Zu den Prunkstücken der weltlichen Schatzkammer des Kunsthistorischen Museums zählt der Krönungsmantel; das kostbare Textil wurde für König Roger II. von Sizilien (reg 1130-1154) in den Jahren 1133/1134 in den königlichen Hofwerkstätten von Palermo von muslimischen Stickern gefertigt. Die Datierung befindet sich in einer Kufi-Inschrift am Saum.

 

Die Aussenseite des halbkreisförmigen Gewandes, das mit einer Emailschliesse über der Brust geschlossen wurde, besteht aus rotem Samit (geritzte Seide), auf dem aufwendige Goldstickerei und eine riesige Anzahl von Perlen zu einem orientalischen Motiv  verarbeitet wurde. Eine stilisierte Palme trennt die Darstellung in zwei gleichförmige Hälften. In symmetrischer Anordnung sieht man zwei Löwen, die über das Kamel triumphieren. Es ist eine symbolische Darstellung des siegreichen Herrschers (Löwe) über seine Feinde (Kamel), in der eine Anspielung auf Rogers Sieg über das  von Kairo aus regierte fatmidische Reich vermutet wird

Ganz im Gegensatz zum grossflächigen Motiv auf der Aussenseite, welches aus der fatimidischen Tradition kommt, stehen die kleinteiligen Motive des Futterstoffes. Er besteht aus drei verschiedenen Stoffen, dem Lebensbaumstoff, dem Drachenstoff und dem Vogelstoff. Auf  Goldgrund werden menschliche Figuren, Tiere, Bäume, Ranken und Ornamente in lebhaften Farben zwischen Ornamentbändern dargestellt. Die Motivik scheint hier aus der koptisch-arabischen Textilkunst zu kommen. Darstellungen dieser Art finden sich aber auch in der italienischen Buchmalerei und in der Steinkunst.

 

Die beeindruckende Aussenseite und die kaum sichtbare Innenseite des Krönungsmantels zeigen eine gänzlich verschiedene Gestaltung. Gemeinsamkeiten sind die höchst qualitätsvolle Verarbeitung der kostbaren Materialien und die orientalischen Motive. Eine sehr grosse Bedeutung hat die Kufi-Inschrift auf der Saumborte des Mantels. Einerseits hat die Kalligraphie den höchsten Stellenwert in der islamischen Kultur, andererseits gibt sie hier Auskunft über die Datierung und die Provenienz dieses ausserordentlichen Kleidungsstückes eines christlichen Königs, der schon vor Friedrich II (reg. 1155-90) Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und der nachfolgende Träger des Mantels, islamische Aspekte in seine Hofkultur integrierte. 

 

Der Mantel Rogers II. ist ein sichtbarer Ausdruck des Machtanspruchs seines Trägers. In nachfolgenden Jahrhunderten war er ein wichtiger Bestandteil des Krönungsornats der Könige und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches.

Friederike Mayr

Literatur

Bauer, Rotraud, Zur Geschichte der sizilischen Gewänder, später Krönungsgewänder
der Könige und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, in: Seipel Wilfried
(Hg.), Kunsthistorisches Museum Wien, AK, Nobiles Officinae, Die königlichen
Hofwerkstätten zu Palermo zur Zeit der Normannen und Staufer im 12. und 13.
Jahrhundert, Wien 2004, S. 85-95; 259-264.

Tronzo, William, The Cultures of His Kingdom. Roger II. and the Capella Palatina
in Palermo, Princeton, New Jesey, 1997.