mediathek philosophy on stage #3

Geschlecht als Passion, Geschlecht als Affekt? Die Bewegungen der Seele in Embodiment-Debatten // Performance-Text

Marlen Bidwell-Steiner (CV)

Marlen Bidwell-Steiner // Geschlecht als Passion, Geschlecht als Affekt? Die Bewegungen der Seele in Embodiment-Debatten (Transkript des Vortrages) // Philosophy On Stage #3

Dagegen die Kognitionswissenschaften, diese hätten „direkten Zugriff auf den Ort den Emotionen, das Gehirn“. Andererseits fällt langsam die Dichotomie Körper – Geist auch in den ‚harten Wissenschaften‘, Theorien aus Soziologie und Psychologie würden integriert – Beispiel ‚Psychobiosozialer Ansatz‘. Von Seiten der neueren Gehirnforschung werden aber Emotionen wieder „auf Informationen im Gehirn reduziert“, die dort verarbeitet würden. Vieles „ähnelt aber verblüffent frühneuzeitlichen Beschreibungen der Seele“. Wissenschaftsgeschichte der Emotionen:

Bewegungen der Seele – Emotionstheorien → für Bidwell-Steiner von Interesse: Rhetorik der Körperregimes: Geschlechterpolitik– und Ökonomie als historisch kontingente, kulturelle und soziale Konstrukte lesbar machen.

Historische Unterschiede und Ähnlichkeiten der abendländischen Seelenbewegung im diachronen Vergleich ausarbeiten – anhand eines lit. Textes – Theorien Körper geben – derer der Protagonisten. Orlando Furioso (Epos von Ludovico Ariosto) „Hybrid aus Heldenlied und Romanze“.
Grob kann es in drei Hauptmotive gegliedert werden, eine stellt die „Liebeshändel der fahrenden Männer und Frauen“ dar, beginnt mit canto 23 → furor | Wahnsinn.

Vorgeschichte: Orlando gilt als tapfer und kultiviert, ein Paladin des König Karl, symbolisch ablesbar in magischer Rüstung, Schwert und Pferd gilt als unbesiegbar. In Beutezug in in Indien gewinnt er die indische Prinzessin Angelika – blond, schön, jungfräulich. Das Begehren der Ritter aus beiden Lagern richtet sich auf sie – Angelika stellt also das zentrale Phantasma der Reinheit dar, „stabilisiert das blutige Kriegsgeschäft“.
Orlando und sein Vetter kämpfen um Angelika. Sie wird aber an einen Grafen in Bayern ‚gegeben‘, Angelika flieht. Orlando träumt (canto 9) von Angelika, wacht „in Tränen auf“ und macht sich auf die Suche nach ihr. Diese verliebt sich in den verletzten Medoro. Subversion „ritterlicher Liebesökonomie“ – normalerweise verwundeter Blick des Mannes – das Herz der Frau.
Subversion erfüllt sich: Beide genießen einander, erhöhen ihre körperliche Liebe, indem sie sie zu arabischen Versen ‚verdichten‘. Sie imaginieren ihre Körper(bilder) als „hundertfach ineinander verstrickt“, sie beschriften Baumrinden („den Namen in diese Rinde geschrieben“), dies gelte im italienischen als „anzügliche, derbe Metapher“, Orlando trifft auf diese „symbolisch ins Bild gesetzte Penetration“, als er beschloss zu seinem Kriegsherrn zurückzukehren, er macht Halt an der Quelle, an der Angelika und Medoro „sämtliche Bäume zu Zeichenträgern ihrer Liebe gemacht hatten“.
Orlando verweigert sich dieser Tatsache – rationalisiert die Evidenz, der Name Medoro stünde für ihn. Orlandos Sprachkompetenz, seine „hermeneutische Lesart“ versagt, die Verarbeitung ins Rationale führt in die erste Krise, der Schmerz wird imaginiert als Körpersaft, der „zu schnell austreten wollte“, „humoraler Stau von Körpersäften“ („Herz zieht sich zu schnell zusammen – Überdruck- Paralyse“). Herz als Sitz/Ort der Gefühle. Somatische Reaktion steht in Einklang mit damaliger ‚medizinischer Passionslehre‘, sowie mit neuplatonischer Liebesphilosophie. Aus diesem Schockzustand denkt sich Orlando einmal noch heraus, er interpretiert die Schriften als Versuch ihn eifersüchtig zu machen – Orlandos rhetorische Lesart als Selbstbetrug | fraude.
Orlando reitet zu einem Gasthaus für die Nacht, auch hier sind Zeichen von Medoro und Angelika. Ein Schäfer zeigt Orlando einen Ring, den Ring von Angelika, den sie als Zeichen „der Dankbarkeit zurückließ“. In Orlando steigt Hass auf, er verlässt die Herberge, kehrt in Wald zurück – Regression „vom strahlenden Helden zum Tier“. Die Melancholie wird nun von Orlando selbst ‚erzählt‘: Umkehrung neuplatonischer Seelenlehre, „Orlando ist tot, ich bin sein Geist von ihm getrennt, der in dieser Hölle herum irrt und sich quält“, neben dem Gesicht | persona (viso) ist der Seh-Sinn ist angesprochen, der hierarchisch wichtigste Sinn, über den auch Emotionen einfallen und den „Transmitterstoff der Seele“ – spiritus affizieren. Bruch: Einerseits ein Ausbuchstabieren von Bildern die mit medizinischer Passionslehre übereinstimmen, also spiritus nicht als spiritus spirito | Geist sondern als Schatten, nicht als Seelenvehikel, als Schatten in der Immanenz, während eigentlich „die Substanz unter der Erde ist“ wird die medizinische Doktrin „ironisiert“. Annahme: Neuplatonischer Melancholiediskurs: Schatten irrt auf der Erde, während die edleren Seelenanteile in höheren Sphären verweilen. Aber hier: sie lagern am Mond: Alle ideellen Dinge, die auf Erde abhanden kommen: vergessene Gedanken, gebrochene Liebesschwüre aufgegebene Ideale → „kurz Hirngespinste, …der Mond als Altwarendepot“, dieses ‚Modell‘ subvertiert die neuplatonische Ideenlehre und christliche Heilslehre, denn die Dinge, die auf dem Mond ‚gelagert‘ werden, erfahren keine Läuterung oder Verfeinerung. Orlando als Schatten vollbringt in Folge auf der Erde kraftvolle Gewalttaten. Er ist reduziert auf seine Primärtriebe – Extrembild des frühen Melancholikers, wilder Wolf. wenn die unmittelbare Triebbefriedigung ausbleibt – so „schlägt er zu“. Einmal noch mischt sich in die Primärtriebe so etwas wie menschliches Begehren, er trifft Angelika wieder in Barcelona, etwas im Tier im Orlando „erkennt“, er stellt ihr nach, er fängt Angelikas Pferd ein und schändet es, als es verendet an Hunger, schleppt er es tagelang mit sich. Diese verschobene Trauerarbeit lädt zu psychoanalytischer Lesart ein: Interpretation von M. Wells: Der Verlust des Liebesobjekts kann nicht anerkannt werden – melancholische Störung. Objekt wird statt dessen einverleibt.

Einwände und Ergänzungen:
1) Treiben des Schatten Orlandos vs. Held Orlando: Beide wüten brandschatzend und mordend durch die idyllischen Landstriche – der ideale Held Orlando handelt für „vermeintlich höhere Sache“, aber der König betrügt ihn um Angelika.

2) Beide Figuren hatten nie eine lebendige Beziehung zu Angelika. Sie war vielmehr eine Art Fetisch, der die „Dynamik des sinnentleerten Kriegstreiben“ aufrecht hält und „diesem eine subvertierte, transzendente Note verleiht“.
Ein Fetisch verschleiert Differenz und wehrt Kastration ab 1.

Im Stück: Das ‚Wegnehmen‘ Angelikas durch den König. Mit dem Verlust des Fetisch verliere Orlando seine Wertehaltung. Das Phantasma wäre Orlando also sozusagen abhanden gekommen – nach Aristoteles wäre ein Phantasma eine Art Abbild eines über den Sehsinn vermittelnden Objekts im Gehirn der Sehenden, vom Objekt gehen Strahlen aus, die über das Pneuma | spiritus (lat) an das Subjekt weitergegeben werden.
Bei Aristoteles besteht aber eine zwingende Verbindung zwischen Objekt und Wahrnehmung des Objekt → Ursache – Wirkung. In alltäglichem Gebrauch stünde Phantasma für ein Trugbild, ein Signifkant ohne Signifikat.
Orlandos Liebe steht mehr für Fixierung auf Idealbild einer Liebe und zielt weniger auf eine vitale Verbindung ab, sie bleibt schlussendlich selbstreferenziell. Der Schatten Orlandos (der wahnsinnige Orlando) agiert in der oben beschriebenen Szene mit dem Pferd „wesentlich authentischer“ als die persona Orlando in Triebbefriedigung sowie in der Trauerarbeit. Der Held Orlando bleibt im Symbolischen – erhält das Idealbild Angelikas (und wohl auch das sich in-Beziehung-setzen-zu) aufrecht, als dies nicht mehr gelingt, bricht Identität als Krieger ein, dies geschieht zunächst über die symbolische Ebene – die gelesenen Schriftzeichen, was übrig bleibt ist „beliebiges Töten“.

Bild vs. Schrift: Fiktionaler Charakter jeder schriftlichen Überlieferung.

Daher in der Schlüsselszene die Funktion eines Augenzeugen, der die Schriftzeichen durch seine Lesart stützt.
„Weiter mit einer psychoanalytischer Lesart nach Lacan“: Orlando verliere mit dem Verlust Angelikas seinen Phallus, seinen Metasignifikanten, daher die Unfähigkeit im weiteren überhaupt zu signifizieren – Verlust der Sprache, Orlando entkleidet sich in Folge, seine Rüstung legt er ab – also seine persona und wütet nackt durch die Wälder und reißt die Bäume mit den Schriftzeichen aus.
Im Epos werden „aristotelische Ein- und Reinheitsgebote der Poetik außer Kraft gesetzt, Genre von Epos und Romanze werden vermischt“. „Die textuelle, philosophische Ausrichtung deutet hier auf Girolamo Fracastoro, ein italienischer Arzt und Dichter“ und weitere Philosophen der Renaissance – Elemente der aristotelischen Naturphilosophie werden aufgegriffen. Seelenbewegung meint immer Affekt und Passion, jede Bewegung bedeute Bewegen und bewegt werden, also aktive und passive Komponente immer immanent.
Die Seele als Lebensprinzip (Modell der materialistischen Rennaissancephilosophen), „als subtiler spiritus, durchströmt den ganzen Körper, dieser zielt auf die Umwelt, es gäbe also einen dem Menschen inhärenten Trieb der über Körpergrenze hinausgreift“ – spiritus ist an allen dynamischen Prozessen des Lebewesens beteiligt → Abwenden von Viererschema der Säftelehre von Fracastoro und seinen Nachfolgern, also Ablehnung einer hierarchischen Trennung von sinnlicher Wahrnehmung und höheren rationalen Vorgängen (Sensation und Kognition). Sinnliche Wahrnehmung an sich sei also Modell-bildend für alle weiteren rationalen Prozesse und für Willensprozesse, implizieren Embodimentvorstellungen. Wahrnehmung im Sinne der Peripatetiker: Zusammenspiel von verfeinertem spiritus mit species, eine Art visueller Strahl, welcher in der Seele ein Phantasma / Abbild des Wahrgenommenen ausbildet – wobei spiritus dem wahrnehmenden Subjekt und species den wahrgenommenen Objekten entstammen.
Die Frage nach Bewegen und Bewegt werden in Spätrenaissance von Fracastoro aufgegriffen: „Wie können körperlich voneinander entfernte Dinge aufeinander wirken?“ Er entwickelt Modell des Affizierens das sich nicht mehr am Sehsinn orientiert. Theorie von krankheitsverursachenden Keimen – ersetzt actio in distans durch contactu ad distance. Er orientiert sich nicht mehr am Sehsinn, dieses neue Prinzip der Ansteckung2 legt er auf andere naturphil. Phänomene wie Wahrnehmung oder Kognition – neues Paradigma → Kontakt – Taktiler Sinn des Greifens dient als Modell für Prinzip der Anziehung und Abstoßung, Sympatia et Antipatia (1546). „Grob gesagt“ streben alle Menschen nach Kontakt, sie stoßen einander an „sie treten miteinander in Kontakt“, aristotelische Prinzip des Bewegers´ gerät quasi in die Einzelseele, in Bezug auf Emotionen folgt: Sind sie Affekte, da sie aktiv vom Subjekt ausgehen mit dem Ziel der Kontaktaufnahme und gleichzeitig Passionen, indem Anstöße anderer Subjekte erlitten werden. „Die Naturphilosophie der frühen Neuzeit verhandelt aber Körperregimes aber im engeren Sinn, der Körperphysiologie, nicht ohne daraus auch auch eine Theorie der Körperregimes im weiteren Sinne abzuleiten. Wenn bei Aristoteles die unterschiedlichen Aspekte einer Emotionstheorie in der Naturphilosophien Schriften (Ethik, Rhetorik) systematisch separat entwickelt werden, zielt hier die früh-neuzeitliche Lehre der Seelenlehre auf ein holistisches Modell“: radikalere Formulierung – Materie und Form nicht schlussendlich mehr getrennt gedacht → Seele als spiritus materialisiert.
Ethische und Poltische Haltungen sind impliziert in holistischen Denkmodell. „Im Epos finden wir alle drei angesprochenen Wissensformationen: Rhetorik, Ethik, Medizin/ Naturphilosophie. In Bezug auf die naturphilosophische Lehre wird zunächst die Trennung die Trennung von Kognition und Emotion ad absurdum geführt: Wenn orlando seinen Geist am Ende wiedererlangt ist er nicht weiser als zuvor und sein Handeln nicht weniger Fehleranfällig. Der rhetorische Umgang mit den Emotionen, als wiederholte Autosuggestion markiert, führt in die Krise. Letztlich legt Ariosto den Finger auf die offene Wunde der Melancholie, indem er die ethisch-politische Unangemessenheit der Kriegerwelt problematisiert. Wie sie paradiesische Landstriche devastieren so jagen die heiligen Krieger dem Fetisch der Jungfräulichkeit nach, um auch diese zu penetrieren, oder wie im Fall von Orlando, sie wie ein Schild vor sich herzutragen, dafür verrät der König seinen ersten Vasallen aber dann auch. Die emotionale Dysbalance repräsentiert also die Politische, von der sie auch ausgeht.

Meine These lautet also, das im Orlando furioso ex negativo | im Scheitern performativ vorgeführt wird, was zeitgenössische holistische Emotionstheorien beanspruchen. Eine Dynamik in der beide Seiten jeder Beziehung sowohl aktiv und auch passiv sind. Eine Dynamik, die ohne politischen Kontext nicht in Gang kommen kann, eine Dynamik, die gerade weil die persönliche Emotion immer auch eine öffentliche Äußerung ist, sprachlich vermittelt ist. Eine Möglichkeit wie aus heftigen Emotionen ein ganzheitliche Kontakt erwächst, führt der Text am Beispiel von Angelika vor. Wie wir heute sagen würden, gewissermaßen entlang der intersektionalen Achsen von race, class und gender, avant la lettre natürlich. Angelika ist Inderin, Medoro Sarazene, damit unterliegen sie beide nicht der Logik der christlichen Liebessemantik. Angelika ist zunächst der aktive Part der Beziehung, diese gender-transgression wird dadurch ausgeglichen, dass Medoro im Gegensatz zu ihr, von bescheidener Herkunft ist. Mit dieser politischen Balance verliert sich aber auch ihre textuelle Spur. Die Bedeutung der Emotionen als body politics wird im weiteren Verlauf des 16. und vor allem 17. Jhd vor dem Hintergrund einer sich pluralisierenden Gesellschaft heftig diskutiert. Gleichzeitig knüpfen an das beschriebene dynamische Körpermodell mit einer wesentlichen Transmittersubstanz – dem spiritus – neue empirische Ansätze, die letztlich innerhalb der scientific revolution die Ausdifferenziereung in die einzelnen Wissenschaften mitvollziehen. Dieses doppelte Erbe bringt sehr unterschiedliche Positionen hervor:

Aus der Spirituslehre, die die Dreiteilung der Seele obsolet macht und eine Transmittersubstanz im Nervensystem annimmt, entwickelt sich der cartesianische Dualismus. Auch Descartes konzipiert seine Lehre der Passion de l´âme am Modell der Sinneswahrnehmung. Seine Vernunftseele ist aber eine reine Verarbeitungsstätte der Sinneseindrücke und verfügt über kein eigenes Streben. In Folge Descartes´ wird die Emotion eine Aufgabe für die Vernunftseele und somit Gegenstand einer neue
entstehenden Psychologie.

Baruch de Spinoza verfolgt vor allem die Dynamik der Seelenregungen weiter. Er betont den bereits bei Fracastoro und dann vor allem Telesio angelegten Selbsterhaltungstrieb, den sogenannten Conatus und entwickelt eine Ethik der Emotionen, in der vor allem deren transformaion in aktives Streben betont wird. In Spinozas schlussendlich ebenfalls holistischer Theorie werden Emotionen so zum Motor einer vita activa und somit politisch hoch relevant. In dieser mittlerweile etwas verschütteten Tradition interessieren Emotionen als Indikatoren von Macht- und Ohnmachtverhältnissen. Sie erzählen von Menschen die sich Gefühle leisten und aktiv nutzen können und von solchen die auf dauerhafte Melancholie bez. Depression reduziert bleiben.

Daran lässt sich auch erklären, warum diese Krankheit nicht mehr dem männlichen Genie zugeschlagen wird sondern neuerdings generisch die Frauen befällt. Eine Reduktion eines embodiment-ansatzes auf die Interaktion zwischen sinnliche Erlebtem und Erlernten und biochemischen Prozessen im Gehirn, wie sie in den Neurowissenschaften doziert wird, verschleiert diesen politischen Aspekt und stabilísiert damit die Regimes der Körper und die Regimes über die Körper. Dankeschön.“



Anmerkungen:

cantos:https://www.zeno.org/Literatur/M/Ariosto,+Ludovico/Epos/Der+rasende+Roland

aus canto 23 – 103-105:
»Angelika und Medor!« – schön verbunden,
Liest er die hundert Mal‘ auf dieser Trift;
So viele Nägel ihm das Herz verwunden,
Wie er der Zeichen sieht in dieser Schrift.
Gern hätt‘ er andre Deutung nun gefunden
Von dem, was ihn mit solchem Schmerze trifft:
Ein andres Mädchen, das den Namen trüge,
Schrieb ja vielleicht hier dieses Namens Züge!
Drauf sprach er: »Nein, zu oft hab‘ ich gelesen
Hier diese Schrift; sie ist mir wohlbekannt.
Vielleicht bin Medor ich für sie gewesen,
Und mit dem Namen hat sie mich benannt.«
So hat den Selbstbetrug für sich erlesen
Und von der Wahrheit ganz sich abgewandt
Der arme Roland, Hoffnung zu erraffen,
Von der er fühlt, daß er sie selbst geschaffen.

aus canto 29:
Er gräbt sich in den Sand, den dürren, feinen,
Und schützt sich also vor der Sonne Strahl,
Dort bleibt er. – Da mit einemmal erscheinen
Angelika und Medor, ihr Gemahl.

Sie stiegen (Ihr entsinnt Euch, möcht‘ ich meinen)
Von dem Gebirg hernieder in das Tal.
Sie hatt‘ ihn früher noch nicht wahrgenommen
Und war auf Armesläng‘ ihm nahgekommen,
…Doch läßt er ihm den Zaum, den Sattel immer
Und gönnt ihm Gras und gönnt ihm Futter nimmer.
So schleppt er’s fort und sucht ihm Trost zu spenden:
»Nun, geht es jetzt nicht viel bequemer?« schreit
Er, fragt nicht, ob am Weg sich Steine fänden:
Hautfetzen, Haare fliegen weit und breit.
Und schließlich muß das arme Roß verenden
Vor Ungemach und Schmerz und Mattigkeit.
Er sieht es nicht, und ohn‘ etwas zu denken,
Eilt er, die Schritte weiter fortzulenken,..

BIDWELL-STEINER in MEDIATHEK

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