenzpunkt mehr oder weniger die Auseinandersetzung um Existenz und Eigenart von "afrikanischer" Philosophie wähle. Dies scheint mir jedoch ein brauchbarer Ansatz zu sein, sofern in dieser Debatte sowohl die eurozentrischen Vorannahmen, als auch die Schwierigkeiten von Alternativen sehr deutlich wahrzunehmen sind.


Placide Tempels und die Ethnophilosophie
In der Regel wird unter dem Ausdruck "Ethnophilosophie" ein Denken verstanden, das im wesentlichen durch Implizitheit und durch Kollektivität gekennzeichnet ist. Hountondji, der den Ausdruck in kritischer Absicht einführte, hat dies als die wesentlichen Bestimmungsmerkmale genannt; bis in die neueren Diskussionen darüber finden sie sich.  Vgl. dazu meinen Aufsatz "Ethnophilosophie - Ausweg oder Irrweg? (1995)

Das Werk, worum die Debatte in Afrika entbrannte, ist das Buch des flämischen Missionars Placide Tempels über die "Bantu–Philosophie"(zuerst 1945).
Näher siehe dazu die Darstellung von Sascha Maier, Berlin (2003) im Internet.

Tempels' entscheidende Thesen kann man in folgender Weise zusammenfassen:
1) Es gibt eine traditionelle Philosophie der Bantu.
2) Es handelt sich dabei um eine Ontologie.
3) Darin entspricht ein Begriff der Kraft dem, was in europäischer Philosophie "Sein" genannt wird.
4) Die Bantu–Philosophie kommt nicht von sich aus zur Sprache, sie ist anonym und implizit. Sie kann – und soll – mit Hilfe von abendländischen Begriffen artikuliert werden.
5) Diese Philosophie haben nicht nur die Baluba (deren Denken Tempels rekonstruieren will), sondern alle Bantu und alle "Naturvölker". 

Die für unseren Zusammenhang wichtigste unter diesen Thesen ist die vierte.
Sie besagt zumindest zweierlei: erstens, dass auch Philosophie implizite Bestandteile haben kann; und zweitens, dass diese impliziten Bestandteile einer Philosophie durch eine andere Philosophie artikuliert, zur Sprache gebracht werden können – und zwar so, dass die nunmehr explizierten, zuvor eigentlich sprachlosen, Philosophen sich damit erst selbst verstehen.  Darin artikuliert sich noch sehr deutlich, was ich als "monopolistische Hermeneutik" bezeichne und wogegen sich postkoloniale Diskurse vehement zur Wehr setzen.

Einige Positionen aus diesem Diskurs will ich hier als Beispiele anführen:



Léopold Sédar Senghor (1906-2001) - Négritude als emanzipatorisches Projekt
Historisch zuerst, noch vor Tempels' Buch, hat sich in den 1930-er Jahren eine Richtung entwickelt, die nach einem ihrer zentralen Begriffe (er stammt von dem Dichter Aimé Césaire) als "Négritude" bekannt wurde. Sie ist insbesondere durch die Schriften und Reden des langjährigen Präsidenten Senegals, Léopold Sédar Senghor, in weiten Kreisen bekanntgeworden.

Die zentrale Idee dieser Richtung hat Senghor immer wieder so formuliert, dass er der "négritude" eine andere Art von "Vernunft" zuschreibt als es etwa diejenige der "francité" sei. Sieht er letztere im Denken von René Descartes am deutlichsten repräsentiert, so sei ihr Kennzeichen in einem distanzierten, objektivierenden Verhältnis des Subjekts zu seinen Gegenständen zu sehen. Die cartesische "Augenvernunft" trenne Subjekt und Objekt, sie analysiere nüchtern und kalkulierend – und sie sei "dem Franzosen" oder "dem Europäer" eigen. In vielen Bereichen menschlicher Tätigkeit sei die Überlegenheit der "Augenvernunft" offenkundig, doch stelle sie eine Verkürzung der menschlichen Existenz dar, wenn sie als ausschließliche Form der Vernunft ausgebildet wird. Ihr kontrastiert Senghor daher die "Umarmungsvernunft" des "Negers" und erklärt sie für komplementär in Bezug auf die "Augenvernunft" der "Europäer".

Bei aller dichterischen Emphase, die Senghor und andere Verfechter einer "négritude" an den Tag gelegt haben, blieb doch immer der entscheidende Einwand bestehen, den neben anderen Marcien Towa und Paulin Hountondji formuliert haben: dass die ethnisch begründete Zuschreibung einer bestimmten Vernunftform ein illusorisches Bewußtsein von der eigenen, im Vergleich zu Europa gänzlich andersartigen kulturellen Identität voraussetzt und somit als Ideologie des Kolonialismus im Neokolonialismus weiterlebt. So schreibt Towa 1988:
"Die beherrschende Frage nach der Identität ist nur ein anderer Aspekt der Befreiung, denn hier treffen wiederum die Thesen der einen, der Senghorianer oder der Ethnophilosophen, die uns in unserer eigenen Kultur einsperren wollen, nachdem sie zuerst ihre rassistischen Vorurteile oder die Dogmen ihres mystischen Glaubens in die Vergangenheit projiziert haben, und die Thesen der anderen scharf aufeinander, die wie Fanon sehen, daß die nationale Kultur sich erst behaupten kann, wenn sie sich im Feuer des Prozesses eines revolutionären Kampfes reinigt." (Marcien Towa: Die Aktualität der afrikanischen Philosophie. In: Wimmer, Franz M. (Hg.): Vier Fragen zur Philosophie in Afrika, Asien und Lateinamerika. Wien: Passagen 1988, S. 65)

Die LINKS zu den folgenden Personen (Fanon bis Bhabha) setze ich zu dem exzellenten "Postcolonial Web" von George P. Landow

Sie können aber natürlich auch in den Wikipedia-Seiten nachlesen (die sind gerade in diesen Fällen qualitativ sehr unterschiedlich in den verschiedenen Sprachen)
Frantz Fanon (1925-61) - Befreiungskampf als Heilung vom "kolonisierten Bewusstsein"
Arzt und Psychoanalytiker, kämpfte für ein unabhängiges Algerien
Edward Said (1935-2003) - "Orientalismus" - der fremde Blick
Palästinensischer Wissenschafter und Politiker, analysierte Inhalt und Funktion des Orient-Bildes
Gayatri Chakravorty Spivak (1942-) - Sprache der Sprachlosen ("subaltern studies")
Literaturwissenschafterin aus Indien, lehrt in den USA
Vgl. in polylog. Zeitschrift für interkulturelles Philosophieren, Nr. 4, 1999:
Gayatri C. Spivak: Frau in Differenz.
Encarnación Gutiérrez Rodriguez: Fallstricke des Feminismus. (auch im Internet
Homi K. Bhabha (1949-) - "Hybridität" als Paradigma
Kulturtheoretiker aus Indien, lehrt in den USA
Vgl. in polylog. Zeitschrift für interkulturelles Philosophieren, Nr. 8, 2001:
Monika Fludernik: Hybridität - Theorie und Praxis
Nausikaa Schirilla: Können wir uns nun alle verstehen? Kulturelle Hybridität, Interkulturalität und Differenz


Kwasi Wiredu: "Entkolonisierung philosophischer Begriffe"
Meines Wissens ist Wiredu bislang noch nicht als "postkolonialer" Philosoph dargestellt worden. Auf die Idee, sein Denken - oder doch zumindest seinen Vorschlag einer "begrifflichen Entkolonisierung" in diesem Zusammenhang zu sehen, wurde ich durch die Prüfungsarbeit von Christine Rudolf, Studentin des Studiengangs "Internationale Entwicklung" an der Universität Wien, gebracht. Der Hinweis scheint mir überzeugend und gibt ein gutes Beispiel für das Problem der Entkolonialisierung in einer genuin philosophischen Frage.

Wiredu spricht von der Notwendigkeit einer "begrifflichen Entkolonisierung", die im Kontext von Philosophie in Afrika dadurch gegeben sei, dass selbst so zentrale Begriffe wie "Truth, Knowledge, Reality, Self, Person, Space, Time, Life, Matter, Subjectivity" und zahlreiche andere für ihn, dessen Primärsprache das westafrikanische Akan ist, oft und in systematisch wichtigen Zusammenhängen Konnotationen haben, welche bestimmte Thesen der europäischen philosophischen Tradition nicht formulierbar oder zumindest höchst unplausibel erscheinen lassen. Sein Vorschlag für die zentralen Termini der Philosophie lautet nun:
"Try to think them through in your own African language and, on the basis of the results, review the intelligibility of the associated problems or the plausibility of the apparent solutions that have tempted you when you have pondered them in some metropolitan language." (Wiredu 1997, S. 12)

Wiredus Vorschlag ist ernst zu nehmen, doch führt er weit. Konsequenterweise dürfte das Verfahren nicht auf solche Sprachen begrenzt werden, deren Sprecher einem Kolonisierungsprozess unterworfen waren, sondern müsste bei jeder Sprache durchgeführt werden – und bestünde dann wohl in einer "Enthistorisierung" der philosophischen Terminologie. Zudem bliebe weiterhin das Problem, die so gewonnenen Einsichten wieder zu übersetzen, es sei denn, man zöge sich eben auf so etwas wie eine "ethnische" Philosophie zurück und ließe die jeweils anderen außerhalb des Diskurses. Sehen wir uns jedoch Wiredus Beispiel an, das seinen Vorschlag deutlich macht.

Er beruft sich auf Studien, die gezeigt haben, dass in Bantu-Sprachen – so auch in Akan – eine Formel wie diejenige Descartes‘ ("Ich denke, also bin ich.") aus dem Grund nicht formulierbar ist, weil das Verb "sein" stets von einem Attribut oder einer Ortsangabe gefolgt sei. Würde jemand sagen "ich bin", so wäre unweigerlich eine Frage die Folge wie "was bist du?" oder "wo bist du?"

Wenn man nun damit die cartesische Formulierung vergleicht, so zeigt sich schnell, dass das Akan eine wesentliche Intention dieser Formel unerwartbar macht. Descartes meinte alles Bezweifelbare, auch räumliche Existenzen bezweifeln, und dabei doch Gewissheit hinsichtlich seiner eigenen Existenz haben zu können. Das Ich des "cogito" existiert nach seiner Überzeugung jedenfalls, auch als nichträumliche, immaterielle Entität, und seine Sprache lässt dies auch ausdrücken.
In Akan oder einer anderen Bantusprache wäre dieses Argument jedoch so nicht ausdrückbar.

Damit ist allerdings noch nichts weiter festgestellt als eine Verschiedenheit des Akan zum Lateinischen oder auch zu anderen Sprachen. Derartige Verschiedenheiten sind aber nicht nebensächlich für die Möglichkeit des Philosophierens – und wer daraus nicht den Schluss ziehen will, philosophisches Denken sei nur in bestimmten oder sogar nur in einer Sprache möglich, wird in der Differenz des Akan vom Lateinischen nicht von vornherein eine Defizienz sehen dürfen.
Für jemanden, dessen Muttersprache Akan ist, wäre es natürlich möglich, von der Gültigkeit des cartesischen Arguments überzeugt zu werden – und dies, meint Wiredu, wäre keineswegs ein Aufgeben des Programms einer "conceptual decolonization", das ja nicht darauf abzielt, fremdes Gedankengut als solches abzuweisen. Allerdings gesteht er, dass Descartes' Argument ihn selbst nicht überzeugt. Das Entscheidende hier ist, dass eine sprachlich bedingte starke Unplausibilität bewusst wird, für oder gegen die dann argumentiert werden muss. Wie auch immer das Ergebnis einer solchen Argumentation aussieht, eines will Wiredu festhalten: die Implikationen des Seinsbegriffs in Akan zwingen jemand, der in dieser Sprache denkt, eine Reihe von zentralen Lehren der okzidentalen Metaphysik und Theologie einer strengen Prüfung zu unterziehen.  Wenn durch die Aktivierung der unterschiedlichen Sprachen ein Fehlschluss bewusst wird, der auf Grund einer bestimmten sprachlichen Disposition naheliegt, so kann dies nur ein Gewinn für die Philosophie sein.

Ich sehe nur eine Möglichkeit, Wiredu in diesem Punkt zu widersprechen – eine allerdings höchst zweifelhafte Möglichkeit: indem man nämlich behaupten würde, das Akan (und möglicher Weise auch andere Sprachen) sei eben strukturell ungeeignet für philosophisches Denken. Die These wäre dann etwa: es gibt einige Sprachen (vielleicht auch nur eine einzige), die geeignet sind, philosophische Begriffe und Thesen angemessen auszudrücken. Andere Sprachen seien dies nicht oder doch so lange nicht, bis sie entsprechend angepasst wären. Diese These setzt jedoch schlicht zuviel voraus: Sie könnte nur begründet werden von jemand, der/die selbst in allen Sprachen gleicherweise kompetent und philosophierend erfahren wäre (was natürlich eine unsinnige Vorstellung ist) oder wenn zumindest gewährleistet wäre, dass eine durchgehende und stets gegenseitige Kritik aller (und nicht nur einiger europäischer) Sprachen in Bezug auf die darin naheliegenden philosophisch einschlägigen Plausibilitäten bereits geleistet ist. Dann allerdings wäre Wiredus Programm der "conceptual decolonization" bereits durchgeführt.
Was können PhilosophInnen von einer Entkolonialisierung philosophischer Begriffe erwarten, wie sie Wiredu vorschlägt? Er selbst erhofft sich, dass damit schlicht diese oder jene Begriffe in den Blick kommen (und nicht mehr entsprechende "Yoruba-" oder "Luo-" etc. Begriffe). Und weiter, dass daraus ein Gewinn für das menschliche Denken überall auf der Welt entsteht.

Es ist die Hoffnung eines Universalisten in der Philosophie, die hier zum Ausdruck kommt, nicht eines Ethnophilosophen. Aber es ist zugleich eine Kritik am voreiligen Universalismus. Entscheidend für die Debatte innerhalb der akademischen Philosophie dürfte auf Dauer aber doch die Frage sein, ob in interkulturell orientierten Diskursen, wie Wiredus Programm einen entwirft, ein "enlargement of conceptual options" oder nicht doch nur eine exotistische Abschweifung geschieht. Mit anderen Worten gefragt: Haben wir diese Argumente gegen Descartes, gegen die Sinnhaftigkeit metaphysischer Aussagen über die Existenz des Universums etc. nicht schon in Europa selbst gehört und gelesen? Brauchen wir tatsächlich die Kritik, die der Akan-Denker aus seinem sprachlich-kulturellen Hintergrund schöpft?

Brauchen okzidentale PhilosophInnen, etwa wenn sie sich Gedanken über ein globales Ethos oder über die Begründbarkeit von Menschenrechten machen, von der Sache her eine gegenseitig kritische Auseinandersetzung mit afrikanischem, chinesischem, indischem, lateinamerikanischem Denken wirklich? Es ist nicht undenkbar, dass alle Einwände und Überlegungen, die da kommen mögen, in der eigenen Tradition schon einmal gemacht, alle Differenzierungen schon einmal vorgeschlagen worden sind.
Es ist nicht unmöglich. Aber der Blick in die eigene Denkgeschichte wird uns nicht lehren, ob es wirklich so ist. Wenn es nicht so ist, so entgeht uns als Philosophierenden etwas – der Sache nach. Wenn uns jedoch nichts inhaltlich wirklich Anderes begegnet, so hätte durch ernsthafte Auseinandersetzung unsere Tradition einen wichtigen Test bestanden. In jedem der beiden Fälle ist ein Gewinn, kein Verlust durch eine wirkliche Auseinandersetzung mit fremdkulturellen Denktraditionen zu erwarten.


Literaturhinweise zur "Philosophie in Afrika":

Hountondji, Paulin: Afrikanische Philosophie. Mythus und Realität. Berlin: Dietz 1993. Ausführliche Inhaltsangabe von Roger Künkel, Berlin (2004)
Kimmerle, Heinz: Philosophie in Afrika - afrikanische Philosophie. Frankfurt/M.: Campus 1999 Im Internet
Kimmerle, Heinz und Franz M. Wimmer (Hg.): Philosophy and Democracy in Intercultural Perspective. Amsterdam: Rodopi 1997
Kresse, Kai: Diskurs und Forschung in Afrika. In: Information Philosophie 2001
Lölke, Ulrich: Kritische Traditionen. Afrika. Philosophie als Ort der Dekolonisation. Frankfurt/M.: IKO. 2001 Rezension von Wolfgang Habermeyer in: polylog. Forum für interkulturelle Philosophie
Nagl-Docekal, Herta und Franz M. Wimmer (Hg.): Postkoloniales Philosophieren - Afrika. Wien: Oldenbourg 1992 Inhaltsverzeichnis

Quellen im Internet:
Homepage Bruce Janz zur afrikanischen Philosophie
Homepage Heinz Kimmerle


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Postmoderne Philosophie
In Ausarbeitung
In äußerster Vereinfachung kann man sagen:
'Postmoderne' bedeutet, dass man den Meta-Erzählungen
keinen Glauben mehr schenkt.
Francois Lyotard

Was bedeutet das "post-" in der "Postmoderne" - und was heißt "Moderne" hier?

Beide Wörter kommen aus dem Lateinischen - "post" entspricht dem Deutschen "nach", und zwar hier wie dort sowohl in zeitlichem wie auch in räumlichem Sinn, aber auch in der Bedeutung, dass das Spätere irgendwie auf das Frühere bezogen ist, auf ihm aufbaut. Das "post" in der "Postmoderne" behält diese Nuancen bei mit Ausnahme des Räumlichen. Es bezeichnet eine Folgeperiode oder Folgedenkweise, die wesentlich von ihrem Bezug zur "Moderne" bestimmt ist. Es ist nicht ganz leicht zu sagen, was damit bezeichnet wurde und wird.

Das Adjektiv "modernus" - im Gegensatz zu "antiquus" - bezeichnet schon im europäischen Hochmittelalter Denkrichtungen, die in der einen oder anderen Hinsicht als "neu" gelten und der Streit zwischen diesen beiden Parteien zieht sich über Jahrhunderte, wird schließlich auch nicht mehr auf Lateinisch geführt, sondern z.B. als die "querelle des anciens et des modernes" benannt. Ich will einen "modernus" der frühen Neuzeit als Beispielsfall heranziehen, der mir einige Ähnlichkeit mit den Themen der Postmoderne im späten 20. Jahrhundert zu haben scheint.

Jean Bodin (Johannes Bodinus, 1529-96)
ist zu seiner Zeit ein bekannter Jurist, Geschichtstheoretiker und Verfechter des Hexenglaubens gewesen. Ich beziehe mich hier auf ein einziges Thema, das er in seinem wissenschaftstheoretischen und geschichtsphilosophischen "Methodus ad facilem historiarum cognitionem" (1566) behandelt, nämlich auf die Frage, ob es (wie die "antiqui" seiner Zeit meinen) so etwas wie einen Höhepunkt menschlicher Seinsweise schon einmal gegeben habe - in der griechischen und römischen Antike oder in einem "goldenen Zeitalter" der Frühzeit - oder ob die Menschheit seither und überhaupt echte Fortschritte mache, die Gegenwart jeder Vergangenheit überlegen sei..

Bodin ist ein "modernus" in dieser Frage. Nicht nur in den allgemeinen Sitten, vor allem in den Techniken und Wissenschaften sieht er sein Jahrhundert allen früheren als überlegen an. Es gibt einen weltweiten Verkehr, dem gegenüber die römische Sommerschifffahrt auf dem Mittelmeer ebenso als Kinderspiel erscheint wie dies beim Vergleich der antiken Belagerungskatapulte mit den riesigen Kanonen der Fall ist, die schon vor (damals) mehr als 100 Jahren vor Konstantinopel eingesetzt wurden. Es gibt statt blutiger Gladiatorienkämpfe eine weit gehobenere Form der Unterhaltung in den öffentlichen Disputationen, wie sie beispielsweise in Paris stattfinden. Der kleinen Welt des Mittelmeerraums steht die Weltrepublik gegenüber, die sich auf wundersame Weise herausbildet: "omnes homines secum ipsi, et cum Republica mundana, velut in una eademque civitate mirabiliter conspirant." Und selbst wer all dies und die vielen Fortschritte auf so vielen Gebieten für unerheblich hielte, müsste doch zugeben: "Die Kunst der Buchdruckerei allein könnte mit Leichtigkeit alle Erfindungen der Alten aufwiegen."

Falls Sie zu Bodin noch etwas mehr lesen wollen, verweise ich auf meine Darstellung in der Vorlesung über Geschichtsphilosophie.

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