Das elektromagnetische Feld in Materie


Franz Embacher

Fakultät für Physik der Universität Wien

 
Die Ladungsdichte $\rho$ und die Stromdichte $\vec{j}$ bezeichnen die gesamten vorhandenen Ladungsträger und ihre Bewegungen. Sie sind die Quellen der Felder $\vec{E}$ und $\vec{B}$, die wiederum auf geladene Teilchen die Lorentzkraft ausüben. Die Maxwellgleichungen

$$\begin{array}{ll} \quad{\rm div}\vec{E}={1\over\varepsilon_{\!0}}\rho & \,\,\qquad\qquad\qquad\qquad\qquad\qquad(1a)\,\,\,\\ \quad{\rm div}\vec{B}=0 & \,\,\qquad\qquad\qquad\qquad\qquad\qquad(1b)\,\,\,\\ \quad{\rm rot}{\vec E}=-{\partial \vec{B}\over\partial t} & \,\,\qquad\qquad\qquad\qquad\qquad\qquad(1c)\,\,\,\\ \quad{\rm rot}{\vec B}=\mu_0\vec{j}+\varepsilon_{\!0}\mu_0{\partial \vec{E}\over\partial t} & \,\,\qquad\qquad\qquad\qquad\qquad\qquad(1d)\,\,\, \end{array}$$

haben den Status eines fundamentalen physikalischen Gesetzes. Werden elektromagnetische Phänomene in Materie betrachtet, so umfassen $\rho$ und $\vec{j}$ demnach alle vorhandenen Ladungsträger, also auch die Atomkerne und Elektronen. Werden nun in der Praxis etwa ein Kondensator, zwischen dessen Platten sich Materie befindet, oder eine Spule mit einem Eisenkern betrachtet, so wird nur ein Teil der Ladungsträger bewusst manipuliert (also etwa die Ladungen auf den Kondensatorplatten oder die Leiterelektronen in den Spulenwindungen), während alle anderen Ladungsträger (etwa die Atomkerne und die an sie gebundenen Hüllenelektronen) ein Eigenleben besitzen (wie die "atomaren Kreisströme"), auf vorhandene Felder reagieren, dadurch weitere Felder erzeugen und alles in allem das Bild erheblich verkomplizieren können. Da ihr Verhalten und damit ihr Beitrag zur Gesamtsituation aber nur vom Materialtyp abhängt, können sie gewissermaßen vorab berücksichtigt werden, womit sich die zu lösenden Gleichungen wieder vereinfachen.


Maxwell-Gleichungen in Materie

Wir unterscheiden zwei Typen von Ladungsträgern, die freien und die gebundenen. Die freien sind etwa die Leiterelektronen in einem Metall oder die überschüssigen Ladungen auf den Platten eines Kondensators, während die gebundenen den "Hintergrund" der Materie darstellen, deren Einfluss wir nun besprechen wollen. Dazu betrachten wir zunächst die elektrischen Verhältnisse und spalten die Ladungsdichte in zwei Anteile auf:

$$\rho = \rho_{\sf frei} + \rho_{\sf Pol}$$  .
$(2)$

$\rho_{\sf frei}$ ist die Ladungsdichte der freien Ladungsträger, $\rho_{\sf Pol}$ ist die Ladungsdichte der Atomkerne und der an sie gebundenen Elektronen. In Atomen und Molekülen findet manchmal von selbst und manchmal unter dem Einfluss eines äußeren elektrischen Feldes eine lokale Ladungstrennung statt, wodurch sie (obwohl insgesamt elektrisch neutral) zu elektrischen Dipolen werden, sich ausrichten und ihrerseits ein elektrisches Feld erzeugen, das sich dem äußeren überlagert. Insgesamt werden Prozesse dieser Art als dielektrische Polarisierung bezeichnet. (Die Materie wird polarisiert. Anstelle von Polarisierung wird manchmal auch "Polarisation" gesagt – bitte nicht verwechseln mit der Polarisation elektromagnetischer Wellen). Ist $\vec{P}$ die Dipoldichte (das mittlere elektrische Dipolmoment pro Volumen), so ist die (über keine Raumbereiche gemittelte) Ladungsdichte durch $\rho_{\sf Pol}=-{\rm div}\vec{P}$ und das von ihr erzeugte elektrische Feld durch $\vec{E}_{\sf Pol}=-{1\over\varepsilon_{\!0}}\vec{P}$ gegeben.

Begründung:
Die formale Begründung geht so: Das von einem am Ort $\vec{x}'$ sitzenden elektrischen Dipol mit Dipolmoment $\vec{p}$ erzeugte Potential ist durch

$$\phi(\vec{x})={1\over 4\pi\varepsilon_{\!0}}\,{\vec{p}\cdot(\vec{x}-\vec{x}')\over |\vec{x}-\vec{x}'|^3}\equiv -{1\over 4\pi\varepsilon_{\!0}}\,\vec{p}\cdot\vec{\nabla}{1\over|\vec{x}-\vec{x}'|}$$  .
$(3)$

gegeben. Das von vielen elektrischen Dipolen erzeugte Potential in einer Mittelung über (mikroskopisch) kleine Raumbereiche, die aber dennoch viele Dipole enthalten, erhalten wir, indem wir $\vec{p}$ durch $d^3x'\,\vec{P}(\vec{x}')$ ersetzen und über $\vec{x}'$ integrieren. Nach einer partiellen Integration erhalten wir einen Ausdruck für das Potential $\phi_{\sf Pol}$, aus dem unmittelbar $\vec{E}_{\sf Pol}=-\vec{\nabla}\phi_{\sf Pol}$ und $\rho_{\sf Pol}=\varepsilon_{\!0}\,{\rm div}\vec{E}_{\sf Pol}$ berechnet werden können, mit den oben angegebenen Resultaten.

Eine andere Berechnungsmethode geht von der Tatsache aus, dass die Ladungsdichte eines (punktförmigen) elektrischen Dipols mit Dipolmoment $\vec{p}$ am Ort $\vec{x}'$ mit Hilfe von Distributionen in der Form $\rho_{\sf Dipol}(\vec{x})=-\vec{p}\cdot\vec{\nabla}\delta^3(\vec{x}-\vec{x}')$ geschrieben werden kann. Nach der Ersetzung $\vec{p}\rightarrow d^3x'\,\vec{P}(\vec{x}')$ und der Integration über $\vec{x}'$ ergibt sich sofort $\rho_{\sf Pol}(\vec{x})=-{\rm div}\vec{P}(\vec{x})$ und daraus (mit der ersten, auf die gebundenen Ladungen alleine bezogen Maxwell-Gleichung) $\vec{E}_{\sf Pol}=-{1\over\varepsilon_{\!0}}\vec{P}$.

Um diese Beziehungen heuristisch einzusehen, nehmen zuerst an, dass alle atomaren Dipole in einem kleinen Volumselement das gleiche Dipolmoment besitzen, gleich dicht angeordnet und parallel zueinander ausgerichtet sind. Weiters gehen wir davon aus, dass kleine Ortsverschiebungen der einzelnen Dipole nichts Wesentliches ändern und ordnen diese in Form eines regelmäßigen Gitters an, das einer Reihe hintereinander geschalteter Plattenkondensatoren entspricht. Sitzen in einem würfelförmigen Raumbereich $n^3$ solcher Dipole, und ist $d$ der Abstand zweier zu einem Dipol gehörenden Ladungen ($-q$ und $q$), so ist der Betrag der Dipoldichte gleich $P={n^3p\over 2n^3d^3}={p\over 2d^3}={q\over 2d^2}$ und der Betrag des über den Würfel gemittelten elektrischen Feldes gleich $E={n^2q\over 2\varepsilon_{\!0}n^2 d^2}={q\over 2\varepsilon_{\!0} d^2}={1\over\varepsilon_{\!0}}P$. Da das Dipolmoment von den negativen zu den positiven Ladungen zeigt, die elektrischen Feldlinien aber von den positiven zu den negativen Ladungen laufen, ist $\vec{E}_{\sf Pol}=-{1\over\varepsilon_{\!0}}\vec{P}$. Wenn sich die Dipoldichte ein wenig mit dem Ort ändert, so werden die Verhältnisse innerhalb eines hinreichend kleinen Raumgebiets davon kaum betroffen sein, sodass wir diese Beziehung auch für eine variable Dipoldichte als gültig annehmen können. Daraus ergibt sich $\rho_{\sf Pol}=\varepsilon_{\!0}\,{\rm div}\vec{E}_{\sf Pol}=-{\rm div}\vec{P}$.


Das gesamte elektrische Feld ist daher durch

$$\vec{E}=\vec{E}_{\sf frei}-{1\over\varepsilon_{\!0}}\vec{P}$$  
$(4)$

gegeben. Die Quellen des ersten Anteils werden durch $\rho_{\sf frei}$, jene des zweiten Anteils werden durch $\rho_{\sf Pol}$ beschrieben.

Die magnetischen Verhältnisse sind eine Spur reichhaltiger: Einerseits besitzen Elementarteilchen (und damit auch die aus ihnen zusammengesetzten Atome und Moleküle) von sich aus magnetische Momente, die von ihrem Spin ("Eigendrehimpuls") herrühren. Weiters entält die Materie magnetische Momente, die vom "Bahndrehimpuls" der Elektronen herrühren. (Sie werden von den "atomaren Kreisströmen" verursacht, die man sich aber eher nicht als klassisches "Umkreisen" vorstellen sollte). Ohne äußeres Feld sind diese Momente in vielen Materialien zufällig verteilt und mitteln sich weg, so dass makroskopisch von ihnen nichts bemerkt wird. In einem äußeren Magnetfeld richten sie sich aus und erzeugen auf diese Weise ein zusätzliches Magnetfeld, das wir als Magnetisierung beobachten. Insgesamt ordnen wir den auf diese Weise zustande kommenden Magnetfeldern einen Magnetisierungsstrom $\vec{j}_{\sf Magn}$ zu. Daneben gibt es noch den so genannten Polarisierungsstrom, der von der zeitlichen Änderung der oben besprochenen elektischen Dipolmomente herrührt (wenn beispielsweise die Ladungen, die zu einem elektrischen Dipol gehören, durch den Einfluss des elektrischen Feldes auseinandergezogen werden), und den wir mit $\vec{j}_{\sf Pol}$ bezeichnen. Und schließlich erzeugt die Bewegung der freien Ladungsträger (wie der Leiterelektronen, die nicht wirklich "frei", aber zumindest "quasi-frei" sind) die freie Stromdichte $\vec{j}_{\sf frei}$. Insgesamt spalten wir die Stromdichte also in drei Anteile auf,

$$\vec{j} = \vec{j}_{\sf frei} + \vec{j}_{\sf Magn} + \vec{j}_{\sf Pol}$$  ,
$(5)$

wobei die letzten zwei von den gebundenen Ladungsträgern herrühren. Das von $\vec{j}_{\sf Magn}$ erzeuge Magnetfeld lässt sich durch die Magnetisierung $\vec{M}$ (das mittlere magnetische Dipolmoment pro Volumen, auch Magnetisierungsfeld) in der Form $\vec{B}_{\sf Magn}=\mu_0\vec{M}$ ausdrücken. (Wir führen das nicht eigens vor – die Argumentation, die auf diese Beziehung führt, verläuft ähnlich wie die oben angegebene Begründung der Beziehung $\vec{E}_{\sf Pol}=-{1\over\varepsilon_{\!0}}\vec{P}$ ). Weiters lässt sich zeigen, dass $\vec{j}_{\sf Magn}={\rm rot}\vec{M}$ und $\vec{j}_{\sf Pol}={\large\partial\vec{P}\over\large\partial t}$ gilt. Das gesamte Magnetfeld ist durch

$$\vec{B}=\vec{B}_{\sf frei}+\mu_0\vec{M}$$  
$(6)$

gegeben.

Das alles setzen wir nun in die inhomogenen Maxwell-Gleichungen $(1a)$ und $(1d)$ ein. Einige Terme kürzen sich wieder heraus. $(1a)$ wird zu

$${\rm div}\vec{E}_{\sf frei} + \underbrace{{\rm div}\vec{E}_{\sf Pol}}_{\Large -{\Large1\over\Large\varepsilon_{\!0}}\Large{\rm div}\vec{P}} = {1\over\varepsilon_{\!0}}\rho_{\sf frei} + \underbrace{{1\over\varepsilon_{\!0}}\rho_{\sf Pol}}_{\Large -{\Large1\over\Large\varepsilon_{\!0}}\Large{\rm div}\vec{P}}$$  
$(1a')$

Es bleibt also übrig:

$${\rm div}\vec{E}_{\sf frei} = {1\over\varepsilon_{\!0}}\rho_{\sf frei}$$  .
$(1a'')$

$(1d)$ wird zu

$${\rm rot}\vec{B}_{\sf frei} + \underbrace{{\rm rot}\vec{B}_{\sf Magn}}_{\Large \mu_0{\rm rot}\vec{M}} = \mu_0\vec{j}_{\sf frei} + \underbrace{\mu_0\vec{j}_{\sf Magn}}_{\Large \mu_0{\rm rot}\vec{M}} + \underbrace{\mu_0\vec{j}_{\sf Pol}}_{\Large\mu_0{\Large\partial\vec{P}\over\Large\partial t}} +\varepsilon_{\!0}\mu_0{\partial \vec{E}_{\sf frei}\over\partial t}+ \underbrace{\varepsilon_{\!0}\mu_0{\partial \vec{E}_{\sf Pol}\over\partial t}}_{\Large -\mu_0{\Large\partial\vec{P}\over\Large\partial t}}$$  
$(1d')$

Es bleibt also übrig:

$${\rm rot}\vec{B}_{\sf frei}=\mu_0\vec{j}_{\sf frei}+\varepsilon_{\!0}\mu_0{\partial \vec{E}_{\sf frei}\over\partial t}$$  .
$(1d'')$

$(1a'')$ und $(1d'')$ beziehen sich nur auf die freien Ladungsträger, haben aber ansonsten die gleiche Form wie $(1a)$ und $(1d)$. Es ist üblich, anstelle von $\vec{E}_{\sf frei}$ und $\vec{B}_{\sf frei}$ die beiden Felder

$$\vec{D} = \varepsilon_{\!0}\vec{E}_{\sf frei} = \varepsilon_{\!0}\vec{E} +\vec{P}$$  
$(7)$

und

$$\vec{H} = {1\over\mu_0}\vec{B}_{\sf frei} = {1\over\mu_0}\vec{B} -\vec{M}$$  
$(8)$

einzuführen. Die Gleichungen $(1a'')$ und $(1d'')$ lauten dann

$${\rm div}\vec{D} = \rho_{\sf frei}$$  
$(1a''')$

und

$${\rm rot}\vec{H}=\vec{j}_{\sf frei}+{\partial \vec{D}\over\partial t}$$  .
$(1d''')$

Dazu kommen noch $(1b)$ und $(1c)$ in unveränderter Form. Das sind die Maxwell-Gleichungen in Materie. Sie handeln nicht mehr nur von zwei, sondern von vier Vektorfeldern, nämlich $\vec{E}$, $\vec{D}$, $\vec{B}$ und $\vec{H}$. Die Lorentzkraft auf geladene Teilchen ist nach wie vor durch die bekannte Formel mit den Feldern $\vec{E}$ und $\vec{B}$ gegeben.

Um das Verhalten der Materie in dieser komplexen Situation berücksichtigen zu können, müssen wir wissen, welche Polarisierung und welche Magnetisierung ein äußeres Feld hervorruft. Glücklicherweise ist die Reaktion der Materie in vielen Fällen einfach in den Griff zu bekommen. Wir erwähnen nur die zwei häufigsten Materietypen:


Dielektrika und magnetisierbare Materialien

Viele Stoffe reagieren in erster Ordnung linear und lokal auf äußere Felder. In Dielektrika (d.h. in schwach leitenden oder nichtleitenden nichtmetallischen Stoffen) gelten die Beziehungen

$$\vec{D}=\varepsilon_r\varepsilon_{\!0}\vec{E}$$  ,
$(9)$

wobei $\varepsilon_r$ die (relative) Dielektrizitätskonstante (oder relative Permittivität) ist. In magnetisierbaren Materialien gilt (im ferromagnetischen Fall nur in grober Näherung)

$$\vec{B}=\mu_r\,\mu_0\vec{H}$$  ,
$(10)$

wobei $\mu_r$ die (relative) Permeabilität ist. $\varepsilon_r$ und $\mu_r$ sind dimensionslose Materialkonstanten. $\varepsilon_r$ gibt an, wie "durchlässig" ein Material für das elektrische Feld ist. Es gilt stets $\varepsilon_r > 1$. Im Vakuum gilt $\varepsilon_r=1$, in Glas liegt $\varepsilon_r$ zwischen $6$ und $8$, in Wasser bei $80.1$.
Betrachten wir zur Illustration der elektrischen Verhältnisse einen Plattenkondensator mit unendlich ausgedehnten Platten und Flächenladungsdichten $\pm\sigma$ (mit $\sigma>0$) auf diesen. Letztere stellt die freie Ladungsdichte $\rho_{\sf frei}$ dar. Dazwischen befindet sich eine (ebenfalls unendlich ausgedehnte) Materieschicht endlicher Dicke, deren Randflächen parallel zu den Kondensatorplatten sind, und die eine relative Dielektrizitätskonstante $\varepsilon_r$ besitzt. Im Raum außerhalb der Materieschicht sei die relative Dielektrizitätskonstante gleich $1$ (Vakuum). Dann sind alle relevanten Feldvektoren im Plattenzwischenraum normal zu den Platten bzw. Randflächen. Das Feld $\vec{D}$ ist im gesamten Kondensator konstant mit Betrag $\sigma$, während der Betrag des elektrischen Feldes $\vec{E}$ außerhalb der Materie gleich $\sigma\over\varepsilon_0$ und innerhalb der Materie gleich $\sigma\over\varepsilon_r\,\varepsilon_0$, also abgeschwächt, ist. In der Materie ist der Betrag der elektrischen Dipoldichte $\vec{P}\,$ konstant und durch $(1-{1\over\varepsilon_r})\,\sigma$ gegeben. Auf den Randflächen der Materieschicht sitzt eine von der Polarisierung herrührende Flächenladungsdichte $\mp(1-{1\over\varepsilon_r})\,\sigma$, die die gebundene Ladungsdichte $\rho_{\sf Pol}$ darstellt. Sie bildet gewissermaßen einen "Kondensator im Kondensator" mit umgekehrter Ladungsorientierung – ein Effekt, der die Abschwächung des elektrischen Feldes in der Materie und seine Unstetigkeit an den Randflächen erklärt.
$\mu_r$ gibt an, wie ein Stoff auf ein äußeres Magnetfeld reagiert, d.h. in gewissem Sinn, wie "durchlässig" er für das Magnetfeld ist. Im Vakuum gilt $\mu_r=1$.
  • Ist $0\leq\mu_r < 1$, so spricht man von einem diamagnetischen Stoff. (Beispiel: Für Wasser ist $\mu_r=0.999991$). Diamagnetische Stoffe tendieren dazu, das Magnetfeld aus ihrem Innern zu verdrängen. Supraleiter sind ideal diamagnetisch. Für sie gilt $\mu_r=0$, d.h. sie verdrängen das Magnetfeld vollständig (Meißner-Ochsenfeld-Effekt).
  • Ist $\mu_r > 1$, aber nicht sehr viel größer als $1$, so spricht man von einem paramagnetischen Stoff. (Beispiel: Für Luft ist $\mu_r=1.0000004$). Die meisten Stoffe sind paramagnetisch. Sie verstärken das Magnetfeld in ihrem Inneren durch Ausrichtung der atomaren magnetischen Momente.
  • Der Fall $\mu_r \gg 1$ charaktersiert ferromagnetische Stoffe. (Beispiel: In Eisen kann $\mu_r$ bis zu $10^4$ betragen). Ferromagneten verstärken das Magnetfeld in ihrem Inneren in extremer Weise durch Ausrichtung der Elektronenspins.
Um die kleinen Abweichungen von $1$ besser ausdrücken zu können, wird auch die magnetische Suszeptibilität $\chi=\mu_r-1$ verwendet.
Betrachten wir zur Illustration der magnetischen Verhältnisse ein äußeres homogenes (d.h. konstantes) Magnetfeld $\vec{B}_{\sf ext}$, in das ein zylinderförmiges Stück Materie mit Achse parallel zu $\vec{B}_{\sf ext}$, Höhe $h$ und Radius $R$ gebracht wird. Die relative Permeabilität der Materie beträgt $\mu_r$. Im Raum außerhalb der Materie sei $\mu_r=1$ (Vakuum). Dann ist das Feld $\vec{H}$ im gesamten betrachteten Raumbereich konstant ($\vec{H}={1\over\mu_0}\vec{B}_{\sf ext}$). Die Magnetisierung der Materie bewirkt eine Stromdichte (aus gebundenen Ladungen, d.h. einen Magnetisierungsstrom) entlang der Mantelfläche des Zylinders mit Stromstärke $I_{\sf Magn}={1\over\mu_0}(\mu_r-1)h|\vec{B}_{\sf ext}|$. Dadurch wird der Zylinder als Ganzes zu einem magnetischen Dipol, ähnlich einer stromdurchflossenen Spule, mit Dipolmoment ${1\over\mu_0} (\mu_r-1)\pi R^2 h\vec{B}_{\sf ext}$. Der Magnetísierungsstrom erzeugt ein im Inneren des Zylinders näherungsweise konstantes Magnetfeld $(\mu_r-1)\vec{B}_{\sf ext}$, das sich dem äußeren Magnetfeld überlagert. Insgesamt ist das Magnetfeld im Inneren des Zylinders durch $\vec{B}=\mu_r \vec{B}_{\sf ext}$ gegeben. Außerhalb des Zylinders gilt (abgesehen von den vom Randstrom erzeugten Feldanteilen, die nach der Art des Magnetfelds einer Spule diese umgeben) $\vec{B}=\vec{B}_{\sf ext}$. Die Magnetisierung innerhalb der Materie ist durch $\vec{M} = {1\over\mu_0}(\mu_r-1)\vec{B}_{\sf ext}$ gegeben, was impliziert, dass $\vec{M}$ für $\mu_r>1$ (Para- und Ferrogmagnetismus) dem äußeren Magnetfeld gleichgerichtet und für $\mu_r<1$ (Diamagnetismus) dem äußeren Magnetfeld entgegengerichtet ist. Stellt man sich vor, dass der betrachtete Raumbereich im Inneren einer großen (von freien Ladungen durchflossenen) Spule liegt, die das (als homogen betrachtete) Magnetfeld $\vec{B}_{\sf ext}$ erzeugt, so kann man die ganze Situation als "Spule innerhalb einer Spule" ansehen, wobei die innere Spule nicht aus aufgewickelten Leiterschleifen besteht, sich aber ansonsten genauso auswirkt. Für $\mu_r>1$ sind die Ströme von äußerer ($\vec{j}_{\sf frei}$) und innerer ($\vec{j}_{\sf Magn}$) Spule gleich orientiert (daher Feldverstärkung in der inneren Spule), für $\mu_r<1$ sind sie entgegengesetzt orientiert (daher Feldabschwächung in der inneren Spule).
Im Fall ferromagnetischer Stoffe ist zu beachten, dass die relative Permeabilität von der Vorgeschichte abhängt. Wird ein ferromagnetisches Material in ein äußeres Magnetfeld gebracht, so bleibt in ihm eine Restmagnetisierung (Remanenz) $\vec{M}_{\sf Rest}$ bestehen, wenn das äußere Magnetfeld verschwindet. Ist sie so groß, dass sie sich makroskopisch bemerkbar macht, so sprechen wir von einem Permanentmagneten. Da das Verschwinden des äußeren Magnetfelds gleichbedeutend mit $\vec{H}=0$ ist, gilt in diesem Fall das lineare Modell $(10)$ nicht mehr, denn es verbleibt ein nichtverschwindendes Magnetfeld, das sich mit der allgemein gütigen Beziehung $(8)$ zu $\vec{B}=\mu_0\vec{M}_{\sf Rest}$ errechnet.


Metalle und Halbleiter

In Metallen und Halbleitern ruft ein elektrisches Feld einen Ladungsfluss hervor, der in linearer Nänerung proportional zum Feld ist, wie das Ohmsche Gesetz

$$\vec{j}_{\sf frei}=\sigma\,\vec{E}$$  
$(11)$

ausdrückt. Die Proportionalitätskonstante $\sigma$ heißt elektrische Leitfähigkeit.


Verhalten an Grenzflächen und Sprungbedingungen

An der Grenzfläche zwischen zwei Medien 1 und 2 können wir jedes Vektorfeld $\vec{v}$ in eine Normal- und eine Tangentialkomponente zerlegen: $\vec{v}=v^\perp \vec{n} + \vec{v}^{\parallel}$, wobei $\vec{n}$ der (von 1 nach 2 weisende) Einheitsnormalvektor auf die Fläche ist. Aus den Maxwell-Gleichungen folgt nun ganz allgemein:
  • Es gilt stets $\vec{E}^{\parallel}_1=\vec{E}^{\parallel}_2$, d.h. $\vec{E}^{\parallel}$ ist stetig. (Beweis: $(1c)$, integriert über eine Fläche, die von einer die Grenzfläche durchstoßende "Haarnadelschleife" umrandet wird. Der Term $\partial \vec{B}/\partial t$ liefert keinen Beitrag zur Sprungbedingung).
  • Es gilt stets $B^\perp_1=B^\perp_2$, d.h. $B^\perp$ ist stetig. (Beweis: $(1b)$, integriert über eine "Pillendose" an der Grenzfläche).
  • Es gilt stets $D^\perp_2-D^\perp_1 =$ Flächenladungsdichte freier Ladungen, d.h. $D^\perp$ macht einen Sprung, der von der freien Flächenladungsdichte an der Grenzfläche abhängt. (Beweis: $(1a''')$, integriert über eine "Pillendose" an der Grenzfläche, analog zur Herleitung des elektrischen Feldes auf beiden Seiten der Platten eines Kondensators). Sitzen auf der Grenzfläche keine freien Ladungen, so ist $D^\perp$ stetig.
  • Es gilt stets $\vec{H}^{\parallel}_2-\vec{H}^{\parallel}_1 =$ freie Flächenstromdichte$\times \vec{n}$, d.h. $\vec{H}^{\parallel}$ macht einen Sprung, der von dem in der Fläche fließenden freien elektrischen Strom abhängt. (Beweis: $(1d''')$, integriert über eine Fläche, die von einer die Grenzfläche durchstoßende "Haarnadelschleife" umrandet wird. Der Term $\partial \vec{D}/\partial t$ liefert keinen Beitrag zur Sprungbedingung). Fließt an der Grenzfläche kein freier Strom, so ist $\vec{H}^{\parallel}$ stetig.


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