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Von Graphen, Genen und dem WWW


Online-Skriptum


Vorbemerkungen
 

Über dieses Online-Skriptum

Eine Vorlesung über "außermathematische Anwendungen im Mathematikunterricht" zu halten, zwingt zu Auswahl und Beschränkung hinsichtlich der behandelten Thema und Methoden. Ich möchte hier die Gesichtspunkte, nach denen ich bei der Zusammenstellung der Inhalte vorgegangen bin, kurz beschreiben.

Der Sinn außermathematischer Anwendungen im Mathematikunterricht ist vielfältig. Anwendungen können dazu dienen, mathematische Begriffe und Sachverhalte zu illustrieren, sie zeigen, dass Mathematik in alltagsrelevanten Kontexten nützlich sein kann, und in seltenen Fällen vermitteln sie Spass und Faszination. Anwendungen können aber auch zu einem besseren Verständnis von Problemstellungen führen, die anderen Bereichen (und Wissenschaften) angehören und interessante Erkenntnisse zur Folge haben. Sie zeigen, wie Mathematik eingesetzt wird, um Strukturen zu erkennen und Denkmodelle zu schaffen. Eine solche Haltung wird im Unterricht hauptsächlich gegenüber der Physik eingenommen, und das natürlich mit einigem Recht - Physik ist neben Mathematik eine der formalisiertesten Disziplinen. Mathematik ist in gewisser Weise die Sprache, in der ihre Gesetze formuliert werden, und es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass MathematiklehrerInnen mit physikalische Grundvorstellungen vertraut sein sollten. Weniger wahrgenommen wird im Schulbereich die Bedeutung, die die Mathematik für die Grundlagen der modernen Biologie besitzt. Während etwa der Begriff der Beschleunigung und die Beschreibung physikalischer Bewegungsabläufe zum allgemeinen Repertoire auch von NichtphysikerInnen zählt, ist den NichtbiologInnen wohl weniger bekannt, welche - ebenfalls mathematisierbaren - Gesetzmäßigkeiten die Evolution des Leben ermöglichen. Hier ergibt sich ein Defizit, das auszufüllen ein wesentliches Anliegen dieser Lehrveranstaltung und des Online-Skriptums ist (wiewohl ich keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebe). Darüber hinaus werden auch andere Themen, die für Jugendliche interessant sein können, behandelt. Jenen, die sich mehr Physik gewünscht hätten, kann ich meine Seiten Physik für Nicht-PhysikerInnen anbieten.

Vom methodischen Standpunkt betrachtet, bereitet das Thema der außermathematischen Anwendungen ein gewisses Dilemma. Letztere sind oft der disktreten Mathematik zuzuordnen, während traditionellerweise im Unterricht Konzepte überwiegen, die sich an der Analysis orientieren. Im Hinblick darauf, dass die diskreten Aspekte der modernen Mathematik mittelfristig auch im Unterricht an Bedeutung gewinnen werden, habe ich mich an einem roten Faden orientiert, der sich durch fast alle Abschnitte zieht: die Darstellung von Themen unter dem Blickwinkel der Verwendung von Graphen. Dabei geht es nicht darum, ausgefeilte Techniken heranzuziehen, sondern in erster Linie um eine (in den ersten Abschnitten entwickelte) klare Sprache, die eine Art begrifflicher Klammer über die verschiedenen Inhalte darstellt. Darüberhinaus verlässt die Darstellung den Rahmen der "Standardmathematik" (wie z.B. die Hantierung mit Gleichungssystemen und die Anwendung elementarer Wahrscheinlichkeitsrechnung) kaum. Hier eine ungefähre Übersicht über die mathematischen Begriffe und Techniken, die in den einzelnen Abschnitten hauptsächlich zum Tragen kommen:

Abschnitt Begriffe und Techniken
Graphen Präzise Definition mathematischer Begriffe, Graph, Menge, Funktion auf einer diskreten Menge, Menge von Funktionen.
Spaziergänge und Buslinien

Definition mathematischer Begriffe, mathematische Beweisführung, Anwenden eines mathematischen Satzes, Graph (auch komplexer Struktur), geometrische Anschauung bei der Analyse von Graphen.

Von Bäumen, Wurzeln und Blättern,Tieren und Menschen  Formulieren und Anwenden eines Algorithmus, Graph.
Bewertung von Webseiten durch Google Graph (auch komplexer Struktur), Funktion auf einer diskreten Menge, lineares Gleichungssystem in n Dimensionen, Matrizen, Formulieren und Anwenden eines Algorithmus in mehreren Variablen (vertiefend: mathematische Beweisführung, lineare Algebra, Matrizen, Inverse einer Matrix, Eigenwerte einer Matrix).
Der Bayessche Satz der Wahrscheinlichkeitsrechnung Wahrscheinlichkeitsrechnung, bedingte Wahrscheinlichkeit, Graph (Baumdiagramm), Zufallsprozess, Satz von Bayes.
Kann man Quantenzustände messen? Wahrscheinlichkeitsrechnung, Satz von Bayes (vertiefend: Normalverteilung, uneigentliches Integral über eine Gauß-Funktion).
Mendel und die Mathematik der Vererbung Wahrscheinlichkeit, binomische Formel (vertiefend: Extremwertaufgabe).
Verwandtschaft 1 Graph (auch komplexer Struktur), Wahrscheinlichkeitsrechnung, bedingte Wahrscheinlichkeit, Definition mathematischer Begriffe.
Verwandtschaft 2 Graph (auch komplexer Struktur), Wahrscheinlichkeitsrechnung, bedingte Wahrscheinlichkeit, Definition mathematischer Begriffe
Bedrohte Arten, das Schicksal von Genen
und der Zufall in der Evolution
Graph (auch komplexer Struktur), Abwägen der Vor- und Nachteile zweier Szenarien, Zufallsprozess, Wahrscheinlichkeitsrechnung, iteratives Wachstumsmodell in mehreren Variablen, Grenzwert, asymptotisches Verhalten einer Folge (vertiefend: Schwankung einer Wahrscheinlichkeitsverteilung, Plotten einer Zufallsfunktion).
Eva, Ursula und Adam Graph, Zufallsprozess (Galton-Watson-Prozess), Wahrscheinlichkeitsrechnung, iterativ definierte Folge, Grenzwert, asymptotisches Verhalten einer Folge, mathematische Beweisführung, Hantieren mit Näherungen.

Einige grundlegende Techniken ziehen sich durch alle Abschnitte: das Hantieren mit Variablensymbolen und Formeln, elementare Rechentechniken wie die Verwendung von Potenzen, die Summenschreibweise und das Aufstellen, Diskutieren und Anwenden von Modellen. Bei der Aufbereitung von Themen für den Unterricht mag es je nach den konkreten Umständen sinnvoll sein, die Dichte dieser sowie der in der Tabelle aufgelisteten Techniken abzuschwächen.

Durch das Ausmaß der Durchdringung einzelner Themen habe ich versucht, der zunehmenden Wichtigkeit projektartigen und fächerübergreifenden Unterrichts Rechnung zu tragen. In der Regel ist eine gewisse inhaltliche Vorarbeit zu leisten, um überhaupt an die interessanten Fragestellungen heranzukommen. Aus den behandelten Themen werden sich daher nur selten kurze, in den Unterricht eingestreute Anschauungsbeispiele extrahieren lassen. (Für solche sind Schulbücher und die vorhandene didaktische Literatur gute Quellen). Ob das Grundverständnis für eine außermathematische Themenstellung im Mathematikunterricht vorausgesetzt werden darf oder (beispielsweise in fächerübergreifender Kooperation) erarbeitet werden muss, mag von den konkreten Bedingungen abhängen. Ist es aber einmal vorhanden, so ergibt sich in der Regel eine reichhaltige Palette an Anwendungsmöglichkeiten.

Was den Schwierigkeitsgrad betrifft, so ist mir in erster Linie die Darlegung der Inhalte für Studierende ein Anliegen. Insofern werden keine fertigen Rezepte für den Schulgebrauch geliefert. Manches wird 1:1 den SchülerInnen einer AHS-Oberstufe zuzumuten sein, anderes nur in glücklichen Ausnahmefällen. Es versteht sich von selbst, dass Anpassungen an die im Unterricht bestehenden Möglichkeiten (Vereinfachungen, Vertiefungen) von den Lehrenden vor Ort selbständig vorgenommen werden müssen.

Ich hoffe, meinen HörerInnen zumindest einiges an Neuem und Interessantem vermitteln und Anregungen für ihre spätere Berufspraxis geben zu können.


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