Universität Wien

Wimmer: Seminar WS 2015

180066 : Philosophiehistorie in globaler Perspektive

Termine | Materialien

2 Stunden, 5 ECTS-Punkte
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung
Anmeldung in der ersten Seminarsitzung - KORREKTUR: neue Satzung der Univ. Wien beachten! Hier


ORT:
ZEIT:
ECTS-Punkte:
Anrechenbarkeit
im Studienplan:

Hörsaal 3D, NIG Universitätsstraße 7/Stg. III/3. Stock
Dienstag wtl von 13.10.2015 bis 26.01.2016 16.45-18.15
5.0
BA M 8.1
Die Anrechenbarkeit für andere Studiengänge ist bei der jeweils zuständigen SPLeitung zu erfragen.
Teilnahmevoraussetzung:
Grundkenntnisse im wissenschaftlichen Arbeiten werden vorausgesetzt, d.h. dass (mindestens) eine schriftliche Arbeit (Proseminar) bereits fertiggestellt und positiv beurteilt sein muss. Die Erfüllung dieser Voraussetzung ist bei Beginn des Seminars nachzuweisen.
Thematische Zuordnung:
Philosophiegeschichtsschreibung
Inhalt:
Wie keine andere Disziplin beschäftigt Philosophie sich mit ihren eigenen Ausformungen in der Vergangenheit, mit historischen Repräsentanten, Begriffen, Theoriebildungen und Systemen der Philosophie. Darstellungen solcher vergangener Gestalten der Philosophie bilden einen umfangreichen Teil der philosophischen Literatur. Seit dem 18. Jahrhundert ist der Großteil philosophiehistorischer Darstellungen durch die oft stillschweigend vorausgesetzte Hypothese geprägt, Philosophie überhaupt sei mit okzidentaler Philosophie gleichzusetzen. Dabei wird ein einziger Ursprung von Philosophie überhaupt im antiken Griechenland angenommen.
Eine derartige Gleichsetzung erscheint ungeeignet, die Vergangenheit von philosophischem Denken in der Menschheitsgeschichte zu erfassen. Es ist somit zu fragen, ob und wie alternative Wege zu einer global orientierten Geschichtsschreibung der Philosophie gangbar sind, die eine derartige Verengung auf die griechisch-antike und europäisch-okzidentale Tradition vermeiden.
Das Seminar hat zum Ziel, ausgehend von der These Karl Jaspers', der zufolge philosophisches Denken unabhängig voneinander in verschiedenenen Regionen Eurasiens mehrfach zwischen ca 800-200 vAZ entwickelt und in diesen Regionen unterschiedlich prägend geworden sei, Texte zu besprechen, in denen diese oder eine ähnliche These über mehrfache Ursprünge der Philosophie leitend für die Darstellung ist.
An jeden der Texte sind folgende Fragen zu stellen:
- Welcher Begriff von "Philosophie" (nach inhaltlicher und formaler Bestimmung) liegt der Darstellung zu Grunde?
- Werden alternative Philosophiebegriffe diskutiert und mit welchen Argumenten wird der eigene verteidigt?
- Welche Bedeutung hat die Frage nach dem Ursprung / den Ursprüngen?
Didaktik:
Zu Beginn ist eine schriftliche Übung auszuarbeiten, die ein Basiswissen über historische Gestalten und zentrale methodologische Fragen von Philosophiehistorie sicherstellen soll.
Zu jedem der im Programm vorgesehenen Themen  sind Arbeitskonzepte zu erstellen, die allen TeilnehmerInnen des Seminars über die Homepage zugänglich sind.
In Referaten werden die aus diesen Konzepten entwickelten Seminararbeiten zur Diskussion gestellt, worauf deren Fertigstellung erfolgt. Abgabetermin der fertigen Arbeiten: 30. Juni 2016.
Eine spätere (redigierte) Veröffentlichung von Seminararbeiten ist nach Maßgabe der Zeit ebenfalls vorgesehen (vgl. ausgewählte Seminararbeiten aus früheren Semestern auf dieser Homepage bzw. auch im "Sammelpunkt. Elektronisch archivierte Theorie").
Zeugniserwerb durch:
--- Mitarbeit im Seminar (Diskussion)
--- Schriftliche Übung zu Beginn
--- Ausarbeitung eines Arbeitskonzepts und einer daraus entwickelten schriftlichen Seminararbeit
--- Abgabetermin der Seminarbeit: 30. Juni 2016
Bewertet werden die vier hier fett gekennzeichneten Leistungen.
BA-Arbeit: In jedem Seminar der Studienrichtung Philosophie kann eine Bachelorarbeit verfasst werden (nicht jedoch in Proseminaren, Lektüreproseminaren, IKs [Rhetorik und Argumentationstheorie] oder Vorlesungen); ab sofort werden alle Bachelor-Arbeiten in elektronischer Form am SSC gesammelt, die Note für die BA-Arbeit wird nur dann eingetragen, wenn die BA-Arbeit dem Mail mit der Benotung angehängt ist und so in die Sammlung der BA-Arbeiten aufgenommen werden kann. (Mitteilung SPL Philosophie 10.3.15)

Programm:


13.10.:
Thematische Einführung und Besprechung der Themen für Seminararbeiten
Schriftliche Übung: Schreiben Sie einen kurzen Kommentar (max. ca 3000 Zeichen):
  • entweder (falls Sie bereits eine LV zur Theorie oder Geschichte von Philosophiehistorie absolviert haben) zu:
Symposium: "How are histories of non-western philosophies relevant to intercultural philosophizing?" (Statement: F.M. Wimmer; Commentaries: R. Bernasconi, P. Hountondji, Th. Norton-Smith) Erscheint in: Confluence 2, Nr. 3 (2015).
  • oder (falls Sie noch keine LV zu dieser Thematik absolviert haben) zu:
Wimmer: Einleitung zu "Geschichte der Philosophiehistorie" (VO 2014/15)

20.10.:

TERMIN: Abgabe der schriftlichen Übung
Abschluss der thematischen Einführung; Besprechung der Gesichtspunkte der Lektüre bei jedem der historischen Beispiele:
- Selektion
- Periodisierung
- Klassifikationsbegriffe
- Interpretationsbegriffe
27.10.:
Besprechung der Übungen und Übernahme der Arbeitsthemen
3.11.:
TERMIN: Abgabe von Konzepten für Seminararbeiten. Bitte per e-mail abgeben.
10.11.:
Thema 1: Jaspers: Achsenzeit-These
Diskussionspunkte:
- Geschichtsphilosophie: Spengler | Toynbee | Historismus/Historizismus
- Philosophiegeschichte: Ägyptische Philosophie? vgl. z.B.:
Mubabinge Bilolo: "Die klassische ägyptische Philosophie. Ein Überblick." In Philosophie, Ideologie und Gesellschaft in Afrika: Wien 1989, Hg.: Christian Neugebauer, S.  199-212. Frankfurt/M.: Lang, 1991.
Jan Assmann: "Etymographie. Zum Verhältnis von Bild und Begriff in der ägyptischen Hierogylphenschrift." In: polylog. Zeitschrift für interkulturelles Philosophieren, Nr. 15 (2006): 65-80. Volltext pdf
17.11.:
Thema 2: Holenstein: Ursprungstheorien
Diskussionspunkte:
1) intra- vs interkulturelle Differenzen (Selbst- und Fremdbilder):
Elmar Holenstein: Vergleichende Kulturphilosophie. Chinesische Bilder, japanische Beispiele, schweizerische Verhältnisse. Zürich: ETH Preprint, 2007. (Erstdruck: 1993) Internet: http://www.eu-ro-ni.ch/publications/Holenstein_Kulturvergleich.pdf
Zum besprochenen Beispiel (Japaner sprechen Dinge nicht aus...) hier zu lesen ab S. 16
Auch erschienen in: Elmar Holenstein: Kulturphilosophische Perspektiven, S. 346-71. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1998.
2) erste Philosophin?
Augustine Perumalil: "Enheduanna: The First Philosopher in Recorded History." In: Satya Nilayam: Chennai Journal of Intercultural Philosophy 16 (2009): 1-34.
((Datierung?))
S. 1: ... Enheduanna ... the high priestess of the moon god, who was revered as the most important religious figure of her day (circa 2.354 BC) [SIC!]
S. 5: According to an estimate made by Joan Westenholz, Enheduanna lived around 2300-2225 BC (Roberta Binkley places her between 2285-2250 BC)
((Philosophie?))
20: The Philosophical Dimension of Enheduanna's Compositions
When we look at the compositions attributed to Enheduanna, they come to us not as philosophical treatises, but as Sumerian temple hymns ...
((Hymnen an eine machtvolle Göttin, Weisheitsliteratur))
24.11.:
Vertiefung Thema 2: Holenstein: Diskussion der Karten zur "Philosophie im Westen"
Diskussionspunkt zudem: ad Kulturalität:
- Galtungs Frage nach "Stilen" in (Sozial-)wissenschaften vgl.:
- Johan Galtung: "Struktur, Kultur und intellektueller Stil. Ein vergleichender Essay über sachsonische, teutonische, gallische und nipponische Wissenschaft."  Übersetzt von Bernd Samland. In: Das Fremde und das Eigene. Prolegomena zu einer interkulturellen Germanistik, Hg.: Alois Wierlacher,  S. 151-93. Bayreuth: iik, 1994. (zuerst in: Leviathan. Zeitschrift für Sozialwissenschaft 11, Nr. 2 (1983) S. 303 - 38)
- vgl. dazu die Darstellung in: Vorlesung Interkulturelle Philosophie - Einführung in die Hauptthemen, 2, Wien: Institut für Philosophie, 17. Oktober 2012  Internet: http://homepage.univie.ac.at/Franz.Martin.Wimmer/vo1213_02.html#Kultur .
(Vorgesehenes Thema 3: Mall-Hülsmann: Drei Ursprünge. Referat entfallen wegen Erkrankung der Referentin)
1.12.:
Thema 4: Moritz-Rüstau-Hoffmann: Mehrfache Ursprünge
15.12.:
Thema 5: Collins: Soziologie der Theorieentwicklung
zum Diskussionspunkt 'nicht-okzidentale Theorien bzw. Konzepte':
- Wang Taos Buch (1872) über den deutsch-französischen Krieg aus konfuzianischer Perspektive bzw. in konfuzianischen Kategorien schildert: Erich Pilz: "Vielfalt im Werden? Zur chinesischen Historiographie der letzten 100 Jahre." In: Mitteilungen des Instituts für Wissenschaft und Kunst, Wien 44, Nr. 4 (1989): 11-18 (hier: S. 12). Internet: http://www.iwk.ac.at/wp-content/uploads/2014/07/Mitteilungen_1989_4_asien.pdf
- Arbeiten von Nakamura Hajime, in denen er für philosophische Geschichtsschreibung eine vergleichbare Strategie verfolgt:
———: Parallel Developments. A Comparative History of Ideas. Tokyo: Kodansha, 1975. 
———: Ansätze modernen Denkens in den Religionen Japans. Leiden: Brill, 1982. (Erstdruck: 1964 jap.)
———: "The Meaning of the Terms 'Philosophy' and 'Religion' in Various Traditions." In: Interpreting Across Boundaries. New Essays in Comparative Philosophy, Hg.: Gerald James Larson und Eliot Deutsch, S.  137-51. Delhi: Motilal Banarsidass, 1989. Internet: https://books.google.at/books?id=4DEkgPzjBQAC&hl=de&source=gbs_navlinks_s
———: A Comparative History of Ideas. New Delhi: Motilal Banarsidass, 1992.  Internet: https://books.google.at/books?id=Gpulmza7BBYC&hl=de&source=gbs_navlinks_s
———: Ways of Thinking of Eastern Peoples. India, China, Tibet, Japan. New Delhi: Motilal Banarsidass, 1999. (Erstdruck: 1964) Internet: https://books.google.at/books?id=i9gm9CzNd5EC&hl=de&source=gbs_navlinks_s
12.1.:
Thema 6: Plott: Strukturelle und inhaltliche Parallelen
Punkte der Diskussion:
- Übersetzungen und Rezeptionsinteresse
vgl. zur Übersetzung von Ernst Machs "Analyse der Empfindungen" zuerst ins Singhalesische:
Ursula Baatz: »Ernst Mach und der Buddhismus«  In: CONCEPTUS. Zeitschrift für Philosophie. XXII, Nr. 56 1988 S. 19-33.
- Philosophiehistorie als originär (und exklusiv?) europäisch-neuzeitliches Projekt?
vgl. die These in: Franz Martin Wimmer: Interkulturelle Philosophie. Eine Einführung. Wien: WUV, 2004, S. 76-77, insbes.:
"Aus der indischen Literatur sind nur sehr wenige Werke bekannt, die als philosophiehistorische Darstellungen gelten können, und diese sind in hohem Grad problemgeschichtlich bzw. systematisch durchgeführt."
19.1.
Thema 7: Smart: Philosophien und Religionen
26.1.:
Thema 8: Holenstein: Kulturen und Globalität

MATERIALIEN zu einzelnen Themen des Seminars:
werden aufgrund der Diskussion im Seminar im Verlauf des Semesters hier verfügbar gemacht.
(1) Ergänzende Literaturhinweise zu den Referenzwerken
(2) Bibliographieprogramme s. Wikipedia


REGELN ZUM VERFASSEN VON SEMINARARBEITEN

Referenzliteratur:
wird im Seminar angegeben bzw. ist zu den einzelnen Fragestellungen von den TeilnehmerInnen zu recherieren. Die zu den jeweiligen Themen angesprochenen Werke sind:

  1. Randall Collins: The Sociology of Philosophies. A Global Theory of Intellectual Change. Cambridge, Mass.: Belknap Press of Harvard Univ. Pr., 2000. (Erstdruck: 1998) z.B. UBWien: http://ubdata.univie.ac.at/AC03287029
  2. Elmar Holenstein: Philosophie-Atlas. Orte und Wege des Denkens. Zürich: Ammann Verlag, 2004. z.B. UBWien: http://ubdata.univie.ac.at/AC04130055
  3. Karl Jaspers: Vom Ursprung und Ziel der Geschichte. München und Zürich 1949. z.B. UB Wien: http://ubdata.univie.ac.at/AC01816496
  4. Ram Adhar Mall und Heinz Hülsmann: Die drei Geburtsorte der Philosophie. China, Indien, Europa. Bonn: Bouvier, 1989. z.B. UBWien: http://ubdata.univie.ac.at/AC00051080
  5. Ralf Moritz, Hiltrud Rüstau und Gerd-Rüdiger Hoffmann (Hg.): Wie und warum entstand Philosophie in verschiedenen Regionen der Erde? Berlin: Akademie-Verlag, 1988.
  6. John C. Plott: Global History of Philosophy. Vol. 1-5. Delhi: Motilal Banarsidass, 1977 - 89. z.B. UBWien: http://ubdata.univie.ac.at/AC01192731
  7. Ninian Smart: Weltgeschichte des Denkens. Die geistigen Traditionen der Menschheit. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2002. z.B. UBWien: http://ubdata.univie.ac.at/AC03558269
Jedes dieser Werke kann durch eine/n oder zwei TeilnehmerInnen bearbeitet werden.
Diese Referenzliteratur kann nach Bedarf (höhere Teilnehmerzahl) erweitert werden durch Werke, die in unterschiedlicher Weise globale Darstellungen intendieren bzw. den eurozentrischen Kanon kritisch untersuchen:
  1. Alois Dempf: Selbstkritik der Philosophie und vergleichende Philosophiegeschichte im Umriß. Wien: Herder, 1947. 
  2. Helmut Heit: Der Ursprungsmythos der Vernunft. Zur philosophiehistorischen Genealogie des griechischen Wunders., (Contradictio. Studien zur Philosophie und ihrer Geschichte Bd. 7). Würzburg: Königshausen & Neumann, 2007.
  3. Christoph Helferich: Geschichte der Philosophie. Von den Anfängen bis zur Gegenwart und Östliches Denken. 3. Aufl. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1999. 
  4. Karl Jaspers: Weltgeschichte der Philosophie. Einleitung. Hg.: Hans Saner. München: R. Piper, 1982.
  5. Peter K.J. Park: Africa, Asia, and the History of Philosophy. Racism in the Formation of the Philosophical Canon, 1780-1830. Albany: State Univ. of New York Pr., 2013.
  6. Gregorio Piaia und Giovanni Santinello (Hg.): Models of the History of Philosophy. Volume III: The Second Enlightenment and the Kantian Age. (International Archives of the History of Ideas. Hg. von C.W.T. Blackwell und Philip Weller) Dordrecht: Springer, 2015.
  7. Hans Joachim Störig: Kleine Weltgeschichte der Philosophie. Frankfurt/M.: Fischer, 2000. 
  8. Hamid Reza Yousefi und Heinz Kimmerle (Hg.): Philosophie und Philosophiegeschichtsschreibung in einer veränderten Welt. Theorien - Probleme - Perspektiven. Nordhausen: Traugott Bautz, 2012.


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Erstellt im Sommer 2015 mit laufenden Eintragungen während des Semesters der Durchführung.