Die beiden erhaltenen osmanischen Zelte (osm.-türkisch: čadır, persisch: hayme) des Heeresgeschichtlichen Museums bieten dem Besucher einen guten Einblick in die Geschicklichkeit des osmanischen Kunsthandwerks und in die Tradition der Zeltkunst.

Zelte bildeten einen kontinuierlichen Bestandteil in der osmanischen Kultur. Ihre Ursprünge stammen aus der Zeit vor der Sesshaftwerdung der Osmanen. Der Typus lässt sich noch heute in den Yurten der nomadischen Völker Mittel- und Zentralasiens finden. Diese besitzen eine gitterartige Holzkonstruktion von runder Form, welche von Tierhäuten und Fellen abgedeckt wird. Unter den Osmanen entwickelte sich durch die Jahre hindurch eine Vielfalt an Zeltformen. Je nach Verwendung im höfischen, sozialkulturellen und militärischen Bereich wurden sie in Größe, Dekoration und Kostbarkeit auf  ihre Besitzer abgestimmt. Das sich im Museum befindliche Fragment eines Zweistützenzeltes (ca. 2 x 5m) besteht aus roter Baumwolle und zeigt eine einfache populäre Art der Musterverarbeitung. Die einzelnen Formen wurden Stück für Stück ausgeschnitten und übereinander aufgenäht.

Das Rundzelt (ca. 7 x 12,60 m) hingegen zeugt anhand seiner innerlichen Ausstattung als Besitz einer ranghohen Person. Die Zeltwände sind aus rotem Stoff gearbeitet worauf ein flächendeckendes Muster aus Seidenfäden genäht wurde. Innerhalb der Säulenbögen stehen Vasen mit einer Vielzahl von verschiedenen Blumen. Oberhalb der Zeltwände wurde eine ähnliche Motivik verwendet. Besonders ist nicht nur die Verwendung von Seide, und an manchen Stellen sogar die Einarbeitung von vergoldetem Leder, sondern auch die Verarbeitung der dickeren Umrandungsnaht. Diese wurde noch zusätzlich von Seidenfäden überdeckt. Das runde Prunkzelt ist anhand seiner erhaltenen Größe und technischen Ausführung einzigartig und findet in Europa nicht seinesgleichen.

Anna Szöke

Literatur:

Katalog der historischen Ausstellung der Stadt Wien, Wien 1883.
Erben,Wilhelm;  Wilhelm,John, Katalog des K. und K. Heeresmuseums, Wien 1903.
Allmayer, Christoph – Beck, Das Heeresgeschichtliche Museum Wien, Wien 1983.
Popelka, Liselotte , Heeresgeschichtliches Museum Wien, Graz, Köln, Florenz 1988.
Atasoy, Nurhan:The Ottoman Imperial Tent Complex, Istanbul 2000.