Energie, Impuls und Wirkungsprinzip des elektromagnetischen Feldes


Franz Embacher

Fakultät für Physik der Universität Wien

 
Es wird vorausgesetzt, dass (abgesehen von den Ladungen und Strömen, die als Quellen des elektromagnetischen Feldes auftreten) Vakuum herrscht, also keine Materie vorhanden ist. $\rho$ und $\vec{j}$ können frei vorgegeben werden, solange sie die Kontinuitätsgleichung, die die lokale Ladungserhaltung ausdrückt, erfüllen.


Feldenergie

Das elektromagnetische Feld besitzt die räumlich und zeitlich lokalisierte Energiedichte

$$u(\vec{x},t)={1\over 2}\left(\varepsilon_{\!0}\vec{E}(\vec{x},t)^2+{1\over\mu_0}\vec{B}(\vec{x},t)^2\right)$$  .
$(1)$
Motivation des elektrischen Anteils $u_{\sf el}={1\over 2}\varepsilon_{\!0}\vec{E}{\,}^2$:
Welche Energie müssen wir aufwenden, um einen Plattenkondensator aufzuladen? Der Abstand der Platten betrage $d$, ihre Fläche $A$. Das Ziel ist es, die Ladungen $Q > 0$ und $-Q$ zu trennen, so dass sie schließlich auf den beiden Platten sitzen. Dazu bringen wir kleine Ladungsportionen $dq > 0$ von der einen Platte zur anderen. Wurden auf diese Weise bereits die Ladungen $q>0$ und $-q$ getrennt, so muss, um eine weitere Portion $dq$ von der negativen zur positiven Platten zu bringen, die Energie

$$d{\cal E}=dq\,\,q\,\,{d\over \varepsilon_{\!0}A}$$  
$(2)$
aufgebracht werden. Die nötige Gesamtenergie beträgt daher

$${\cal E}=\int_0^Q dq\,\,q \,\,{d\over \varepsilon_{\!0}A}={Q^2\,d\over 2\,\varepsilon_{\!0}A}$$  .
$(3)$
Da der Betrag des elektrischen Feldes zwischen den Platten gleich ${{\Large Q}\over{\Large\varepsilon_{\!0}A}}$ ist und das Volumen $V=A\,d$ beträgt, gilt

$$u={{\cal E}\over V}={1\over 2}\varepsilon_{\!0}\vec{E}{\,}^2$$  .
$(4)$
Das ist also die aufzubringende Energie im Verhältnis zum Volumen. Wo ist sie? Sie muss im Feld stecken!

Diese Argumentation kann auf beliebige Feldkonfigurationen, auch einschließlich des Magnetfeldes, verallgemeinert werden. Nach einer Berechnung, die wir hier nicht wiedergeben, stellt sich die Energie, die zum Aufbau einer beliebigen Feldkonfiguration nötig ist, als das Volumsintegral von $(1)$ heraus.


Mit der Feldenergiedichte ist die räumlich und zeitlich lokalisierte Energiestromdichte, der Poynting-Vektor

$$\vec{S}(\vec{x},t)={1\over\mu_0}\vec{E}(\vec{x},t)\times\vec{B}(\vec{x},t)$$  
$(5)$

verbunden. $u$ und $\vec{S}$ erfüllen die Beziehung

\begin{eqnarray} {\partial u\over\partial t}+{\rm div}\vec{S}&=&\varepsilon_{\!0}\vec{E}\cdot{\partial\vec{E}\over\partial t} +{1\over\mu_0}\vec{B}\cdot{\partial\vec{B}\over\partial t}+ {1\over\mu_0}\left(({\rm rot}\vec{E})\cdot\vec{B}-\vec{E}\cdot{\rm rot}\vec{B}\right)=\\ &=&\varepsilon_{\!0}\vec{E}\cdot{\partial\vec{E}\over\partial t} +{1\over\mu_0}\vec{B}\cdot{\partial\vec{B}\over\partial t}+ {1\over\mu_0}\left(-{\partial\vec{B}\over \partial t}\cdot\vec{B} -\mu_0\vec{E}\cdot\vec{j} -\varepsilon_{\!0}\mu_0\vec{E}\cdot{\partial\vec{E}\over \partial t} \right)=\\ &=&-\vec{j}\cdot\vec{E} \end{eqnarray}  
$(6)$

wobei die Maxwell-Gleichungen benutzt wurden. Ist $\vec{j}=0$, so handelt es sich dabei um eine Kontinuitätsgleichung, die die lokale Erhaltung der Feldenergie (ganz analog zur Ladungserhaltung) ausdrückt. Ist $\vec{j}\neq 0$, so beschreibt $(6)$ den Austausch von Energie zwischen Feld und Quelle. Die Struktur der rechten Seite erinnert uns zu Recht an einen Aspekt der Lorentzkraft: Für ein geladenes Teilchen, auf das die Lorentzkraft wirkt, ist die Zeitableitung der kinetischen Energie (relativistisch und nichtrelativistisch) gleich $q\,\dot{\vec{x}}\cdot\vec{E}$. Werden auch die Quellen dynamisch (als geladene Teilchen, auf die das Feld in Form der Lorentzkraft wirkt) behandelt, so drückt das Volumsintegral über $(6)$ – aufgefasst im Sinne von "für alle Raumbereiche $V$ gilt" – aus, dass die Summe aus der Energie des elektromagnetischen Feldes und der Energie der Ladungsträger erhalten ist.


Feldimpuls

Der Poynting-Vektor spielt (bis auf einen Faktor $c^{-2}=\varepsilon_{\!0}\mu_0$) gleichzeitig die Rolle der Impulsdichte

$$\vec{\cal P}(\vec{x},t)={1\over c^2}\vec{S}(\vec{x},t)=\varepsilon_{\!0}\vec{E}(\vec{x},t)\times\vec{B}(\vec{x},t)$$  
$(7)$

des elektromagnetischen Feldes. Zu jeder seiner Komponenten gehört ebenfalls eine Stromdichte, die Impulsstromdichte, die also insgesamt 9 Komponenten besitzt und auch als elektromagnetischer Spannungstensor bezeichnet wird:

$$\sigma_{jk}(\vec{x},t)={1\over 2}\left(\varepsilon_{\!0}\vec{E}(\vec{x},t)^2+{1\over\mu_0}\vec{B}(\vec{x},t)^2\right)\delta_{jk} -\varepsilon_{\!0}E_j(\vec{x},t) E_k(\vec{x},t)-{1\over\mu_0}B_j(\vec{x},t) B_k(\vec{x},t)$$  ,
$(8)$

wobei $\delta_{jk}=1$, wenn $j=k$ und $\delta_{jk}=0$, wenn $j\neq k$ ist. Es gilt

\begin{eqnarray} {\partial {\cal P}_j\over\partial t}+\partial_k\sigma_{jk}&=& \varepsilon_{\!0}\left({\partial\vec{E}\over\partial t}\times\vec{B}+\vec{E}\times{\partial\vec{B}\over\partial t}\right)+ \left(\varepsilon_{\!0}E_l\partial_k E_l+{1\over\mu_0}B_l\partial_k B_l\right)\delta_{jk}\\ &&-\varepsilon_{\!0}(\partial_k E_j)E_k-\varepsilon_{\!0}E_j\partial_k E_k -{1\over\mu_0}(\partial_k B_j)B_k-{1\over\mu_0}B_j \partial_k B_k=\\ &=&\,\,\dots\,\,=-\left(\rho\,\vec{E}+\vec{j}\times\vec{B}\right)_j \end{eqnarray}  
$(9)$

wobei $\partial_k=\partial/\partial x_k$ abgekürzt, die Einsteinsche Summenkonvention verwendet und eine Reihe von Zwischenrechnungen unterdrückt wurde. Für $\rho=0$ und $\vec{j}=0$ handelt es sich für jedes $j$ (also für $j=1,2$ und $3$) um eine Kontinuitätsgleichung, die die lokale Erhaltung der $j$-Komponente des Feldimpulses ausdrückt. Ist $\rho\neq 0$ und/oder $\vec{j}\neq 0$, so beschreibt $(9)$ den Austausch von Impuls zwischen Feld und Quelle. Die Struktur der rechten Seite erinnert uns zu Recht an die Lorentzkraft: Für ein geladenes Teilchen, auf das die Lorentzkraft wirkt, ist die Zeitableitung des Impulses (relativistisch und nichtrelativistisch) gleich $q(\vec{E}+\dot{\vec{x}}\times\vec{B})$. Werden auch die Quellen dynamisch (als geladene Teilchen, auf die das Feld in Form der Lorentzkraft wirkt) behandelt, so drückt das Volumsintegral über $(9)$ – aufgefasst im Sinne von "für alle Raumbereiche $V$ gilt" – aus, dass die Summe aus dem Impuls des elektromagnetischen Feldes und dem Impuls der Ladungsträger erhalten ist..


Anwendung auf ebene Wellen

Eine ebene, linear polarisierte monochromatische Welle, die sich in positiver $x$-Richtung ausbreitet und in $y$-Richtung polarisiert ist, ist (bis auf eine irrelevante Phase) durch die Feldkonfiguration

\begin{eqnarray} \vec{E}(\vec{x},t)&=&E_0\left(\begin{array}{c} 0 \\ \cos(kx-\omega t)\\ 0 \end{array}\right)\\ \vec{B}(\vec{x},t)&=&B_0\left(\begin{array}{c} 0 \\ 0\\ \cos(kx-\omega t) \end{array}\right) \end{eqnarray}  
$(10)$

gegeben, wobei $k=\omega/c$ und $B_0=E_0/c$ ist. Die Feldenergiedichte ist in den Wellenbergen maximal und in den Knotenflächen gleich $0$. Die Anteile von $u$, die vom elektrischen und vom magnetischen Feld stammen ($u_{\sf el}={1\over 2}\varepsilon_{\!0}\vec{E}{\,}^2$ und $u_{\sf magn}={1\over 2\mu_0}\vec{B}{\,}^2$) sind gleich groß. Die über eine Wellenlänge $\lambda=2\pi/k$ gemittelte Energiedichte ist durch

$$\overline{u}={1\over 2}\Big(\varepsilon_{\!0}E_0^2+\underbrace{{1\over\mu_0}B_0^2}_{\Large \varepsilon_{\!0}E_0^2}\Big)\,\, \underbrace{{k\over 2\pi}\int_{x_0}^{x_0+2\pi/k}dx\,\cos^2(kx-\omega t)}_{{\Large 1}\over{\Large 2}} ={1\over 2}\varepsilon_{\!0}E_0^2$$  
$(11)$

gegeben.

Die Intensität der Welle ist die Leistung (also Energie pro Zeit) pro Fläche quer zur Ausbreitungsrichtung und durch

$$I ={1\over 2}c\,\varepsilon_{\!0}E_0^2$$  .
$(12)$

gegeben.

Begründung:
Wir betrachten eine Fläche $A$ quer zur Ausbreitungsrichtung. Durch sie fließt während der Zeit $\Delta t$ eine gemittelte Feldenergie, die dem Volumen $V=A\,c\,\Delta t$ entspricht. Daher ist die gemittelte Energie pro Zeitintervall und pro Fläche durch

$$I = {V\,\,\,\overline{u}\over A\,\Delta t} = c\,\overline{u}={1\over 2}c\,\varepsilon_{\!0}E_0^2$$  
$(13)$

gegeben.


Die Intensität des Sonnenlichts in Erdentfernung (die Solarkonstante) ist $I=1367\,{\rm W}/{\rm m}^2$. Daraus können Sie $E_0$ und $B_0$ des Sonnenlichts abschätzen (wobei Sonnenlicht zwar nicht polarisiert ist, $(12)$ aber dennoch eine gute Näherung darstellt)!

Der Poynting-Vektor für $(10)$ ist durch

$$\vec{S}(\vec{x},t)=c\,\varepsilon_{\!0}E_0^2\left(\begin{array}{c} \cos^2(kx-\omega t) \\ 0 \\ 0 \end{array}\right)$$  
$(14)$

gegeben. Er weist (wie es sein muss) in die Ausbreitungsrichtung. Seine gemittelte $x$-Komponente ist ${1\over 2}c\,\varepsilon_{\!0}E_0^2$, also gleich der Intensität $I$. Wegen $(7)$ ist die gemittelte $x$-Komponente der Impulsdichte des Wellenfeldes gleich $I/c^2$.

Der Strahlungsdruck ist durch

$$p={I\over c}$$  
$(15)$

gegeben.

Begründung:
Wir betrachten eine materielle Platte mit Flächeninhalt $A$, die quer zur Ausbreitungsrichtung orientiert ist und die Welle absorbiert. Pro Zeitintervall $\Delta t$ nimmt sie der $x$-Komponente des Feldimpulses das Stück ${{\Large I}\over{\Large c^2}}A\,c\,\Delta t$ (entsprechend dem Volumen $V=A\,c\,\Delta t$) weg, nimmt also einen gleich großen Impuls auf. Die Strahlung übt auf die Platte demnach die Kraft (zeitliche Änderungsrate des Impulses) ${\Large I\over\Large c}A$ aus. Der Strahlungsdruck (Kraft pro Fläche) ist daher gleich ${{\Large I}\over{\Large c}}$.


Damit und mit dem oben angegebenen Wert der Solarkonstante können Sie selbst berechnen, dass der Strahlungsdruck des Sonnenlichts (bevor es in die Atmosphäre eintritt) $4.6\cdot 10^{-6}\,{\rm N}/{\rm m}^2$ beträgt. Eine interessante Anwendung ergibt sich aus der Frage, welche Beschleunigung ein Staubteilchen, das durch einen Meteoriteneinschlag oder einen Vulkanausbruch die Atmosphäre verlassen hat, durch den Strahlungsdruck des Sonnenlichts erfährt, ob es auf diese Weise zum Mars reisen kann und wie lange die Reise dauert. (Machen Sie selbst eine Überschlagsrechnug dazu!)


Wirkungsprinzip

Die Maxwell-Gleichungen sowie die oben angegebenen Ausdrücke für die Feldenergie, den Feldimpuls und ihre Stromdichten lassen sich mit einem Schlag aus dem Wirkungsprinzip

$$\delta S\equiv \delta\int dt\,\, d^3x\,\left({1\over 2}\Big(\varepsilon_{\!0}\vec{E}{\,}^2-{1\over \mu_0}\vec{B}{\,}^2\Big) - \rho\,\phi + \vec{j}\cdot\vec{A}\right)=0$$  
$(16)$

herleiten, wobei $\vec{E}$ und $\vec{B}$ durch die Potentiale $\phi$ und $\vec{A}$ auszudrücken sind. Der Ausdruck in der äußeren Klammer heißt Lagrangedichte, das Volumsintegral über die Lagrangedichte ist die Lagrangefunktion, das Zeitintegral über die Lagrangefunktion ist die Wirkung. Die dynamische Variablen, nach denen variiert wird, sind $\phi$ und $\vec{A}$.

Werden auch die Quellen dynamisch modelliert, indem ein entsprechender kinetischer Anteil zur Lagrangefunktion addiert wird, so lässt sich daraus auch die Lorentzkraft ableiten!


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