next up previous


2. Elemente der Kinetischen Theorie

$\textstyle \parbox{210pt}{Ludwig Boltzmann}$

In einem verdünnten Gas bewegen sich die Moleküle fast immer geradlinig fort; nur gelegentlich wird ihr Flug durch einen Zusammenstoß mit einem einzelnen anderen Teilchen unterbrochen. Das Ergebnis einer solchen Kollision, die man im allgemeinen als klassischen elastischen Stoß behandeln kann, ist eine Richtungs- und Geschwindigkeitsänderung beider Stoßpartner. Es müßte demnach möglich sein, aus einer statistischen Behandlung dieser Zweierstöße Voraussagen über die Eigenschaften von Gasen herzuleiten. Diese Idee ist der Ausgangspunkt für die von Ludwig Boltzmann begründete ,,Kinetische Gastheorie``.

Man definiert zunächst eine Verteilungsdichte $f$ derart, daß $f\left( \vec{r}, \vec{v} ; t \right)   d\vec{r} 
d\vec{v}$ die Anzahl der Moleküle bezeichnet, die sich zur Zeit $t$ beim Ort $\vec{r}$ befinden und eine Geschwindigkeit um $\vec{v}$ aufweisen. Den $6$-dimensionalen Raum der Variablen $\{\vec{r},\vec{v} \}$ bezeichnete Boltzmann als $\mu$-Raum.

Die zeitliche Entwicklung der Funktion $f\left( \vec{r}, \vec{v}
; t \right)$ wird durch die Boltzmannsche Transportgleichung beschrieben. Wir werden die Herleitung und die Gestalt dieser wichtigen Gleichung im letzten Abschnitt dieses Kapitels skizzieren. Zuächst aber wollen wir die Gleichgewichtsverteilung im $\mu$-Raum ermitteln. Diese Verteilung ist nichts anderes als die stationäre Lösung der Boltzmanngleichung, also die Lösungsfunktion für den Grenzfall langer Zeiten, $t \rightarrow \infty$. Trotzdem kann man sie auch ohne Bezugnahme auf die Transportgleichung herleiten. Das dazu dienende Verfahren, die Methode der wahrscheinlichsten Verteilung, spielt innerhalb der Statistischen Mechanik auch an anderen Stellen eine wichtige Rolle.


Unterabschnitte
next up previous
F. J. Vesely / StatPhys Tutorial, Deutsch, 2001-2003