Franz Martin Wimmer

Annähern und Aneignen



In: "Mit Eroberungen leben" Mitteilungen des Instituts für Wissenschaft und Kunst - IWK - Wien. H. 1-2, 1993, S. 5-11
Wiederabdruck in: Kulturphilosophische Essays 1992-2002

Die Insel, auf der der historische Kolumbus zuerst landet, bekommt von ihm einen Namen (und dasselbe passiert noch ungezählte Male mit Bergen, Pflanzen, Tieren, Völkern, menschlichen Vorstellungen und Leidenschaften usf.). Die Dinge wehren sich nicht, sie sprechen nicht über sich selbst. Es ist zwar ein Unterschied in der Gewohnheit, ob ein Objekt als Namen "San Salvador" oder "N 12" bekommt - die erstere Praxis verweist auf ein theologisches Weltbild, die zweitere vielleicht auf ein positivistisches -, aber in jedem Fall bleibt gleich: die entdeckten und zu erobernden Dinge benennen sich nicht selbst. Und dies gilt eben nach der Auffassung der neuzeitlichen Wissenschaft nicht nur für Inseln, Sterne, Mineralien, Pflanzen und Tiere, sondern auch für alle Menschen, soweit sie sich in einem anderen als dem durch das jeweilige Wissenschaftsparadigma bestimmten Modell verstehen.
Wenn das aneignende und erobernde Verhalten der neuzeitlichen Wissenschaft seinen Kern in der erfolgreichen Beschreibung einer sinnlosen Welt hat, so werden wir gut daran tun, die Möglichkeiten des Dialogs und der Begegnung zu entwickeln. Dazu aber sind diejenigen Denkformen in unserer wie in anderen Kulturen lebendig zu halten, die den Normalitätsanspruch der Totalerklärung nicht erhoben haben oder nicht erheben wollten.

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Letzte Änderung Dezember 2002