Didaktik der Schulkartographie ?

Neuere Entwicklungen und Perspektiven am Beispiel der

Kartendarstellungen in Atlanten u. Schulbüchern

 Armin HÜTTERMANNs  Rezeption von F. ALTEMÜLLERs Thesen ...

(Auszug aus: Materialien z. Didaktik der Geographie H. 16, Festschrift für W.Sperling T.2 , 

Hrsg v. H.P. Brogiato u. H.M. Cloß,  Universität Trier 1992, S. 305-315

S. 309 ff ...

3. Daraus resultierende Probleme (Anm.: pro und contra Fallstudienkarten in Schulbüchern und Atlanten - 

    und F. ALTEMÜLLER 1990)

...

Die Abwägung pro und contra Fallstudien-Karten in Schulbüchern und Atlanten führt sicher dazu, die bessere Einbindung der Karten in Schulbüchern zu akzeptieren. Eine logische Konsequenz wäre, Schulbuch und Atlas in eine Art Arbeitsteilung zu bringen, so, dass jedes Lehrmittel optimal gestaltet und eingesetzt werden kann.

Die Folge könnte lauten:

      *        einmal verwertbare Karten passgenau ins Schulbuch,

      *        mehrfach zu nutzende Karten in den Atlas.

...

Aber:     

#      sind solche Trennungen scharf abzugrenzen ?

      #      ist es sinnvoll, auf die Vielfalt der Atlaskarten, die zur Zeit existieren, zu Gunsten eng umgrenzter, von den Schulbuch- 

             autoren vorgegebener Wege zu verzichten, bei denen man eben immer nur auf „passgenaue Karten“ angewiesen ist ?

      #     Bringen Überschneidungen nicht auch neue unterrichtliche Möglichkeiten, wenn z.B. Karten ohne aufbereitete Materialien

             eingesetzt werden ?

 

Eine Fehlentwicklung dürften wohl Karten im Schulbuch sein, die komplexe Themenübersichten darstellen (z.B. Klimakarten). Man könnte sich allenfalls vorstellen, dass sie in ihre kartographischen Teilelemente zerlegt, jeweils in den entsprechenden Inhaltsbereichen erarbeitet und anschließend in einer Zusammenschau vollständig behandelt (abgedruckt) werden.

Eine Besonderheit der Schulbuchkarte ist, dass sie auf die Unterrichtssituation und den Adressanten zugeschnitten werden kann. Während die Atlaskarte hier nicht differenziert, sondern möglichst viele Alters- und Schülergruppen ansprechen soll (und sich dabei häufig am Gymnasium orientiert), könnte z.B. die Schulbuchkarte für den 11jährigen Hauptschüler, den 13jährigen Realschüler oder den 15jährigen Gymnasiasten gezielt entworfen werden.

Doch wie eigentlich – kartographisch – differenzieren ? Das führt zurück zum Thema kartographischer Differenzierung, jetzt unter didaktischen Kriterien:

.

Eine didaktische Differenzierung z.B. könnte nach folgenden Kriterien vorgenommen werden:

 

Untersucht werden müsste viel stärker, wann wie welche Kriterien relevant werden. Ist es z.B. einfacher für einen Schüler, mit einer elementar-analytischen, einer komplex-analytischen oder einer synthetischen Karte zu arbeiten ?  Man kann annehmen, dass analytische Karten (reine Verbreitungskarten einzelner Elemente) am einfachsten ausgewertet werden können . „Komplexität“ ist wohl ein entscheidendes Kriterium. Aber wie sieht es mit synthetischen Karten aus, deren Darstellung ja wenig komplex ist ? Kann z.B. die Klimakarte der Atlanten nicht vom Schüler spontan so gesehen werden, wie eine Höhenschichtenkarte ? Der Zugang wird hier leichter fallen als bei einer komplexen Wirtschaftskarte; dennoch wissen wir natürlich, dass gerade im tieferen Verständnis der synthetischen Karte die Probleme stecken, in der inhaltlichen Füllung der jeweiligen Begrifflichkeit. Wäre demnach eine Progression: Höhenschichtenkarte – Klimakarte sinnvoll, also ausgehend von der Darstellungsweise die steigenden Anforderungen an die inhaltliche Füllung berücksichtigend ?

Solche und ähnliche kartendidaktische Fragen sind bisher kaum diskutiert worden. Die Geographiedidaktiker haben sich um die Einführung in das Kartenverständnis gekümmert und dazu viel publiziert; wie es dann aber in der Schule weitergehen soll, bleibt offen bzw. dem Lehrer überlassen. Die Flut neuer Karten in Atlanten und Schulbüchern und die gleichzeitig vielfältigeren Ausdrucksformen wurden kaum didaktisch aufgearbeitet.

Es geht ja nicht nur darum Schulbuchkarten „passgenau“ zu machen, sondern darum, wie kann ich z.B. die oben angedeutete kartendidaktische Progression beim Schüler erreichen ?

 4. Konsequenzen für Atlas und Schulbuch

Das vordergründige Ergebnis ist natürlich, dass zu vermuten ist, dass es zu einer Arbeitsteilung zwischen Schulbuch und Atlas kommen wird, bei der funktional differenziert wird.

Danach wird der ATLAS:

Schließlich meine ich, dass kartendidaktische Themen vermehrt Eingang finden müssen sowohl in das Schulbuch als auch in den Atlas. Naturgemäß muss hier der Atlas – als Kartensammlung – die Hauptlast tragen. Er wird eine Kartenkunde anbieten müssen (A.H. nennt hier beispielsweise die 10 Seiten am Beginn von Hölzel’s Österreichischen Unterstufenatlas Auflage 1989), die über das hinausgeht, was bisher geboten wird.

...

Und die Schulbuchkarte ? Wird  genau dort perfektioniert, wo es in Ansätzen heute bereits geschieht: Einbindung, schüler- und themengerechte Passgenauigkeit, Aktualität. Dabei soll sich das Schulbuch auf Fallstudien konzentrieren und allenfalls einschichtige, einfache, themenbezogene Übersichtskarten anbieten, die zum Aufbau komplexerer Karten im Atlas hinführen.

 

5. Konsequenzen für eine Didaktik der Schulkartographie

...

Aus meiner Sicht müssen folgende Fragen geklärt werden:

Alles das blieb bisher offen und wird erst durch die kartendidaktische Spezialisierung in den Schulbuchkarten deutlich.

Als übergeordnetes Ziel des Geographieunterrichts wird von „Raumverhaltenskompetenz“ gesprochen. Bezogen auf ein Ziel „selbstständiger Umgang mit Karten“ wäre daher eine kartographische Kompetenz“ (Kartenkompetenz) zu fordern.

 

Eine solche Kartographische Kompetenz, die der Schüler im Laufe seiner Schulzeit erwerben sollte, müsste aus mehreren Aspekten bestehen, zunächst aus den Fähigkeiten/Fertigkeiten

BEIDES gehört zusammen, „learning by doing“ ist immer noch am nachhaltigsten. Eine solche „aktive“ und „passive“ kartographische Kompetenz greift teilweise ineinander:

Die Auswertung fremder Karten (vgl. Schema v. HÜTTERMANN 1990) kann zur Anfertigung eigener Karten führen. 

Komplexe Atlaskarten werden reduziert in einfache analytische Darstellungen, aber auch aus analytischen und komplexeren Karten werden synthetische Schülerkarten erstellt. (Anm.Ch.S. Wie uns das – als Prüfungsanforderung ! – in den französischen lceé-Géo-Schulbüchern vorexerziert wird !) 

Ein neuere Entwicklung ... es wird nicht lang dauern, bis Schüler vor dem Computer sitzend, mit geeigneter Software in Sekundenschnelle sich eigene Karten herstellen. (Anm. Ch.S. : wie heute schon bei Diagrammen mittels Excel). Wenn man die Produkte solcher Computerkartographie aus Laienhand kennt (Anm.Ch.S. vgl. die oft von Gebrauchsgraphikern in Zeitungen so erstellten Diagramme oder Kartodiagramme !), weiß man, was kartographische Kompetenz als Lernziel auch in der Schule bedeuten könnte !

Die kritische Auseinandersetzung mit kartographischen Produkten bezieht sich auf die topographische Grundlagen (Anm. Ch.S. – die Netze ), die Lesbarkeit die Farbwahl, die Signaturen, die Auswahl der dargestellten Inhalte u.v.a.m. ...

...

Lernen ÜBER Karten ist genauso wichtig wie Lernen MIT Karten und damit Ziel des Geographieunterrichts. Wichtig ist nicht nur das Lernen des methodischen Instrumentariums (Wie werte ich Karten aus), sondern auch das Lernen kartographischer Grundsätze und Methoden. Es sollte jetzt aber nicht ein eigenständiger Kartographiekurs in den Geographieunterricht eingebaut werden, sondern „Bausteine“ zur kartographischen Kompetenz sollten situativ geliefert werden – auf Grund kartendidaktischer Vorgaben. Und die Didaktik muss ein solches Kartencurriculum liefern, dazu Ziele formulieren, Fragen und Progression klären, ein methodisches Instrumentarium bereitstellen.

 

 

( Lit.: ergänzend dazu Ch.Sitte  (2000) Das GW Schulbuch ...)

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Ch.S. 2002

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