Lichtablenkung im Gravitationsfeld

Beschreibung und Aufgaben

Die Allgemeinen Relativitätstheorie sagt voraus, dass sich Licht in der Nähe massiver Körper nicht geradeaus fortbewegt, sondern abgelenkt wird. Die Animation simuliert, wie dieser Effekt während einer totalen Sonnenfinsternis gemessen werden kann. Dabei wollen wir Schritt für Schritt vorgehen:
  1. Die Lichtablenkung nach der Allgemeinen Relativitätstheorie wird durch folgende Formel beschrieben: Ein Lichtstrahl wird durch einen Stern der Masse M um den (im Bogenmaß gegebenen) Winkel

    Dj   =    4GM

      
     b c2

    abgelenkt, wobei G die Gravitationskonstante, c die Lichtgeschwindigkeit und b die minimale Entfernung des Lichtstrahls vom Mittelpunkt des Himmelskörpers (der so genannte Stoßparameter) ist. Etwas übertrieben sieht das so aus:


    Die obige Formel kann auch in der Form Dj  =  2R S / b geschrieben werden, wobei R S  =  2GM / c2 der Schwarzschildradius des Sterns ist. Ein Lichtstrahl, der knapp an der Oberfläche des Sterns vorbeigeht, wird demnach um den Winkel Dj  =  2R S / R abgelenkt, wobei R der Sternradius ist.
    Aufgabe 1: Berechne Dj  =  2R S / R für die Sonne!
  2. Der entscheidende Durchbruch gelang der Allgemeinen Relativitätstheorie, als im Jahr 1919 die Ablenkung des Lichts an der Sonne experimentell beobachtet wurde. Die Animation zeigt, wie das im Prinzip geschehen ist. Die Idee besteht darin, die Position von Sternen am Himmel zu messen, deren Licht knapp an der Sonne vorbeigeht. Da das Licht der Sonne jenes der Sterne bei Weitem überstrahlt, ist eine solche Beobachtung nur während einer totalen Sinnenfinsternis möglich.
     
  3. Die in der Animation angezeigten Ablenkungswinkeln sind der besseren Sichtbarkeit halber stark übertrieben. Daher spielt die Animation nicht in unserem realen, sondern in einem Phantasie-Sonnensystem.
     
  4. Wir versetzen uns also in ein Phantasie-Sonnensystem, in dem die Erde von einem Mond umkreist wird, dessen Größe und Umlaufbahn es wie im wirklichen Sonnensystem möglich machen, dass von Zeit zu Zeit eine totale Sonnenfinsternis eintritt.
     
  5. Die Animation zeigt ein kurzes Zeitintervall vor und nach der Totalität, in dem die Messung sonnennaher Sternpositionen möglich ist.
     
    • Links oben ist eine Zeitanzeige eingeblendet. Die Totalität tritt zum Zeitpunkt t = 0 ein.
    • Daneben siehst du Koordinaten, die die aktuelle Position des Cursors in Bogensekunden angegeben. Indem du auf diese Weise die Koordinaten zweier Punkte bestimmst, kannst du Winkel am Himmel messen.
    • Zur besseren Positionsbestimmung eines Himmelsobjekts kannst du mit dem Button Raster ein Netz von Linien einblenden. Die Seitenlänge eines Kästchens entspricht einem Beobachtungswinkel am Himmel von einer Bogenminute ( = 60 Bogensekunden). Die angezeigten Koordinaten beziehen sich auf diesen Raster.
    • Um Sternpositionen in Ruhe messen zu können, kannst du mit dem Button Stop/Run die Animation anhalten und wieder fortsetzen.
    • Die Szene wiederholt sich immer wieder.
    Aufgabe 2: Schau dir ein paar solcher Sonnenfinsternisse an und beobachte, wie die sonnennahen Himmelsobjekte ihre (scheinbare) Position ändern. Beschreibe in deinen eigenen Worten, was du siehst! Passen die Bewegungen der Sterne mit der Hypothese von der Ablenkung des Lichts zusammen?
  6. Nun simulieren wir eine Messung der Lichtablenkung durch die Phantasie-Sonne.
    Aufgabe 3: Versuche, den Ablenkungswinkel für Licht, das knapp an der Sonne vorbeigeht, auf einige Bogensekunden genau zu messen! Welche der gezeigten Objekte eignen sich dafür?
    (Überlege dir zuerst selbständig eine Vorgangsweise, und sieh dir erst danach diesen Tipp an!)
    Da die Ablenkung klein ist, ist keine sehr genaue Messung möglich. Schätze ab, wie genau deine Messung ist
  7. Nehmen wir nun an, die Phantasie-Sonne hätte den gleichen Radius wie die wirkliche Sonne.
    Aufgabe 4: Berechne aus dem Ergebnis von Aufgabe 3 mit Hilfe der oben angegebenen Formeln die Masse der Phantasie-Sonne!
  8. Damit haben wir das Prinzip der Messung besprochen und wollen zum Abschluss noch einige Bemerkungen anfügen:
     
    • Die oben angegebene Formel für den Ablenkungswinkel Dj gilt genau genommen nur, wenn der Stern kugelsymmetrisch und nicht allzu kompakt ist. Konkret muss er sehr viel größer als sein Schwarzschildradius sein. Das ist für gewöhnliche Sterne wie unsere Sonne erfüllt. Für Objekte, die nicht kugelsymmetrisch sind (wie beispielsweise Galaxien) gibt die Formel zumindest die Größenordnung der Lichtablenkung an.
       
    • Bei der wirklichen Sonne ist der Ablenkwinkel viel kleiner: er beträgt nur 1/30 des in der Animation gezeigten Werts! (Vergleiche selbst deine Ergebnisse für Aufgabe 1 und Aufgabe 3!)
       
    • Beim realen Experiment gibt es natürlich keine Koordinatenanzeige und keinen bequemen Raster. Statt dessen müssen Winkel zwischen Sternen vermessen werden.
       
    • Historisch fand die erste Beobachtung der Lichtablenkung durch die Sonne am 29. Mai 1919 statt. Der englische Astronom Arthur Stanley Eddington reiste zu diesem Zweck auf die Vulkaninsel Principe im Golf von Guinea in Westafrika. Eine zweite Expedition unter der Leitung von Andrew Crommelin beobachtete sie von Sobral in Brasilien aus. Die Messungen waren noch recht ungenau, brachten aber dennoch die Anerkennung der Allgemeinen Relativitätstheorie, und erst dieser Erfolg machte Einstein weltweit berühmt.
      Wir merken der Vollständigkeit halber an, dass auch im Rahmen die Newtonschen Physik eine Ablenkung des Lichts durch schwere Massen vorausgesagt wurde. Allerdings ist der berechnete Wert nur halb so groß wie der von Einstein vorhergesagte. Die Beobachtung von 1919 war deshalb so bedeutend, weil sie eine Entscheidung zwischen Newton und Einstein darstellte.
    • Die Sonne ist im kosmischen Maßstab ein sehr naher Himmelskörper. Bei Objekten, die weit entfernt und genügend groß sind (wie Galaxien und Galaxienhaufen), kann die Lichtablenkung noch aufregendere Effekte bewirken: Dahinter liegende (ebenfalls weit entfernte) Objekte (wie Galaxien) können mehrfach erscheinen:



      Was beobachten wir auf der Erde?

      Wir sprechen in diesen Fällen von Gravitationslinsen. Ist der Galaxienhaufen annähernd kugelförmig, und liegt eine Galaxie genau dahinter, so sehen wir ihre zahlreichen Bilder, wie die in blauem Farbton dargestellte Galaxie auf dieser Aufnahme des Hubble Space Telescope, in Form eines so genannten Einstein-Rings angeordnet:


      Phänomene dieser Art werden heute dazu verwendet, um die Massen von Galaxien und Galaxienhaufen zu bestimmen.
      Aufgabe 5: Angenommen, du wolltest aus dieser Aufnahme die Masse des Galaxienhaufens, der das von der blauen Galaxie kommende Licht ablenkt, abschätzen. Überlege, welche Größen du benötigst, um die oben angegebene Formel für die Lichtablenkung anwenden zu können, und wie diese Größen mit Hilfe anderer Methoden bestimmt werden können.