Universität Wien - Institut für Geschichte
Geschichte am Mittwoch (GaM) im Sommersemester 2006
Ort:
Universität Wien – Institut für Geschichte, HS 45
Zeit: Mittwoch, 18.00 c.t. – 20.00 Uhr
“Die
jüdischen Konvertiten in Wien 1748-1914: Der Übertritt zum Christentum“
Moderation: Gerald Stourzh
Abstract:
Etwa 14.000 Juden mögen in Wien im Zeitraum 1748 bis 1914 die Taufe
angenommen haben - keine Zwangstaufen, jedoch
unter massivem gesellschaftlichen und politischen Druck. Bis zum Jahr
1868 - den Interkonfessionellen Gesetzen - kam die Taufe einem Einbürgerungsverfahren
gleich - Juden galten als Fremde. Mit der Taufe waren staatsbürgerliche
Rechte, vor allem Rechtssicherheit verbunden. Von der Jahrhundertwende
bis hin zum 1. Weltkrieg war ein jüdischer Name existenzgefährdend
- ein Recht auf Namensänderung hatten
nach dem Hofkanzleidekret vom 5. Juni 1826 nur Konvertiten: Jüdische Eltern
stellten Namensänderungsgesuche für ihre Kinder, nach mehrmaliger Abweisung
traten sie selbst und ihre Kinder über: Nicht zur römisch-katholischen
Kirche
sondern zum Protestantismus. Der Übertritt zur katholischen
Kirche war mit einer ehrenrührigen Abschwörungsformel verbunden, welche
jene Religionsgemeinschaft diffamierte, der man zuvor angehört hatte, was
in gleicher Weise Protestanten, Muslime und Juden betraf. In der Annahme
der protestantischen Taufe kam zudem - ohne jedwede Abschwörungsformel
- auch die Zuordnung zum deutschen Kulturkreis zum Ausdruck.
Zu
diesen 14.000 kommen noch etwa 3000 zwangsgetaufte Kinder - Kinder aus
jüdischen
Unterschichten, die zur Aufnahme ins Wiener Findelhaus bis zum Februar des Jahre
1868 getauft wurden, zumeist uneheliche Kinder jüdischer Dienstboten, getauft
im Wiener Gebärhaus, in den Pfarren der Inneren Stadt und der Vororte Wiens,
von wo sie in das Wiener Findelhaus gebracht wurden. Es waren keine ausgesetzten
Kinder, vielmehr mussten sie ins Findelhaus abgegeben werden, da ihre Mütter
sogleich nach der Niederkunft wieder in den Dienst zu treten hatten.
Zur Person: Studium der Geschichte in Wien, der Politologie und
Romanistik in Lausanne und Genf, Mitglied des Institutes für Österreichische Geschichtsforschung,
seit 1989 Lektorin am Institut für Geschichte an der Univ. Wien, Projektleiterin
einiger Projekte des Fonds zur wissenschaftlichen Forschung zur Geschichte
der Juden in Österreich-Ungarn (Datenbank und Biographische Sammlung). Seit
1996 an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften - für die Austrian
Jewish Biography dem Institut Österreichisches Biographisches Lexikon zugeordnet. Venia Legendi 2000 mit
der Habilitationsschrift: Wegen jüdischer Religion - Findelhaus. Zwangstaufen
in Wien 1816-1868. Autorin der Konvertitenreihe im Verlag Peter Lang, bisher erschienen: Wegen jüdischer Religion Findelhaus
(2001), Jüdische Konvertiten in Wien 1782 - 1868 (2002), Jüdisch-protestantische
Konvertiten in Wien (2004) - in Vorbereitung steht die vierte Folge - Jüdische
Konvertiten in Wien. Der Übertritt zur katholischen Kirche 1868 - 1908 (1914)
in Wien. - Weitere Publikationen: http://homepage.univie.ac.at/Anna.Staudacher