Thema 1: Einleitung
Thema 2a: Griech. Antike
Thema 2b: China
Thema 2c: Frühe Neuzeit
Thema 3a: Aufklärung

Thema 3b: Kantzeit
Thema 3c: Hegel und Marx

Thema 4: entfällt in diesem Semester
Thema 5: Postkoloniale, feministische und interkulturelle Perspektiven
Thema 6: Globale Philosophiegeschichte

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Geschichte der Philosophiehistorie

(Vorlesungen von Franz M. Wimmer, Wien)

Philosophiehistorie in der Aufklärung (Version 2014, in Ausarbeitung)

Autoren: Jakob Thomasius und Leibniz | Franz Budde
Pierre Bayle | Chr. A. Heumann | Jakob Brucker
Literatur | Anmerkungen



Prüfungsrelevant: Lucien Braun: Geschichte der Philosophiegeschichte. Übersetzt von Franz Martin Wimmer. Hg.: Ulrich Johannes Schneider. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1990. Kapitel 3: 97-150.

Die Herausbildung einer wissenschaftlichen Disziplin der Philosophiegeschichtsschreibung, welche für die Philosophie selbst Bedeutung hat, geschieht im 17. und 18. Jahrhundert, indem sowohl neue Betrachtungsweisen der Geschichte, als auch neue Erkenntnisformen der Philosophie in den Blick kommen. Hinsichtlich der Geschichte handelt es sich vor allem um die Idee der Kontinuität und des kontinuierlichen Fortschritts in Richtung auf eine umfassende Kenntnis und Beherrschung der Wirklichkeit. Diese Idee erlaubt, die Inhalte der alten überlieferten Philosophien als Stufen auf dem Weg zur Wahrheit zu sehen. Hinsichtlich der neuen Erkenntnisformen ist es vor allem die Vorstellung einer kollektiven Erkenntnis, der Interaktion zwischen Erkennenden der Vergangenheit und der Gegenwart, die gegen die einsamen Erkenntnisweisen des frühen Rationalismus sowohl als Empirismus ins Feld geführt wird. 1

Wir müssen uns noch einmal verdeutlichen, was der Angriff des Descartes gegen jede bloß historische Erkenntnis besagte. Einmal hatte Descartes den philosophiehistorischen Nachrichten jeden eigentlichen Erkenntniswert in dem Sinn abgesprochen, als es sich bei ihnen immer nur um Meinungen verschiedener Leute handelte, die auf wer weiß welche Weise zu diesen Meinungen gekommen waren. Eine Erkenntnis, die diesen Namen verdient, konnte nach Descartes jedoch nur dann zustande kommen, wenn der Erkennende bestimmte Regeln beachtete, von denen Descartes glaubte, er selbst habe sie nunmehr vollständig zusammengestellt. Es wäre zwar nicht auszuschließen, dass auch andere, frühere Philosophen die eine oder andere dieser Regeln beobachteten, aber sie haben es nicht bewusst getan, sie haben die Regeln nie formuliert, und sie konnten daher auch nie sicher sein, alles Wesentliche bedacht und alles Irreführende ausgeschlossen zu haben. Trotz der mannigfachen Beziehungen Descartes' zu seinen scholastischen Vorgängern dürfen wir annehmen, dass darin ein sehr berechtigter Punkt seiner Kritik lag: die Scholastiker gaben nicht an, nach welchen Regeln sie ihre Thesen ausgewählt, ihre Objektionen vervollständigt, und damit ihre Lehrsätze abgesichert haben. Jeder Leser etwa einer Quaestio2 des Thomas von Aquin wird diesen Mangel empfinden: einzelne Fragestellungen, Meinungen, Gegenmeinungen, Unterscheidungen werden referiert, diskutiert, nach ihrer Kohärenz mit einander, mit der Bibel oder mit Aristoteles untersucht, aber nirgends erfährt der Leser, warum nun mit gerade diesen Unterscheidungen alles gesagt, warum mit gerade diesen Meinungen alle Einwände oder Unklarheiten beseitigt seien. Die vorgebliche Plausibilität oder scheinbare Umfassendheit rechtfertigt sich nicht nach expliziten Regeln, sondern nach einem zwar selbstverständlichen, aber eben nur für Zeit- und Anschauungsgenossen selbstverständlichen Fragespiel.

Diesem ungenügenden Zustand stellte Descartes eine Methode gegenüber, ausdrücklich formulierte Regeln, die zur Erkenntnis von allem überhaupt Erkennbaren notwendig und zugleich hinreichend sein sollten. Diese Regeln konnte jeder einzelne für sich anwenden, er brauchte sich dabei nicht um die Meinungen anderer zu kümmern, sollte dies gar nicht. Natürlich fallen im Stil der Argumentation damit die bisherigen Objektionen und Distinktionen weg. Wenn ein Satz streng nach den Regeln gewonnen war, so war er gewiss und zugleich wahr. Es gab keinen Unterschied zwischen methodisch gewonnenen und wahren Sätzen. Es gab aber auch nicht Sätze, die mehr oder weniger gewiss, mehr oder weniger regelgerecht waren: Descartes' Erkenntnis beansprucht, alles zu erlangen, was erkennbar ist, und nichts zu behaupten, was nicht erkennbar ist. Die Idee des Wahrscheinlichen im Sinn einer graduellen Annäherung an das Wahre ist diesem Denken fremd. Dementsprechend konnten denn auch Sätze früherer Philosophen nicht an sich wissenswert sein für jemand, der die Philosophie erfassen wollte. Und tatsächlich spielte die Geschichte der Philosophie, sofern sie eine Geschichte von Philosophen, ihren Aussprüchen und Lehren, ihres Lebens, ihrer Bücher und Schulen war, bis ins 18. Jahrhundert keine Rolle im Studium der Philosophie; sie beanspruchte, um mit Nietzsches Unterscheidung zu sprechen, lediglich antiquarisches oder höchstens noch apologetisches Interesse.


Jakob Thomasius und Gottfried Wilhelm Leibniz

Die Situation ändert sich sichtlich mit Jakob Thomasius (1622-1684) und seinem Schüler Leibniz. Thomasius führt erstmals, formaler Dispute überdrüssig, historische Fragestellungen in das Studium der Philosophie selbst ein. Die Beschäftigung mit der These Thales' über das Wasser als Urgrund der Wirklichkeit und mit ähnlichen Philosophemen hat eine ganz neue Funktion: es ist eine systematische Untersuchung einer philosophischen Frage. Diese neue Funktion erfordert aber auch eine neue Form der Untersuchung: nicht mehr die Geschichte von Philosophen - ihren Werken, Schulen, Lebensumständen - interessiert in erster Linie, sondern die Geschichte philosophischer Lehrsätze; so schreibt Leibniz an seinen Lehrer, er würde "non Philosophorum, sed philosophiae historiam"3 liefern, wogegen andere „vitas potius quam sententias“ geliefert haben.

Thomasius wollte weder die unhistorische Tradition der Philosophie fortsetzen, noch wollte er die Geschichte der Philosophie weiterhin als bloße Literaturgeschichte verstanden wissen. Dennoch scheint er nicht die entscheidenden Thesen formuliert zu haben, aufgrund derer das vielfältig-bunte philosophische Erbe der Vergangenheit erst zu einem systematisch fruchtbaren Ganzen geworden wäre. Dies allerdings tut Leibniz.

Für die Funktion und die Methode der Behandlung der Philosophiegeschichte hat Leibniz entscheidende Thesen formuliert. Zunächst einmal ist von Bedeutung, dass Leibniz sich von Descartes' Weg der Wissensfindung trennt: nicht der einsame Denker, der seine Regeln zur Leitung des Geistes anwendet, findet bei der Betrachtung der Welt alles Wissensmögliche, sondern dazu braucht es auch das Kennenlernen der Gedanken anderer. Das heißt, dass auch Irrtümer, Halbwahrheiten und Vermutungen ihren Erkenntniswert haben. Dies jedoch kann nur zutreffen, wenn die Gleichsetzung von Gewissheit und Wahrheit oder zumindest der Anspruch aufgegeben wird, in der Gewissheit des erkennenden Subjekts die ganze Wahrheit zu finden, der gegenüber jede Abweichung schlicht Nicht-Wahrheit ist. Für Leibniz liegt ein wesentlicher Bereich zwischen der Wahrheit und der Nicht-Wahrheit: der Bereich des Wahrscheinlichen. Nicht alles oder nichts ist die Devise, sondern Erkenntnis der graduell wahrscheinlicheren, wahrheitsnäheren Sätze. Und derartige, wahrscheinliche Sätze lassen sich gerade auch in der Geschichte der Philosophie finden.

Um diese Aufgabe zu erfüllen, muss aber Geschichte der Philosophie systematisch betrieben werden. Sie muss ausgehen von einer rigorosen Textkritik, deren Methoden die Philologen bereits entwickelt haben. Sie muss den Wahrheitsgehalt der kritisch rekonstruierten Aussagen prüfen, ausgehend vom Wissen um das Mögliche. Und sie wird fruchtbar, wenn die Kohärenz der einzelnen Philosopheme und Systeme in einer historischen Kontinuität gezeigt wird. Zwar kann diese Kontinuität letztlich nur vom übergeschichtlichen Gesichtspunkt eines absoluten Geistes aus erkannt werden, der die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Denkens zugleich sieht, aber auch das vereinte Bemühen möglichst aller Menschen, d.h. das Gespräch der Gegenwart mit der Vergangenheit führt in diese Richtung.

Leibniz denkt nicht eklektisch. Nicht im Zusammenstellen aller Meinungen und dann im Heraussuchen der momentan plausibelsten liegt die erkenntnisfördernde Stärke der Philosophiegeschichte, sondern im Nachspüren der wesentlichen Aussagen, in denen sich unter der Vielfalt der jeweils zeitgebundenen Gedanken die eine Wahrheit mitgegeben findet. Die "ewige Philosophie" manifestiert sich zu verschiedenen Zeiten in verschiedenem sprachlichem und gedanklichem Gewand. Die vorhandenen Thesen sind alle nur einseitige - Hegel wird sagen: abstrakte -, unter einem bestimmten Gesichtspunkt getroffene Ausprägungen der einen Philosophie. Aber man kann diese eine, verborgene Philosophie nicht finden, wenn man nicht ihren Formen im historisch Gegebenen nachgeht.4 Eine Realisierung dieser Gedanken in Form eines Geschichtswerks findet sich bei Leibniz nicht. Seine Entwürfe philosophiegeschichtlicher Arbeiten bleiben merkwürdig traditionell. So spricht er etwa von einer Anthologie der besten Gedanken der Alten, die zur Erziehung der Jugend brauchbar sein könnte, und von einem humanistisch gebildeten Philosophen zusammengestellt werden sollte.

Neben dem bedeutenden Beitrag für die Neuentwicklung der Geschichtskenntnis im allgemeinen und für die Grundlegung einer wissenschaftlichen Philosophiegeschichte durch Leibniz' Bestimmung des Wahrscheinlichen, müssen noch andere Faktoren untersucht werden, wenn die Entstehung der Philosophiegeschichte als wissenschaftlicher Disziplin geklärt werden soll. Dass weder Scholastiker noch Cartesianer sich besonders mit der Philosophiegeschichte befassen, fällt nicht weiter ins Gewicht, aber man sollte glauben, dass doch englische und französische Empiristen, die in vielem von Bacons Entwurf einer neuen Methodologie bestimmt sind, auch in diesem Bereich Bacons Anregungen hätten aufgreifen können. Dies ist nicht geschehen, wohl deshalb nicht, weil den Empiristen genau wie ihren rationalistischen Gegnern jeder Begriff einer Entwicklung des menschlichen Wissens fehlte. Sie alle behaupteten, beim Punkt Null anzufangen, um dann durch den aufgeklärten Einsatz der richtigen Mittel zur Erkenntnis zu gelangen. Diese Erkenntnismittel sahen die Empiristen zwar im richtigen Gebrauch der Sinne und des Verstandes, aber dazu benötigten sie ebensowenig historische Kenntnisse wie die Cartesianer.

Bacons Anregung zu einem systematischen Vergleich aller wissenschaftlichen Errungenschaften oder Meinungen der Vergangenheit wird zumindest für das Gebiet der Geschichte der Philosophie im 18. Jahrhundert von einem der wohl bedeutendsten Historiker der Philosophie aufgegriffen, von Jakob Brucker. Brucker ist weder ein Cartesianer, noch ein Anhänger Lockes, er ist auch kein Philologe im Sinn der humanistischen Tradition. Brucker kann eher als pietistischer Theologe angesprochen werden, er ist als Erzieher und Schulleiter tätig. Alle die Philosophiehistoriker der neuen Richtung sind deutsche lutherische Theologen und Pastoren: Schmidt, Lange, Mosheim, Budde, Syrbius, Walch, Heumann, Brucker. Philosophiegeschichtsschreibung ist zur Zeit ihrer radikalen Modifizierung ein deutsches, ein protestantisches Ding, wie Braun sagt.5

Die neuen Historiker der Philosophie stehen in der Tradition des Protests gegen die aristotelische Scholastik, für sie ist die Wahrheit erlebnismäßig zugänglich, eine innere Erfahrung, und nicht Ergebnis von Abstraktionsprozessen. Dieses Erlebnis wird erleichtert durch das Bekanntwerden mit den Wahrheitserlebnissen anderer Denker; daher sind für sie die Ausdrücke fremder, vergangener Erfahrung nicht mehr einfach Gegenstand einer letztlich unverbindlichen Neugierde - wie das bei den Polyhistoren doch noch der Fall war -, und ebensowenig sehen sie in irgendwelchen historischen Philosophemen verbindliche Lehren. Vielmehr wird alles aus der Vergangenheit der Philosophie Bekannte in einem neuen Verständnis aufgenommen, es wird grundsätzlich eklektisch betrachtet. Nicht die jeweiligen Borniertheiten der Schulphilosophen - der heutigen, wie der früheren - darf einer ernst nehmen, wenn er die Wahrheit kennenlernen will, denn diese beschäftigten sich nicht mehr mit dem Leben, sie ignorierten zugleich auch ihre eigene historische Gewordenheit. Vielmehr muss man überall den letzten Quellen nachgehen, um zu erkennen, woraus das gegenwärtige Denken sich geformt hat. Man muss die ursprünglichen Erlebnisse hinter den Wörtern und Sätzen suchen, wie Franz Budde es ausdrückt.


Johann Franz Buddeus (1667-1729)

Budde, der Unterrichtsbücher über die Geschichte der Philosophie verfasst und in Jena einen Kreis junger Wissenschaftler um sich sammelt, stellt sich mit seiner Arbeit gegen die gänzlich unhistorischen, aber höchst erfolgreichen Anhänger Christian Wolfs. Buddes Intention ist die Ablehnung jedes 'Systems': alle neueren Philosophen, Paracelsus, Ramus, Galilei, Descartes, Hobbes, Grotius sind Systematiker, d.h. sie haben ein axiomatisiertes System philosophischer Sätze aufzubauen oder abzuleiten gesucht. Dies, sagt Budde, ist Dogmatismus. Man darf nicht nach einem System von Sätzen suchen, man muss die Dinge selbst betrachten: "ex rerum ipsarum contemplatione" lässt sich ein Urteil darüber gewinnen, welche einzelnen Sätze, seien sie nun alt oder neu, besser sind. Dazu freilich braucht es nach Budde zweierlei: es braucht einmal den richtigen Verstand, man muss die "recta ratio" haben, um die Natur einer Sache klar zu erkennen, und man muss zweitens eine umfassende Kenntnis der Geschichte des Denkens haben, um zur Auswahl der besten, treffendsten Sätze imstande zu sein.

Buddes "Compendium" (1712)6 bringt gegenüber dem Vorangegangenen eine bedeutsame Neuerung: es setzt den Begriff einer gewissermaßen natürlichen Philosophie voraus, der gegenüber alle historischen Systeme der Philosophen bestimmte Abweichungen aufweisen. Die spezifische Struktur jedes einzelnen Systems kann daher - wie seit Aristoteles nicht mehr versucht - sozusagen von außen, mit Hilfe von Kategorien und Begriffen erfasst werden, die nicht diesem System selbst oder einer anderen Tradition entnommen sind. Wir können uns der Philosophie allerdings am Besten auf dem Weg über ihre historischen Konkretisierungen nähern, weswegen Budde seinen Kursen jeweils eine historische Einführung voransetzt. Die Philosophie überhaupt hat ihr Ziel in nichts Geringerem als der Beförderung sowie Erhaltung von Glückseligkeit, und zwar der ewigen wie der zeitlichen7, und dem soll auch die Kenntnis von deren Geschichte dienen. Sie lehrt beispielsweise, dass die „barbarische“ Philosophie8 das Beste im griechischen Denken beeinflusst hat und der griechischen Philosophie insgesamt vorzuziehen ist, da letztere dazu neige, den Weg zu „leeren Spekulationen“ zu beschreiten.9

Der meistzitierte Autor in Buddes Compendium ist ein französisch-hugenottischer Polyhistor10, der neue Kriterien und Praktiken historischer Kritik einführt:


Pierre Bayle (1647-1706)

Bayles "Dictionnaire historique et critique" (1696)11 ist für die neuen Historiker - die vor allem in der neugegründeten Universität Göttingen tätig sind - und die Philosophiehistoriker von größtem Einfluss. In diesem Werk hat Bayle die Grenzen der rein philologischen Kritik nicht nur theoretisch überschritten, sondern die neue Form historischer Kritik auch praktisch durchgeführt: er lehnt es strikt ab, absurde Meinungen weiterzugeben, auch wenn sie noch so exakt und einheitlich überliefert sind. Sein Kriterium der Ausgrenzung ist das vernunftgemäß Mögliche bzw. Unmögliche. So steht bei Diogenes Laertius über Chrysipp, dieser habe seine Schriften oft überarbeitet und deshalb so viele hinterlassen. Das ist nach Bayle unlogisch:

angesehen die Mühe, ein Werk öfter zu übersehen, und es auszuputzen, die allervermögendste Sache der Welt ist, einen Scribenten zu verhindern, daß er viel Bücher in die Welt schicken kann. … Ich glaube also, daß Diogenes Laertius versichert hat, es habe unser Chrysippus seine Arbeit die meiste Zeit nicht verbessert.

In diesem Fall ist es wohl wahrscheinlich, sagt Bayle, dass Abschreiber des Diogenes an dieser Stelle „das Alpha privativum vergessen“ haben.12 Unsinnige oder unverständliche Behauptungen, die beispielsweise Diogenes Laertius gewissen Philosophen in den Mund legt, weigert sich Bayle zu kommentieren oder zu interpretieren. Wenn Diogenes dem Archelaos die Lehre von der Fortpflanzung von Tieren und Menschen und der Entstehung der vier Elemente zuschreibt, diese seien aus der Hitze und der Feuchtigkeit entstanden, schreibt Bayle:

ich muß bekennen, daß ich nicht das geringste von seinen Worten verstehe, und also will ich mir auch nicht die Mühe nehmen, sie abzuschreiben. Herr Menage, welcher dieselben seinen Erklärungen, ohne Beysetzung einiger Note, einverleibet hat, wußte vermuthlich derselben Bedeutung nicht. Die andern Ausleger sind nicht glücklicher gewesen ...13

Auch den alten Sinn- und Merksprüchen gegenüber ist er skeptisch: man habe sie wohl mit der Autorität berühmter Namen versehen, aber solche Zuschreibungen seien ganz unzuverlässig. In Wirklichkeit handle es sich wohl meist um Erfindungen der Studierstube, die man dann der größeren Reputation wegen markanten Personen oder bemerkenswerten Umständen zuschrieb.

Insgesamt ergreift Bayle „die Partey des Perrault, de la Motte, und Fontenelle“14, wie Gottsched anmerkt, gehört also zur Partei der „modernes“ gegen die „anciens“. In zahlreichen Details zerstört also Bayle viele Legenden, indem er nicht mehr eine textimmanente, rein philologische Kritik verfolgt, sondern nach Gründen fragt, aufgrund deren das, was in Texten ausgesagt ist, möglich/unmöglich oder wahrscheinlich/unwahrscheinlich ist; ob dabei am Schluss auch ein Gesamtbild der Geschichte herauskommen könnte, das frei von solchen Legenden und doch nicht ganz leer wäre, ist ein Punkt, in dem Bayle skeptisch bleibt.


Christoph August Heumann (1681-1764)

Heumann übernimmt von Bayle die Methode der Detailkritik, er begründet damit den wissenschaftlichen Charakter der von ihm entworfenen Disziplin. Aber er geht darüber hinaus, indem er einen Plan entwirft, bei dessen Verwirklichung ein berechtigtes philosophisches Interesse Nutzen aus der Kenntnis der Geschichte ziehen könnte. Die Kritik der historischen Nachrichten stellt dafür zwar keine hinreichende, aber eine notwendige Vorbedingung dar. Heumann skizziert in seiner "Einleitung zur Historia Philosophica" (1715)15 sieben Problembereiche dieser neuen Disziplin. Zu untersuchen sind: erstens der Nutzen der Philosophiegeschichtsschreibung; zweitens die Bedeutung der Zentralbegriffe "sophus" und "philosophus"; drittens die Möglichkeit der Unterscheidung wahrer und bloß vorgeblicher Philosophie; viertens die Frage nach dem Ursprung und dem Werden der Philosophie; fünftens die Eigenart philosophischer Begabung; sechstens der 'philosophische Glaube' und siebtens schließlich die mögliche Einteilung der Philosophiegeschichte. „In diesem Text von 1715“, schreibt Braun, „kommt die Philosophiegeschichte zu sich selbst und sucht in den Besitz ihres spezifischen Gegenstandes zu gelangen: hier bestimmt sie sich und wird zur Disziplin.“16

Insgesamt scheint die Philosophie für Heumann so etwas wie ein wachsendes Subjekt zu sein, ein sich zwar verändernder, aber doch identisch bleibender Organismus:

"Denn gleichwie wir erst Kinder seyn müssen, ehe wir Männer werden, und dies der natürliche Lauf aller Dinge ist, daß von der Unvollkommenheit zu einem vollkommenen Wesen Stuffenweise in die Höhe steigen; ebenermaßen verhält es sich mit der Philosophie. Es mußte dieselbe so zu reden erst in der Wiege liegen, hernach bekam sie einige Kräffte, sich selbst zu bewegen, biß sie endlich festen Euß setzen und eine männliche gravität annehmen kunte."

Dieser Lebenslauf der Philosophie soll also nachgezeichnet werden. Begonnen habe es mit der "einfältigen Weißheit" der alten Hebräer. Chaldäer und Ägypter haben die Wissenschaften, nicht aber die Philosophie begründet. Diese beginnt, "sich selbst zu bewegen", bei den Griechen, zuerst aber nur "particulariter", dann "systematice, und endlich gar universaliter und systematice zugleich, oder, mit einem Worte, pansophice." Die Christen als Erben der Griechen haben diese übertroffen aufgrund ihres Besitzes der göttlichen Weisheit.

Wie soll nun die Rekonstruktion des Lebenslaufs der Philosophie aussehen? Zuerst einmal ist zu klären, welche Funktion die Philosophiegeschichte haben soll, damit sie entsprechend ihrer Aufgabe betrieben werden kann. Philosophiegeschichte ist nach Heumann in derselben Weise nützlich, wie Geschichtskenntnis überhaupt: zur Kritik traditionsbedingter Vorurteile. Auf dem speziellen Gebiet der Philosophie dient die Kenntnis der Geschichte dazu, die Spreu vom Weizen zu scheiden, verbreitete Märchen als solche zu erkennen. Sie befreit vom Autoritätsglauben und verhilft dazu, die Sachen selbst zu sehen, ohne an den Worten einer bestimmten Schule zu kleben. Außerdem lernt man selbst philosophieren, indem man andere dabei beobachtet. Auch ermöglicht uns die Kenntnis der Geschichte die wirklich wichtigen Texte schneller zu erkennen, was bei der Kürze des Menschenlebens notwendig ist. Ferner kann die lebendige Vertrautheit mit der Geschichte uns selbst wahrheitsliebend und weise machen durch das Beispiel, das die Philosophen darin geben: "longum iter per praecepta, breve et efficax per exempla".

Drei weitere Vorteile nennt Heumann, die das Studium der Philosophiegeschichte verschaffen soll: einmal, das Verständnis von Texten zu ermöglichen, denn dies sei unmöglich, wenn einer nicht die Geschichte und Herkunft der Begriffe und Thesen kennt. Dann, ein Verständnis für die alten, unter verschiedenen Namen stets wiederkehrenden Irrlehren zu bekommen; oft hatten die christlichen Häresien ja ihre Brutstelle in einem philosophischen System. Schließlich soll die Kenntnis der Geschichte auch die Wege der Vorsehung erkennen lassen, hat doch die natürliche Vernunft der Alten das Christentum vorbereitet.

Geschichtsschreibung der Philosophie, wenn sie von Nutzen sein soll, muss jedenfalls zuverlässig sein. Welche Merkmale und Bedingungen gibt Heumann dafür an? Hinsichtlich der Forderungen an die historisch-philologische Seite des Unternehmens schließt sich Heumann an die Polyhistorie und an Pierre Bayle an mit ihren Postulaten der strengen, exakten Rekonstruktion dessen, was hinter den uns überlieferten, vielfach verwischten Thesen an Wirklichkeit erkennbar ist. Wichtiger ist, was Heumann die "principia philosophica" der neuen Disziplin nennt. Da ist einmal die Forderung, sich auf unbezweifelbare Tatsachen zu stützen. Der Philosophiehistoriker muss also zuerst ein Systematiker der Philosophie sein, der unbezweifelbare Tatsachenbehauptungen sucht, und dann vergleicht, in welcher Weise sich die überlieferten Aussagen dazu verhalten. Zweitens muss der Philosophiehistoriker die berichteten Sätze auch einer inhaltlichen Kritik unterwerfen - eine Vorstellung, die der humanistisch-philologischen Historie ganz fremd gewesen wäre. Das exaktest überlieferte Dokument kann doch Unsinn enthalten. Um aber diese Form der Kritik durchzuführen, braucht der Historiker Kriterien für Mögliches und Unmögliches. Möglich ist für Heumann nicht alles, was naturgesetzlich - nach der Kenntnis seiner Zeit - möglich ist. Zwar wird auch der Begriff des naturgesetzlich-Unmöglichen verwendet, um bestimmte Nachrichten in ihrem Wahrheitsgehalt zu kritisieren, z.B. Berichte über Bilokation. Aber Heumann geht weiter, er verwendet auch psychologische oder soziologische Plausibilitäten, wenn er etwa kritisiert, was Diogenes, Cicero und andere berichten: Theophrast habe eigentlich Tyrtamos geheißen, sei aber von Aristoteles zunächst in 'Euphrast' ('der Wohlredende'), dann in 'Theophrast'('göttlicher Redner' umbenannt worden. Diese Nachricht sei aus zwei Gründen sicher falsch: erstens entspreche diese Wortbildung nicht der griechischen Grammatik (und 'Theophrast' hieße eigentlich 'der von Gott Gesprochene'), und zweitens sei dem Aristoteles eine so eitle Spielerei nicht zuzutrauen. Das Normale - im Sinn einer kohärenten Vorstellung - wird hier zur Norm des geschichtlich Möglichen. Dies gilt, wie wir sehen werden, ebenso für Brucker; es krankt natürlich daran, dass eine einheitliche, in allen Kulturstufen gleiche Vernünftigkeit vorausgesetzt wird. Eine völlig andere, modernere Haltung in dieser Frage der Interpretation fremder Kulturen nimmt im 18. Jahrhundert G. Vico ein. (Vgl. Skriptum zur Geschichte der Geschichtsphilosophie, Teil 1)

Noch ein weiterer normierender Gesichtspunkt verhilft zur Orientierung im Meer des historisch Faktischen: der richtige Begriff von dem, was 'philosophisch' heißen soll. Bisher sei die Sache ja recht willkürlich und weitgehend eine Sache der Selbstbenennung - oder, wie sich in Stanleys Chronologie zeigt, der naiven, ursprünglichen Fremdbenennung - gewesen. Nun aber werde niemand, der mit seinem Schiff auf offener See unterwegs ist, sich bloß auf die Flagge verlassen, die er an einem anderen Schiff sieht; er würde sonst allzu leicht Opfer von Seeräubern. Ebensowenig dürfe sich der Historiker der Philosophie auf die Selbstbenennungen verlassen, die er in den Texten der Tradition vorfindet. Philosophie ist nach Heumann (nur) die Erforschung nützlicher Wahrheiten, die in der Vernunft begründet sind. Damit scheiden Aberglaube, eitle Wortspiele, Mystik, Autoritätsglaube, Dichtung usw. aus. Philosophie muss dem Leben nützen, und sie darf nur Sätze enthalten, die mit der Vernunft begründet werden können. All die bloß interessanten Anekdoten, biographischen Details, die Gedankenspiele der Scholastiker wie die Autoritätsbeweise von Pythagoreern und ähnlichen Sekten interessieren den Historiker der Philosophie nicht, sie gehören nicht zu seinem Gegenstand.

Wird in dieser Weise der Gegenstand abgegrenzt, so genügt das doch noch nicht, um die Geschichte dieses Bereiches vernünftig durchsichtig zu machen, um also zu zeigen, was sich wie verändert, entwickelt hat, oder, mit Heumann zu sprechen, wie aus dem "particulariter" sich selbst bewegenden Kind der gravitätisch schreitende Mann wurde. Es sind die Bedingungen zu untersuchen, die zu gerade diesen Formen der Philosophie in gerade diesem Volk und dieser Epoche geführt haben. Wir erinnern uns hier wieder an Bacons Programm, denn von Heumann wird es aufgegriffen: der Historiker der Philosophie muss der Frage nachgehen, warum es zu einem bestimmten Zeitpunkt gerade diese Philosophie gibt, und er tut dies, indem er die ausschlaggebenden Faktoren untersucht. Es ist ja nicht damit getan, zu sagen, in Griechenland sei die Philosophie entstanden, oder zu behaupten, im 15. und 16. Jahrhundert habe sie eine Wiedergeburt erlebt. Was sind die Ursachen? Kennen wir nämlich die Ursachen, so können wir auch fördernd eingreifen, indem wir die Bedingungen schaffen, von denen wir wissen, dass sie förderlich sind.

Ein erster Faktor, der dem Blühen der Philosophie förderlich ist, kann zwar nicht verändert, aber er kann kalkuliert werden: es ist das gemäßigte Klima. Weder in zu kalten, noch in zu heißen Klimaten gibt es Philosophen. In den kalten Ländern entstehen bestenfalls Kompilatoren, in den heißen Zonen Abergläubische. Eine zweite Bedingung ist die Muße, die Freiheit von der Sorge um den Lebenserhalt. Dies verschafften einst Vermögen und Mäzene, jetzt sind es die Kirche und die Universität. Aber auch hier sei ein mittlerer Zustand der beste: weder die Not noch der Reichtum sollen den Geist mit Beschlag belegen. Ein dritter wichtiger Faktor ist die Konkurrenz. Der Stachel des Wettstreits ist nach Heumann geradezu notwendig. Ferner sind Archive, Bibliotheken, Bücher im allgemeinen eine große Hilfe. Sokrates würde sich heute zweifellos auf die große Zahl von Moraltraktaten stürzen. Aber sie sind nicht ganz unerlässlich, wie eben Sokrates gezeigt hat.

Neben diesen allgemeinen, soziologisch-ökonomischen Bedingungen, in denen man ohne große Phantasie die Faktoren des beginnenden industriellen Zeitalters wiedererkennt, untersucht Heumann auch individuell wirksame, psychologische Faktoren. Zunächst nimmt er eine Verstandesfunktion an, welche die Fähigkeit des Urteilens ausmacht; Heumann nennt sie "ingenium". Dies ist eine natürliche Fähigkeit, die alle Menschen in höherem oder geringerem Maße haben. Wichtiger ist, dass dieses Ingenium unterschiedlich wirksam wird bei aktiven und bei passiven Denkern. Passive Denker sind jene, die Vorstellungen weitergeben und zusammenstellen, die bereits von anderen entwickelt worden sind. In der Philosophie - wie sonst auch - gibt es viele passive Denker: sie mögen gelehrt sein, ein gutes Gedächtnis haben, die besten Schulen absolvieren - wirkliche Philosophen werden sie nicht, sondern Pseudophilosophen. Die wirklichen Philosophen erkenne man daran, dass sie etwas Neues gefunden, ein neues Licht in die Welt gebracht haben. Nur diese müsse der Philosophiehistoriker behandeln.

Aber auch die aktivsten Denker wachsen nicht aus der Erde; sie haben Lehrer, und die Eindrücke ihrer Jugend prägen sie. Daher müsse man auch die Lehrer eines Philosophen berücksichtigen, wenn man die Eigenart der Philosophie eines dieser aktiven Denker darstellen und erklären will.

Unter den aktiven Denkern gibt es noch einen bedeutsamen Unterschied: die einen denken streng nach Prinzipien, argumentieren nach Regeln. Die anderen lassen ihrer Phantasie freien Lauf. Unter den Trägern eines guten Ingeniums gibt es also insgesamt drei Typen: bei den ersten ist das Gedächtnis am besten ausgebildet (passive Denker), bei den zweiten die Vorstellungskraft (fantastische Denker), bei den dritten der Verstand (philosophische Denker).

Auch unter den verstandesbetonten, philosophischen Denkern findet Heumann noch Grund, eine Hierarchie festzustellen: es gibt solche, die ihrem Denken bestimmte Grenzen auferlegen - durch ihre Vorurteile -, und andere, die ihre Urteilskraft ohne derartige Beschränkung ausüben. Letztere sind Philosophen erster, die andern Philosophen zweiter Größe.

Diese Festsetzungen Heumanns betreffen keinerlei Chronologie; sie betreffen eine überzeitlich konstant gedachte psychische Natur des Menschen. Es gibt immer wieder Fantasten, Nachbeter und Selbstdenker. Und unter den Selbstdenkern gibt es immer wieder solche, die sich von Vorurteilen bestimmen lassen. So etwa sieht Heumann in den Scholastikern passive Denker, also Pseudophilosophen, und es wird zum Problem, warum diese zu ihrer Zeit als Philosophen gelten konnten. Böhme ist nach Heumann ein Phantast, Melanchthon ein Philosoph zweiter, Aristoteles und Christian Thomasius sind Philosophen erster Größe.


Jakob Brucker (1696-1770)

Auf dem Hintergrund dieser systematisch-methodologischen Reflexionen Heumanns entsteht nun um die Mitte des 18. Jahrhunderts das eindrucksvolle Lebenswerk Jakob Bruckers. Er bringt die Auffassungen der Aufklärung auf diesem Gebiet am deutlichsten zum Ausdruck, und er wirkt auch noch weit in das 19. Jahrhundert hinein auf die europäische Philosophie. Bruckers Bedeutung für die Philosophiegeschichtsschreibung ist kaum zu überschätzen, auch wenn er heute nur mehr wenig bekannt ist. Es sei, um eine Vorstellung von seiner Produktivität zu geben, nur auf die wichtigsten seiner Schriften hingewiesen: "Historia philosophica doctrinae de ideis" (1723); "Kurze Fragen aus der philosophischen Historie vom Anfang der Welt bis auf die Geburt Christi" (9 Bde., 1731-36); "Historia critica philosophiae a mundi incunabilis ad nostram usque aetatem deducta" (5 Bde. in 4deg., 1742-44; 2.Aufl.: 6 Bde. 1766-67); "Institutiones historiae philosophicae usui academicae juventutis adornatae" (1747); "Erste Anfangsgründe der philosophischen Geschichte" (1736) u.v.a. Es liegt auf der Hand, dass ein derartiges Opus auch bei größtem Fleiß unmöglich gewesen wäre, wenn nicht entsprechende Vorarbeiten ebenso vorgelegen hätten, wie eine klare und anwendbare Methode der Darstellung. Aber auch das Interesse der Zeitgenossen am Thema muss groß gewesen sein. Bereits der Umfang des Hauptwerks (7000 großformatige Seiten) mit zwei Auflagen innerhalb von 25 Jahren beweist dieses Interesse. Von der Wirkung Bruckers wird später noch zu sprechen sein.

Fragen wir uns, wie Brucker den Gegenstand, die Funktion und die mögliche Wissenschaftlichkeit der Philosophiegeschichtsschreibung sieht, und wie er sein Programm durchführt. Ich stütze mich dabei in erster Linie auf die "Dissertatio praeliminaris" (deutsche Übersetzung und Kommentar von Philip Meier 2015), mit der Brucker die "Historia critica" eröffnet, und in der er diese Fragen diskutiert. In einer kürzeren Version hat Brucker seine methodologischen Voraussetzungen in den "Institutiones" formuliert (davon eine deutsche Übersetzung in Wimmer 1990, Anhang 3).

Erstens ist für eine wissenschaftliche Geschichtsschreibung eine klare Abgrenzung des Gegenstandes notwendig; daher definiert Brucker seinen Begriff von 'Philosophie'. Er findet diesen Begriff nicht in den Quellen vor, denn soweit sie den Ausdruck überhaupt enthalten oder schon bisher unter diesen Ausdruck subsumiert worden sind, was bei außereuropäischen Quellen nicht oder kaum der Fall ist, bezeichnet der Ausdruck nicht immer dasselbe. Es kann und braucht nicht alles als Philosophie betrachtet zu werden, was jemals so benannt wurde; andererseits sind Schriften und Autoren einzubeziehen, die bisher nicht so klassifiziert wurden. In ganz traditioneller Weise übersetzt Brucker 'Philosophie' mit 'Liebe zur' oder 'Streben nach Weisheit'. Dabei kommt alles darauf an, was er unter 'Weisheit' versteht. Dies bezeichnet für Brucker eine zuverlässige Erkenntnis derjenigen Dinge, die zum wahren Glück der Menschen beitragen, wobei diese Erkenntnisse zugleich praktisch anwendbar sein müssen. Sofern etwas nur eine theoretische Erkenntnis ist, die von keinerlei Nutzen sein kann, verdient sie die Bezeichnung 'Weisheit' nicht.

Es gibt Menschen, die ihre Auffassungen in prinzipiellen Fragen in Lehrsätzen ausgedrückt haben. Die Geschichtsschreibung der Philosophie soll diese Lehrsätze darstellen. Dies kann entweder geschehen, indem man den verschiedenen Ausprägungen eines Problems oder einer These nachgeht, und dafür hat Brucker mit seiner Geschichte der Ideenlehre (lat., 1723) ein Beispiel geliefert; dies ist dann die "historia doctrinarum philosophicarum". Oder man kann das jeweilige Ensemble von Thesen vor Augen führen, das eine philosophische Schule, ein Autor oder ein Volk entwickelt hat. Dann liefert man eine "historia philosophiae", und dies tut Brucker u.a. in der "Historia critica".

Eine solche "historia philosophiae" könnte man sich zwar ganz gut so vorstellen, dass sie keinerlei biographische oder sonstige Nachrichten über die Philosophierenden enthielte. Selbst Eigennamen der Autoren solcher Thesen (wie z.B. "Platon") müssten in einer derartigen Schilderung nicht mehr vorkommen, da es ja nur darum ginge, zusammenhängende Gedankenfolgen darzustellen, und nicht darum, mit den Personen bekanntzumachen, von denen diese Gedankenfolgen entwickelt wurden. Die Geschichte von Personen, von philosophierenden Menschen, gehört also nicht notwendig zur "historia philosophiae" wie Brucker betont. Aber er hat eine solche Möglichkeit nur erwähnt, nicht ausgeführt. Und es wäre auch eine ungewohnte Vorstellung, philosophische Systeme der Vergangenheit ganz ohne Erwähnung von Lebens- und Gesellschaftsumständen und im konsequenten Fall auch ohne Erwähnung von Namen einzelner oder Schulen darzustellen. Für Brucker hat diese Selbstverständlichkeit, dass biographische und andere Daten mitzuteilen sind, einen Grund darin, dass aus den Lebensumständen, den Mitwelteinflüssen, den Tugenden, Lastern und Gewohnheiten ebenso wie aus den intellektuellen Voraussetzungen der Zeit, in der die Philosophierenden ihre Gedanken entwickelt haben, ihre Lehrsätze "erklärt" werden können.

"Die Lebensumstände der Philosophen haben großen Einfluß auf Art und Aufbau ihrer Systeme und man muß daher den Grund (ratio) für diese jeweils darin suchen." (Dissertatio praeliminaris)

Wenn Brucker also Lehrsätze wiedergibt: wie kann er sicher sein, dass er sie richtig wiedergibt und ihr Entstehen zutreffend erklärt? Diese Frage nach der adäquaten Erfassung des Gegenstandes stellt sich für Brucker so, dass er zunächst eine Methode angeben muß, mit deren Hilfe er die von den untersuchten Autoren aufgestellten Sätze in ihrem Wortlaut rekonstruieren, sie dann sammeln und in einer richtigen, wenn auch vereinheitlichenden Übersetzung darstellen kann.

Diese Methode stellt an den Historiker bestimmte intellektuelle und charakterliche Anforderungen. Er muss vor allem die philologisch-kritische Methode beherrschen, also imstande sein, Fehlüberlieferungen und Entstellungen zu erkennen und auszuscheiden. Auch muss er frei von Vorurteilen denken können. Das "praejudicium" ist für den Aufklärer Brucker der erkenntnishemmende Faktor schlechthin. Solche Vorurteile, die für den Historiker besonders schädlich sind, sind einmal die übertriebene Verehrung des Alten; dann das "praejudicium auctoritatis", aufgrund dessen gewissen Menschen Weisheiten bloß deshalb zugeschrieben werden, weil diese Menschen berühmt sind; drittens die kritiklose Eingenommenheit für das Moderne; und schließlich das Vorurteil, die Alten hätten genau das gesagt, was zu dem eigenen philosophischen System des Historikers paßt, sie hätten sich genau mit den selben Fragen beschäftigt wie er selbst.

Was den Charakter des Philosophiehistorikers angeht, so müsse dieser vor allem die Parteilichkeit zu vermeiden wissen; er muss aufrichtig, ehrlich sein, und überdies bescheiden: denn alles zu wissen sei unmöglich.

Wenn ein Historiker diese Anforderungen erfüllt und zudem philosophisch gebildet ist, also ein systematisch geschultes Urteilsvermögen hat, so darf man objektive und zutreffende Ergebnisse doch erst dann erwarten, wenn sich der Philosophiehistoriker an die 15 "Cautelae", also Vorsichtsregeln hält, die Brucker im folgenden anführt. Ich nenne nur eine dieser Kautelen, um zu zeigen, woran sich das ganze Unternehmen orientiert:

"Wo den Philosophen Taten oder Lehrsätze von einer solchen Art zugeschrieben werden, daß sie die allgemeinen Regeln der Vernunft und der Sinne verletzen, die überdies von einem nüchternen und halbwegs gebildeten Menschen kaum erwartet werden können, dort darf man dies nicht einfach übernehmen, sondern muß alle solchen Nachrichten genauester Prüfung unterziehen." (ebd.)

Letztlich entscheidet also die Plausibilität nach Maßgabe der Zeit des Historikers darüber, was als historisch glaubwürdig gelten darf und was nicht.

Wenn auf diese Weise sorgfältig festgestellt wurde, was die Philosophen gesagt haben, so sind die Ergebnisse übersichtlich und klar darzustellen. Das Schema dabei bildet die Unterscheidung von "Sekten", wie sie schon von Diogenes Laertius durchgeführt worden war, wobei der chronologische Verlauf häufig durchbrochen wird. Dadurch ergibt sich eine Art tabellarischer Überblick, und Brucker hat solche Tabellen auch gesondert veröffentlicht. Aber nicht nur für den Gesamtaufbau des Werks gilt, dass er in klaren Tabellen dargestellt werden kann, sondern ebenso für die meisten einzelnen Abschnitte.

Der Grund für die stets gleiche Gliederung des Referats liegt darin, dass nach Bruckers Auffassung die menschliche Vernunft zu allen Zeiten und in allen Zonen ihre Aufmerksamkeit immer den selben Dingen zuwendet: den Prinzipien der Natur, des Denkens und des Handelns. Nach diesem Schema werden auch die Thesen der einzelnen Philosophen angeordnet. Wenn aber nun ein bedeutender Denker wie z.B. Sokrates nichts Nennenswertes über die Natur geäußert zu haben scheint, so sei dieser Anschein sicher auf unsere Unkenntnis zurückzuführen, es handle sich um unerforschtes Gebiet. Und in einem solchen Fall müsse sich der Geschichtsforscher doppelt bemühen, den weißen Fleck auf der Weltkarte der Philosophie zu verkleinern oder zum Verschwinden zu bringen. Und tatsächlich findet sich dann bei Brucker der Versuch einer Darstellung der Naturphilosophie des Sokrates genauso, wie eine Ethik der Jonier.

Mit wenigen Ausnahmen - die Darstellung Bacons bildet beispielsweise eine Ausnahme - werden nun die rekonstruierten Sätze eines Autors oder einer Sekte zusammengestellt, nachdem die Lebensumstände ausgeführt sind. Die Zusammenstellung geschieht nach den ewigen Interessezentren der Menschenvernunft, und sie enthält lauter distinkte Sätze. Diese Sätze kann Brucker daher durchlaufend numerieren; die einzelnen Autoren unterscheiden sich je nachdem, wie viele solcher nicht weiter rückführbaren Thesen sie formuliert haben. Es sind dies beispielsweise solche Sätze, die Brucker dem Aristoteles zuschreibt, wie "Natura semper agit propter finem" oder "Tempus est numerus motus secundum prius et posterius". Der ganze "Aristoteles" besteht aus genau 211 derartigen Sätzen (53 über Logik, 57 über Naturphilosophie, 32 über Metaphysik, 41 über Ethik und 28 über Psychologie). Diese Sätze hängen nicht von einander ab, es sind einzelne Entdeckungen des Aristoteles, die atomaren Bestandteile seines Systems.

In dieser Darstellungsweise kommt sicher das ständig wirksame didaktische Anliegen Bruckers zum Ausdruck; die Frage aber, ob jede Analyse zu ebensovielen und zu genau diesen Sätzen führen würde, wenn sie nur ordentlich durchgeführt wird, die Frage auch, ob die Übersetzung immer genau den Sinn trifft, diese Fragen interessieren Brucker allem Anschein nach nicht mehr.

Nach Bruckers Auffassung ist jedoch, wie schon erwähnt, eine adäquate Erfassung der Geschichte der Philosophie noch nicht erreicht, wo nur dargestellt und nicht auch erklärt wird. Es ist wesentlich, dass hierbei das Entdecken wahrer Sätze nicht erklärt zu werden braucht: dieses ergibt sich immer, wenn sich die Vernunft ohne Behinderung einem Gegenstand zuwendet. Aber das Vorkommen von Irrtümern, das ja zweifellos auch festgestellt werden kann, ist erklärungsbedürftig. Zu diesem Zweck ist die "historia personarum" notwendig: ihr entnimmt Brucker jeweils die Erklärungsgründe (rationes) für Irrtümer. Denn eine Reihe von Faktoren, die in der Biographie eines Philosophen auffindbar sind, können seine Vernunfttätigkeit beeinflussen: seine Lektüre, seine Lehrer, seine Art des Wissenserwerbs; die Ehrungen oder Gefahren, die mit der Ausübung der Vernunfttätigkeit in seiner Zeit verbunden sind; seine Gegner, sein Lebenswandel und seine spezifischen Illusionen. So erklärt sich beispielsweise des Aristoteles nach Brucker fehlerhafte Tugendlehre, wonach die Tugend jeweils ein Mittleres zwischen zwei Extremen sei, daraus, dass Aristoteles am Hof Makedoniens gelebt hat, und dass Höflingen im allgemeinen kompromißlose Moralgrundsätze wie diejenigen Platons nicht beizubringen seien. Nicht immer allerdings hat man bei Bruckers Erklärungen den Eindruck, dass die Lebensumstände tatsächlich nur zu dem erklärten Zweck der Erklärung von Lehrsätzen mitgeteilt werden: oft werden auch bei ihm einfach interessante oder amüsante Anekdoten weitererzählt wie diejenige von "Cratetis Haußfrau", die "ein artiges Frauenzimmer" gewesen sei, "das viele Gelegenheiten hätte haben können, sich glücklich zu verheyrathen, welche aber die besten Partheyen verworffen, und den alten runzlichten und garstigen Crateten erwählt..."(Erste Anfangsgründe etc.)

Auffallend ist das Fehlen jeder Theorie dieser erklärenden Faktoren. Da nicht festgelegt ist, welche Faktoren von größerem Einfluß sind als andere, welche zwingend, oder ob bestimmte Faktoren in der Regel eine bestimmte Art von Irrtümern bewirken, kann Brucker jeweils einen Erklärungsgrund finden, der ihm gerade ins Auge springt und passend erscheint. Es wird dadurch alles sehr plausibel, allerdings auch kaum überprüfbar.

Wenden wir uns abschließend noch der Funktion zu, die Brucker der Philosophiegeschichtsschreibung zuschreibt. Sie ist "historia intellectus humani", was zwar vielleicht eine barocke Übertreibung ist, aber damit begründet wird, dass es kaum eine Wissenschaft der Gegenwart gebe, die aus einer gut durchgeführten Geschichte der Philosophie nicht Gewinn ziehen könne. Diese Geschichte zeige nämlich nicht nur, wie die Erkenntnis der Wahrheit auf den verschiedenen Gebieten angewachsen sei, und wodurch sie jeweils gefördert wurde, sie zeige überdies, wie Irrtümer entstehen. Irrtümer kommen nicht aus der Natur des Menschen, sie sind nicht unvermeidlich, sondern Ergebnisse schlechter Denk- und Lebensgewohnheiten. Dies könne man im Detail in der Geschichte der Philosophie nachweisen, und dadurch diene diese in hervorragender Weise dazu, das größte Erkenntnishindernis zu überwinden, nämlich das "pestilentissimum auctoritatis praejudicium", die höchst gefährliche Autoritätsgläubigkeit. Es fällt schwer, bei diesem Ausdruck nicht an Kants Charakterisierung von Aufklärung zu denken; in diesem Sinn könnte man dann sagen: die Philosophiegeschichte, wie Brucker sie schreiben wollte, sollte ein Wegweiser sein, der den Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit herausweist.

Bruckers Werk ist heute weitgehend unbekannt und wird auch von Philosophiehistorikern selbst dann nicht immer erwähnt, wenn sie auf ihre Vorgänger Bezug nehmen. Dies besagt jedoch keineswegs, dass es einflußlos gewesen wäre. Denis Diderot, von dem die meisten philosophiehistorischen Artikel der "Encyclopédie" stammen, hat dafür fast ausschließlich Teile aus dem Werk Bruckers übersetzt und schätzte ihn höher als seinen Landsmann Boureau-Deslandes, einen Materialisten der Frühaufklärung, der ebenfalls eine Gesamtdarstellung der Geschichte der Philosophie vorgelegt hatte. Goethe, Kant, Hegel und Schopenhauer studieren Brucker. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts erscheint eine auflagenreiche Kulturgeschichte Griechenland unter dem Titel einer "Reise des jungen Anacharsis", die trotz des Vorliegens einer Reihe von neueren Werken für die Zitationen ausschließlich Brucker heranzieht, und 100 Jahre nach dem Erscheinen der "Historia critica" halten sie die Verfasser des 15-bändigen Conversations-Lexikons von Brockhaus für "noch jetzt in vieler Hinsicht brauchbar". Die Vergessenheit, der Brucker nach der Zeit der kritischen Philosophie und Hegels anheimfällt, erklärt sich wohl teilweise daraus, dass sein Hauptwerk lateinisch ist. Wichtiger aber dürfte noch sein, dass die statische Auffassung von der Vernunftnatur des Menschen durch die Philosophen des deutschen Idealismus und der Romantik jeglichen Kredit verlor. Dafür soll das Urteil Johann Georg Hamanns stehen, der selbst ein ganz anderes Konzept der Philosophiegeschichte entworfen hat:

"Stanley und Brucker haben uns Kolossen geliefert, die eben so sonderbar und unvollendet sind als jenes Bild der Schönheit, das ein Grieche aus den Reitzen aller Schönen, deren Eindruck ihm Absicht und Zufall verschaffen konnte, zusammensetzte." (Sokratische Denkwürdigkeiten)

Hegel schließlich kommt zu dem vernichtenden Urteil über Brucker, es sei dessen Werk für die Philosophie "ein großer Ballast." (Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Einleitung) Mit der Begründung dieses Urteils werden wir uns im Zusammenhang mit Hegels eigener These auseinandersetzen müssen, die Geschichte der Philosophie sei die Geschichte einer einzigen Entwicklung eines überindividuellen Subjekts. Doch sind an dieser Stelle zumindest einige Bemerkungen über den Status der Philosophiehistorie bis zur Zeit der Aufklärung angebracht, wobei Bruckers Werk gewiß einen Höhepunkt markiert.

Mit der Zeit der Aufklärung hat die Philosophiehistorie nicht nur den Status einer reflektierten Disziplin erreicht und jene Beschreibungsbegriffe eingeführt, die bis in die Gegenwart bestimmend geworden sind, indem sie von immanent philosophischen Entwicklungen ausging. Sie hat überdies das Bild von der vergangenen Philosophie etabliert, das in der Zeit der globalen Expansion europäischer Denkformen imstande war, die Gleichsetzung von Philosophie mit europäischer Philosophie stillschweigend oder auch ausdrücklich zu propagieren. Damit ist die Geschichtsschreibung der Philosophie mit der ebenfalls in der Aufklärung einsetzenden säkularisiert verstandenen Universalgeschichtsschreibung und der Geschichtsphilosophie in einem Zusammenhang zu sehen: in jeder dieser Richtungen oder Disziplinen wird ein Gang der Menschheit entworfen, der von einem Ursprung her durch eine Entwicklung hindurch auf Ziel hin verläuft oder, wie man ab der Romantik sagen sollte, "sich entwickelt".

Literatur

Lucien Braun: Geschichte der Philosophiegeschichte. Übersetzt von Franz Martin Wimmer. Hg.: Ulrich Johannes Schneider. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1990. (Erstdruck: frz. 1973)
Giovanni Santinello und Gregorio Piaia (Hg.):
Models of the History of Philosophy. Volume II: From Cartesian Age to Brucker. (International Archives of the History of Ideas. Hg. von C.W.T. Blackwell und Philip Weller. Bd. 204). Dordrecht: Springer, 2010. (Erstdruck: 1979 ital.)
Franz Martin Wimmer: "Philosophiegeschichtsschreibung in praktischer Absicht." In:
CONCEPTUS. Zeitschrift für Philosophie 14, Nr. 33 (1980) S. 28-46.
ders.: Interkulturelle Philosophie - Theorie und Geschichte. Wien: Passagen, 1990

ANMERKUNGEN

1Zum Thema dieses ganzen Abschnitts vgl. Braun 1990, S. 97-150, sowie: Giovanni Santinello und Gregorio Piaia (Hg.): Models of the History of Philosophy. Volume II: From Cartesian Age to Brucker. (International Archives of the History of Ideas. Hg. von C.W.T. Blackwell und Philip Weller. Bd. 204). Dordrecht: Springer, 2010. (Erstdruck: 1979 ital.)

2Vgl. Franz Martin Wimmer: "Quaestio." In Sachwörterbuch der Mediävistik, Hg.: Peter Dinzelbacher, S. 664-65. Stuttgart: Kröner, 1992.

3Leibniz: Brief an Jakob Thomasius, 20./30. April 1669. Zitiert nach Braun 1990, S. 100. Braun merkt hier allerdings an, dass es unsicher sei, ob Thomasius selbst seine Arbeit so verstanden hat, wie Leibniz dies darstellt.

4Dieser Gedanke bestimmt ebenso noch die Auffassung der Wissenssoziologie bei Max Scheler. (Vgl. Skriptum zur Vorlesung Ideologiekritik)

5Vgl. Braun 1990, S. 103. Leider sind auch an dieser Stelle durch den Herausgeber der deutschen Übersetzung einige deutliche Aussagen Brauns weggekürzt worden, weswegen auf Brauns Original (1973, 94) zu rekurrieren ist: „L'histoire de la philosophie est, au moment de sa modification radicale, chose allemande, chose protestante.“ Ähnlich hatte schon Tennemann in seiner „Vorrede des Übersetzers“ zu Degerandos Werk 1806 betont: „Die deutsche Nation hat für die Urbarmachung und Cultur des Feldes der Geschichte der Philosophie weit mehr geleistet, als jede andere Nation. Dieses ist ein Factum, welche keines Beweises bedarf. Je mehr die andern Nationen mit der deutschen Nation und ihrer Literatur bekannt werden, desto mehr erkennen sie dieses Verdienst der Deutschen, sowohl in dem fleissigen Sammlen der Materialien, als in Bearbeitung derselben an.“ Vgl. Joseph Marie Degérando: Vergleichende Geschichte der Systeme der Philosophie mit Rücksicht auf die Grundsätze der menschlichen Erkenntnisse. Übersetzt von Wilhelm Gottlieb Tennemann. 2 Bde. Bd. 1. Marburg: Neue academische Buchhandlung, 1806. S. VII.

6Johann Franz Buddeus: Compendium historiae philosophicae. Observationibvs Illvstratvm Hg.: Johann Georg Walch. Halae Saxonvm: Orphanotrophium, 1712. Zu Budde vgl. die Darstellung bei: Francesco Bottin und Mario Longo: "The History of Philosophy from Eclecticism to Pietism." In: Models of the History of Philosophy. Volume II: From Cartesian Age to Brucker, Hg.: Giovanni Santinello und Gregorio Piaia, S. 301-86. Dordrecht: Springer, 2010. (Erstdruck: 1979 ital.)

7Buddeus 1712, S. 12: finis, qui est verae felicitatis acquisitio ac conservatio. Felicitas autem hominis vel summa est & aeterna, vel subordinata & temporalis. Utramque philosophia pro fine habet.

8Buddeus 1712, S. 39 teilt die „heidnische“ Philosophie in „barbarische und griechische“ ein. Die „barbarische“ wiederum in „orientalische oder asiatische“ und „europäische“, wobei manche noch die „afrikanische“ hinzufügen: „Gentilium philosophia … in barbaricam & graecanicam dispesci potest. Barbarica vel orientalis est sive Asiatica; vel occidentalis sive Europaea, quibus nonnulli Africanam addunt.“

9Buddeus 1712, S. 89: „... barbarica philosophia insignem laudem promeretur & graecaniae, vanis speculationibus viam munienti, multum est praeferenda.“ Daraus spricht eine religiöse Skepsis, wie sie im „Traum des Kallias“ in Barthélemys „Reise des jungen Anacharsis“ (1788) ebenso begegnet.

10So nennt Gottsched Bayle in der deutschen Übersetzung von dessen „Dictionnaire“: „Wenn jemals ein Gelehrter mit gutem Rechte den Namen eines Polyhistors verdient, und in seinen Schriften mit allgemeinem Beyfalle behauptet hat: so ist es gewißlich Herr Bayle gewesen“ (Vorrede des Herausgebers zu Band I, 1741) Gottsched diskutiert hier die Bedeutung des Ausdrucks „Polyhistor“ ausführlich.

11Das Wörterbuch erscheint ab 1741 in vier Bänden auf Deutsch: Bayles historisch- und kritisches Wörterbuch. Übersetzt von Johann Christoph Gottsched. 4 Bde. Leipzig: Breitkopf, 1741-44. Digitalisate dieser Ausgabe sind im Internet zugänglich, vgl. zu Bd. I:
http://books.google.at/books?id=0MxbAAAAcAAJ&hl=de&source=gbs_navlinks_s

12Pierre Bayle: Historisches und Critisches Wörterbuch. Zweyter Theil. C bis J. Übersetzt von Johann Christoph Gottsched. Leipzig: Breitkopf, 1742. S. 179

13Pierre Bayle: Historisches und Critisches Wörterbuch. Erster Theil. A bis B. Übersetzt von Johann Christoph Gottsched. Leipzig: Breitkopf, 1741. S. 292


14Gottsched im Register zu Band 4 des „Wörterbuchs“ (1744), Stichwort Bayle.

15In: Christoph August Heumann: Acta philosophorum, das ist gründliche Nachrichten aus der historia philosophica. Erstes Stück. Halle: Rengerische Buchhandlung, 1715.

16Braun 1990, S. 114.


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