Grundlagen für den Geographie und Wirtschaftskundeunterricht in der Unterstufe, die sich nach dem neuen Lehrplan 2000 aus dem Fach Mathematik ergeben

Was GW-Lehrer wissen sollten, worauf sie in ihrem Unterricht als Vorleistung „bauen“ können – und bei welchen Bereichen sie (unnötigerweise) der Mathematik vorgreifen und methodisch elementarisieren sollten :

 

PAUKNER Michaela (Fachdidaktisches Proseminar Sitte/Wohlschlägl Uni Wien SS 2001)

1.      EINLEITUNG

Wie wichtig Querverbindungen der Geographie und Wirtschaftskunde zu anderen Unterrichtsgegenständen sind, zeigt sich deutlich am Beispiel der Mathematik.

In der schriftlichen Abhandlung "Mathematik ist überall - aber wer merkt das schon!"

(Neuzert H., Schulz-Reese M., 1990) wird zur Bedeutung der Mathematik festgestellt:

 

"An Mathematik denken die meisten Menschen zuletzt, wenn sie mit moderner Technik in Berührung kommen ... Auch im 20. Jahrhundert ist Mathematik für viele so etwas wie eine Geheimwissenschaft, der man vielleicht einen gewissen, mit leichtem Gruseln durchsetzten Respekt entgegenbringt ... Welchen entscheidenden Beitrag die Mathematik heute bei der Lösung komplexer technischer, ökonomischer oder ökologischer Fragestellungen leistet, wird in der Öffentlichkeit kaum gesehen .. Dabei sind mathematische Beschreibungen und komplizierte Berechnungen bei der Lösung technischer Probleme nichts grundlegend Neues.

Neu ist jedoch der Umfang, den die Arbeit am mathematischen Modell heute bereits in der industriellen Forschungs- und Entwicklungsarbeit einnimmt. Kosten- und zeitaufwendiges Experimentieren sowie der Bau einer Vielzahl von Prototypen für die Realisierung technischer Aufgaben treten heute immer mehr in den Hintergrund. Das Verhalten hochkomplizierter technischer Systeme wird in verstärktem Maße mathematisch beschrieben, auf dem Computer simuliert, berechnet und optimiert ... Es ist somit keine Übertreibung zu sagen, dass Mathematik in gewissen Sinne überall anzutreffen ist ... Und es lassen sich dabei nicht nur Probleme finden, die interessant sind für die mathematische Forschung und Lehre an den Hochschulen, sondern durchaus auch für die Schule geeignet sind."

 

Die Mathematik ist vor allem durch den Fortschritt in der Technik immer wichtiger geworden. Hinter diesen Techniken steht ein mehr oder weniger komplexes System, welches durch die Mathematik beschrieben wird. Die Mathematik spielt aber auch in der Wirtschaft eine große Rolle. Diese nimmt einen wesentlichen Part innerhalb des Geographieunterrichts ein. Bereits hier wird man mit Wörter wie z.B.: Nutzen, Kosten, Gewinn, ... usw. vertraut gemacht.

 

 Nun stellt sich aber die Frage:

·         Welche mathematischen Anforderungen werden an die Schüler im GW-Unterricht in der Unterstufe gestellt?

·         Sind diese Anforderungen auch im Lehrplan der Mathematik verankert? D.h. welcher Stoff wird in welcher Schulstufe behandelt?

.         Welche Vorbildung hinsichtlich der Mathematik haben die Schüler bzw. welche sollten sie haben?

Durch eine Analyse der neuen Schulbücher für das Fach Geographie und Wirtschaftskunde sowie der neuen Mathematikbücher soll einerseits versucht werden, die oben formulierten Fragen zu beantworten, andererseits soll auch auf verschiedene sich daraus ergebende Probleme in den einzelnen Schulstufen der S I hingewiesen werden.

 

Der größte Teil der Arbeit wird vom Lehrstoffanforderungen der 1. Klasse eingenommen.

 

Als Interpretation des neuen Lehrplan 2000 (bzw. bei "gemeinsamlernen.at" ) gilt, meiner Meinung nach, das sehr weit in den Schulen verbreitete Mathematik-Buch von Reichel, H. C.: Lehrbuch der Mathematik 1 und 2 ( Hpt-ÖBV Wien). Die Bände 1 und 2 erfüllen den neuen Lehrplan und sind auch völlig auf ihn eingestellt. Die Bände 3 und 4 sind noch nicht konform mit dem neuen Lehrplan 2000 für Mathematik.

In dem Buch findet sich in der Lehrerausgabe ein Vorschlag für eine Jahresplanung, die unverbindlich ist, wobei aber die Lehrstoffverteilung dem methodischen Aufbau des Schulbuchs entspricht.

Dennoch muss man erwähnen, dass sich der Aufbau der Bücher (vor und nach der LP Reform 2000) nicht wirklich schwerwiegend verändert hat, da die Mathematik ein aufbauendes Fach ist. D.h. also, dass man vorerst das "Werkzeug" bzw. das "Umgehen mit dem Werkzeug" lernen muss, bevor man dieses Wissen weiter einsetzen kann.

In der Mathematik kann man an und für sich nur sehr wenige Kapitel vertausche, da Sachverhalte meist aufeinander aufbauend abgehandelt werden.

 

  

2. DER NEUE LEHRPLAN 2000 FÜR MATHEMATIK

Fachlehrplan für Mathematik:

 

Der Lehrplan der Mathematik ist von Bedeutung, da festgestellt werden soll, welche mathematischen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse von den Schüler bzw. Schülerinnen im Geographie und Wirtschaftskundeunterricht verlangt bzw. vorausgesetzt werden und inwiefern diese durch den Lehrplan der Mathematik in den einzelnen Schulstufen gedeckt sind.

Es ist jedoch nicht nur von Bedeutung, OB ein bestimmtes Stoffgebiet auch im Lehrplan der Mathematik der jeweiligen Schulstufe verankert ist, sondern es ist vor allem auch zu berücksichtigen, WANN – also ob dieser Stoff bereits am Anfang des Schuljahres oder erst am Ende behandelt wird. In vielen Fällen ist so eine Zuordnung problemlos möglich, da es sich bei der Mathematik einerseits - wie bereits erwähnt - um ein aufbauendes Stoffgebiet handelt, andererseits existieren zu einzelnen Schulbüchern der Mathematik Begleithefte, die eine relativ allgemein akzeptierte und ähnliche Jahresplanung und auch Differenzierungshinweise enthalten.

Dies ist auch in dem oben angeführtem Buch von Reichl, H.C. der Fall.

 

Man muss sagen, dass der neue Lehrplan 2000 den Lehrer/innen große Freiräume zur Gestaltung des Unterrichts einräumt. Er verpflichtet sie aber auch, diese zu nützen. Dem größeren Freiraum steht die Notwendigkeit größerer Planungsarbeit gegenüber. Diese betrifft jeden einzelnen Lehrer/in sowie auch das gesamte Lehrerteam einer Schule.

Die wesentlichen Neuerungen im Lehrplan 2000 lassen sich wie folgt zusammenfassen:

 

1)      nicht mehr ein Rahmen-, sondern ein Minimallehrplan

2)      neue Freiräume für die Schule

3)      Kern- und Erweiterungsbereich

4)      Bildungsbereiche wurden formuliert. (z.B. bei M )

 

Von etwa 127 Stunden Mathematik pro Jahr entfallen lt. Verordnung etwa 85 Stunden auf den Kernbereich und 42 Stunden auf den Erweiterungsbereich, den jeder Lehrer nach bestimmten Richtlinien eigenständig (oder schulintern) auszufüllen hat.

 

 

 

Grundlegende Fakten zum Erweiterungsbereich:

 

Der Erweiterungsbereich, der laut Lehrplan etwa ein Drittel der Unterrichtszeit umfassen soll (vgl. zu EB in Geographie und Wirtschaftskunde bei SITTE Ch. 2001), ist kein eigenständiges Kapitel im Schulbuch und besteht auch nicht aus deutlich abgegrenzten Stoffteilen.

Beim Erweiterungsbereich kann und soll es sich um Vertiefungen handeln, um zusätzliches Aufgabenmaterial, um einen Ausbau eines Kapitels, einen anderen Zugang, um zusätzliche Argumentationen oder Ähnliches.

Der neue Lehrplan betont die Praxisbezogenheit in einem sehr großen Maße.

Das Schulbuch soll Ansätze und Anregungen für praxisorientierte Beispiele enthalten, kann jedoch keine erschöpfende Auswahl des Erweiterungsbereiches bieten. Oft handelt es sich um Vertiefungen und Erweiterungen, die sich durchaus im Lehrbuch finden, dennoch werden die Lehrer und Lehrerinnen durchaus aufgefordert andere Quellen heranzuziehen, möglicherweise etwa aus außerschulischen (Fortbildungs-)Veranstaltungen oder fächerübergreifend, etwa aus dem zweiten oder dritten Studienfach.

Quellen hierfür finden sich in Büchern, Zeitungen, Statistiken, Tabellen oder ähnlichen Unterlagen.

 

Im Lehrplan 2000 finden sich im Kapitel 5 auch konkrete Anregungen zum Erweiterungsbereich für Mathematik wieder. Es wird stets darauf hingewiesen eine fächerübergreifende Behandlung mathematischer Themen durchzuführen. Es werden Anregungen zu Bildnerischer Erziehung, Biologie, Chemie, Deutsch, Fremdsprachen, Geschichte und Sozialkunde, Geographie und Wirtschaftskunde, Geometrisches Zeichnen, .... usw. gegeben.

 

Im Text zu Geographie und Wirtschaftskunde findet sich Folgendes Zitat:

 " Sowohl die klassische "Erdkunde" als auch die moderne Wirtschaftskunde bieten mannigfache Überschneidungen mit dem Fach Mathematik. Denken wir nur bei letzterer an das Interpretieren von graphischen Darstellungen z. B. aus der Bevölkerungsstatistik, überhaupt das Aufbereiten und Analysieren von Datenmaterial. Die Statistik spielt hier also eine gewichtige Rolle (unerschöpfliche Quelle für statistische Darstellungen sind Zeitungen, Jahresberichte, z.B. die alljährlich erscheinenden Unfallstatistiken aus der Reihe "Verkehr in Österreich", herausgegeben vom Kuratorium für Verkehrssicherheit, etc.), ebenso das Modellbilden in außermathematischen Situationen.

Die Topographie (gerade Österreichs) wird auch mit mathematischen Hilfsmitteln beschrieben (z.B. die Steigung einer Straße)."

 

  

 

3.      ABHANDELN DER EINZELNEN KLASSEN

 

1.    Klasse:

 

·        Der Maßstab

 

Im Lehrplan für Geographie und Wirtschaftskunde heißt es im Themenkreis "Ein Blick auf die Erde" wie folgt:

 

"Erwerben grundlegender Informationen über die Erde mit Globus, Karten und Atlas. Erkennen, dass Karten mit unterschiedlichen Maßstäben unterschiedliche Informationen enthalten ... Arbeit mit der Maßstabsleiste und dem Suchgitter ...."

 

Zu bedenken ist aber:

Der Maßstab wird in der Jahresplanung zum neuen Lehrplan 2000 erst im April im Mathematikunterricht durchgenommen. Wird er in GW früher benötigt ist der methodische Einfallsreichtum des GW-Lehrers gefordert (s.u.)

Im Mathematikunterricht dieser 5. Schulstufe werden vor allem die in der Grundschule erworbenen Fertigkeiten, Kenntnisse und Einsichten im Umgang mit natürlichen Zahlen gefestigt, erweitert und vertieft.

 

Zuerst wird der Zahlenstrahl am Beginn des 1. Klassen-Jahres nach Abhandeln des Kapitels „Zahlen“ durchgenommen. Entweder wird er noch im September oder am Beginn Oktober durchgenommen. Die Schüler lernen eine Einheit auf einem Zahlenstrahl aufzutragen und diese dann bis zum a-fachen aufzutragen, bis der Zahlenstrahl als Produkt daraus entsteht.

Neben dem Zahlenstrahl werden Bilder von Messgeräten (z.B.: Lineal, Thermometer,

Waage, .usw.) abgebildet, um so eine Assoziation zu alltäglichen Dingen herzustellen.Da der Maßstab (als Zahlenangabe) in der 1. Klasse erst in der zweiten Jahreshälfte im Unterricht durchgenommen wird, kann man den Maßstab mit Hilfe des Zahlenstrahles im GW-Unterricht sehr gut umgehen.Da die Schüler bereits mit dem Zahlenstrahl umgehen können, sollen sie einfach die vorgegebene Maßstabsleiste abmessen und die Vielfachen der Einheit ablesen. Somit könnte man geschickt die Maßstabsberechnung umgehen, aber dem Schüler bzw. der Schülerin dennoch das Operieren mit verschiedenen Größen ermöglichen. 

Diese Technik wird bereits in anderen Fächern wie z. B.: Handarbeiten oder Werkerziehung viel früher eingesetzt.

 

Trotz der Tatsache, dass der Mathematiklehrplan den Umgang mit dem Maßstab noch nicht "erlaubt", wird in den Geographie und Wirtschaftskundebüchern mit dem Maßstab bereits in Kapitel 1 operiert.

Jedoch nicht ohne Grund, wie der nachfolgende Absatz zur Bedeutung des Maßstabes aus dem Lehrerbegleitheft zu Leben und Wirtschaften 1 (Hg. W.Sitte u.a., Lehrerheft 1989, Seite 1) zeigt:

"Wer mit Karten arbeitet, muss die Bedeutung des Maßstabes kennen. Vom Maßstab hängt grob gesagt, der Informationsgehalt einer Karte ab. Wer beispielsweise mit einer Autokarte im Maßstab 1:1 000 000 im Stau beim Grenzübergang Walserberg steht, wird als Ortskundiger nicht über den Grenzübergang Bayrisch Gmain, der auf der Autokarte

1: 250 000 eingetragen ist, ausweichen können."

 

Ein gutes Beispiel für die Zuhilfenahme des Zahlenstrahls für den Geographieunterricht  findet sich – nachdem es in „Leben und Wirtschaften 1“ leider mittels außereuropäischer Beispiele vom Prinzip her vorgezeigt worden war – im Schulbuch  Horizonte 1 (Hg. Böckle, Hitz u.a., 1. Auflage 1994, Ed. Hölzel) auf Seite 7 wieder:

Neben den groß- bzw. kleinmaßstäbigen Kartenausschnitten von Österreich, die unmittelbar untereinander stehen, befindet sich eine angepasste gelbe Maßstabsleiste in der Art eines gelben Maßbandes. Wenn die Schüler bzw. Schülerinnen bereits den Zahlenstrahl im Mathematikunterricht gelernt haben, so ist es damit sehr einfach für die Schüler bzw. Schülerinnen nachzuvollziehen, ob es sich nun um eine kleinmaßstäbige (= Österreich auf kleiner Fläche) oder großmaßstäbige Karte (= dasselbe Österreich auf großer Fläche) handelt.

 

Das Buch hält aber diese Art der Maßstabsumschreibung nicht durchgehend ein.

Auf Seite 11 ist weder eine Maßstabsleiste noch ein Maßstab angegeben. Ein methodisch/didaktischer Grundfehler, der sich leider (Lektoratsfehler oder Unwissenheit der Bedeutung von Maßstabsleisten für die Raumvorstellungsentwicklung bei den Schülern ?) durch viele Kartenabbildungen in unseren GW- (aber auch GS-) Schulbüchern durchzieht (auch in einem 4. Band eines 2001 beim gleichen Verlag neu herausgekommenem Hauptschulbuch – worin bei 48 Nicht-Weltkarten bei 31 jegliche Maßssstabsangabe fehlt – trotz Approbationsvermerk vom 10.11.00 !!!

 

 

Ein weiteres – fachdidaktisch durchaus negatives Beispiel für das Umgehen mit dem Maßstab stellt das GW-Buch Blickpunkt Erde 1 (Hg. Klappacher, Fischer, 6. Auflage 1999, Veritas Verlag Linz) dar. Anfangs arbeitet man zwar mit einer Maßstabsleiste, die sehr einfach für die Schüler bzw. Schülerinnen zu verstehen und nachvollziehbar ist. Doch bereits 4 Seiten weiter befindet sich eine Österreichkarte, die im Maßstab 1 : 4 200 000 gezeichnet ist. Das es sich hier um einen völlig unsinnigen Maßstab handelt, liegt wohl auf der Hand. Dieser Maßstab resultiert aber offenbar aus der Tatsache, dass man die Karte im Satzspiegel nicht über die Randspalte hinaus zeichnen wollte, da dieser für wichtige Wörter bzw. Zusammenfassungen vorgesehen ist. Nachdem die Karte verkleinert wurde, wollte man aber doch irgendwie eine Größenangabe machen, worauf (methodisch in dieser Altersstufe völlig unsinnig) dann erst eine Maßstabszahl berechnet und hinzugefügt wurde – anstelle die simple und methodisch zu diesem Zeitpunkt adäquatere Form der Maßstabsleiste einzusetzen !

 

 

Wird der Maßstab im Mathematikunterricht (der zweiten Jahreshälfte) eingeführt, so geht man von bekannten Plänen aus, die die Schüler bzw. Schülerinnen aus ihrer unmittelbaren Nähe bzw. aus Erfahrungen kennen.

Es kann sich hier um ihr Zimmer oder vielleicht überhaupt um das Klassenzimmer handeln. Zuerst lässt man auch hier die Schüler bzw. Schülerinnen die Seitenlängen abmessen und sie nachher umrechnen.

Des öfteren wird im Mathematikunterricht auch mit dem Zirkel operiert, wenn man den Maßstab methodisch einführt: Die Abstände, die in den Zirkel genommen werden, sind vielfach genauer als Abmessungen und können nachher auf einer Maßstabsleiste abgeschlagen werden. Damit kann man sehr genaue Messungen machen.

Auffällig ist weiters, dass in den Mathematikbüchern nur sinnvolle Maßstäbe verwendet werden, z.B.: Stadtplan – 1 : 25 000, ÖK 50, Autokarte – 1 : 500 000, .... usw., während in den Geographie und Wirtschaftskundebüchern sehr oft unsinnige - wie bereits oben erwähnt - Maßstäbe verwendet werden.

Selbstverständlich enthebt das Messen mit der Maßstabsleiste (auf großmaßstäbigen Karten nur !) nicht den GW-Lehrer ANHAND DER ARBEIT MIT DEM GLOBUS (sei es als Standglobus oder als aufblasbarer Wasserball) seinen Schülern recht früh auch beizubringen, dass Loxodrome und Orthodrome (Großkreis) unterschiedlich projiziert werden und für kleine Maßstäbe nur am Globus und nicht mittels Maßsstableiste ermittelt werden dürfen ! (Eines der drei Bücher zur 5. Klasse AHS von 1996 hat auf den ersten 22 Seiten neun Weltkarten bei denen das die unkommentiert (d.h.ohne Hinweis auf Gültigkeit der abgebildeten Maßstabsleiste nur beim Äquator !) so gestaltete Form förmlich suggeriert !

 

·      

  Veranschaulichen und Darstellen von Zahlen

 

 

 a)      Kreisdarstellung als Abbildung

 

In den Geographie und Wirtschaftskunde-Büchern werden Kreisdarstellungen schon sehr früh als Abbildung gewählt (z.B.: Gewichtung von Meer und Land auf der Erde).

Diese Art der Darstellung (für Bruchteile und Prozentanteile) mit Hilfe von Kreisen sind in der 1. Klasse problematisch, da die Schüler mit dem Kreis und mit Brüchen erst sehr viel später im Mathematikunterricht konfrontiert werden.

Laut dem neuen Lehrplan wird der Kreis zwar schon früher: in der ersten Hälfte des

Schuljahres, im Jänner behandelt - im Gegensatz zu früher, wo er erst gegen Ende des

Schuljahres durchgenommen wurde.

Dennoch ist das relativ spät, da die Schüler bzw. Schülerinnen im GW-Unterricht

oft in den Schulbüchern schon sehr früh im Schuljahr damit konfrontiert werden.

Methodisch könnte man auch diese Darstellungsform durch eine variierte Form des Zahlenstrahls ersetzen: Wenn man den Zahlenstrahl als Band annehmen würde, so könnte man prozentuelle Anteil durch Längen darstellen. Hier ist es gar nicht einmal nötig von Prozentanteilen zu sprechen. Man könnte die Längen einfach von den Schüler bzw. Schülerinnen abmessen lassen. Hierbei könnte ein Papierstreifen, auf dem eine Einheitsstrecke aufgetragen ist, an die Abbildung anlegen und die Vielfachen der Einheitsstrecke einfach ablesen.

 

           In der Mathematik gibt es aber Methoden wie man auch bereits mit Prozentanteilen operieren kann,

           auch wenn man noch kein Vorwissen auf dem Gebiet der Prozentrechnung hat !

           Dies geschieht wie folgt:

 Man zeichnet ein Einheitsquadrat (Länge: 1 cm, Breite: 1 cm). Dann zählt man einfach ab, wie oft dieses Einheitsquadrat in z.B. ein Rechteck (Länge: 3 cm, Breite: 2 cm) passt. Insgesamt passt das Einheitsquadrat 6 Mal in dieses Rechteck. Somit weiß man, dass dieses Rechteck aus 6 Teilen besteht und einen Flächeninhalt von 6 cm² aufweist.

Nun kann man einen gewissen Anteil der Einheitsquadrate im Rechteck berechnen, indem man diese gekennzeichneten Quadrate einfach abzählt. In diesem Rechteck sind

3 Quadrate gekennzeichnet, d.h. heißt dann, dass 3 Quadrate von insgesamt 6 Quadraten gekennzeichnet sind. Weiters weiß man dann auch, dass genau die Hälfte der Quadrate damit gemeint sind.

(In einem alten österreichischen GW-Schulbuch vor dem Paradigmenwandel 1985, in "Erde-Mensch-Wirtschaft" (Hg. Enzinger u.a. Verl. Ueberreuter Wien 1977) findet man die geschickte methodische Lösung, Prozentwerte für Erstklassler (für die damals üblichen länderkundlichen Staatenvergleiche) mittels 100 Unterteilungen umfassende Quadrate, die dann entsprechend dem Pro-Cent-Wert (C in Association zu den aus der Volksschule bekannten römischen Zahlen, heute wäre ein Vergleich mit der Eurounterteilung ebenfalls ein Elementarisierungsschritt !) abgezählz und angemalt werden sollen.

Auch waagrecht liegende Säulendiagramme eignen sich dazu ganz gut (s.u.).

 

b)      Säulendiagramm

 

Meist sind diese Diagramme offenbar weder von einem Geographen noch von einem Mathematiker gestaltet worden, sondern von einem Layouter.

Diese Graphiken sind dann (Fehler Nr. 1) entweder der Breite des Satzspiegels angepasst, oder (2.) der Breite der Randspalte. Ganz offensichtlich wird bei den Graphiken vor allem auf eine optisch schöne Zusammenstellung der Buchseite Wert gelegt, während die didaktische Komponente völlig in den Hintergrund gedrängt wurde.

Dadurch resultiert die Tatsache, dass die Säulendiagramme nicht maßstabsgetreu sind. Das erweist sich allerdings als sehr schwierig für die Schüler bzw. Schülerinnen, da sie die Säulendiagramme weder abschätzen noch abmessen können.

 

In der 1. Auflage von „Der Mensch in Raum und Wirtschaft 1“(1985, Atschko u.a., Verl. Westermann Wien) brachte man sich um diese methodische Möglichkeit („10 cm = 100mm, 1mm=1 Prozent“), als man die – in vielen Kapiteln als Darstellung der Produktion eines Welthandelsgutes nach Ländern man verwendeten waagrechten Säulendiagramme in der Satzspiegelbreite von 18 cm zeichnete !. Erst in der Auflage 1994 gestaltete man sie in einer (etwas besseren) Länge von 15 cm.

 

Als Mathematiker ist man vielleicht geneigt, alles immer ganz exakt bestimmen zu wollen. Exaktheit ist aber nicht annähernd so wichtig wie die Fähigkeit des Schätzens. Das Schätzen ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn man die Möglichkeit hat, das Ergebnis zu überprüfen. Da die Kontrollmöglichkeit bei manchen Graphiken in den Geographie und Wirtschaftskundebüchern für die Schüler bzw. Schülerinnen nicht möglich ist, wurde dies vermutlich auch nicht beabsichtigt.

Vielleicht wäre in solchen Fällen eine einfache Tabelle als Vergleich besser.

 

c)      Koordinatensystem

 

In fast allen Geographie und Wirtschaftskundebüchern werden Koordinatensysteme als eine von vielen Formen der Darstellung gewählt (z.B. Klimadiagramme u.a.m.).

Dazu ein Auszug aus dem Bereich Statistik des Lehrplans für Mathematik:

"Daten darstellen und aus verschiedenen Darstellungsformen ablesen: Daten (Größen) in Tabellenform und graphisch darstellen (Histogramm, Piktogramm); geeignete, übersichtliche Darstellungsformen wählen.

Aus Tabellen und graphischen Darstellungen (etwa aus Zeitungen) Daten ablesen und Folgerungen ziehen ...."

 

D.h. also, dass der Begriff des Koordinatensystems im Lehrplan der 1. Klasse nicht direkt erwähnt wird, jedoch in Darstellungen mit Histogrammen und Streckendiagrammen gearbeitet wird.

            Erst in der 2. Klasse wird im Lehrplan auf das Darstellen in rechtwinkeligen Koordinatensystemen hingewiesen.

            Aber auch in der 2. Klasse wird nur mit positiven Zahlen sowie Koordinaten gearbeitet. Die negativen Zahlen finden sich erst im LP der 3. Klasse.

 

Dennoch werden in den Geographie und Wirtschaftskundebüchern der ersten und zweiten Klasse bereits Klimadiagramme verwendet. Klimadiagramme sind äußerst komplex und überfordern die Schüler bzw. Schülerinnen erster Klassen sicherlich.

Klimadiagramme nach Walter H. und Lieth H. sind eine häufige und geläufige Möglichkeit einer kombinierten Darstellung von Temperatur und Niederschlag. Diese Kombination ermöglicht eine komplexe Klimainterpretation. Die Temperaturwerte sind auf der linken Ordinate aufgetragen, die Niederschlagsdaten auf der rechten, und zwar im Verhältnis 1 : 2.

Die Tatsache, dass ein Klimadiagramm bis zu 22 Angaben enthalten kann, zeigt deutlich die Komplexität.

 

Da die Schüler bzw. Schülerinnen das Koordinatensystem noch nicht kennen, so ist es ebenfalls sehr schwierig SO die Daten nachvollziehen zu können bzw. überhaupt etwas aus der Abbildung ablesen zu können. Ein derartiges Klimadiagramm ist sehr problematisch, wenn es in der Unterstufe durchgenommen wird, da der Begriff des Koordinatensystems erst mit Hilfe des Funktionsbegriffes in der 5. Klasse Gymnasium eingeführt wird.

Man spricht hier anfangs von Zahlenpaaren und geht erst später auf das Koordinatensystem über. Erst hier lernen Schüler bzw. Schülerinnen mit den Eintragungen genauer umzugehen bzw. auch daraus Schlüsse zu ziehen.

Eine didaktisch korrekte und methodisch adäquate Form der ELEMENTARISIERUNG wäre hier angebracht:

Den Schülern sind aus der Arbeit mit dem Zahlenstrahl Messskalen geläufig.

Im von Didaktiker Wolfgang Sitte maßgeblich bestimmten Schulversuch „gw“ auf der S I in den Siebzigerjahren findet man in den bei Hölzel, Wien (1978ff) geruckten Arbeitsblättern „GW 6“ die auch in den deutschen Schulbüchern des Klettverlags („Terra“) verwendete Form den Jahresgang des Klimas in der Form von 12 roten Thermometerröhrchen abwechselnd mit 12 blauen Messgläsern altersadäquater darzustellen (später dann auch derart im schon oben erwähnten Schulbuch „Leben und Wirtschaften 1“). Vieles haben spätere andere Schulbuchautoren in Österreich aus diesem Schulversuchsunterlagen in ihre eigenen Bücher übernommen – diese methodisch auch korrekt mathematisch elementarisierte Form der Klimavisualisierung – leider – nicht !

 

 

2. Klasse:

 

 ·        Prozentrechnung

 

Im neuen Lehrplan 2000 wird die Prozentrechnung in der 2. Jahreshälfte im April durchgenommen:

"Darstellen von Bruchzahlen, die relative Anteile oder relative Häufigkeiten beschreiben, in Prozentschreibweise und Überführen von Prozentangaben in Bruch- oder Dezimalschreibweise."

"Lösen von Prozentrechnungen (Promillerechnungen) in Verbindung mit Sachaufgaben."

"Relative Häufigkeiten berechnen, auch in Prozentschreibweise darstellen; absolute und relative Häufigkeiten gegenüberstellen; relative Häufigkeiten als Anteile von Flächen darstellen (z.B. Kreisdiagramm) und aus Darstellungen ablesen. Häufigkeitsverteilungen in Punktdiagrammen und Histogrammen veranschaulichen und aus solchen Darstellungen ablesen."

      Prozentrechnen kann aber in manchen Fällen übergangen werden, indem man   

      Schlussrechnungen heranzieht. Schlussrechnungen werden zwar laut Jahresplanung erst

      gegen Ende des Schuljahres gelehrt, dennoch ist die Schlussrechnung teilweise noch von der

      Volksschule her den Schülern bzw. Schülerinnen vertraut.

Bei schwierigeren Aufgaben bzw. Graphiken und Abbildungen mit Prozentangaben kann man jedoch nicht mehr mit Schlussrechnungen operieren.

Vielleicht wäre es in der Geographie und Wirtschaftskunde auch sinnvoll sich an den Mathematikunterricht zu orientieren und die Prozentrechnung erst gegen Ende der 2. Klasse durchzuführen.

 

  Zinsen

 

Die Zinsen- und Zinseszinsrechnung wird in Mathematik erst in der 3. Klasse durchgenommen. Es wird außerdem nicht darauf hingewiesen, dass es eine besondere Art der Prozentrechnung ist. Im Geographie und Wirtschaftskunde Unterricht wird jedoch schon in der 2. Klasse mit Zinsen umgegangen. Dieses PRINZIP der Zinsen können aber sehr leicht elementarisiert werden, indem man von z.B.: Bankkreisläufen ausgeht, wo die Zinsen nur als zusätzliche Münzen dargestellt sind. Der Schüler bzw. die Schülerin weiß dann, dass hier Geld hinzukommt bzw. bei einem Kredit hat man noch zusätzlich zu dem geborgten Geld Münzen zu zahlen. An und für sich genügt diese Einsicht schon längst in der 2. Klasse, da es schon ein recht akzeptables Ergebnis für die 2. Klasse darstellt, wenn sie diese Einsicht haben.

Hier mit Zinsen zu operieren würde die Schüler bzw. die Schülerinnen nur verwirren.

 

Eine erste derartige elementarisierte Darstellung findet man im oben schon erwähnten Schulbuch „Leben und Wirtschaften“ im Band 2 (1988, S. 82).

Sie wurde mehrfach  - wenn auch mitunter falsch (!) kopiert :

„Horizonte“ (Bd. 2, 1991, S. 48) gibt die Bank mehr Sparzinsen als sie Kreditzinsen einhebt,

„Faszination Erde“ (Bd. 2, 1999, S. 53) macht die Bank geradezu astronomisch unverschämte Kreditzinsengewinne !

Auch in „Blickpunkt Erde“ (Bd. 2, 1994, S. 56) ist der wechselseitige Kreislauf des Geldes bei einer Auswertung der visuellen Darstellung mathematisch nicht nachzuvollziehen.

Oder auch detto in der gleichfalls dem Original nur unvollständig nachempfundenen Darstellung in „GW-Module“ (Bd. 2, 2000, S. 64). In „Durchblicke“ (Bd. 2, 2000, S. 83) ist bei der Durchrechnung der abgebildeten Geldmenge Sparen eigentlich ein Verlustgeschäft !

 

 

3+ 4. Klasse:

 

Darstellungen werden komplexer – Vorkenntnisse aus Mathematik sind sehr wichtig!

Hier werden die Punkte nicht explizit angeführt, da erstens alle wichtigen Abbildungsformen und Wörter für den Geographie und Wirtschaftskundeunterricht bereits im Mathematikunterricht vorgekommen sind. Fakt ist, dass die Darstellungen immer komplexer werden. Eine Bewältigung dieser komplexen Darstellungen ist aber nur dann möglich, wenn die „basics“ zur Genüge geübt worden sind, sodass sie auch in anderen Fächern außerhalb der Mathematik angewendet werden können.

Diese den GW-Lehrern – wenn auch nur kurz - bewusst zu machen, war Ziel dieses Beitrags.

 

4.      ZUSAMMENFASSUNG

 

·        In 1. Klasse die Darstellungsformen nicht auf mathematisches Wissen zurückführen

·        für gewisse Darstellungen ist mathematisches Wissen notwendig – der GW-Lehrer soll aber nicht für seine fachlichen Zwecke „Mathematikunterricht halten“ !

·        bessere Absprache  wäre  wünschenswert

·        Mathematik – Geographie aneinander anpassen wäre optimal

·        Oft aber gibt es bei einigem Umsehen in der Literatur ELEMENTARISIERTERE  methodische Darstellungsformen – man muß sie nur aufspüren !

·        Maßstab könnte man sicherlich schon früher einführen – nach Übungen am Zahlenstrahl !

·        Zinsen in 3. Klasse verlegen

·        Gegenseitige Rücksichtsnahme wäre wünschenswert !!

·        Zuerst Dinge in der Mathematik lernen und üben – und dann erst in anderen Gegenständen einsetzen!

 

Literatur:

Die oben erwähnten Schulbücher (Schulbuchliste unter http://www.bmuk.gv.at/pserv/schulb.htm  AHS Schulbuchliste mit der Nummer 1000/1100 )

Ferner bin ich Ideen verpflichtet in der Arbeit von

MOSCHARNIK H.: Mathematische Grundlagen für den GW-Unterricht in der Unterstufe. Abschlußarbeit aus dem fachdidaktischen Proseminar bei Sitte Ch./Wohlschlägl H., am Institut für Geographie an der Universität Wien,  Sommersemester 1993 (unveröffentlicht).

 

 

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