Spezielle Relativitätstheorie


11. Relativistischer Dopplereffekt
 

Problemstellung

Die Tonhöhe (Frequenz), mit der ein Schallsignal empfangen wird, hängt davon ab, ob und wie sich Sender und Empfänger relativ zum Ausbreitungsmedium (also beispielsweise zur Luft) bewegen. Dieser Effekt heißt nichtrelativistischer Dopplereffekt.

Ein analoger Effekt wird auch für Lichtsignale erwartet und als relativistischer Dopplereffekt bezeichnet. Allerdings können die Formeln für den nichtrelativistischen Dopplereffekt in diesem Fall nicht angewandt werden, denn für Licht ist kein mechanisches Ausbreitungsmedium (Äther) identifizierbar - die Lichtgeschwindigkeit hat ja in jedem Inertialsystem denselben Wert. Daher kann auch nicht gesagt werden, wie schnell sich Sender und Empfänger relativ zu einem solchen Medium bewegen. Die Frequenz des empfangenen Signals kann lediglich

  • von der Frequenz des ausgesandten Signals
  • und der Relativgeschwindigkeit zwischen Sender und Empfänger

abhängen. Der Einfachheit halber nehmen wir an, dass die relative Bewegung von Sender und Empfänger in einer einzigen Raumdimension (voneinander weg oder aufeinander zu) stattfindet. (Sender und Empfänger treffen einander also irgendwann in ihrer Geschichte). In diesem Fall erwarten wir eine einzige Formel für die Frequenzveränderung, im Gegensatz zum nichtrelativistischen Fall, in dem üblichwerweise zumindest die beiden Fälle "Sender ruht, Empfänger bewegt sich" und "Empfänger ruht, Sender bewegt sich" unterschieden werden.
 

Herleitung

Der relativistische Dopplereffekt ist im Grunde genommen ein raumzeitlicher (man könnte auch sagen: geometrischer) Effekt, für dessen Verständnis nicht auf die "physikalische Natur des Lichts" (die durch die Quantenelektrodynamik beschrieben wird) zurückgegriffen werden muss. Er tritt immer dann auf, wenn die zeitliche Information über einen periodischen Vorgang durch Lichtsignale übermittelt wird. Wir modellieren ihn wie im folgenden Raumzeit-Diagramm:

Wir nehmen an, dass der Sender punktförmig ist und wählen ein Inertialsystem, in dessen räumlichen Ursprung er ruht. An seinem Ort findet ein periodischer Prozess statt, der durch die blauen Punkte auf der Zeitachse vertreten wird. (Man kann sich zum Beispiel das Ticken einer Uhr vorstellen). Die Periodendauer in der Eigenzeit des Senders (d.h. im betrachteten Inertialsystem) sei T (wir können sie direkt an der Zeitachse ablesen). Diesem Prozess können wir - wieder in seinem Ruhsystem - die Frequenz  f = 1/T  zuordnen. An jedem der durch einen der blauen Punkte auf der Zeitachse dargestellten Ereignisse wird ein Signal mit Lichtgeschwindigkeit ausgesandt und von einem (gleichförmig) bewegten Empfänger registriert. Diese Empfangs-Ereignisse sind durch blaue Punkte auf der Weltlinie des Empfängers (der sich hier vom Sender wegbewegt) dargestellt. In dessen Eigenzeit kommen sie nun in regelmäßigen Zeitabständen von T ' an. Für den Empfänger reproduziert sich der periodische Prozess, allerdings mit einer anderen Periodendauer und daher einer anderen Frequenz f ' = 1/T '.

Um T ' und f ' zu berechnen, nehmen wir einen Ausschnitt des vorigen Diagramms und verschieben die Weltlinie des Senders so, dass sie durch den Ursprung geht und das erste Sende-Ereignis mit dem ersten Empfangs-Ereignis zusammenfällt. (Das vereinfacht die Rechnung, ändert physikalisch aber nichts).

Weiters sind in diesem Diagramm die (Geraden-)Gleichungen der Weltlinien des Empfängers und des eingezeichneten Signals angegeben. Um die Zeitkoordinate des Schnitpunkts A zu ermitteln, lösen wir die Gleichung  c (t - T) = v t  und finden, dass das Ereignis A im Inertialsystem des Senders zur Zeit  t = c T/(c - v)  stattfindet. Um das Eigenzeitintervall T ' zwischen O und A zu finden, müssen wir die Formel für die Zeitdilatation verwenden und erhalten

T '  =   t (1 - v2/c2 )1/2   =   c T (1 - v2/c2 )1/2 (c - v)-1, (1)

was nach einer weiteren Umformung auf
T '  = 

1 + v/c
1 - v/c


1/2

 
T
(2)

führt. Zuletzt ersetzen wir die Periodendauern durch die Frequenzen f = 1/T und f ' = 1/T ' und erhalten mit
f '  = 

1 - v/c
1 + v/c


1/2

 
f
(3)

die Formel für den relativistischen Dopplereffekt. In unserer Herleitung bewegen sich Sender und Empfänger auseinander, und das obige Diagramm macht nur für v > 0 Sinn. Wir überlassen es den LeserInnen, die analoge Situation zu analysieren, wenn sich Sender und Empfänger aufeinander zubewegen, und merken nur an, dass die Formel (3) für beide Fälle gilt, wobei

  • v als positiv angenommen werden muss, wenn sich Sender und Empfänger voneinander wegbewegen (dann ist f ' < f ) und
  • als negativ, wenn sie sich aufeinander zubewegen (dann ist f ' > f ).

Die Veränderung der Periodendauer und damit der Frequenz eines Prozesses, dessen zeitliche Information durch Lichtsignale übermittelt wird, ist ein universelles Phänomen, dessen Details nicht von der physikalischen Natur des Prozesses abhängen. Wie unsere auf Punktteilchen und (punktförmige) Uhren beruhende Herleitung gezeigt hat, liegt sein Ursprung in den Eigenschaften von Raum und Zeit begründet.
 

Anwendungen

Zum Abschluss wollen wir noch ein paar Anwendungsbeispiele erwähnen:

  • Eine unserer Herleitung und den obigen Diagrammen direkt entsprechende Situation ergibt sich, wenn aus einem Raumfahrzeug jede Stunde ein kurzes Funksignal zur Erde abgesetzt wird. Je nach Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit werden die Signale auf der Erde in anderen Zeitabständen eintreffen.
     
  • Es kann sich aber durchaus auch um die Aussendung einer Lichtwelle einer bestimmten Frequenz (Farbe) handeln. (Das war unsere ursprüngliche Motivation). In diesem Fall hat die - durch Formel (3) beschriebene - Frequenzveränderung die Bedeutung einer Farbveränderung. (Falls sich Sender und Empfänger voneinander wegbewegen, spricht man von einer Rotverschiebung, falls sie sich aufeinander zubewegen von einer Blauverschiebung).
     
  • Schliesslich stecken im relativistischen Dopplereffekt - insbesondere in Formel (2) - eine Reihe ungeahnter Anwendungsmöglichkeiten zur Herleitung verschiedener anderer Effekte der Speziellen Relativitätstheorie. Darauf werden wir im Abschnitt über den Bondischen k-Kalkül näher eingehen.

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