INTRINSISCHE / EXTRINSISCHE MOTIVATION

Verhalten ist entweder

motiviert.

Gegen die Konzeption von Verhalten, das ausschließlich bekräftigungsgeleitet, also extrinsisch motiviert sei, wandte sich in den 50er Jahren eine Gegenströmung, die Verhalten (auch) als intrinsisch reguliert verstanden wissen wollte.

Die unterschiedlichen Konzeptionen

Intrinsisches Verhalten wird beschrieben als

Intrinsisches Verhalten steht nicht unter dem Gebot, homöostatische Krisen des Organismus (Hunger, Durst) zu beheben.

Man hat diese Triebe als "Manipulationstriebe" oder "Explorationstriebe" bezeichnet (vgl. unten).

Diese Konzeption ist heute problemgeschichtlich überholt.

Intrinsisches Verhalten ist demnach Verhalten, das Zweck an sich selbst ist bzw. sich selbst zum Zweck hat, also "autotelisch" ist.

Die diesem Verhalten zugrundeliegende Motivation ist ein "Gefühl der Wirksamkeit" (White, 1959); Es resultiert in Kompetenzsteigerung. Daraus wiederum entwickeln sich spezifischere Motive, wie das nach (nicht extrinsisch begründeter) Leistung und Selbstbehauptung.

Autotelisches Verhalten findet sich häufig bei Kleinkindern im Spiel: Ein Kind, das Freude daran hat, mit Bauklötzen Türmchen zu bauen und diese wieder einstürzen zu lassen, verbindet damit noch keinen weitergehenden Zweck. Es geht völlig auf im staunenden Erleben, das es selbst einen Effekt bewirken kann (daher auch die Bezeichnung "Manipulations- bzw. Explorationstriebe"). Im Leben eines Erwachsenen sind solche Verhaltensweisen naturgemäß seltener zu finden; meist in Form kurzweiliger Aktivitäten, wie dem Spiel oder dem ästhetischen Erleben.

Verhalten ist dann intrinsisch motiviert, wenn eine Regulation zugunsten einer Beibehaltung oder Wiederherstellung eines optimalen Funktionsniveaus zu erkennen ist.

Aktivationstheoretischer Ansatz

Kognitive Entwicklungstheorien

Verbindung beider Ansätze

Aussagen über eine ‚optimale (mittelhohe) Aktivation’ auf neurophysiologischer Ebene (Hebb, 1955)

Aussagen über ‚optimale Inkongruenzen’ zwischen dem momentanen Informationseinstrom und einer Art Standard (Schema, Erwartung, ...) (Hunt, 1965)

Konzept eines mittleren Anregungspotentials (Reizeinstroms) auf psychologischer Ebene (Berlyne, 1967;1971)

Nach Berlyne ist dieses mittlere Ausmaß an Inkongruenzen (= Komplexität im Sinne einer Abweichung des Reizeinstroms vom Erwarteten) des Informationseinstroms mit einem niedrigen Aktivationsniveau (im Gegensatz zu den Vorstellungen von Hebb) verbunden. Bei Überschreiten der optimalen Inkongruenz (also bei Vorliegen eines zu hohen Anregungspotentials) setzt eine ‚spezifische Exploration’ ein. D.h. man verschafft sich Stimulation von spezifischer Herkunft, in Form von mehr Überblick bzw. Einsicht. Spezifische Exploration führt zum Setzen des Inkongruenzgrades und der Erhöhung des Aktivationsniveaus. Bei einem Unterschreiten der optimalen Inkongruenz (also bei Vorliegen eines zu niedrigen Anregungspotentials) setzt eine diversive Exploration, also das Aufsuchen von Zerstreuung, Unterhaltung udgl., zur Erhöhung der Inkongruenz ein.

Nach Hunt (1965) bedarf der Mensch zu seiner Funktionstüchtigkeit, also zur optimalen Ausnutzung seiner Fähigkeit zur Informationsverarbeitung, eines optimalen Ausmaßes an Inkongruenz. Dieses setzt ein – als intrinsisch gedachtes – Verhalten in Gang, das die Inkongruenz reduzieren bzw. beseitigen soll. Jedoch müßte aufgrund des postulierten Bedürfnisses nach Inkongruenz auch eine (intrinsisch gedachte) Motivation nach Herstellen einer optimalen Inkongruenz bestehen.

Primäre Motivation, d.h. das Leitprinzip des Menschen besteht darin, sich als wirksam, als Verursacher von Änderungen in seiner Umwelt zu erleben (deCharms, 1968).

Je mehr im Einzelfall Selbstbestimmung gelingt, umso mehr fühlt man sich als Herr seiner selbst, hat Freude an der eigenen Aktivität und ist intrinsisch motiviert. Gelingt dies nicht, fühlt man sich als Spielball äußerer Kräfte, sieht die eigene Aktivität entwertet und ist extrinsisch motiviert.

Die Wirkung externaler Belohnungen ist nach deCharms paradox: Belohnungen für etwas, was man aus freien Stücken tut oder getan hätte, sind danach geeignet, die intrinsische Motivation zu schwächen. Belohnung für etwas, das man ohnehin und gern tut, lässt das eigene Handeln als ‚über-veranlasst’ erscheinen und man beginnt, an der (ursprünglichen) Zweckfreiheit des Handelns zu zweifeln. D.h. man sieht die Tätigkeit nicht mehr nur um ihrer selbst willen, sondern betrachtet sie als instrumentell für das Erlangen der Belohnung. Auf diesen sog. ‚Korrumpierungs- bzw. Überveranlassungseffekt’ komme ich später noch einmal ausführlicher zu sprechen.

 

Bleiben hingegen Belohnungen für uninteressante Tätigkeiten aus, die man bloß der Belohnung wegen auf sich genommen hat, so kann die intrinsische Motivation anwachsen.

In attributionstheoretischer Sicht wiederum (Deci) entscheidet die Lokation der Ursachenfaktoren für ein angestrebtes und/oder erreichtes Ergebnis über die Interpretation der Motivation als intrinsisch bzw. extrinsisch: internale Lokation, also die Zuschreibung eines Erfolges auf die eigene Tüchtigkeit, verbunden mit Selbstbestätigung, führt zu intrinsischer Motivation und in weiterer Folge zu einer hohen Erfolgsmotivierung. Externale Lokation hingegen schreibt Handlungen externen Ursachen, wie z.B. Belohnung, Bestrafung, zu.

Intrinsisch nach Csikszentmihalyi (1975) bedeutet die freie Hingabe an eine Sache, ein völliges Absorbiertwerden des Erlebens von der voranschreitenden Handlung, von ihm als sog. "Flow-Erleben" bezeichnet. Hinter diesem Konzept steht weniger ein theoretisches Konstrukt als vielmehr die phänomenologische Beschreibung einer bestimmten Form menschlicher Erfahrung.

Flow-Erleben benötigt bestimmte Bedingungen: so muß die Aufgabenschwierigkeit die eigene Tüchtigkeit voll herausfordern. Zu leichte Aufgaben führen zu Langeweile, zu anspruchsvolle rufen Angst hervor. Jedenfalls entspricht diese Bedingung dem Anspruchsniveau Erfolgsorientierter; sie maximiert die internale Ursachenlokation für erzielte Handlungsergebnisse. Flow-Erleben bringt den Unterschied zwischen Arbeit und Spiel zum Verschwinden.

Ein Beispiel (Brief Mozarts): "Wenn ich recht für mich bin und guter Dinge, [...], da kommen mir die Gedanken stromweis und am besten. Woher und wie, das weiß ich nicht, kann auch nichts dazu. Die mir gefallen, die behalte ich im Kopfe, und summe sie auch wohl vor mich hin, wie mir andere wenigstens gesagt haben. Halte ich das nun fest, so kommt mir bald eines nach dem anderen bei, wozu so ein Brocken zu brauchen wäre, um eine Pastete daraus zu machen nach Kontrapunkt, nach Klang der verschiedenen Instrumente et cetera. Das erhitzt mir nun die Seele; wenn ich nämlich nicht gestört werde, da wird es immer größer, und ich breite es immer weiter und heller aus, und das Ding wird im Kopf wahrlich fast fertig, wenn es auch lang ist, sodaß ich´s hernach mit einem Blick gleichsam wie ein schönes Bild oder einen hübschen Menschen im Geist übersehe, und es auch gar nicht nacheinander, wie es hernach kommen muß in der Einbildung höre, sondern wie gleich alles zusammen. Das ist nun ein Schmaus. Alles das Finden und Machen geht in mir nur wie ein schönstarker Traum vor; aber das Überhören, so alles zusammen, das ist doch das Beste."

Flow-Erleben existiert aber auch als sog. "Microflow" in Tagträumen, Summen udgl. Bewußtes Unterdrücken solcher Alltagsepisoden führt zu mehr Abgespanntheit, Kopfschmerz, Irritierbarkeit.

Intrinsisch ist eine Handlung nach Heckhausen (1976/77) dann, wenn Mittel (Handlung) und Zweck (Handlungsziel) thematisch übereinstimmen, also gleichthematisch (endogen) sind. Leistungshandeln ist demnach dann intrinsisch, wenn es nur um des zu erzielenden Leistungsergebnisses willen unternommen wird, also bloß um den Zweck der Erprobung an einer bestimmten Aufgabe, um damit die eigene Tüchtigkeit einer Selbstbewertung zu unterziehen.

Daraus folgt: Handeln ist extrinsisch, wenn Mittel (Handlung) und Zweck (Handlungsziel) thematisch nicht übereinstimmen, also andersthematisch (exogen) sind. Handeln ist diesfalls Mittel für das Eintreten andersartiger Ziele, die nicht handlungsinhärent sind, sondern in eine willkürliche Instrumentalitätsbeziehung zum Handlungsergebnis gebracht wurden. Am Beispiel der Aggression verdeutlicht würde das bedeuten: intrinsische Aggression liegt vor, wenn man jemanden angreift mit dem Ziel, ihn zu verletzen; extrinsische (instrumentelle) Aggression dagegen, wenn jemand mit dem Ziel angegriffen wird, ihn auszurauben; diesfalls erscheint die Aggression einem ihr (evolutionsbiologisch) fremden Zweck, nämlich des Sich-Aneignens fremder Güter, untergeordnet.

Die Einstufung von Handlungen als endogen und/oder exogen basiert auf dem unterschiedlichen Gewicht von intrinsischen Anreizwerten (der gleichthematischen Folgen des Handlungsergebnisses) und von extrinsischen Anreizwerten (der andersthematischen Folgen des Handlungsergebnisses).

Prima vista möchte man annehmen, daß Geldbelohnung der Paradefall extrinsisch veranlasster Motivation ist. Doch ist auch hier zu unterscheiden zwischen Aufgaben, denen Geldbelohnungen inhärent sind, die also ‚geld-endogen’ sind (Börsenspiel), und solchen Aufgaben, die ‚geld-exogen’ sind. Es zeigt sich, daß geld-endogene Tätigkeiten die intrinsische Motivation steigern und geld-exogene Tätigkeiten diese vermindern.

Korrumpierungs- bzw. Überveranlassungseffekt

Der Korrumpierungseffekt intrinsischer Motivation durch extrinsische Bekräftigung wurde – erstmals von deCharms formuliert – in einer Reihe von Versuchsbedingungen nachgewiesen. Ein Beispiel: Kindergartenkinder mit besonderem Interesse am Malen wurden ausgelesen und malten in einer Einzelsitzung, wofür ihnen a) ein Preis (Fleißkärtchen) in Aussicht gestellt; b) unerwartet nachher verliehen wurde; c) weder vorher etwas angekündigt noch nachher gegeben wurde. Bei nachfolgender verdeckter Beobachtung der freien Spielbeschäftigung im Kindergarten zeigte sich, daß die Beschäftigung mit dem Malen bei jenen Kindern abgenommen hatte, die den Preis erwartet und erhalten hatten.

Insgesamt lassen vergleichbare Untersuchungen erkennen, daß

Wurde die Versuchsbedingung um eine Überwachungsbedingung erweitert – eine Kamera, die auf das Kind gerichtet, jedesmal aufleuchte, wenn der Vl das Kind kontrolliere -, dann addierten sich die Korrumpierungseffekte von Belohnung und Überwachung unabhängig voneinander, d.h. der Prozentsatz jener Vpn mit spontaner Wiederaufnahme der Tätigkeit sank bei Überwachung ab, u.zw. unabhängig davon, ob Belohnung erwartet oder nicht erwartet wurde.

Die Ergebnisse zum Korrumpierungseffekt haben letztlich behavioristisch orientierte Forscher veranlasst, die in der amerikanischen Schulpraxis der 70er Jahre verwendeten Münz-Bekräftigungsprogramme (’token economy programs’) in Hinblick auf ihre Untergrabung intrinsischer Motivation zu untersuchen: erste Untersuchungen hatten zum Ergebnis, daß Korrumpierungseffekte im Sinne der Interferenztheorie (aufgrund des damit verbundenen Neuigkeitseffekts) nur nach einmaliger Bekräftigung auftreten und nach mehrmaliger Bekräftigung hingegen ausbleiben. Die Überprüfung dieser Ergebnisse durch Greene, Sternberg & Lepper (1976) zeigte jedoch, daß derartige Bekräftigungsprogramme durchaus intrinsisches Interesse an vorher bekräftigten Aufgaben mindern können, aber nicht mindern müssen.

Eine wichtige Bedingung für das Auftreten des Überveranlassungseffektes ist jedenfalls, daß die betreffende Tätigkeit für eine Person von sich aus einen hohen Anreiz besitzt, bevor sie durch Belohnung oder auferlegten Verhaltenszwang an Attraktivität einbüßt. Das behavioristische Bekräftigungsprinzip hingegen ist mehr auf Tätigkeiten gerichtet, deren Ausübung mangels eigener Motivation von außen veranlasst werden muß. Für eine gelingende Erziehung bedeutet dies, nur dort, wo es unbedingt notwendig ist, zu bekräftigen, um selbstinduzierte Motivation nicht zu untergraben (‚Prinzip der minimalen Hinlänglichkeit’, Lepper (1981)).

Belohnungen sind also geeignet sind, Tätigkeiten mit hohem Anreiz zu instrumentalisieren und dadurch die Tätigkeit selbst zu entwerten. Dies wiederum führt zu einer Abnahme des Interesses an der Tätigkeit ebenso wie zu einer Verminderung der Leistungsgüte. Diese negative Wirkung der Belohnung kann aber dadurch, daß die Aufmerksamkeit von der Belohnung weg und wieder hin zur Tätigkeit gerichtet wird, (weitestgehend) aufgehoben werden. D.h. je nach Bestärkung des Tätigkeitsanreizes der Ausführung oder des Folgeanreizes der Belohnung ist ein Korrumpierungseffekt zu erwarten oder nicht.

Im Rahmen von Erwartungs-mal-Wert-Modellen zeigen sich ebenfalls Wirkungen des Korrumpierungseffekts: Shapira (1976) hat Vpn sieben Aufgaben mit ansteigender Schwierigkeit vorgelegt, von denen eine zur Bearbeitung auszuwählen war. In der Versuchsbedingung wurde für die erfolgreiche Lösung der Aufgabe eine Geldbelohnung versprochen, und zwar unabhängig vom Schwierigkeitsgrad der gewählten Aufgabe. War keine Belohnung in Aussicht gestellt, entsprach die Wahl dem Risikowahl-Modell, d.h. die meisten Vpn bevorzugten die zweitschwerste Aufgabe. Bei Belohnung hingegen wählten die meisten Vpn die zweitleichteste Aufgabe. Der Belohnungsanreiz führt also dazu, sich auf Aufgaben mit möglichst hoher Erfolgswahrscheinlichkeit zu konzentrieren, um das Einstreifen der Belohnung nicht zu gefährden. Dennoch lassen sich individuelle Unterschiede zwischen Personen feststellen: Bei Berücksichtigung der individuellen Motivlage zeigt sich, daß Hoch- und Erfolgsmotivierte wegen ihrer höheren intrinsischen Anreizwerte dem extrinsischen Anreiz der Bezahlung stärker trotzen als Niedrig- bzw. Mißerfolgsorientierte und daher im allgemeinen weniger leichte Aufgaben auswählen.