Exkurse in der Vorlesung am 23.11.14:

1) Philosophie als Magd von Theologie, Jurisprudenz und Wissenschaften (Wien 18. Jh.)

(Auszug aus: Philosophiehistorie in Österreich ca 1750 - ca 1830)

Im Jahre 1788 hielt der damalige Dekan der philosophischen Universität Wien, Georg Ignaz Freyherr von Mezburg in Anwesenheit eines Vertreters des Kaisers eine festliche Rede über die neue Einrichtung des philosophischen Studiums und den Nutzen desselben, die bald darauf im Druck erschienen ist.1 Hier definiert der Redner Philosophie als "die Wissenschaft allgemeiner Vernunft- und Naturwahrheiten", führt den allgemeinbildenden Charakter dieses Studiums aus, und stellt diese Wissenschaft eindeutig als eine propädeutische Disziplin vor.

Es sind eigentlich nur drey Wege, auf denen man durch Gelehrsamkeit zum Besten des gemeinen Wesens, das ist, zur Beförderung der zeitlichen, der körperlichen und der ewigen Glückseligkeit der Mitmenschen etwas beytragen kann; den ersten gehet der Rechtsgelehrte, den zweyten der Arzt, den dritten der Seelsorger und Theologe.2

Es handelt sich also um eine Philosophie als ancilla (jurisprudentiae, medicinae, theologiae), und dies wirkt möglicherweise noch bis in die Zeit des Liberalismus und ins 20. Jahrhundert weiter, wo in Österreich eine Philosophie als ancilla scientiae von hohem Rang entwickelt wurde. Ich wüßte in diesem Zusammenhang gerne, was es mit Jadot de Ville-Isseys Entwurf von 1755 auf sich hat, der in ein achsialsymmetrisches, riesenhaftes Architekturmodell einen großen achteckigen Platz für Paraden und andere Demonstrationen militärisch-staatlicher Macht einzeichnet, in dessen Zentrum das Standbild des Fürsten zu Pferde steht. An den westlichen und östlichen Begrenzungen dieses Platzes befinden sich die Kirchen der beiden (?) Religionen, zur Demonstration und Verstärkung der geistlichen Macht. Dahinter jeweils ein weitläufiger Gefängnisbau, einer für Frauen, einer für Männer. Die vier Diagonalachsen weisen jeweils ins Zentrum einer der vier Fakultäten, den Brennpunkten der geistigen Macht. Bedenkt man, wie viele sinnige Umstände der Natur- und Geschichtsentwicklung zusammenspielen mußten (etwa die Zweigeschlechtlichkeit des Menschen, der Augsburger Religionsfriede und andere Ereignisse der Natur- und Menschengeschichte), um einen derartigen Kosmos natürlich oder wenigstens plausibel erscheinen zu lassen, so kann man sich daraus wohl einen Begriff machen, was "aufgeklärter Absolutismus" sein konnte.

































Die großen Manifestationen des absoluten Staates sind hier in einem Riesenprojekt zusammengebracht: Beherrschung der Armee, des Gesetzes, des Glaubens und des Wissens. Rückbrods Bemerkung hierzu bleibt eher kryptisch: "Es ist nicht bekannt, ob vielleicht umfangreichere Bauabsichten des österreichischen Kaiserhofs Jadot zu dieser Planung veranlaßt haben."3

Die Studienreform jedenfalls, auf die der Dekan Mezburg sich bezog, datierte er in das Jahr 1756. Dem Philosophen oder dem "Selbstdenker" blieb in Mezburgs Vorstellung die Rolle des moderaten Skeptikers zugewiesen, der bei all seiner Kenntnis der Naturgesetze und -sachverhalte doch auch

von der Beschränkung seines Verstandes ... überzeugt (ist) und erkennet also denselben für kein hinlängliches Werkzeug zur Richtschnur seines Glaubens.4

Das "Bürgerrecht der leibniz-wolffischen Schule", von dem Gmeiner uns also in dem selben Jahr berichtet, in dem der Wiener Dekan die Philosophie deutlich in ihre dienenden Schranken weist, und in dem im fernen Königsberg die Kritik der reinen Vernunft ihre zweite Auflage erfährt, es ist ein wohlgeregeltes, abgezirkeltes Bürgerrecht, wobei den Zirkel zu führen nicht der Vernunft oder der Philosophie zukommt, sondern dem Repräsentanten des Gemeinwohls.

2) Dekadenz in Amerika?

a) In: Franz Martin Wimmer: "Das Lateinamerikabild deutscher Philosophen." In: Lateinamerika Aspekte,Wien, Nr. 14 (1992): 1-14.
Online:
http://homepage.univie.ac.at/franz.martin.wimmer/la92.html (PDF)

Hier insbesondere: ad Herder, S. 6F, auch Fußnote 25; sowie ad Hegel, S. 12f.

b) Essayistische Darstellung:
Franz Martin Wimmer: "Wo die wilden Zniachtln wohnen oder In Amerika ist alles so klein." In: Der Standard, Wien (1990 08 03): Album. Online abrufbar: http://homepage.univie.ac.at/franz.martin.wimmer/1990 amerika-zniachtln_Standard.pdf


3) Klimatheoretische Erklärungen der Verschiedenheit menschlicher Gesellschaften-Kulturen

Beispiel: Ibn Khaldun

1Georg Ignaz Frh. v. Mezburg: Rede über die neue Einteilung des philosophischen Studiums und den Nutzen desselben. Wien, 1788.

2ebd., S.16

3Konrad Rückbrod: Universität und Kollegium. Baugeschichte und Bautyp. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1977. S. 153

4Mezburg 1788, S. 19