Wimmer: Vorlesung WS 2005/06 180210 Philosophie im 20. Jahrhundert
12. Vorlesung 17. Jänner 2006:
Feministische Philosophie in der Periode 1961-89
Der Terminus "feministische
Philosophie" soll hier nicht definiert werden. Es sei lediglich betont,
dass er keinesfalls mit "philosophischem Denken von Frauen"
zusammenfällt. Es gibt sowohl Philosophinnen, auch im späten
20. Jahrhundert, deren Arbeiten nicht zur "feministischen Philosophie"
beitragen, wie es andererseits (wenige) männliche Autoren gibt,
für die das doch zutrifft.
Ich gehe davon aus, dass in einer repräsentativen Bestandsaufnahme
das Selbstverständnis von Vertreterinnen feministischer
Philosophie zum Ausdruck kommt. Als eine solche Bestandsaufnahme sehe
ich:
Meyer, Ursula I. und Heidemarie
Bennent-Vahle (Hg.): Philosophinnen-Lexikon.
Leipzig: Reclam 1997 (EA: Aachen: FACH-Verlag 1994)
Dieses Lexikon mit Artikeln über Philosophinnen von ca 600 vAZ bis
ca 1990, das auch einzelne nicht-okzidentale Denkerinnen vorstellt,
gibt in einer Zeittafel (nach Geburtszeit geordnet, bis 1800 in ganzen
Jahrhunderten, ab 1900 auf Grund größerer Anzahl in
Jahrzehnten aufgezählt) jeweils den Themenschwerpunkt der
behandelten Denkerin.
Der Ausdruck "Feminismus" taucht darin erstmals bei
Geburtsjahrgängen nach 1850 (Lily Braun *1865, Alexandra Kollontai
*1872, Virginia Woolf *1882) vor, wird dann aber (ab Simone de Beauvoir
*1908) immer häufiger verwendet und bei den nach 1930 Geborenen
fehlt es so gut wie in keinem Fall und ist in den meisten Fällen
sogar die einzige Kennzeichnung.
Die Autorinnen dieses Lexikons - ihrerseits zum Großteil
Philosophinnen - bringen damit zum Ausdruck, dass bei allen
Unterschieden an Theorien, die sie beschreiben, etwas Neues in
Fragestellungen von Philosophinnen besonders im 20. Jahrhundert
auftaucht, das sie eben als "feministische Philosophie" benennen. Und
sie wollen damit wohl auch signalisieren, dass eben diese Problematik -
und nicht etwa Logik, Ethik etc. - das Hauptinteresse von
Philosophinnen des späten 20. Jahrhunderts ist (z.B. im
Unterschied zu Philosophinnen des 18. Jahrhunderts).
Der Beginn der Debatten kann wohl in der Überprüfung der
These gesehen werden, ob, wie Virginia Woolf die "patriarchalische"
Auffassung ausgedrückt
hat, weibliche Menschen "geistig, moralisch und physisch unterlegen"
seien (in: "Three Guineas", 1938) oder nicht doch de Beauvoir Recht
hatte, wenn sie feststellte: "Wir werden nicht als Frauen geboren, wir
werden dazu gemacht."
Diese Überprüfung geschah auf mehreren Ebenen:
Es wird (historisch) nachgefragt, welche Philosophinnen denn
gelebt und in ihrer Zeit gewirkt haben; Hinweise darauf fehlen in den
allgemeinen Philosophiegeschichten durchgehend, weswegen damit auch
editorische Projekte, Übersetzungen etc. verbunden sind.
Es wird (begrifflich) nachgefragt, mit welchen sprachlichen
Mitteln oder gedanklichen Kategorien der Ausschluss der
(größeren) Hälfte der Menschheit aus deren höheren
Kulturleistungen vor sich gegangen und gegenwärtig wirksam ist.
Damit sind ideologiekritische Projekte im weitesten Sinn (Kritik
patriarchaler Sprache und Begrifflichkeit; Analyse impliziter
Voraussetzungen von Theoremen etc.) verbunden.
Es wird schließlich nach alternativen Entwürfen eines
Begriffs vom "Menschen" gefragt.
Spätestens nach 1980 sind "feministische" Fragestellungen dieser
Art in einer Reihe von wissenschaftlichen Disziplinen
unübersehbar. Dazu zählt auch die Philosophie.
Da auch in den feministischen Diskussionen der Periode die Unterschiede
zwischen den französischen, englischsprachigen, deutschen u.a.
Traditionen stark ins Auge fallen, sollen in der Vorlesung nur einige
Autorinnen vorgestellt werden, die in mancher Hinsicht als
repräsentativ gelten können.
Sandra Harding
Kate Millet
Agnes Heller
Luce Irigaray
Julia Kristeva
Elisabeth List
Brigitte Weisshaupt
Die in der Diskussion der
Vorlesung insbesondere erwähnten Arbeiten sind in der folgenden
Liste hervorgehoben oder mit einem Link zu weiterer Information
versehen. Da diese Liste nur Titel zwischen 1980-89 enthält,
wiederhole ich aus der allgemeinen Liste noch:
Mill,
John Stuart, Harriet Taylor Mill, Helen Taylor: Die Hörigkeit der
Frau. Texte zur Frauenemanzipation. (Hg. Hannelore Schröder)
Frankfurt: Syndikat 1977.
Eine kleine Auswahl von Titeln
zum Thema "Feminismus" aus meinem persönlichen Archiv
für die Zeit 1980-89,
chronologisch geordnet, gebe ich im Folgenden. Ich habe daraus
die meisten Titel aus diesem Zeitraum gelöscht, die sich in erster
Linie auf Frauengeschichte beziehen. Diese Auswahl hier nennt auch
viele philosophisch relevante Texte des Zeitraums nicht, die in der allgemeinen
Literaturliste für die Periode 1961-89 angeführt sind.
Borchers, Elisabeth und Hans-Ulrich
Müller-Schwefe (Red.): Im Jahrhundert der Frau. Ein Almanach des
Suhrkamp Verlags.
Frankfurt/M.: Suhrkamp 1980
Brinker-Gabler, Gisela (Hg.): Frauen gegen den Krieg.
Frankfurt/M.: Fischer 1980
Hetmann, Frederik: Drei Frauen zum
Beispiel. Die Lebensgeschichte der Simone Weil, Isabel Burton und
Karoline von Günderrode.
Weinheim: Beltz. 1980.
Janssen-Jurreit, Marielouise: Sexismus. Über die Abtreibung der
Frauenfrage.
Frankfurt/M.: Fischer. 1980.
Meulenbelt, Anja: Feminismus und Sozialismus. Eine Einführung.
Hamburg: Konkret Literatur Verlag. 1980.
Stopczyk, Annegret: Was Philosophen
über Frauen denken.
München: Matthes & Seitz.
1980.
Historisches Museum Frankfurt a.M.
(Hg.): Frauenalltag und Frauenbewegung 1890-1980. Katalog.
Basel: Stroemfeld 1981
LaBalme, Patricia H. (Hg.): Beyond their Sex. Learned Women of the
European Past.
New York: New York Univ. Pr. 1981
Scheu, Ursula: Wir werden nicht als Mädchen geboren - wir werden
dazu gemacht.
Frankfurt/M.: Fischer. 1981.
Wawrytko, Sandra A.: The undercurrent of feminine philosophy in Eastern
and Western thought.
Lanham: Univ. Pr. of America. 1981.
Aspöck, Ruth: Der ganze Zauber nennt sich Wissenschaft.
Wien: Frauenverlag. 1982.
Beauvoir, Simone de: Eine gebrochene Frau.
Reinbek b. Hamburg: Rowohlt. 1982.
--: Marcelle, Chantal, Lisa … Ein Roman in Erzählungen.
Reinbek b. Hamburg: Rowohlt. 1982.
Bornemann, Ernest (Hg.): Arbeiterbewegung und Feminismus. Berichte aus
vierzehn Ländern.
Frankfurt/M.: Ullstein 1982
Keohane, Nannerl O., Michelle Z. Rosaldo und Barbara C. Gelpi: (Hg.):
Feminist Theory. A Critique of Ideology.
Chicago: University of Chicago Press 1982
McMillan, Carol: Women, Reason and Nature. Some Philosophical Problems
with Feminism.
London: Blackwell. 1982.
Strauss, Sylvia: "Traitors to the Masculine Cause". The Men's Campaigns
for Women's Rights.
London: Greenwood Presse. 1982.
Bendkowski, Halina und Brigitte
Weisshaupt (Hg.): Was Philosophinnen
denken. Eine Dokumentation. Zürich: Ammann 1983
Bock, Gisela: Historische Frauenforschung: Fragestellungen und
Perspektiven. In: Hausen, Karin (Hg.): Frauen suchen ihre Geschichte
München: Beck 1983, S. 22-60.
Dronke, Peter: Women Writers of the Middle Ages. A Critical Study of
Texts from Perpetua (+ 203) to Marguerite Porete (+ 1310).
Cambridge: Cambridge Univ. Pr. 1983.
Linnhoff, Ursula: 'Zur Freiheit, oh, zur einzig wahren -' Schreibende
Frauen kämpfen um ihre Rechte.
Frankfurt/M.: Ullstein. 1983.
Maclean, Ian: The Renaissance Notion of Woman. A Study in the Fortunes
of Scholasticism and Medical Scienc in European Intellectual Life.
Cambridge: Cambridge Univ. Pr. 1983.
Tielsch, Elfriede Walesca: Die Philosophin. Geschichte und Ungeschichte
ihres Berufsstandes seit der Antike. In: Bendkowski, Halina und
Brigitte Weisshaupt (Hg.): Was Philosophinnen denken. Eine
Dokumentation.
Zürich: Ammann 1983, S. 309-328.
Gilligan, Carol: Die andere Stimme. Lebenskonflikte und Moral der Frau.
München: Piper. 1984.
Gössmann,
Elisabeth: (Hg.): Das
Wohlgelahrte Frauenzimmer. München: iudicium 1984 (
Archiv für philosophie- und
theologiegeschichtliche Frauenforschung, Bd.: 1)
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Gnüg, Hiltrud und Renate Möhrmann (Hg.):
Frauen-Literatur-Geschichte: Schreibende Frauen vom Mittelalter bis zur
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Stuttgart: Metzler 1985
Le Rider, Jacques: Der Fall Otto Weininger. Wurzeln des Antifeminismus
und Antisemitismus.
Wien: Löcker. 1985.
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Ansätze feministischer Vernunftkritik.
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Hetmann, Frederik: Rosa L. Die
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Beiträge zur Kulturwissenschaft. Germanistische Reihe, Bd.: 13)
Xenakis, Françoise: Frau Freud ist wieder mal vergessen worden!
Fünf erfundene Biographien.
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Mulot-Déri, Sibylle: Sir Galahad. Porträt einer
Verschollenen.
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Pauer-Studer, Herlinde: Prinzipien und Verantwortung. Ansätze
einer feministischen Kritik der Moralphilosophie. In: Kimmerle, Gerd;
Konnertz, Ursula: (Hg.) Konkursbuch. Zeitschrift für
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