Aufgabe: Welche der folgenden Mengen bilden einen (reellen) Vektorraum?
Geben Sie kurze Begründungen Ihrer Antworten!
- $\{\,(x,y,z)\in\mathbb{R}^3\,|\,x+y=z+3\,\}$
- Die Menge aller reellen Lösungen der Differentialgleichung $y''(x)+{{\Large\sin x}\over {\Large x}}\,\,y'(x)=3\,y(x)$
- Die Gerade im $\mathbb{R}^2$ durch die beiden Punkte $(1,0)$ und $(0,1)$
- $\{\,(x,y)\in\mathbb{R}^2\,|\,\,y=x^2\,\}$
- Die Menge aller reellen Lösungen der Differentialgleichung $y''(x)+y'(x)+y(x)=1$
- Die Gerade im $\mathbb{R}^3$ durch den Punkt $(0,0,0)$ mit Richtungsvektor $u=\left(\begin{array}{c}0\\1\\0\end{array}\right)$
Lösungen (mit möglichen Begründungen):
- Kein Vektorraum, da $(0,0,0)$ nicht in der angegebenen Menge liegt.
- Vektorraum, da die Differentialgleichung linear-homogen ist (und daher jede Linearkombination von Lösungen wieder eine
Lösung ist).
- Kein Vektorraum, da der Ursprung nicht auf ihr liegt.
- Kein Vektorraum, da etwa $(1,1)$ in der angegebenen Menge liegt, nicht aber ihr Zweifaches $(2,2)$.
- Kein Vektorraum. da $y(x)=0$ keine Lösung ist.
- Vektorraum (da jede Gerade durch den Ursprung ein Vektorraum ist).
Nachbemerkungen:
Hinter derartigen Aufgaben steckt eine gemeinsame Struktur:
Zuerst wird (unausgesprochen) eine Grundmenge angenommen, die ein Vektorraum ist.
In der obigen Aufgabe sind das
- die Menge $\mathbb{R}^3$,
- die Menge aller reellen Funktionen $x\mapsto y(x)$,
- die Menge $\mathbb{R}^2$,
- die Menge $\mathbb{R}^2$,
- die Menge aller reellen Funktionen $y\mapsto y(x)$
- und die Menge $\mathbb{R}^3$.
Danach wird eine Teilmenge $M$ dieses Vektorraums definiert und gefragt, ob sie ebenfalls ein Vektorraum ist. Das bedeutet, dass
all die (abstrakten) Bedingungen, die ein Vektorraum hinsichtlich des Rechnens mit Klammern erfüllen muss (die
Vektorraum-Axiome), automatisch gelten!
Die einzige Bedingung, die $M$ erfüllen muss, um ein Vektorraum zu sein, besteht darin, dass die Operationen
"Addition" und "Bilden eines (reellen) Vielfachen" d.h. das Bilden reeller Linearkombinationen nicht aus ihr herausführen.
Nur dann ist $M$ ein Vektorraum (und zwar ein Teilraum des Grund-Vektorraums)!
Für Anwendungen nützlich ist, sich zu merken: Ein Vektorraum enthält stets auch das "Null-fache" eines beliebigen Elements
(also je nach der Grundmenge etwa den Ursprung oder die Funktion, die konstant $0$ ist). In den
obigen Beispielen 1, 3 und 5 wurde dieses Kriterium benutzt, um zu zeigen, dass kein Vektorraum vorliegt.
Um zu argumentieren, dass eine solche Menge $M$ kein Vektorraum ist, muss genau genommen ein Beispiel für eine Verletzung
der Vektorraumeigenschaft gefunden werden (also etwa, dass $0$ nicht in $M$ enthalten ist, oder dass ein Element in $M$ enthalten ist,
ein Vielfaches dieses Elements aber nicht). In der Praxis deuten nichtlineare Terme (wie im obigen Beispiel 4) oder inhomogene Anteile
der Gleichung, die $M$ definiert (Beispiele 1 und 5), an, dass es sich um keinen Vektorraum handelt.
Um Vektorräume zu erkennen, halten Sie sich bitte vor Augen:
- Die einzigen Teilmengen von $\mathbb{R}^2$, die selbst Vektorräume sind, sind $\{0\}$, alle Geraden durch den Ursprung
und $\mathbb{R}^2$ selbst.
- Die einzigen Teilmengen von $\mathbb{R}^3$, die selbst Vektorräume sind, sind $\{0\}$, alle Geraden durch den Ursprung,
alle Ebenen durch den Ursprung und $\mathbb{R}^3$ selbst.
- Die Menge aller Lösungen $y$ einer Differentialgleichung der Form
- $y'(x)+f(x)\,y(x)=0$ (mit $f$ gegeben) oder
- $y''(x)+f(x)\,y'(x)+g(x)y(x)=0$ (mit $f$ und $g$ gegeben)
ist ein Vektorraum, auch wenn $f$ und $g$ nichtlineare Funktionen sind.
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