“Und
da ich nicht schreiben kann, bezeichne ich meine Namensunterschrift mit drey
Kreuzeln ...”
Von den Handzeichen in Wiener Matriken des 19. Jhdts.
Anna L. Staudacher, Wien
Diese Handzeichen, von einem überwältigenden Formenreichtum, wurden ja nicht
mit einem Kugelschreiber gesetzt, auch nicht mit einer Füllfeder, sondern
mit einer Stahlfeder, die in ein Tintenfaß getaucht wurde. Kratzte die Feder,
so zerfloß auf billigem Papier die Tinte, woraus sich - ganz unbeabsichtigt
- eigenartige, bizarre Formen ergeben konnten. Religiöse Juden, die nicht
schreiben konnten, ersetzten die Kreuzeln durch Nockerln und Kringerln. Juden,
die zwar die hebräische und somit die jiddische Kursive beherrschten jedoch
nicht die landesübliche Kurrent- oder Lateinschrift, unterzeichneten sich
nicht mit Kreuzeln und nicht mit Nockerln, sondern in ihrer Jahrtausende alten
Schrift - welche von den Behörden den Handzeichen der Analphabeten gleichgesetzt
wurde.
Aus welchen Zeichen sich auch immer Handzeichen zusammensetzten, bei Christen
und Juden, so können bei bestimmten Berufen, bei Handwerkern und Händlern,
feste und konstante Handzeichen angenommen werden, die flüssig gesetzt wurden
und auch ohne beglaubigte Gegenzeichnung ihren Wert und ihre Funktion hatten,
bestimmten Personen zuzuordnen waren. In vielen Fällen wurden diese Zeichen
somit nicht spontan gesetzt sondern waren wohldurchdacht, individuell ausgestaltet
und konstant. Man kann wohl davon ausgehen: Je ausgefallener und selbstbewußter
sich ein Handzeichen gibt, desto konstanter wurde es im privaten und öffentlichen
Bereich gesetzt. Handzeichen können somit durchaus als eine populare Weiterentwicklung
frühneuzeitlicher Notariatssignete gesehen werden,
als Alltagssiegel von Angehörigen der Unterschichten, als handschriftliche
Stempel zur Beglaubigung im alltäglichen praktischen Leben.
Literatur: Anna L. Staudacher, Von Kreuzeln, X-erln, Nockerln und anderen Handzeichen, in: Österreich in Geschichte und Literatur 47 (2003), 322-341.