mediathek philosophy on stage #1 / #2

Zeit der Muße – Zeit der Musen

Hans Dieter Bahr / Alfred Bast

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Abstract

Seitdem Friedrich Nietzsche die Bühne des Wissens der Abendländischen Philosophie betreten hat, steht die Frage auf dem Spiel, ob der Mensch in seinem Eigensten nicht gerade verfehlt werde, wenn er neuzeitlich nur noch als tätiges Subjekt bestimmt werde? Denn werfen wir einen unvoreingenommenen Blick auf das Leben – und zwar so, wie es sich uns tagtäglich zu lesen gibt – dann wird mit einem Schlag klar, dass der „Täter“ unserem „Tun“ in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle bloß hinzugedacht wird. Nicht „ich“ bin die causa sui meines Atems, sondern die Atmung „atmet mich.“ Nicht „ich“ bin die causa sui der Sprache, die ich spreche, sondern ich spreche eine Sprache, die andere geprägt und gesprochen haben, noch bevor ich selbst zu sprechen begonnen habe.
Verhält es sich in Wahrheit aber so, dass jedes Tun auch ein „Geschehen-Lassen“ impliziert, ein „zu Wort kommen lassen der Anderen“ in uns selbst, dann gilt es nachzufragen, wie diese „musische“, wie diese „mediale“ Komponente in unserem Tun angemessen zur Sprache gebracht werden kann. Als was würde und könnte der Mensch in Erscheinung treten, wenn er seine Wesensbestimmung nicht mehr allein darin hätte, ein tätiges Subjekt zu sein, das sich durch Fleiß, Leistung und Arbeit in seinem Wesen allererst herzustellen, zu produzieren und hervorzubringen hätte?

Dieser Frage geht der Philosoph Hans-Dieter Bahr in seiner Lecture nach, indem er, in Auseinandersetzung mit dem Maler Alfred Bast, eine Philosophie der Muße und Musen entwickelt, welche unter Müßig-Gang nicht bloß ein passives Genießen unserer Freizeit versteht, sondern ein bestimmtes „Wie des Zeit-habens“ und „des Zeitigens unserer Lebenszeit“.
Schon die antike Philosophie hat bei den Titeln „Muße“ und „Musen“ einen Aspekt der Zeit und des menschlichen Umgangs mit Zeit im Blick gehabt, in der es nicht mehr bloß um die Verwirklichung von Zielen und das Besorgen der dafür benötigten Mittel geht, sondern um eine „entwerkte Gemeinschaft“ (Jean-Luc Nancy), in der sich Wert der Zeit nicht mehr ausschließlich von der Arbeit und Arbeitszeit her bemisst, sondern „diesseits“ derselben als Maß und Zeit eines musischen Da-seins „auftut“, in dem das „Ge-Lücke“ des Lebens in uns einbricht. Das Geschehen-Lassen dieses Einbruchs einer musisch erfüllten Zeit in den Alltag hinein nannten die Griechen das „Müßig-gehen“ der Menschen. Dieser Müßiggang war ihnen nicht „aller Laster Anfang“, sondern die Erfahrung „irdischen Glücks“.

„Wer heute, etwa mit Berufung auf Aristoteles, einfordern wollte, die höchste Aufgabe aller erziehenden, wirtschaftenden, politischen, vor allem auch wissenschaftlichen Tätigkeit läge darin, Lebensvoraussetzungen für Muße zu bereiten, denn nur sie stelle Glückseligkeit in Aussicht und trage einen Sinn in sich selbst: der stieße in einer Gesellschaft, die nicht einmal mehr… einen Ausgleich zwischen vita activa und vita contemplativa sucht, sondern in Leistung und Wachstum, in Spiel und Konsum ihre höchsten Werte setzt, bestenfalls auf Unverständnis.“ (Hans-Dieter Bahr)

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Filmausschnitt

Gesamter Performance-Film

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IMPRESSUM
realisiert im Rahmen des FWF-Forschungsprojektes “Materialität und Zeitlichkeit performativer Sprechakte” (P17600): 2005-2007 Wien.

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