Diese ursprünglich in das Jahr 1683 datierte Fahne ist die wohl prunkvollste der 45 Fahnen umfassenden Turcica-Sammlung des Heeresgeschichtlichen Museums.

Nach altem Kriegsbrauch wurden vor allem Fahnen und Rossschweife dem Kaiser als Siegestrophäe überbracht und waren daher wichtige Objekte der „Türkenbeute“.

Die deutsche Bezeichnung „Blutfahne“ bzw. „Blutbanner“ lässt sich von der intensiv-roten Farbe herleiten, während der Begriff „Alem“  lediglich „Zeichen“, „Feldzeichen“, „Banner“ oder „Fahne“ bedeutet.

Eine Blutfahne hebt sich von anderen Fahnen nicht nur durch ihre rote Farbe, sondern auch durch ihre überdimensionale Größe und meist besonders kunstvolle Ausführung ab, und unterstreicht damit ihre Bedeutung als Fahne des höchsten Würdenträgers im Feld (Wesir, Pascha, Serasker).

 

Das rechteckige, nach unten spitz zulaufende Fahnenblatt der hier gezeigten „Alem“ besteht aus blutrotem Seiden-Croisé, dessen aufwendige Verzierung sich aus broschierten Ornamenten und Inschriften in gelber Seide sowie eingewebten Metallfäden zusammensetzt. Das eigentliche Bannertuch schließt an den Durchzug für die Fahnenstange aus prächtigem, grünem Damaststoff an. Es wird durch ein zehnteiliges Schriftband mit zwei verschiedenen Inschriften (Koranversen) in unterschiedlichen arabischen Duktus in zwei ungleiche Hälften geteilt und weist neben Rosetten und anderen Ornamenten ein für Blutfahnen beliebtes Hauptmotiv auf: Zülfikar, das doppelklingige Schwert des Propheten Mohammed, welches das einzige echt islamische Symbol auf der Fahne darstellt. Es handelt sich dabei um das Schwert des Mohammed, welches er bei der Schlacht von Badr 624 erobert hatte und seinem Schwiegersohn und Cousin Ali vererbte. Die Darstellung des Schwertes  auf der  Fahne soll zeigen, dass die ganze Welt mit dem Schwert unterworfen werden soll, wie dies Mohammed und die vier rechtgeleiteten Kalifen begonnen hatten. Begleitet wird dieses Streben durch die oben genannten Koranverse, welche bedeuten: „Hilfe von Gott und ein naher Erfolg. Bring den Gläubigen gute Nachricht“, sowie „Du bist der beste der Eroberer“.  

Diese Blutfahne gelangte 1867 aus der k. k. Schatzkammer in die Sammlung des damaligen k. k. Hofwaffenmuseums und wurde 1883 anlässlich der Säkularfeier der Befreiung Wiens von den Türken ausgestellt und erstmals untersucht. Damals nahm man an, die Fahne sei 1683 erbeutet worden, was schließlich widerlegt wurde. Jüngste Annahmen vermuten, dass die Fahne nicht vor 1691 erworben wurde und wahrscheinlich eine spätere Arbeit ist.

Eine dieser Fahne sehr ähnliche Blutfahne befindet sich Wien-Museum (nicht zugänglich).

Nicole Montaperti

 

Literatur:

Feigl, Inanc, „Blutfahne-Alem“, Viribus Unitis, Jahresbericht des Heeresgeschichtlichen Museums (2001), S.27-46.

Weiss, Karl, Katalog der Historischen Ausstellung der Stadt Wien, Wien 1873.

Heeresgeschichtliches Museum in Wien, Graz 1960.

Waissenberger, Robert, Schausammlung – Historisches Museum der Stadt Wien, Wien 1984.

Erben, Tino, Die Türken vor Wien – Europa und die Entscheidung an der Donau 1683, Wien 1983.

Wessely, Christine, Die Türken und was von ihnen blieb, Wien 1978.