Spezielle Relativitätstheorie
5. Alternative zur Herleitung der Effekte
Die
herkömmliche Vorgangsweise |
In den beiden vorangegangenen
Abschnitten wurden knappe Herleitungen der beiden wichtigsten Einzeleffekte
der Speziellen Relativitätstheorie (Zeitdilatation
und Lorentzkontraktion) beschrieben.
Das entspricht der herkömmlichen Vorgangsweise, wobei die Argumentation
zur Lorentzkontraktion die Formel der Zeitdilatation als Voraussetzung
benötigt. Sie hat aber einige Nachteile:
- Die beiden Effekte werden
voneinander getrennt, d.h. anhand verschiedener physikalischer
Prozesse behandelt. Insbesondere der notwendige Rückgriff auf
die Zeitdilatation in der Argumentation zur Lorentzkontraktion ist
für Lernende oft schwierig.
- Die für die quantitativen
Argumentationen nötige Mathematik ist an sich sehr einfach, aber
aufgrund der wechselnden Standpunkte (Inertialsysteme), von denen
aus Prozesse betrachtet werden, ein bisschen ungewöhnlich, da
sie nicht die Struktur von Standardbeispielen des Mathematikunterrichts
hat.
- Die betrachteten Situationen
eignen sich nicht besonders gut zur Darstellung in einer Animation.
In der Praxis wird
dabei meist mit statischen Grafiken (auf Tafel, Overheadprojektor oder
Papier) gearbeitet. Diese
benötigen in der Regel soviele Hinweise auf die quantitative Analyse,
dass es schwierig ist, die beiden physikalischen Situationen zuerst
qualitativ zu besprechen und dann die Berechnungen den Lernenden in
eigenständiger Arbeit zu überlassen.
Als Alternative
(oder Ergänzung) bietet sich die Betrachtung eines physikalischen
Systems an, das aus vier Photonen besteht, die in die vier Himmelsrichtungen
ausgesandt und (in ihrem Ruhsystem) an einer Kreislinie reflektiert
werden. (Wer will, kann auch von einer "zweidimensionalen Lichtuhr"
sprechen). Diese alternative Form der Argumentation wurde vom Autor
dieses Lehrgangs als interaktive Animation gestaltet und didaktisch
aufbereitet, und sie kann hier aufgerufen werden:
Effekte
der Speziellen Relativitätstheorie
Motivierung und Herleitung der Längenkontraktion und der Zeitdilatation
anhand eines physikalisch einfachen animierten Modells
(http://www.ap.univie.ac.at/users/fe/Rel/Effekte/)
Sie weist folgende
Vor- und Nachteile auf:
- Die Vorgangsweise eignet
sich sehr gut zur Darstellung in einer Animation, die durchaus auch
im Rahmen eines Vortrags vorgeführt werden kann.
- Die beiden Effekte der Lorentzkontraktion
und der Zeitdilatation werden anhand eines einzigen physikalischen
Systems gefunden. Ausgehend von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit
wird eine bewegte "zweidimensionale Lichtuhr" (und zum Vergleich
eine ruhende) betrachtet. Dabei treten zunächst Widersprüche
zur galileischen Physik auf, deren sukzessive Eliminierung sich gut
eignet, das neue Konzept von Raum und Zeit zu entwickeln. Das geschieht
zunächst ohne rechnerische Vertiefung (da die Animation den Betrachtern
die Berechnung der auftretenden Photonen-Bewegungen abnimmt).
- Die qualitativen Aspekte
der Argumentation treten in der Argumentation ganz zwanglos auf, sind
intuitiv ansprechend und lassen sich relativ leicht verstehen. Die
rechnerische Durchdringung kann, muss aber nicht durchgeführt
werden. Für das Verständnis der zentralen Gedanken ist sie
nicht nötig.
- Zur quantitativen Analyse
ist zwar ein bisschen schwierigere Mathematik nötig als
in der herkömmlichen Methode, aber sie reduziert sich logisch
gesehen darauf, die Animation "nachzurechnen". Kein weiterer
Bezug zur Relativitätstheorie ist während der Berechnungen
nötig. Mathematisch gesehen tritt lediglich eine einfache geometrische
Betrachtung und der - von der Struktur
her bekannte - Typ einer "Fahrplanaufgabe"
auf, die im Unterricht keine unüberwindliche Schwierigkeit darstellen
sollte.
Da sich die qualitativen
und quantivativen Aspekte dieser Argumentation gut trennen lassen, kann
die Animation dazu verwendet werden, einem mathematisch ungeübten
Publikum die Grundgedanken der Theorie zu vermitteln. Im Schulunterricht
hingegen ist es durchaus im Bereich des Möglichen, zunächst
die Animation zu besprechen und danach die quantitative Analyse (das
"Nachrechnen" der Animation) den SchülerInnen in eigenständiger
Arbeit zu überlassen. (In der oben angegebenen Seite finden sich
zwar Tipps zur Berechnung, letztere ist aber nicht im Detail ausgeführt).
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