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ForschungsprojektBuckelwiesen |
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Einleitung Buckelwiesen sind geomorphologische Kleinformen, deren Genese umstritten ist. Es gibt im wesentlichen vier Erklärungskonzepte zur Entstehung der Buckelwiesen: 1. Der Karstansatz: Der entscheidende Formungsprozeß wird in der Eintiefung der Mulden durch Verkarstungsprozesse gesehen. Da der Volumenverlust der Buckelwiesenmulden durch Carbonatlösung mit der Verwitterung Hand in Hand geht, muß ein Profilschnitt durch das Relief unter der Mulde einen lehmverfüllten "Lösungstrichter" zeigen. A.Penck publizierter als erster entsprechende Profilbilder. 2. Der Frostansatz: Die Bildung der Dellen
sei durch das Ausschmelzen von Eiskeilen erfolgt. Manchmal werden
noch solifluidale Dreh- und Würgebewegungen angenommen, die anschließend
daran zu einer weiteren Erhöhung der Buckel geführt hätten.
Hauptvertreter des Frostansatzes ist W.Engelschalk, der bei seinen
umfangreichen Grabungen feststellte, daß häufig umgekehrte
Verhältnisse vorliegen. In seinen Profilbildern
ist die Bodenentwicklung der Mulden seichtgründig. Dagegen besteht
der gesamte Buckel aus Bodensediment, wobei das Material aus A-, B-
und Cv- Horizont in Linsen und Nestern nebeneinander oder in verkehrter
Abfolge übereinander liegt. Die untersuchten Buckelwiesenareale liegen in 1200 - 1400 m Höhe an der NO-Abdachung der Kräuterin (ÖK 50, Blatt 102, Aflenz Kurort) in den steirisch niederösterreichischen Kalkalpen. Das Gebiet ist überwiegend bewaldet, waldfreie Flächen sind anthropogenen Ursprungs. Das anstehende Gestein ist Hauptdolomit. Die Jahresmitteltemperatur beträgt rund 2°C, der Jahresniederschlag 1400 mm. Das ganze Gebiet ist bekannt für Windwurfereignisse, die sowohl in ihrer Häufigkeit als auch in ihrer Dimension österreichweit auffällig sind. Am Beginn der Projektarbeit standen umfangreiche Literaturstudien, Recherchen und Diskussionen, in denen der Forschungsplan entwickelt wurde. Arbeitsteams von 1-3 Personen wurden zu folgenden Fachbereichen gebildet: wissenschaftliche
Literaturrecherche Die Überlegungen und Pläne der einzelnen Gruppen wurden wieder und wieder diskutiert, weiterentwickelt, nachrecherchiert und aufeinander abgestimmt. Zwei Buckelwiesenareale wurden als eigentliche Testgebiete ausgewählt, der Fadenboden (Foto) und die Kräuterinalm. Der Fadenboden (Karte) liegt in einer Höhe von 1340 m und weist eine Hangneigung von 0-7° auf. Die Schuttdecke über dem Anstehenden besteht aus Solifluktionsschutt. Die Bodenbuckelung wirkt sehr gleichmäßig. Die Kräuterinalm (Karte) liegt in ca. 1180 m Seehöhe an den Hängen des Nappenbachgrabens. Die Hangneigung beträgt 5-15°. Die Hangschuttdecke ist mächtig, da sowohl Grundmoräne (Gletscher floß durch das Nappenbachtal ab) als auch Solifluktionsschutt (Unterhang) vorhanden sind. Die Bodenbuckel sind im Einzelnen markanter als auf dem Fadenboden, im Überblick jedoch unregelmäßiger. |
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Forschungsplan Der Großteil der wissenschaftlichen Literatur zu den Buckelwiesen ist alt: Seit 1965 sind insgesamt nicht mehr als fünf Publikationen entstanden. Hervorgerufen durch die deskriptive und induktiv vorgehende Forschungsmethode der älteren Untersuchungen gibt es nur wenige, wirklich überzeugende Erkenntnisse, auf denen eine neuere Forschung aufbauen könnte. Das vorliegende Projekt versucht diesen toten Punkt mit einem deduktiven Forschungsansatz zu überwinden. Eines der vier Erklärungskonzepte wurde ausgewählt und auf den Prüfstand gestellt, d.h. einer Falsifizierung ausgesetzt, indem die Folgeerscheinungen der angenommenen Hypothese definiert und anschließend im Feld durch Beobachtung und Messung kontrolliert wurden. Von den bisher diskutierten Formungsfaktoren innerhalb der Buckelwiesengenese sind im Untersuchungsraum zwei direkt beobachtbar und meßbar, nämlich die Verkarstung und der Einfluß des Waldes. Aufbauend auf diesen Gegebenheiten wurde folgende Haupthypothese formuliert: Die Buckelwiesen des Untersuchungsgebietes sind im wesentlichen eine Verkarstungserscheinung, bei deren Erstanlage der Wald eine Rolle spielte. Als dominanter Formungsprozeß wird somit eine Oberflächensackung im Bereich der Mulden als Folge der Kalklösung im Mulden-Unterboden angenommen. Da ein bereits vorhandenes Relief sämtliche Niederschläge zu den Mulden hin dirigiert und damit ein Anhalten dieses Prozesses garantiert, geht eine wichtige Frage der Karsttheorie nach der ersten Anlage des Reliefs. Der Wald kann hier in zweierlei Hinsicht Einfluß nehmen. Ein initiales Relief aus flachen Hohl- und Vollformen entsteht zum einen im Zuge eines Windwurfs. Es kann sich aber auch durch Verkarstungsprozesse im Waldboden herausbilden, denn im Wald kommt den Bereichen zwischen den Stämmen eine stärkere und in bezug auf das Lösungsvermögen effizientere Sickerwassermenge als der unmittelbaren Stammumgebung zu. Da die Wälder des Kräuterin-Massivs immer wieder von Windwürfen heimgesucht wurden und eine der gebuckelten Almen, nämlich der Fadenboden, in alten Karten die Bezeichnung "Windscharten" trägt, wurde folgende Zusatzhypothese formuliert: Die erste Anlage der Buckelwiesen erfolgte durch einen Windwurf. Diese Zusatzhypothese wurde anschließend um einige lokalspezifische Annahmen zum Alter des Windwurfes und zur Waldentwicklung erweitert, basierend auf unserer Recherche der Wald- und Almengeschichte der Kräuterin. Die Auswirkungen der postulierten Entstehungshypothese auf Formenbild, interne Struktur, chemische und physikalische Materialbeschaffenheit sowie Verbreitung und Alter der Buckelwiesen auf der Kräuterin wurden in langen Diskussionen ventiliert und schließlich in 13 "Argumenten" definiert. Neben den notwendigen Untersuchungsmethoden wurden zu jedem Argument auch Erwartungswerte festgelegt, d.h. auf der Basis einer umfangreichen Literaturauswertung wurden kritische Meßwertspannen bestimmt, die über Bestätigung oder Falsifizierung des Argumentes entscheiden würden. Diese Überlegungen fanden ihren Niederschlag in einem achtseitigen Forschungsplan (dieser ist einschließlich der zugrunde liegenden Ableitungen in der Projektpublikation abgedruckt) und in einem dazugehörigen Auswertebogen. |
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Feldarbeit Detailvermessung
mittels Tachymeter: Zwei Ausschnitte aus den beiden Testflächen
Fadenboden und Kräuterinalm wurden zur Dokumentation des untersuchten
Reliefs im 50 x 50 cm Raster aufgenommen. Kälte und zum Teil unwirtliches Wetter erschwerten die Feldarbeiten - nicht desto trotz waren sie der lustigste Teil des Projekts. Auch die dort weidenden Kühe zeigten reges Interesse an unserer Forschungsarbeit! ;-) |
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Methoden
Auswertung von historischen Quellen Wenn der Wald bei der Anlage der (heute waldfreien, als Almen genützten) Buckelwiesen eine wichtige Rolle spielte, so ist natürlich die Waldgeschichte des Untersuchungsraumes von großem Interesse, insbesondere seit wann und in welcher Weise der Mensch in diesen früheren Wald eingriffen hat und zu welchem Zeitpunkt dieser endgültig der Alm weichen mußte. Es wurde also viel Zeit und Mühe darauf verwendet, mit den Methoden der Geschichtsforschung nähere Informationen zur Geschichte des menschlichen Eingriffs in die Wälder des Untersuchungsraumes "auszugraben". Die Ergebnisse waren für unsere Forschungsfrage leider unbefriedigend. Alles was sich feststellen ließ, war, daß unsere beiden Testgebiete mit Sicherheit seit 1761 waldfrei sind. Der Zeitpunkt der tatsächlichen Almrodung blieb im Dunkeln und liegt möglicherweise sehr lange zurück - selbst eine bronzezeitliche Anlage wäre nach einigen Quellen möglich. Sozusagen als Nebenprodukt des Buckelwiesenprojekts entstanden durch diese Recherche, kombiniert mit den Ergebnissen der C14 Datierung jedoch auch einige interessante Befunde zur Geschichte des Raumes und zur Geschichte der Almwirtschaft in den Ostalpen.
Anlage und Aufnahme des Profilgrabens Vorgegeben durch den Forschungsplan wurden die zwei Profilgräben im rechten Winkel zur Längsachse von Buckel und Mulde ausgehoben. Beide Gräben waren gut 50 cm breit und unter dem Buckelscheitel gut einen Meter tief. Um sowohl den Buckel als auch die Mulde zur Gänze aufzuschließen, war es am Fadenboden notwendig, einen knapp vier Meter langen Graben auszuheben. In dem kleineren Relief der Kräuterinalm hingegen reichte eine Grabung von 2,7 Meter Länge aus. Zur zeichnerischen Aufnahme der Grabenwände wurde eine Schnur gespannt, die den Kulminationspunkt des Buckels berührte und die von diesem Punkt aus parallel zur generellen Hangneigung frei über die beiderseits anschließenden Mulden geführt wurde. Von dieser Bezugslinie wurde in Abständen von 25 cm senkrecht nach unten die Lage der Reliefoberfläche, der Bodenhorizonte und der Probenentnahmestellen bestimmt. Die Laboranalyse der entnommenen Bodenproben konnte in sieben Arbeitstagen durchgeführt werden. Folgende Merkmale wurden bestimmt: o Die Organische Substanz durch die Ausglühmethode.
Weitere Laboranalysen: Für die Durchführung des Kalklösungsversuches mußte das Dolomit-Calcit Verhältnis in der anstehenden Hangschuttdecke bestimmt werden. Dies erfolgte mittels Röntgendiffraktometrie unter Verwendung eines Siemens D500-Diffraktometers. Zwei Proben aus der Grabung am Fadenboden, nämlich fossiles Humusmaterial aus dem Buckelkern und eine der im Zentrum des Buckels gefundenen Baumwurzeln wurden einer Altersbestimmung zugeführt. Diese C14 Datierung wurde am Institut für Radiumforschung und Kernphysik der Universität Wien mittels AMS (Accelerator-Mass-Spektrometrie) durchgeführt.
Die Substanz- und Volumsverluste innerhalb des Buckelwiesenreliefs
durch Lösung wurden über die Carbonathärte der im Profilgraben
unter Mulde bzw. Buckel aufgefangenen Sickerwassermenge bestimmt.
Diese Methode involviert folgende Berechnung:
Zu den in die Formel eingehenden Variablen: Der Härtegrad des aufgefangenen Sickerwassers wurde im Feld mittels eines Testbesteckes der Firma Machery-Nagel zur Bestimmung der Carbonathärte gemessen. Da sich der Hangschutt, in dem das Buckelwiesenrelief ausgebildet ist, in der Laboranalyse als Dolomitschutt erwies, wurde die ermittelte Wasserhärte nach der Beziehung 1°d = 16,4mg CaMg(CO3)2 umgerechnet. Zur Ermittlung des effektiven Niederschlags wurde die Gebietsverdunstung nach der TURC-Methode berechnet und der erhaltene Wert von der Jahresniederschlagssumme abgezogen. Die Bestimmung des spezifischen Gewichtes des Schutts erfolgte nach dem Prinzip der Stechzylindermethode. Aus dem Cv-Horizont in ca. 60 cm Tiefe wurde mit den Auffangblechen für das Sickerwasser eine Probe gezogen, wobei sorgfältig darauf geachtet wurde, daß das Material möglichst ungestört blieb. Zur Durchführung des Versuchs im Feld: In den Dolomitschutt der Profilwand wurden 42 cm unter der Geländeoberkante knapp über dem Anstehenden zwei Auffangbleche eingesetzt und zwar eines direkt unter der Abzugsbahn der Mulde, das zweite unter dem Buckel. Das in ihnen aufgefangene Sickerwasser wurde über Schläuche in Kanister auf der Grabensohle geleitet. Da trotz sehr nasser Witterung die natürlichen Niederschlagsmengen während der Feldtage für ein Anspringen der unterirdischen Wasserabgabe nicht ausreichten, mußte eine künstliche Beregnung durchgeführt werden. Das benötigte Wasser (insgesamt 40l) wurde einer Regentonne entnommen und mit einer Gießkanne im Einzugsgebiet der vom Profilgraben aufgeschlossenen Buckel-Mulden-Abfolge verteilt. Um ein natürliches Niederschlagsereignis zu simulieren wurde das Testgebiet mit Schnüren in acht jeweils 1m2 große Bodenfelder unterteilt und die Beregnungsdauer sowie die aufgebrachte Wassermenge pro Flächeneinheit genau kontrolliert.
Detailvermessung des Buckelwiesenreliefs und Entwicklung eines Geländemodells Gerade auf der Ebene der Mikroformen ist das Problem der Formenkonvergenz besonders virulent - äußerlich sehr ähnliche Gestalt kann durch die verschiedensten Prozesse hervorgerufen werden. Mit den bislang eingesetzten Mitteln zur Dokumentation des jeweils untersuchten "Buckelwiesen"reliefs, nämlich Photo und Beschreibung der äußeren Abmessungen, konnte offensichtlich die tatsächliche Gestalt des Kleinreliefs nicht exakt genug wiedergegeben werden um Verwechslungen auszuschließen. Die Fülle von äußerst widersprüchlichen Befunden, die zur "Buckelwiesengenese" vorliegt, dürfte zum Teil auf dieses Problem zurückzuführen sein! Bei gegenständlicher Untersuchung wurde daher auf eine sorgfältige Dokumentation der untersuchten Formen besonderer Wert gelegt. Die Vermessung des Buckelwiesenreliefs wurde mit einem Tachymeter des Typs Elta R 55 der Firma Zeiss durchgeführt. Mit diesem Gerät können zwei Personen pro Stunde rund 60 Punkte einmessen. Wie sich bei der Weiterverarbeitung der Meßdaten herausstellte, war die Dichte der im Raster von 50 x 50 cm aufgenommenen Punkte gut gewählt. In der Buckelwiese am Fadenboden wurde ein 12 x 15m großer Ausschnitt vermessen (790 Aufnahmepunkte), auf der Kräuterin Alm wegen des anhaltend schlechten Wetters nur mehr ein 9,5m x 10m großer Geländeausschnitt (420 Aufnahmepunkte). Umfangreiche GIS-Analysen mittels des Programmpackets ArcInfo und anschließende Bearbeitung in CorelDRAW8 brachten folgende Ergebnisse:
Morphometrische Aufnahme des Buckelwiesenreliefs Ein 40 x 40 m großes Feld wurde abgesteckt. In diesem wurden sämtliche Buckel und Mulden mit numerierten Markierungspunkten versehen, die Buckel auf ihrer höchsten, die Mulden in ihrer tiefsten Stelle. Zunächst wurden die morphometrischen Daten der Einzelformen mit Kompaß und Maßband erhoben. Im Falle der Buckel wurden Länge, Breite und Längsachsenorientierung gemessen, im Falle der Mulden die minimale Rücktiefung (Höhenunterschied zwischen Muldentiefstem und niedrigstem Überflußpunkt) sowie bei ovalen Mulden die Längsachsenorientierung. Anschließend wurden alle Markierungen mit dem Tachymeter eingemessen. Die Buckelhöhe (eigentlich Reliefenergie = Höhenunterschied zwischen Buckelscheitel und tiefster Stelle der benachbarten Mulde), welche neben Länge, Breite und Orientierung der Formen eine weitere wichtige Variable ist, wurde aus den Vermessungsdaten berechnet. Insgesamt konnten mit dieser Aufnahmetechnik in relativ kurzer Zeit sehr wichtige Daten über ein großes Untersuchungsfeld mit zahlreichen Einzelformen hinweg gewonnen werden, welche wesentliche Befunde lieferten. Die graphische Auswertung der morphometrischen Daten ergab z.Bsp., daß die Buckel mit ihren Längsachsen auffallend gut eingeregelt sind und in diesem Muster mit der subparallelen Lage der entwurzelten Baumstämme auf einer frischen Windwurffläche übereinstimmen. |
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Ergebnisse Durch den deduktiven Forschungsansatz konnten wichtige und für die weitere Erforschung des Buckelwiesenphänomens richtungsweisende Erkenntnisse gewonnen werden (Zusammenfassung; eine detaillierte und kommentierte Darstellung der Ergebnisse ist im publizierten Projektbericht zu finden). Der gemeinsam mit dem Forschungsplan konzipierte Auswertebogen bestätigte das Zutreffen unserer Haupthypothese sowie ein Zutreffen unserer Zusatzhypothese für das Buckelwiesenareal am Fadenboden. |
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Univ.-Prof.
Dr. Christine Embleton-Hamann
Institut für Geographie und Regionalforschung, Universität Wien Universitätsstraße 7/5 A-1010 Wien |
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Wissenschaftliche Mitarbeit |
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Projektträger, Entstehung und Laufzeit |
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Zugehörige Publikation
64 Seiten, 13 Abbildungen, 6 Tabellen |
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